1 Einleitung
1.1 Begriffe im Hebräischen
- hakam – weise sein, weise handeln: Spr 8,33; 23,19; 27,11
- hokma – Weisheit, Spr 2,6; 3,19; 8,1
- hakam – der Weise, geschickte (Mann), Spr 16,14
- sekel – Einsicht, Verständnis, Spr 12,8; 19,11
- tushiya – Klugheit, Umsicht, Spr 2,7; 3,21
- leb, lebab – Verständnis, Herz, Spr 10,21; 16,23
- orma – List: positiv – kluges Verhalten Spr 1,4; 8,5 negativ – überhebliche List 2Mo 21,14
- bina – Verständnis, Spr 4,5.7; 9,10; 23,4.
Das Wort Weisheit und somit auch das Thema lässt sich nicht einfach an einem einzigen Begriff festmachen. Die Weisheit ist so vielseitig, dass sie mit unterschiedlichen Worten beschrieben und erklärt werden muss.
1.2 Weisheit berührt Denken und Handeln
Der Begriff „hakam” steht für eine Gewohnheit des Denkens und Handelns, das sich auf Lebenserfahrungen bezieht und Angelegenheiten allgemeiner Interessengebiete sowie moralische Fragen einschließt. Das Thema Weisheit wurde im antiken Nahen Osten vielfach besprochen. Die mesopotamische Weisheit, die einen gemeinsamen Ursprung mit der sumerischen hat, betonte menschliche Erfahrungen, Charakter und den Beistand hinsichtlich praktischer Ratschläge. Dies ist auch heute noch ganz wesentlich die Grundlage der Weisheit dieser Welt. Die Probleme des Todes und des Leidens wurden besprochen. Manche hatten den Eindruck, dass vieles aus der alttestamentlichen königlichen Weisheit, die große Führer an ihre Schüler weitergaben, aus der ägyptischen Weisheit entliehen sei (z.B. Spr 23,13ff aus den Lehren von Amenemope). Die Weisheit des AT ist jedoch sehr verschieden zu anderen antiken Weltdeutungen, wenn auch der Aufbau der Literatur dem anderer Kulturen ähnlich ist. In so mancher Konfrontation mit der heidnischen Kultur erlebte der Prophet Daniel die „zehnfache” (Dan 1,20) Überlegenheit göttlicher Weisheit gegenüber der ihm durchaus vertrauten babylonischen Weisheit.
1.3 Weisheit bezieht sich auf Gott
Wie wir es im AT erkennen, ist die Weisheit vor allem auf der Lehre von einem persönlichen sich offenbarenden Gott gegründet, der heilig und gerecht ist. Dieser Gott erwartet von denen, die ihn kennen, dass sie seinen Charakter in den praktischen Lebenssituationen zum Ausdruck bringen (vgl. Dan 1,8). Die Verbindung von dem geoffenbarten Willen eines heiligen Gottes, der praktischen Befolgung des Willens Gottes und der menschlichen Erfahrungen mit dem lebendigen Gott prägt das Denken und Handeln des Gläubigen.
Diese Lebensweise und Weisheit ist auch völlig verschieden von der spekulativen Weisheit der Griechen. Die ethische Dynamik der griechischen Philosophen liegt in ihrem Intellekt. Wenn ein Mensch vollkommenes Wissen besaß, so konnte er das gute Leben leben (Plato). Wissen war eine Tugend. Bei der alttestamentlichen Weisheit liegt die Betonung auf dem menschlichen Willen, der sich im Zusammenhang mit praktischen Angelegenheiten den göttlichen Plänen unterzuordnen hatte. Darum ist hebräische Weisheit nicht theoretisch oder spekulativ. Sie ist praktisch, gegründet auf geoffenbarte Prinzipien von richtig und falsch, die es täglich auszuleben gilt. Der so geprägte Weise lebt in Abhängigkeit und Verantwortung vor seinem Schöpfer.
