Es gibt wohl keine weitere Person des NT, die nach unserem Herrn Jesus Christus einen so großen Einfluss auf die Christenheit ausgeübt hat wie der Apostel Paulus. Sowohl seine Briefe als auch die von seinem Mitarbeiter Lukas verfasste Apostelgeschichte lassen seine gottgegebene lehrmäßige Gabe, aber auch seine Persönlichkeit erkennen.
Mit dem vorliegenden Werk versucht der Autor, den Apostel als Person mit seinen Motivationen, Emotionen und seinem Denken vorzustellen. Er geht hierbei chronologisch vor und zieht die biblischen Quellen sorgsam zu Rate. Diese Herangehensweise ist im Ergebnis der große Gewinn des Buches. Dippell verzichtet größtenteils auf außerbiblische Spekulationen und benennt sorgfältig die jeweiligen Bibelstellen, die näheren Aufschluss über den einen oder anderen Wesenszug des Apostels geben. Im Ergebnis wird der Leser einige „Aha“-Erlebnisse bekommen und tiefere Einblicke in das Wort Gottes und in das Herz des Apostels erhalten.
Hierbei muss der Leser nicht jedem Aspekt zustimmen. Ob z.B. das 10. Gebot das zentrale Gebot war, an dem Paulus sein Scheitern am Gesetz gemerkt hat (S. 29), darf durchaus hinterfragt werden. An dieser Stelle merkt man auch den möglichen Nachteil einer zu starken biografischen Deutung von Bibelstellen (hier: Röm 7,7). Grundsätzlich besteht die Gefahr, dass dem Menschenwort höhere Bedeutung zugemessen wird als dem inspirierten und für alle Zeit autoritativen Gotteswort. Es darf auch gefragt werden, warum uns zwar vier Evangelien über die Person und die Worte Jesu überliefert sind, aber kein dezidiertes Werk über den Apostel Paulus. Dadurch, dass Dippell aber Spekulationen weitestgehend vermeidet und sorgfältig den Wortlaut der Schrift stehen lässt, ist im Ergebnis eine bibelkritische Schieflage nicht zu erkennen.
Dippell, Gerald: Paulus persönlich. Bielefeld: Christliche Literatur-Verbreitung 2022 336 S. Hardcover: 14,90 €. ISBN: 978-3-86699-683-0
Die Darstellung ist insgesamt leicht lesbar und wegen der sorgfältigen chronologischen Darstellung sehr zu empfehlen.
Für eine Neuauflage wären optische Darstellungen wie Karten, weitere Überschriften zu einzelnen Abschnitten sowie eine tabellarische Chronologie der gesamten Ereignisse (insbesondere der Datierung der einzelnen Briefe) hilfreich. Vermisst habe ich auch eine Positionierung zur vieldiskutierten Frage, ob der Apostel verheiratet gewesen ist, sowie die deutlichere Auseinandersetzung mit verschiedenen Bibelstellen, bei denen Paulus Anweisungen im Rahmen seiner apostolischen Autorität erteilt.