1. Kann man die Bibel übersetzen?
So lautete der Titel eines Vortrages, den der Jude Prof. Dr. Pinchas Lapide Anfang 1985 in Basel (Schweiz) gehalten hat. Beim Zuhören gewann man den Eindruck, er vertrete die Ansicht, dass man es nicht könne, denn er legte ausführlich dar, wieviel bei der Übersetzung – hauptsächlich aus dem Hebräischen – verlorengehe. Er kam aber dann doch zu dem Schluss, dass man es könne, aber keine Übersetzung als endgültig – also in Zweifelsfällen allein maßgeblich, fehlerfrei – ansehen solle. Dieses Urteil kann ich nur unterstreichen. Man wird in jeder Übersetzung Schwachstellen und Fehler finden. Das kommt daher, dass Bibelübersetzungen von Menschen gemacht werden, Menschen, denen bei all ihrer sprachwissenschaftlichen Kompetenz und bei dem größten Verlangen, sich vom Geist Gottes leiten zu lassen, doch Fehler unterlaufen.
Die Prägung einer Übersetzung hängt natürlich in erster Linie von dem grundsätzlichen Übersetzungsprinzip ab, das der Übersetzer wählt. Unser Thema heißt zwar „Bibelübersetzungen“ und nicht Bibelübersetzung, trotzdem müssen uns aber die Vor- und Nachteile der verschiedenen Prinzipen in ihren Grundzügen klar sein, sonst können wir die einzelnen Übersetzungen nicht angemessen bewerten.
2. Grundsätzliche Übersetzungsprinzipien
Davon gibt es zwei: formbetonend (1) und inhaltsbetonend. Jeder, der schon einmal einen fremdsprachigen Text übersetzt hat, weiß etwa, was damit gemeint ist.
2.1. Formbetonend
Ziel dieser Methode ist es, den Urtext möglichst exakt wiederzugeben, indem auch Eigenheiten der Ursprachen beibehalten werden. Das hat den Vorteil, dass man ohne subjektive Umschreibungen auskommt, denn eine Umschreibung kann schon eine Auslegung sein (2). Die extremste Richtung innerhalb dieser Methode ist die sogenannte „konkordante“ Methode, deren Grundsatz es ist, ein Wort der Ursprache auch immer durch dasselbe deutsche Wort wiederzugeben. Hier sind auch die Übersetzungen zu nennen, die die Gewalt und die Eindrücklichkeit der hebräischen Sprache im Deutschen zu vermitteln suchen (Buber/ Rosenzweig).
Wenn man aber die Form zu bewahren sucht, muss man notwendigerweise Einbußen am Inhalt in Kauf nehmen, was eben in den Eigenheiten der Ursprachen begründet ist; wer dann nur die Übersetzung bietet, die dem Urtext formal am nächsten kommt, unterschlägt dem Leser die anderen Übersetzungsmöglichkeiten und damit vielleicht auch den gemeinten Sinn.
Das formbetonende Prinzip stößt irgendwann an natürliche Grenzen: wenn es ganz konsequent angewendet wird, entstehen nicht selten unverständliche und direkt sinnwidrige Übersetzungen. So könnte man in Lk 18,6 wörtlich übersetzen: „der Richter der Ungerechtigkeit“, wobei „Ungerechtigkeit“ wie im Griechischen im Genitiv steht. Aber der Zusammenhang macht deutlich, dass es sich hier um einen besonderen Genitiv handelt, den man ohne weiteres mit einem schlichten Adjektiv übersetzt: „der ungerechte Richter“. Oder: in Apg 23,10 steht wörtlich: „fürchtete der Oberste, Paulus möchte von ihnen nicht zerrissen werden.“ Tatsächlich ist genau das Gegenteil der Fall: der Oberste griff ein, damit Paulus eben nicht verletzt würde. Im Griechischen ist die Verneinung richtig, würde sie aber ins Deutsche übernommen, käme Unfug heraus. In solchen Fällen muss man auf die Form verzichten, damit der Inhalt erhalten bleibt.