Das hebr. Wort t(e)buna, das in Spr 14,29 vorkommt, kann mit Einsicht oder auch Verständnis übersetzt werden. Es ist verwandt mit dem oben erwähnten Wort bina. 2Mo 36,1-2 beschreibt, dass Gott Bezalel und Oholiab zum Bau der Stiftshütte Weisheit (hokma) und Verstand (tebuna) gegeben hat. Biblische Weisheit befähigt dazu, Gott mit Kopf, Herz und Hand zu dienen. Weisheit oder ähnliche Begriffe kommen, verglichen mit anderen biblischen Büchern, am meisten im Buch der Sprüche vor. Das Wort Weisheit und damit verwandte Begriffe tauchen über 110mal auf. Das bedeutet für uns, dass die Weisheit das zentrale Thema in den Sprüchen ist. Der Mensch, der Gott wohlgefällig leben möchte, braucht dazu Gottes Offenbarung und Leitung. Diese Leitung erfährt jeder, der sich den Wahrheiten Gottes willig unterstellt.
2 Das Ziel der Sprüche und die Beschreibung der Weisheit
2.1 Das Ziel
Das Buch der Sprüche will Weisheit vermitteln. Spr 1,1-2: „Dies sind die Sprüche… um zu erkennen Weisheit und Zucht, um zu verstehen verständige Worte, um anzunehmen Zucht mit Einsicht, dazu Gerechtigkeit, Recht und Aufrichtigkeit…” Gott will uns belehren und weise machen, damit wir ein Leben unter Gottes Führung leben, das von Einsicht, Umsicht und einem gerechten sowie integren Lebensstil bestimmt ist.
2.2 Beschreibung der Weisheit
Eine erschöpfende und vollständige Definition über die Weisheit Gottes lässt sich praktisch nicht formulieren. Dazu ist die Weisheit Gottes zu umfassend. Es kann hier nur um den Versuch gehen, die Weisheit zu beschreiben. Weisheit ist der praktische Gehorsam gegenüber den göttlichen Unterweisungen und ist die göttliche Antwort auf ein gottesfürchtiges Leben. Ein weiser Mensch hält sich an Gottes Gebote, weil er gottesfürchtig, also in aufrichtigem Respekt vor Gott, dem HERRN, lebt. Diesen Aspekt vertieft auch Jakobus (Jak 3,13ff). Einem solchen Menschen verleiht Gott wachsende Weisheit und Einsicht.
2.2.1 Sie rüstet aus
Salomos Bitte um ein hörendes Herz (1Kön 3,9) wurzelt in dem Verständnis, dass es Gut und Böse gibt und dass er Belehrung darüber braucht, was in Gottes Augen wohlgefällig ist. Er bittet Gott nicht darum, ihm Entscheidungen abzunehmen, sondern ihn darin zu unterweisen, wie er richtige Entscheidungen treffen kann. Daraus erkennen wir, dass Weisheit sehr wesentlich mit persönlicher aktiver Verantwortung und den richtigen Entscheidungen auf der Grundlage des Wortes Gottes zu tun hat. In der Tat ist unser Leben voller Entscheidungen, und ein auf Gott hörendes Herz erbittet göttlichen Rat und Führung. Gottes Weisheit soll uns Gläubige dazu ausrüsten, Entscheidungen des Lebens recht zu treffen, die Wege des Lebens untadelig zu gehen, die Anfechtungen im Glauben ohne Niederlage zu bestehen, damit wir in zunehmender Weise Gottes Herrlichkeit und Weisheit widerspiegeln. So ist es Gottes Absicht im Zeitalter der Gnade, dass seine mannigfaltige Weisheit durch die Gemeinde, deren Glieder wir sind, kundgetan werde (Eph 3,10).
