ThemenFrage & Antwort

Welche außerbiblischen Informationen?

Die Aussagen der Bibel selbst müssen immer den Vorrang behalten. Außerbiblische Informationen für das Verständnis der Bibel völlig abzulehnen, ist aber unnötig und unrealistisch.

Frage:

Dürfen wir Informationen aus der Umwelt der Bibel, vor allem wenn es nicht-biblische Quellen sind, heranziehen, um einen biblischen Text besser zu verstehen?

Es gibt einzelne Ausleger, die mit Informationen, die die sogenannte Umwelt des Neuen Testaments betreffen, eine biblische Aussage ganz anders erklären, als man sie auf den ersten Blick verstehen würde. Manche sagen, man könne die Bibel gar nicht verstehen, ohne Informationen aus der Umwelt heranzuziehen. Auf der anderen Seite wollen andere überhaupt keine Zusatzinformation zulassen. Für das Verständnis der Bibel seien die Aussagen der Bibel selbst völlig ausreichend. Jede Benutzung ausbiblischer Informationen könne den biblischen Sinn verdrehen und sollte unterbleiben. Was ist richtig?

Antwort:

Es ist wohl auch bei dieser Frage so, dass es keine einfache Antwort gibt. Aber der Reihe nach einige Aspekte einer Antwort. Die ersten Leser der biblischen Schriften hatten offenbar zusätzliche Informationen. Sie lebten in der Zeit und Umwelt der Bibel. Hochzeitsfeiern hatten sicher alle schon erlebt und wussten, wie sie in der Regel ablaufen. Sie konnte unterscheiden, was eine besondere Feier war und was eine gewöhnliche. Wie eine Kreuzigung ablief, war den ersten Lesern im römischen Reich sicher klar. Unsere Bilder der Kreuzigung von Jesus Christus sind aber hauptsächlich durch Zusatzinformationen geprägt. Denn das Neue Testament schildert erstaunlich wenig von den Details der Kreuzigung. Den genauen „technischen“ Ablauf kann man allein aus den neutestamentlichen Aussagen nur schwer rekonstruieren.

Wichtige Aussagen der Bibel ergänzen sich in diesem Fall mit Zusatzinformationen. So war es Jesus wichtig, dass seine Kreuzigung eine Erhöhung von der Erde ist (Joh 12,32-33) und das passt zu der Information, dass die Römer die Verurteilten nicht auf die Erde nagelten, sondern an stehenden Kreuzen aufhängten.

Wenn aber nun jemand mit der Zu­satzinformation käme, die Römer hätten die Verurteilten immer nur an die Kreuze angebunden und nicht angenagelt (das wurde schon behauptet), dann würden wir die Bibel über die Zusatzinformation stellen. Vor einigen Jahren fand man übrigens einen durchnagelten Fersenknochen aus römischer Zeit, der wahrscheinlich zu einem Gekreuzigten gehörte. Man könnte in diesem Fall sagen, dass über die Bibel hinausgehende Zusatzinformationen hilfreich und unbedingt den Aussagen der Bibel unterzuordnen sind.

Die Bibel bietet selbst, wenn man sie als Ganzes betrachtet, viele Zusatzinformationen, um dann andere Bibelstellen zu verstehen, die das Wissen voraussetzen. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn Gottes Wort bildhaft vom Hirten und den Schafen spricht. „Wir gingen alle in die Irre wie Schafe. Ein jeder sah auf seinen Weg“ (Jes 53,6a). „Als er die Scharen von Menschen sah, ergriff ihn tiefes Mitgefühl; denn sie waren erschöpft und hilflos wie Schafe, die keinen Hirten haben“ (Mat 9,36). „Denn ihr wart wie die irrenden Schafe; aber ihr seid nun bekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen“ (1Pet 2,25). Dass Schafe einen Hirten brauchen, kann man aus der Bibel wissen oder auch wenn man sich näher mit Schafen beschäftigt.

Wenn Paulus nun den Namen eines Mitarbeiters erwähnt, dann ist es schon zu damaliger Zeit so gewesen, dass einige Leser diesen persönlich kannten andere aber nicht. Für das Verständnis der Schriftstellen kann das also nicht entscheidend sein. Das betrifft sicher viele Aussagen der Heiligen Schrift: zum Verstehen sind vorhandene Zusatzinformationen oft nicht entscheidend. Wer Zusatzinformationen hat, ist für das Wichtige an der Aussage nicht einmal unbedingt im Vorteil.

Ein ähnlicher Fall liegt vor, wo die Bibel selbst die besten Informationen bietet, wir aber ohne Zusatzwissen ihre Qualität nicht beurteilen können. Das ist etwa bei der Beschreibung der Seefahrt und des Schiffbruchs des Paulus so. Die Kapitel Apostelgeschichte 27 und 28 enthalten viele Details über die antike Schifffahrt. Man hielt sie lange Zeit für Phantasie des Lukas. Wer aber etwas von Seefahrt und den damaligen Gegebenheiten versteht, kann die Genauigkeit der Aussagen erkennen. Wieder ist dieses Zusatzwissen nicht entscheidend. Wir sollen der Qualität der Aussagen der Heiligen Schrift auch ohne Bestätigung durch außerbiblische Quellen vertrauen.

Brauchen wir dann gar kein außerbiblisches Zusatzwissen? Doch und wir benutzen es auch ganz selbstverständlich, ohne darüber nachzudenken. Wir brauchen etwa unsere Sprache mit Wörtern, Grammatik und Syntax, ohne die wir nichts verstehen könnten. Aber wir kommen auch mit einem schöpfungsmäßigen Grundwissen an die Bibel heran und dann finden wir auch, dass die Bibel genau auf dieser Ebene spricht. Wir laufen auf unseren Füßen. Wir essen mit dem Mund. Wunder sind kein Alltag. Gottes Gegenwart kann man verleugnen.

Außerbiblische Zusatz­informationen können hilfreich sein. Aber was die Bibel selber sagt, hat immer Vorrang.

Die Bibel spricht in die Er­fah­rungs­welt, die jeder Mensch kennt. Da ist Vieles einfach vorausgesetzt und wird nicht erst erklärt. Wenn in diesem Fall biblisches auf außerbiblischem Wissen aufbaut, gilt trotzdem: was die Bibel ausdrücklich sagt, hat Vorrang. Man kann zwar mit dem Eindruck leben, als ob es keinen Gott gäbe, aber die von der Bibel bezeugten Tatsachen sind andere. Das erinnert uns auch daran, dass wir immer mit einem Vorverständnis die Bibel lesen. Vielleicht haben wir eine romantische Vorstellung vom Hirtenleben, wie es im 19. Jahrhundert geprägt wurde. Aber wir können und sollen uns korrigieren lassen.

Zusammengefasst kann man sagen: Weil man die Bibel grundsätzlich nicht ohne Zusatzwissen lesen kann, schließe ich, dass es auch sonst hilfreich sein kann, wenn wir außerbiblisches Wissen aus dem damaligen Leben und der Umwelt zum Verständnis heranziehen. Allerdings sollten wir uns zuerst die Mühe machen und in der Bibel selbst danach suchen und bei aller Benutzung von Zusatzwissen müssen wir darauf achten, dass das letzte Wort immer die Bibel behält.


Die Antwort hat eine weiterführende Diskussion zur Folge gehabt:

Die Genügsamkeit der Schrift beschränkt den Nutzen von außerbiblischen Informationen

Weil es ohne außerbiblische Informationen nicht geht