Es ist – wenn einem der Grundtext selbst nicht zugänglich ist – für das exakte, intensive Bibelstudium unumgänglich, eine Übersetzung zu benutzen, die den Urtext möglichst genau wiedergibt. Nur sollte man nicht meinen, dass eine Übersetzung um so besser ist, je mehr sie formal mit dem Urtext übereinstimmt. Ein Leser, der mit den Eigenheiten der Ursprachen nicht vertraut ist, steht vielmehr in der Gefahr, dass er in Ausdrücke oder Satzkonstruktionen, die ihm sprachlich fremd sind, Dinge hineinliest, die gar nicht drinstehen. Was soll der Leser z. B. in Apg 28,26 mit der Übersetzung:
„Hörend werdet ihr hören und nicht verstehen, und sehend werdet ihr sehen und nicht wahrnehmen?“
Zwar ist damit die griechische Konstruktion wiedergegeben, aber welcher Leser weiß schon, dass diese Konstruktion vom Hebräischen beeinflusst ist und dort dazu verwendet wird, um die Tatsächlichkeit einer Aussage zu betonen? In unserem Beispiel hieße das:
„Ihr werdet wohl hören, aber nicht verstehen, und ihr werdet wohl hinschauen, aber nicht sehen“.
2.2. Inhaltsbetonend
Ziel dieser Methode ist es, den Sinn des Urtextes möglichst exakt und für den zeitgenössischen Leser unmittelbar verständlich wiederzugeben. Denn es ist tatsächlich der Inhalt, auf den es ankommt, nicht die Form. Es war die Methode Luthers: „denn man mus nicht die buchstaben jnn der Lateinischen sprachen fragen, wie man sol Deudsch reden, wie die Esel thun, Sondern man mus die mutter ihm hause, die kinder auff der gassen, den gemeinen man auff dem marckt drumb fragen, vnd den selbigen auff das maul sehen, wie sie reden und darnach dolmetschen, so verstehen sie es denn, und mercken, das man Deudsch mit ihn redet“. Wie sein NT 1522 „eingeschlagen“ hat, berichtet ein katholischer Zeitgenosse Luthers:
„Luthers Neues Testament wurde durch die Buchdrucker dermaßen gemehrt und in so großer Anzahl ausgesprengt, also dass auch Schneider und Schuster, ja Weiber und andere einfältige Laien … wenn sie nur ein wenig Deutsch auf einem Pfefferkuchen lesen gelernt hatten, dieses gleich als einen Brunnen aller Wahrheit mit höchster Begierde lasen. Etliche trugen dasselbe mit sich im Busen herum und lernten es auswendig“.
Luthers Methode hatte offensichtlich Erfolg.
Viele verkennen leider den Wert einer vermeintlich „freieren“ Übersetzung. Der Irrtum, dass es besonders schwierig sei, eine sehr wörtliche Übersetzung herzustellen, ist weit verbreitet. Das Gegenteil aber ist der Fall: wesentlich schwieriger als wortwörtlich zu übersetzen ist es, zuerst den exakten Sinn des Originaltextes festzustellen und dann diesen Sinn in verständliche, flüssige deutsche Sprache zu übertragen.
Ein Beispiel: Man kann 1Mo 37,15 wörtlich übersetzen
„Und ein Mann fand ihn, und siehe, er irrte auf dem Felde umher; und der Mann fragte ihn und sprach: was suchst du?“
Die hebräische Satzkonstruktion weist aber auf einen Umstandssatz hin, außerdem entspricht der hebräische Ausdruck, der hier mit „und sprach“ übersetzt ist, dem deutschen Doppelpunkt. Daher kann man den Vers treffend übersetzen:
„Während er nun dort auf dem Felde umherirrte, traf ihn ein Mann; der fragte ihn: Was suchst du?“ (Menge).