2.2.2 Sie kommt von „oben”
Jakobus spricht über die Weisheit von „oben” im Gegensatz zu der irdischen. (Jak 3,17). Das Verständnis von der göttlichen Weisheit im AT erweiterte der Apostel Paulus in seinen Briefen durch die Belehrung über die Weisheit Gottes in Christus. Er betont ausdrücklich, dass sie mit der weltlichen Weisheit unvereinbar ist (1Kor 1,17-25), dass in Christus alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis verborgen sind, und dass falsches Denken entlarvt und unter den Herrschaftsbereich Gottes gebracht werden muss (2Kor 10,4-5). Paulus betont die persönliche Verantwortung der Christen, zu verstehen was der Wille des Herrn ist (Eph 5,17). Der Zugang zu Gottes Weisheit steht nur denen offen, die sich ihm in Demut, Unterordnung und Gottesfurcht nahen.
9,10: Die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang.
15,3: Die Furcht des Herrn ist Zucht zur Weisheit.
14,16: Der Weise fürchtet sich und meidet das Böse.
2.2.3 Sie befähigt
Gott will uns durch seine Weisheit zur Bewältigung des Lebens mit allen seinen Freuden und Sorgen befähigen, indem er uns hilft, die Dinge des gesamten Lebens zu erkennen, einzuordnen und zu bewältigen. So gibt Gott uns Weisheit bei schwierigen Entscheidungen, Einsicht in komplizierte Zusammenhänge und Beistand in den vielen Anfechtungen. Weisheit zu haben bedeutet also, die wichtigen Zusammenhänge des Lebens aus Gottes Sicht zu erkennen, sie einordnen zu können, um so die Umstände des Lebens mit Gottes Hilfe zu bewältigen. Dazu benötigt man den Maßstab der Bibel und Wegweisung durch Gottes Geist. Die Weisheit Gottes hilft uns, im Sieg und nicht in der Niederlage zu leben, lösungsorientiert und nicht nur problemorientiert, hoffnungsvoll und nicht schwermütig zu denken. Weisheit ist also die von Gott geschenkte Einsicht, das Leben auf die rechte Weise zu leben. Sie befähigt, Herausforderungen so zu begegnen, dass wir sie zu Gottes Ehre meistern oder aber mit der rechten Blickrichtung auf Gott tragen oder ertragen können.
Wie wirkt Gottes Weisheit im Gläubigen? Sie stellt Gottes Wesen und Macht ins Zentrum von Denken und Handeln. Wie wirkt im Gegensatz dazu Menschenweisheit? Sie stellt die Methoden und das Potential des Menschen in das Zentrum von Denken und Handeln. Aus Gottes Sicht ist das jedoch der Gipfel der Torheit, denn „der Tor spricht in seinem Herzen, es ist kein Gott” (Ps 14,1).
Gottes Führung in unserem Leben bringt jedoch viele Krisen mit sich, in denen unser Selbstvertrauen, das in eigener Weisheit und Kraft wurzelt, zerstört werden soll. Paulus selbst erlebte solches wiederholt (vgl. 2Kor 1,8-11 „ …damit wir nicht auf uns selbst vertrauten”). Die Weisheit Gottes lehrt uns rückhaltloses Gottvertrauen – die Weisheit der Welt lehrt uns Selbstvertrauen und knechtet jene Christen, die beides miteinander vereinbaren wollen. Gottes Weisheit bewahrt uns also vor einer falschen Abhängigkeit von irdischen und menschlichen Überlieferungen (Kol 2,8). Sie befreit von der Versklavung des Irdischen.
Wer Gottes Wahrheit glaubt und praktisch anwendet, erfährt Befreiung von den Elementen und Denksystemen dieser Welt (Joh 8,31-32). Wer so in den Worten von Jesus bleibt, erweist sich als Jünger von Jesus. Der Weise wird sein Haus auf Felsen bauen und erlebt die bewahrende Kraft der Weisheit in Krisen (Mt 7,25). So leitete auch Paulus die Gläubigen zu einem weisen Umgang mit dem Wort Gottes zur Festigung und Reife jedes einzelnen Gläubigen (Kol 1,28). Ein guter und weiser Hirtendienst in der Gemeinde wird dies mit Gottes Hilfe verfolgen. Christen werden Krisen erleben, doch Gottes Weisheit befähigt sie, zu bestehen.
