LiteraturBiografien, Buchbesprechungen, Kirchengeschichte

Einer, den Gottes Gnade fand

Wolfgang Wegert ist der langjährige Leiter des Gemeinde- und Missionswerks Arche in Hamburg. In seiner Autobiographie schildert er nicht nur sein bewegtes Leben, sondern geht auch ausführlich darauf ein, warum seine Gemeinde die Pfingstbewegung verließ und eine evangelisch-reformierte Freikirche wurde.

Der Autor wurde 1943 in Hamburg geboren und hat als Kind die entbehrungsreiche Nachkriegszeit in seiner Geburtsstadt miterlebt. Durch seine Mutter kam er früh in eine Pfingstgemeinde, wurde als Jugendlicher Christ, studierte kurze Zeit an der Bibelschule des deutschen Pfingstverbandes und wurde dann Pastor einer Gemeinde in Stade. Nach seinem Wechsel in eine Hamburger Pfingstgemeinde erlebte er kontinuierliches Gemeindewachstum mit manchmal mehr als 100 Taufen von Neubekehrten innerhalb eines Jahres. Ebenfalls darf Wegert mehrfach das übernatürliche Eingreifen Gottes in Form von Krankenheilung und prophetischer Rede erfahren. Schon früh erkannte er den Nutzen moderner Medien für die evangelistische Arbeit und engagierte sich als Prediger in Radio und Fernsehen. Dabei entschied er sich ganz bewusst dafür, die Ver­kündigung von Gottes Wort ins Zentrum jeder Sendung zu stellen und auf Showelemente und Unterhaltsames zu verzichten. Der Erfolg gab ihm Recht, und es vergrößerte sich sein Be­kanntheitsgrad, so­ dass ihn Einla­dungen aus Afrika, Süd­amerika und Ost­­europa erreichten. Dort predigte er in Stadien und großen Hallen und erlebte viele Bekehrungen.

Intensives Bibelstudium, Begegnungen mit Christen aus anderen Konfessionen und fragwürdige Erfahrungen innerhalb der Pfingstbewegung lassen in Wegert Zweifel an der Theologie der Pfingstler entstehen. Er hinterfragt zum einen die Lehre, dass jeder geistgetaufte Christ in Zungen beten können müsse, und stellt fest, dass es diese Lehre in der Bibel gar nicht gibt. Weiter untersucht er kritisch die angeblichen Krankenheilungen, die von Pfingstpredigern oft vollmundig behauptet werden, und kommt zu einem ernüchternden Ergebnis: „Auch wurden gewaltige Heilungen ausgerufen, von denen viele bei Licht besehen gar keine waren.“ (S. 267) Er analysiert die sogenannten Prophetien im charismatischen Lager und muss auch hier konstatieren, dass viele prophetische Worte sich nie erfüllt haben. Doch die für Wegert bedeutendste neue Erkenntnis ist die Lehre von der Souveränität Gottes und der Auserwählung der Gläubigen vor Grundlegung der Welt, die er in Büchern des englischen Baptistenpredigers Charles H. Spurgeon findet. Während Wegert viele Jahres seines Dienstes der Meinung war, der Mensch könne sich frei für den Glauben an Jesus entscheiden bzw. diesen ablehnen, findet er nun zu der Erkenntnis, dass der Mensch in Fragen des Heils keinen freien Willen hat, sondern von der Sünde geknechtet ist. Nur wenn der Heilige Geist einen Menschen zu Christus zieht und ihm die Glaubenstür öffnet, kann sich der Mensch bekehren. Diese für Wegert völlig neue Erkenntnis entfremdet ihn noch stärker von der Pfingstbewegung, sodass er schließlich den Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden verlässt und seine Gemeinde neu als evangelisch-reformierte Freikirche definiert.

Wegert, Wolfgang: Einer, den Gottes Gnade fand. Ein Pastorenleben und seine unerwartete Wende. Hamburg: arche-medien 2023. 496 S. Hardcover: 24.90 €. ISBN: 978-3-934936-48-5

Eine solche theologische Neuausrichtung – verbunden mit einem Konfessionswechsel – verläuft verständlicherweise nicht ohne Probleme. Etwa 100 Mitglieder verlassen die Arche; sie können sich dem neuen Kurs ihres Leiters nicht anschließen. Das Gemeinde- und Missionswerk Arche hat somit einen höchst ungewöhnlichen theologischen Schwenk von pfingstlich-charismatischer Frömmigkeit hin zum Calvinismus vollzogen. Wegert macht in seiner Biographie einen rund 50-seitigen Ausflug in die Kirchengeschichte und belegt, dass die Lehre von der Auserwählung nicht nur von Calvin, sondern von zahlreichen bekannten Theologen vertreten wurde: Augustinus, Jan Hus, Martin Luther, John Knox, Jonathan Ewards, die Hugenotten, Puritaner und viele andere waren dieser Überzeugung. Zum Ende seiner Autobiographie beleuchtet der Autor noch die Rolle von Mann und Frau in der Gemeinde und lehnt die Frauenordination mit biblischer Begründung ab, erklärt die fünf Punkte des Calvinismus und hält ein Plädoyer für Auslegungspredigten, die inzwischen seit vielen Jahren in der Arche zu hören sind.

Wegerts Buch stellt ein Dokument der neuzeitlichen Kirchengeschichte dar. Es ist spannend geschrieben, sorgfältig lektoriert und vermittelt neben der interessanten Biographie des Autors viele biblisch-theologische Wahrheiten.