Oder: wenn man Stellen wie 1Mo 42,15b wörtlich übersetzt („Beim Leben des Pharao! wenn ihr von hier weggeht, es sei denn dass euer jüngster Bruder hierher komme!“), kommt der Leser früher oder später wohl dahinter, dass dieses „wenn …“ eine Schwurformel sein muss. Um ihm aber das Rätselraten zu ersparen, kann man nur etwas weniger formbetonend, aber treffender übersetzen:
„So wahr der Pharao lebt, ihr sollt nicht von hinnen ziehen, es komme denn euer jüngster Bruder her“ (Zürcher).
So kommt der Inhalt wesentlich klarer zum Ausdruck.
Es ist für diesen Zweck unerlässlich, sich einer flüssigen, zeitgemäßen Sprache zu bedienen. Wohlgemerkt: eine Übersetzung wird dadurch nicht schlechter oder „verwässert“, wenn sie dabei den Sinn des Originaltextes treu wiedergibt und nicht schon eine Auslegung enthält. Genau das ist das Problem bei dieser Methode: so wie eine formbetonte Übersetzung den Leser mitunter überfordert, so enthalten ihm inhaltsbetonende Übersetzungen mitunter andere Übersetzungsmöglichkeiten vor oder führen ihn gedanklich in eine falsche Richtung, je nachdem welche theologische Richtung der betreffende Übersetzer vertritt.
Manche tun auch des Guten zu viel. Sie legen besonderen Wert auf besonders moderne, flüssige Sprache und verlieren so teilweise die biblische Botschaft. Als Extrembeispiel in dieser Richtung kann man die „Gute Nachricht“ ansehen, oder – gemäßigter – die „Hoffnung für alle“.
Das Falscheste, was man tun könnte, wäre, die beste Übersetzung einfach in der Mitte zwischen Extremen zu suchen, denn „die beste“ Übersetzung gibt es ebenso wenig wie es ein „Eier legendes Woll-Milch-Schwein“ gibt. Verschiedene Verwendungszwecke oder Lesergruppen erfordern verschiedene Übersetzungen: Einen der Bibel Fernstehenden mit der unrevidierten „Elberfelder“ gewinnen zu wollen, ist genauso widersinnig, wie eine theologische Exegese auf Grund der „Hoffnung für alle“ zu machen.
Es ist daher schade, dass viele sich einmal für eine bestimmte Übersetzung entschieden haben und dann alle anderen ignorieren. Natürlich sollte man eine Übersetzung haben, in der man zu Hause ist, aber man beschränkt sich selbst, wenn man die Vielfalt der Übersetzungen nicht sinnvoll nutzt.
In der gleich folgenden Übersicht will ich bewusst nicht differenziert klassifizieren und werten, sondern das Charakteristische jeder Übersetzung herausstellen. Zwar werde ich Verwendungsmöglichkeiten angeben, möchte aber eher dazu anregen, die Übersetzungen selber in die Hand zu nehmen und auf ihre Verwendungsmöglichkeiten zu prüfen.
Die Angabe „bibeltreu“ besagt, dass der Übersetzer oder Herausgeber die Bibel als Wort Gottes anerkennt; „bibelkritisch“, dass menschliche Meinungen größere Autorität haben, insbesondere die höchst fragwürdigen „Ergebnisse“ der historisch-kritischen Theologie.
Wer eine neue Übersetzung kennen lernen möchte, sollte zuerst aufmerksam das Vorwort lesen. Das Vorwort ist sozusagen die „Visitenkarte“ einer Übersetzung, wo der Verfasser oder die Herausgeber Stellung beziehen zu Wesen und Absicht der Übersetzung und Hinweise zur Benutzung geben. Zu diesem Thema ist auch die „Vorrede“ Bengels zu seinem NT lesenswert.
Zum Schluss muss ich mich noch korrigieren: Ich habe – wie ich hoffe – überzeugend ausgeführt, dass es „die beste“ Bibelübersetzung nicht gibt. Nun, das ist nicht richtig, es gibt sie: es ist die Übersetzung des Wortes Gottes ins tägliche Leben.