3 Die Quelle wahrer Weisheit liegt in Gott
3.1 Die Basis der Weisheit liegt in Gott
8,12: „Ich die Weisheit, bin die Nachbarin der Klugheit.“ Die Weisheit wird immer wieder personifiziert. Wir wissen aus Kol 2,3.9, dass in Christus „alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis” verborgen sind und in ihm die Fülle der Gottheit leibhaftig wohnt. Christus wird in 1Kor 1,3 als die Weisheit von Gott bezeichnet. Und verglichen mit Mt 12,42 („und siehe, mehr als Salomo ist hier“) wird die herausragende Stellung von Jesus als der Weise deutlich. Die immer tiefer werdende persönliche Erkenntnis von Christus ist der Schlüssel zu Freude, Segen und Glück im Leben. Das war Paulus´ Wunsch für die Gläubigen in Ephesus (Eph 1,17).
3.2 Gott allein gibt Weisheit
2,6: „Denn der Herr gibt Weisheit”. Es gibt keine andere Quelle, um zur Weisheit zu gelangen, als Gott allein. Gott gibt gern dem Weisheit, der den Mangel an Weisheit und Einsicht in seinem Leben zutiefst spürt und Gott im Gebet um seine Hilfe bittet, vgl. Jak 1,5: „Wenn aber jemand von euch Weisheit mangelt, so bitte er Gott.” Gott gibt seine Weisheit willig. Wer andere Quellen der Einsicht und Hilfe sucht, verschmäht Gottes Wesen und Rat und baut auf die eigenen Möglichkeiten. Gott nennt dies ein doppeltes Unrecht. Er ist die Quelle lebendigen Wassers (Jer 2,13). Ein doppeltes Übel und Unrecht wäre es also, Gott als Quelle von Weisheit und Leben zu verlassen und sich eigene Quellen zu erschließen. In diese Versuchung gerieten Gläubige leider immer wieder.
3.3 Der Schlüssel zur Weisheit liegt in der Gottesfurcht
15,33: „Die Furcht des Herrn ist Zucht zur Weisheit.” Die Grundlage für die Weisheit liegt darin, dass ein Mensch den Herrn fürchtet. Das heißt Gott als Herrn im Leben wirklich zu respektieren und ernst zu nehmen. Ein sich ständiges Disziplinieren hin zur Weisheit, das im Denken und in der Haltung der Gottesfurcht beginnt, bereitet die Voraussetzung zum Zugang zur göttlichen Weisheit. Ein Denken, das sich um Gottes Liebe und Gnade, um seine Macht und Möglichkeiten dreht, beeinflusst auch entsprechend das Handeln und Verhalten.
4 Die herausragenden Eigenschaften der Weisheit
4.1 Ihr Wert ist unschätzbar
8,11: „Denn Weisheit ist besser als Korallen, und alles, was man begehren mag, kommt ihr nicht gleich.“ / 16,16: „Weisheit erwerben, wieviel besser ist es als feines Gold, und Verstand erwerben, wieviel vorzüglicher als Silber!“
Immer wieder bestätigt sich die Wahrheit, dass äußerer Reichtum nicht wirklich glücklich macht. Ein Mensch, dessen Herz den Frieden Gottes kennt und von der Weisheit Gottes bestimmt ist, kann sich glücklich preisen, denn ihm offenbaren sich viele verborgene Dinge des irdischen und geistlichen Lebens durch das Wort und den Geist Gottes. Dieser Reichtum ist nicht mit Händen greifbar, aber er erfüllt einen Menschen wahrhaft für Zeit und Ewigkeit. Diese Weisheit ist nicht käuflich, wie ja überhaupt Gottes Gaben nicht käuflich sind, sondern aus Gnade nach Gottes Ermessen zugeteilt werden.
