Bereits 2006 hat Karl Jaroš unter Mitarbeit eines fünfköpfigen Bearbeiterteams eine erstaunliche Sammlung der ältesten griechischen Handschriften des Neuen Testaments herausgegeben (Das Neue Testament nach den ältesten griechischen Handschriften, Wien: Echter 2006, CD-ROM). In einer PDF-Datei waren auf 5136 (!) Seiten die ältesten 95 griechischen Handschriften des Neuen Testaments in chronologischer Reihenfolge (datiert zwischen dem 1. und 4. Jh. n.Chr., größtenteils Papyrusfragmente) nach dem folgenden Muster dargestellt: (1) Informationen zu Herkunft, Aufbewahrung, Datierung sowie Inhalt, (2) hochauflösende Fotos aller enthaltenen Teile der jeweiligen Handschrift, (3) eine Transkription der lesbaren und rekonstruierten Buchstaben in Majuskeln und Minuskeln, (4) eine wörtliche Übersetzung, die durch farbigen Druck auch in deutscher Sprache einen genauen Einblick über die auf den Fragmenten enthaltenen Textteile ermöglicht. Das hier rezensierte Werk ist eine gedruckte Ausgabe der bereits 2006 veröffentlichten digitalen Ausgabe. Für die Druckausgabe war zwangsläufig eine komprimierte Darstellung notwendig, so dass auf sämtliche Abbildungen verzichtet wurde und die Tranksription platzsparend mit interlinearer Übersetzung wiedergegeben wird. Die einführenden Informationen zu jeder Handschrift blieben erhalten, ferner wird durch Groß- und Kleinbuchstaben aber nur noch im griechischen Text deutlich, welche Teile auf den Handschriftfragmenten erhalten sind und welche rekonstruiert werden müssen. Die Sammlung der Handschriften wurde gegenüber der digitalen Ausgabe von 95 auf 104 Handschriften erweitert (hinzugekommen sind die Papyri P119-P126 und zwei Pergamentfragmente). Die Einzeltranskription der Handschriften bildet mit 929 Seiten den größten Teil des Werkes. Daneben ist neben einigen Registern vor allem die Einleitung von besonderem Wert, in der man – neben Informationen zu antiker Schreibpraxis und den Herkunftsgebieten der Handschriften – in Form von Übersichten und Statistiken erfährt, welche Teile des Neuen Testaments bereits in den ältesten Handschriften enthalten sind (insgesamt 59,75%). Auf diese Weise entsteht durch das Werk ein hochtransparentes Bild der äußerst guten handschriftlichen Textüberlieferung des Neuen Testaments im 1. bis 4. Jh. v.Chr. und damit in der Zeit vor den großen Kodizes (z.B. Codex Sinaiticus, Codex Vaticanus aus dem 4./5. Jh. n.Chr.).
Wie bereits die digitale Ausgabe weist die gedruckte Form zwei Besonderheiten auf: Zum einen werden viele Handschriften teils deutlich früher als üblich (z.B. in NA28)) datiert. Zum anderen werden die in intensiven Debatten in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts diskutierten Qumranfragmente 7Q4 und 7Q5 entgegen dem mittlerweile herrschenden Konsens als Fragmente neutestamentlicher Texte identifiziert und durch die Verbindung mit Qumran schon vor das Jahr 68 n.Chr. (und damit äußerst früh) datiert. Während nach heute herrschender Meinung nur ein einziges Papyrusfragment (nämlich P52) vor 150 n.Chr. datiert wird, kommt das Bearbeiterteam um Karl Jaroš so gleich zu 15 Handschriften zwischen 50 und 150 n.Chr! Die Neudatierung bleibt zwar umstritten, liefert aber in der Hinterfragung der herrschenden Mehrheitssicht wichtige Impulse und rechnet gerade in Fällen mit unsicherer Datierung mit der Möglichkeit einer sehr frühen Entstehung der Handschriften.
Jaroš, Karl: Die ältesten griechischen Handschriften des Neuen Testaments. Bearbeitete Edition und Übersetzung. Köln/Weimar/Wien: Böhlau 2014. 952 S. Gebunden: 110,00 €. ISBN: 978-3-412-22215-4
Fazit: Das Werk beeindruckt durch seine Sorgfalt und Ausführlichkeit und stellt in beeindruckender Weise die äußert gute handschriftliche Bezeugung des Neuen Testaments heraus. Aufgrund des hohen Preises und der fehlenden Bilder ist jedem, der sich für diese Thematik interessiert, jedoch zu der deutlich günstigeren, umfangreicheren und mit zahlreichen Originalabbildungen versehenen digitalen Ausgabe auf CD-Rom zu raten.