2.3. Kurze Übersicht über die wichtigsten deutschsprachigen Bibelübersetzungen
AT von BUBER/ ROSENZWEIG
extrem formbewahrend, geprägt von jüdischer Religionsphilosophie
Hauptziel: Nachahmung der hebräischen Sprachgewalt, daher z. T. Wortneuschöpfungen. Die Bücher folgen der hebräischen Anordnung (Tora, Propheten, Schriften) ohne durchgehende Verszählung, ohne Anmerkungen. Nur sehr schwer mit Gewinn zu lesen.
KONKORDANTE Übersetzung
extrem formbewahrend, bibeltreu
Wenig Rücksicht auf den deutschen Sprachgebrauch, bis hin zu Neuschöpfungen. Soll laut Vorwort eine Übersetzung sein, die alles enthält, „was der Laie benötigt, um erkennen zu können, was der Urtext buchstäblich aussagt“. Es wird angestrebt, „keine menschlichen Mängel und Irrtümer“ zur göttlichen Offenbarung treten zu lassen, es sollen „private Meinungen über die Bedeutung jeder beliebigen Stelle weitgehend ausgeschlossen werden“. Diese Ziele werden durch die „konkordante“ Methodik zu erreichen versucht, d. h: für jeweils ein Grundtextwort wird anhand einer Konkordanz ein deutsches Normwort festgelegt, das immer dafür gebraucht wird, wenn es nur irgendwie möglich ist:
Abweichungen werden möglichst eindeutig gekennzeichnet. Darüber hinaus lässt sich durch ein ausgeklügeltes System von Fett- und Schwachdruck, von Zeichen und Buchstaben im Text rekonstruieren, welche Wörter und Konstruktionen an jeder Stelle im Grundtext stehen. Wer aber nicht weiß, welche Bedeutungsspielräume die Grundtextwörter haben und was die hebräischen und griechischen Konstruktionen bedeuten, weil er eben kein Hebräisch und Griechisch kann, hat davon überhaupt nichts. Die entsprechenden Erläuterungen sind völlig unzureichend und z. T. zumindest missverständlich. Auf Anmerkungen wurde im NT ganz und im AT weitgehend verzichtet; oft wären sie aber bitter nötig. Zwar ist die Übersetzung durch ihre extrem formbewahrende Methode ein nützliches Hilfsmittel zum exakten Studium, aber sie ist weit davon entfernt, halten zu können, was sie dem Laien verspricht (so.).
ELBERFELDER – unrevidiert
Als wir im Fach Griechisch zum ersten Mal NT-Texte übersetzen mussten, sagte der Professor, weil er wollte, dass wir die Aufgaben wirklich selber machen: „Schreiben Sie aber nicht einfach aus der Elberfelder Übersetzung ab!“ Damit dürfte sie prägnant charakterisiert sein. Mit anderen Worten: extrem formbewahrend, bibeltreu
Der Konzeption entsprechend wenig Rücksicht auf deutschen Sprachstil. Hilfsmittel zum exakten Studium kürzerer Abschnitte, zum Lesen längerer Abschnitte um des Zusammenhangs willen wegen der holprigen Sprache weniger geeignet. Wenig Anmerkungen, meist Hinweise auf wörtliche oder andere Übersetzungen, auch kurze sachliche Erläuterungen und Parallelstellen. Keine Abschnittsüberschriften. Enthält veraltete Ausdrücke und manchmal zu genaue Übersetzungen (z. B. 3Mo 13,47-59; wer versteht heute noch „Kette“ und „Einschlag“?). Gelegentlich stehen offensichtlich falsche Lesarten im Text, die richtigen in einer Anmerkung (z. B. 2Sam 21,8; 2Sam 21,19) – umgekehrt wäre es besser.