4.2 Ihre Macht ist unübertrefflich
3,19: „Der Herr hat durch Weisheit die Erde gegründet.“ / 8,14-16: „Mein sind Rat und Einsicht; ich bin der Verstand, mein ist die Stärke. / Durch mich regieren Könige, und Fürsten treffen gerechte Entscheidungen; / durch mich herrschen Herrscher und Edle, alle Richter der Erde.“
Das oft sehr komplizierte menschliche Zusammenleben muss geplant, dirigiert und beaufsichtigt werden. Könige und Fürsten kommen so zu gerechten Entscheidungen. Wo sich dabei die Menschen der göttlichen Weisheit bedienen, wird es eher zu einer gerechteren Regierungsführung und Rechtsprechung kommen, als dort, wo man auf seine eigene Weisheit baut. In der Weisheit Gottes liegt Kraft. Im Gegensatz zur Weisheit der Welt ist echte Veränderung und Erneuerung da möglich, wo Gottes Weisheit und sein Wort reichlich in uns wohnt (Kol 3,16) und man auf Gott vertraut. Die segensreichen Möglichkeiten der göttlichen Weisheit sind gerade auch in der seelsorgerlichen Begleitung Hilfesuchender ein Schlüssel zu echter Lebensveränderung. Wie oft sind doch auch Christen versucht, sich auf den Rat und die Überlieferung von Menschen zu verlassen, auf Philosophie und leeren Betrug nach den Elementen der Welt. Es fällt uns schwer im Vertrauen auf Gott zu leben. Darum sind wir so anfällig für die Weisheit der Welt, denn sie will uns glauben machen, dass vieles eben nur durch „gesundes Selbstvertrauen” machbar sei.
4.3 Ihre Erscheinung ist einladend
1,20-21: „Die Weisheit schreit draußen, sie lässt auf den Straßen ihre Stimme erschallen. / Sie ruft an der Ecke lärmender Plätze; an den Eingängen der Tore, in der Stadt redet sie ihre Worte“ (vgl. 7,4; 9,1) / 8,12: „Ich, Weisheit, bewohne die Klugheit, und finde die Erkenntnis der Besonnenheit.“
Die Weisheit wird in den Sprüchen ebenso personifiziert wie die Torheit (Spr 9,13-17). Manche sind der Meinung, dass die Verse in Spr 8 sich eindeutig auf Jesus Christus, die verkörperte Weisheit beziehen würden. Dazu wird oft Kol 2,3 („in ihm ist alle Erkenntnis und Weisheit verborgen“) als Beleg herangezogen. Aber der Abschnitt in Spr 8,22-31 selbst gibt keinen eindeutigen Anhaltspunkt dafür, dass mit der Weisheit die Person des Herrn gemeint sei. Man sollte auch diesen Text als bildhafte Rede über die Weisheit verstehen, in der Gottes Weisheit als eine Person im Gegensatz zur Person der Frau Torheit dargestellt wird. Beide werben um die Aufmerksamkeit der Einfältigen.
5 Weise ist, wer hört und tut
Das Buch der Sprüche bietet uns eine Fülle von Themen so bunt und vielfältig wie das Leben selbst ist. Darum kann dieses Buch fesseln und begeistern. Die vielfältige Mischung der Sprüche ermöglicht Wegweisung und Korrektur in vielen Lebensbereichen, wenn man täglich darin liest. Dieses alte Buch ist von ernüchternder Aktualität angesichts unserer Debatte um Werte und Wegweisung in Gemeinde und Gesellschaft. Wir sollen hörende und tätige Jünger von Jesus sein. Salomo lädt uns mit seinen Sprüchen zu einem Rundgang durch die 31 Kapitel ein. Wie wäre es denn einmal mit der Lektüre eines Kapitels pro Tag für die 30/31 Tage eines Monats? Ich habe sie so über einige Jahre regelmäßig mit viel Gewinn gelesen. Weniger Weisheit der Welt, dafür mehr Weisheit von Gott. Täte dies nicht auch uns Christen gerade heute Not?
