Der schmale Band enthält nach einer Einführung der Herausgeber sechs Aufsätze zu Bibelübersetzungen in der Kirchengeschichte, weil es bisher keinen monografischen Überblick zu Übersetzungen in diverse Sprachen gibt. Am Schluss werden die beteiligten Autoren, die alle im akademischen Bereich tätig sind, etwas ausführlicher vorgestellt.
Der Katholik T.J. Bauer beschreibt in Streiflichtern die Geschichte der lateinischen Bibel Von der Vetus Latina bis zur Nova Vulgata. Das Lateinische hat ja neben dem Griechischen die Kultur, das Denken und die Sprache der westlichen Welt bis heute geprägt. Vermutlich entstanden frühe lateinische Übersetzungen in christlichen Gemeinden Nordafrikas, weil die griechisch verlesenen maßgeblichen Texte nicht von allen verstanden wurden. Erst unter Hieronymus sollten die verschiedenen Übersetzungen vereinheitlicht werden. Nach einigen Versuchen, die im AT weiterhin auf dem griechischen Text der Septuaginta (LXX) beruhten, gründete die Übersetzung des AT dann auf den hebräischen Grundtext. Es entstand die Vulgata, die sich aber nur sehr langsam gegen die Vetus Latina durchsetzen konnte. Immer wieder wurden die Texte verbessert. Erst 1561 begannen die Arbeiten zur Herstellung eines offiziellen Textes der Vulgata, die erst 1586 vollendet wurden. In den späteren Jahrhunderten gab es kritische Editionen, bis 1965 eine Kommission eingesetzt wurde, die einen neuen lateinischen Bibeltext für den Gebrauch in der kirchlichen Liturgie und für kirchliche Dokumente herstellen sollte. Der gesamte Text wurde 1979 veröffentlicht.
Der Marburger Professor Karl Pinggéra stellt die Peschitta und Pluralität der Bibelübersetzungen im syrischen Christentum vor. Das AT der Peschitta wurde wohl schon um das 2/3. Jahrhundert aus dem Hebräischen übersetzt, das NT natürlich aus dem Griechischen. Ein gewisser Polykarp übersetzte um 500 das NT noch einmal vom Griechischen ins Syrische. Es kam dann zu Diskussionen über das richtige Übersetzungsprinzip und die Genauigkeit der LXX als Grundtext.
Luthers Übersetzung der Bibel ins Deutsche und Lateinische wird von Wolf-Friedrich Schäufele, Professor in Marburg vorgestellt. Er beschreibt Luthers deutsches Meisterwerk, seine theologische Bedeutung und literarische Eigenart und schließlich Luthers lateinische Bibelrevision, die aber nicht abgeschlossen, schließlich aber in der Gestalt der Wittenberger Vulgata herausgegeben wurde. Sie war für Theologiestudenten als Hilfe für das Studium der Bibel gedacht.
Müller, Andreas / Heyden, Katharina (Hrsg.). Bibelübersetzungen in der Geschichte des Christentums. Leipzig: EVA 2020. 162 S. Paperback: 34,00 €. ISBN: 978-3-374-06208-9.
Dr. Stefan Michel beschreibt Die Überarbeitung der Lutherbibel zwischen 1531 bis 1546 und ihre Folgen. Seit 1531 gab es einen „Bibelrat“, der Luthers Übersetzung gründlich überprüfte und Vorschläge machte, wobei Luther sich die letzte Entscheidung vorbehielt. Die erste protokollierte Korrektur benötigte 22 Sitzungen. Der vierte und letzte Korrekturgang, an dem Luther noch beteiligt war, fand 1544/45 statt. Er fand aber erst in die Ausgabe von 1546, nach Luthers Tod, Eingang. Zwei Jahre später kam der Verdacht auf, Luthers Bibelübersetzung sei verfälscht worden. Schließlich einigte man sich 1581 auf den Textstand, der in dem letzten noch vor Luthers Tod erschienenen Druck von 1545 als Normausgabe erschienen war. Das blieb so, bis man im 19. Jahrhundert die damalige Arbeitsweise durch Quellenfunde entdeckte und wieder Revisionen der Lutherbibel wagte.
Der Professor aus Thessaloniki, Miltiadis Konstantinou, beschreibt den Streit um den biblischen Kanon und eine Bibel in der Volkssprache im Griechenland des 19. und 20. Jahrhunderts. Er kritisiert das falsche Verständnis der evangelischen Missionare von den Ostkirchen und ihrer Kultur. Der Streit ging vor allem um den alttestamentlichen Kanon, der für die griechische Orthodoxie in der LXX gegeben war. Die Heilige Synode rühmt sich, dass die griechische Kirche als einzige den ursprünglichen Text verwendet. Sie attestiert deshalb den neueren Übersetzungen eine „schrecklich vulgäre und jüdische Sprache, die die bescheidene Schönheit des göttlich inspirierten Originaltextes beschämend und skandalös verunstaltet“.
Dr. Dirk Schuster schließlich beschäftigt „Die Botschaft Gottes“, eine Bibelübersetzung im „Dritten Reich“. Er konstatiert, dass es sich bei der von dem sogenannten Thüringer Entjudungsinstitut hergestellten Übersetzung keineswegs um eine Reaktion auf die politischen Verhältnisse im „Dritten Reich“ handelt. Die Mitarbeiter verstanden sich als die wahren Christen, die die Kirche vor vermeintlichen Fehlentwicklungen zu schützen gedachten, wobei sie auch die Unterstützung liberaler Theologen erfuhren.
Die wissenschaftlichen Aufsätze, die alle mit ausführlichem Literaturverzeichnis versehen sind, vermitteln interessante und kaum bekannte Informationen für jeden Interessierten.