ELBERFELDER – revidiert
weniger formbewahrend als die unrevidierte Fassung, bibeltreu
Ziele der Revision waren: Berücksichtigung eines besseren Grundtextes als derjenige, der 1850 zur erstmaligen Übersetzung vorlag, sprachliche Glättung, Ersetzen veralteter Ausdrücke (geschah leider nicht ganz konsequent). Die oben bei der unrevidierten Fassung genannten Mängel wurden beseitigt, doch stehen immer noch bessere Textfassungen in einer Anmerkung anstatt im Text. Als Werk einer Übersetzungskommission gibt sich diese Ausgabe durch gewisse Inkonsistenzen zu erkennen, die aber nicht weiter ins Gewicht fallen. Die revidierte Fassung liest sich deutlich leichter als die unrevidierte, trotzdem blieb noch manches dem Deutschen Fremde übrig (Idiome werden noch weitgehend wörtlich übersetzt anstatt ins Deutsche übertragen). Dazu trägt auch der einspaltige Druck mit Abschnittsüberschriften bei, die es früher nicht gab. Äußerst positiv ist zu bemerken, dass der nachweislich falsche Gottesname „Jehova“ durch „HERR“ ersetzt wurde. Zahlreiche Anmerkungen und außergewöhnlich viele Parallelstellen in getrennten Apparaten vervollständigen die Revidierte ELBERFELDER zu einem wichtigen und nützlichen Hilfsmittel zum intensiven Studium.
MENGE
nicht formbewahrend, grundtextnah, bibeltreu
In sprachwissenschaftlicher Hinsicht die wohl interessanteste Übersetzung. Menge war bemüht, so nahe wie möglich am Grundtext zu bleiben; trotzdem ist es ihm gelungen, ein flüssiges, leicht verständliches Deutsch zu schreiben. Zum Verständnis tragen hilfreiche Zusätze in Klammern bei, die das fortlaufende Lesen allerdings erschweren. Jedes Buch wird durch eine Gliederung eingeleitet, die im Buch selber wieder auftaucht, ergänzt durch noch ausführlichere Abschnittsüberschriften. Wenige sachliche Anmerkungen, auch Hinweise auf wörtliche oder andere Übersetzung. Im Anhang interessant: „Heilsgeschichtlicher Wegweiser“ (umfangreiche Schlagwortkonkordanz zu theologisch oder anderweitig wichtigen Begriffen) und eine Zeittafel vom Auszug aus Ägypten bis ins 1. Jahrhundert n. Chr. Die relativ geringe Verbreitung hat wahrscheinlich in der bis heute beibehaltenen Frakturschrift ihren Grund. Man sollte sich aber dadurch nicht abhalten lassen, mit dieser wirklich guten Übersetzung zu arbeiten, insbesondere in der stillen Zeit und zu Studienzwecken.
ZÜRCHER1
nicht formbewahrend, grundtextnah, Übersetzung an sich im Allgemeinen bibeltreu
Erstmals im 16. Jahrhundert erschienen. Die Revisoren waren seither bemüht, den Grundtext in flüssiger Sprache immer genauer wiederzugeben. Obwohl sie noch veraltete Ausdrücke enthält, ist sie gut zu lesen (besonders gefällt mir, dass hebräische Poesie z. T. nachempfunden wird; im Buch Hiob sind die Reden in ausgeprägtem Sprachrhythmus wiedergegeben, jeder Halbvers mit 4 Hebungen; in Spr 31,10-31 folgen die Anfangsbuchstaben jedes Verses wie im hebräischen Alphabet). Der Text als solcher ist weitgehend zuverlässig, stellenweise aber von der historisch-kritischen Theologie beeinflusst; im AT wird öfters ohne Kennzeichnung vom hebräischen Standardtext abgewichen. Wovor ich aber ganz eindringlich warnen muss, sind irreführende und kritische Anmerkungen. Besonders im NT wird respektlos und nach Gutdünken am Text manipuliert. Hinweise auf Handschriften, auf die solche Manipulationen oft gestützt sind, mögen den Laien beeindrucken, aber sie helfen ihm nicht, weil er sie nicht beurteilen kann. Noch weiter geht der „Anhang zum Neuen Testament“: Im Prinzip eine nützliche Beigabe, aber er ist dermaßen von bibelkritischer Theologie durchsetzt, dass ihn derjenige, der damit nicht vertraut ist, lieber gar nicht erst lesen sollte. Es wimmelt nur so von Ausdrücken wie „Irrtümer“, „Hörensagen“, „ungenaue Erinnerung“. Das ist plumpe Irreführung. Wer sich die Mühe macht, solche Anmerkungen nachzuprüfen, der stellt fest, dass sie oft an den Haaren herbeigezogen sind. Folgende Beispiele können erwiesenermaßen ersatzlos gestrichen werden: Anm. zu Lk 4,25, Nr. 122 und 142 im Anhang III. In Spr 17,8 zeigt schon der Zusammenhang, dass die Anmerkung absolut fehl am Platze ist. So wird systematisch das Vertrauen auf das Wort Gottes untergraben. Traurig, dass das in einer Bibel geschieht, deren Text eigentlich gut ist.
