Kompetent und umsichtig stellt Ulrich Neuenhausen, Leiter des von den „Brüdergemeinden“ getragenen Forum Wiedenest, die vier Positionen zur Frauenfrage dar, wie sie heute in christlichen Gemeinden anzutreffen sind: die patriarchalische, die komplementäre, die egalitäre und die feministische Position. Anschließend erklärt er prägnant und zutreffend die physisch-psychischen Unterschiede von Mann und Frau, die von der modernen Hirnforschung – gegen die irrenden Annahmen der Gender-Mainstreaming-Ideologie – bestätigt werden.
Dann weist er auf den wertvollen und vielfältigen Dienst von Frauen im Alten und Neuen Testament hin und zeigt unter Rückgriff auf Eph 5,22ff. auf, wie wichtig es ist, dass Männer ihre Frauen lieben wie Christus seine Gemeinde liebt, und Frauen ihre Männer als übergeordnet und verantwortlich respektieren, damit das praktische Gemeindeleben in der Haltung gegenseitiger Achtung und Wertschätzung geführt werden kann.
Nicht zustimmen kann der Rezensent, wenn Neuenhausen dann zur Auslegung von 1 Kor 14,33ff. und 1 Tim 2,11ff. kommt. Hier begeht er leider denselben Auslegungsfehler, den viele Theologen und Kirchen vor ihm unter dem Vorzeichen des Anpassungsdrucks an die säkulare Mehrheitsgesellschaft begangen haben: Er respektiert zwar den Wortlaut dieser Verse sowie die grundsätzliche Vorrangstellung des Mannes, interpretiert jedoch die „praktischen Konsequenzen“ der Verse zeitgeschichtlich-kulturell und hebt ihre absolute Verbindlichkeit für die Gegenwart auf, ohne sich freilich ausdrücklich für Ältestinnen oder Predigerinnen auszusprechen. Vielmehr möchte der Autor seine Gemeinden ermutigen, im Hören auf Gottes Wort und aufeinander Lösungen zu suchen, die der heutigen Zeit und Situation angemessen sind.
Neuenhausen, Ulrich. Gemeinsam gesegnet. Mann und Frau im Dienst für Jesus Christus. Hammerbrücke: jota 2018. 190 S. Gebunden: 14,95 €. ISBN: 978-3-935707-92-3
Nach Überzeugung des Rezensenten begibt man sich jedoch mit der zeitgeschichtlichen Interpretation auf eine schiefe Ebene, auf der es kein Halten mehr gibt. Denn mit demselben Argumentationsmuster haben die ev. Landeskirchen die biblische Sexualethik ausgehebelt und segnen bzw. trauen gleichgeschlechtliche Paare, obwohl die Bibel praktizierte Homosexualität als Sünde scharf verurteilt. Auch fällt auf, dass der Verfasser mit keinem Wort darauf eingeht, dass Jesus nur 12 Apostel berief (und keine Apostolin) und dass das ganze Neue Testament nirgends von Ältestinnen oder Pastorinnen spricht. Im letzten Drittel des Buches finden sich noch zwei weitere Abschnitte von anderen Autoren, die den „Wandel des Frauenbildes“ in der Geschichte sowie das Leben von Frauen in „Brüdergemeinden“ beleuchten. Das Buch ist sachlich und um die Wahrheit ringend geschrieben und stellt eine gute Diskussionsgrundlage für eine Thematik dar, die schon für viel Streit in christlichen Kreisen gesorgt hat.