LUTHER
nicht formbewahrend, grundtextnah, bibeltreu
Zwar nicht die erste, aber bedeutendste, die deutsche Übersetzung schlechthin. Sie ist allgemein bekannt und verbreitet, daher kein großer Kommentar meinerseits. Empfehlenswert sind die Textfassungen von 1964 (AT) und 1984 (AT und NT). In weniger wichtigen Fragen ist die Übersetzung oft ungenau (Luther hatte nicht den besten Grundtext zur Verfügung). Hierher gehören auch LUTHERBIBEL ERKLÄRT (trotz gegenteiligem Bemühen beeinflusst von bibelkritischer Theologie) und DIE NEUE SCOFIELD BIBEL: nützliches Werkzeug zum intensiven Studium. Textfassung von 1914. Einleitungen zu den biblischen Büchern, zahlreiche Anmerkungen und Parallelstellen (Besonderheit: Kettenangaben zum Verfolgen eines Themas durch die ganze Bibel). Etwas Vergleichbares, aber auf neuerem Stand, stellen die NEW INTERNATIONAL STUDY BIBLE und die THOMPSON CHAIN REFERENCE BIBLE dar (letztere gibt es inzwischen auch in Deutsch unter dem Namen THOMPSON STUDIENBIBEL).
DIE GUTE NACHRICHT2
extrem nicht-formbewahrend, nicht grundtextnah, bibelkritisch
Übersetzt von ev. und kath. Bibelwerken. Weder grundtext- noch sinngetreu, oft verflacht und ungenau. Geprägt von historisch-kritischer Theologie, besonders die Anmerkungen.
EINHEITSÜBERSETZUNG
nicht formbewahrend, grundtextnah, bibelkritisch
AT katholisch, NT und Psalmen ökumenisch, daher auch geprägt von katholischer Theologie. Gehobene Sprache. Hilfreiche, sachliche Anmerkungen. Die kommentierte Ausgabe ist stark von der historisch-kritischen Theologie geprägt.
JERUSALEMER
nicht formbewahrend, grundtextnah, bibelkritisch
Flüssige Sprache. Wichtiger als der eigentliche Text sind bei dieser Ausgabe aber die Einleitungen und Anmerkungen. Diese sind sehr stark geprägt von katholischer und vom ganzen Spektrum der historisch-kritischen Theologie. Die Apokryphen sind mit den AT-Büchern vermischt (was bei einer katholischen Übersetzung nicht verwundern wird). Die JERUSALEMER ist hervorragend geeignet, das Vertrauen auf den Bibeltext vollständig zu beseitigen. Darum sollte diese Ausgabe – die auch viele gute Informationen bietet – nur von dem benutzt werden, der einerseits die Bibel, andererseits das Wesen der historisch-kritischen Theologie gut kennt.