Weisheit ist weit mehr als nur Wissen. Der weltliche Gelehrte kennt sicher Antworten auf viele Fragen. Doch er rechnet stets mit der Hilfe aus sich selbst (Ps 146,3 er vertraut „auf Edle” oder Gelehrte). Der weise Gläubige kennt die Antwort auf die entscheidende Frage. Woher kommt meine Hilfe? Meine Hilfe kommt vom Herrn der Himmel und Erde gemacht hat. (Ps 146,5-6)! Eine ständige vertrauensvolle Besinnung auf Gottes Wort und seine Weisheit wird eine stärkende und bewahrende Wirkung für unsere durstigen Seelen, sowie Gemeinden haben, auch gerade in der Seelsorge. Wäre es nicht auch hilfreich danach zu fragen, ob ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen könnte zwischen der allmählichen Zunahme von Ehekonflikten und Scheidungen, sowie gemeindlichen Streitigkeiten unter Christen und dem Mangel an göttlicher Weisheit? Paulus rügte die Gläubigen in Korinth, weil sie Rechtshändel vor der Welt austrugen. Sie setzten die zu Richtern ein, die in der Gemeinde nichts galten (1Kor 6,4). Damit wurde also faktisch das gemeindeinterne Problem aus Inkompetenz oder aus Schmähung der göttlichen Weisheit unter das unheilsame Diktat weltlicher Beurteilung und Beratung gezerrt. 1Kor 6,5: „Zur Beschämung sage ich es euch. Also gar kein Weiser ist unter euch, der zwischen Bruder und Bruder entscheiden kann?“ Biblisch betrachtet, ist es also beschämend, wenn wir Christen unsere Konflikte vor der Welt austragen. Ähnlich beschämend sähe es aus, wollten wir Konflikte nach den Regeln und Konzepten irdischer Weisheit lösen. Die irdische Weisheit steht im Widerspruch zur Weisheit von oben und führt in unheilvolle Zerrüttungen (Jak 3,15-17).
Nach biblischer Einschätzung sagt die Qualität unserer zwischenmenschlichen Beziehungen nicht nur etwas über die Existenz wahrer Liebe aus, vielmehr weist sie sehr konkret auch auf die Geltung und Stellung unseres Herrn Jesus und dessen Weisheit in unseren Gemeinden hin. Seine Weisheit ist rein, friedvoll, milde, folgsam, voller Barmherzigkeit und guter Früchte, unparteiisch und ungeheuchelt. So sollen wir als Weise lernen zu sein und zu handeln. Nach Paulus Verständnis erfolgt weise Konfliktlösung gemeindeintegriert und christuszentriert. Die Offenbarung der Weisheit gipfelt in Christus selbst, der uns zur Weisheit wurde (1Kor 1,30). Er muss im Zentrum von unserem Hören, Reden und Tun stehen, denn „wo man Gottes Wort nicht lauscht, wird der Wille Gottes mit der eignen Wahl vertauscht.” (N.L. Zinzendorf). Diesem schlechten Tausch folgt bald auch eine große Enttäuschung.
6 Neubesinnung durch Nachsinnen über das Wort
Unser Nachdenken über die Weisheit in den Sprüchen kann eine Brücke schlagen zu dem, was das Neue Testament über Weisheit sagt. Es gibt gute Impulse für das praktische Leben. Möge die folgende Auswahl meiner eigenen Reime, Sentenzen und „Sprüche” unser Interesse auf die Sprüche Salomos lenken. Sie lehnen sich an die angegebenen Verse an, wollen lediglich ergänzen oder auf ansprechende Weise Gedanken der Verse wieder geben. Sie sollen nichts hinzutun, sondern einladen, tiefer im Wort zu graben. Das Nachsinnen über Gottes Wort (Ps 1) erschließt uns dessen zeitlose Aktualität und Relevanz immer wieder auf erstaunliche Weise.
- Liebe die Weisheit und nicht die Welt, das bringt dich aufwärts, so dass du nicht fällst. (4,7-8)
- Wer weise ist, der lässt sich was sagen, wer Tadel hasst, bleibt dumm und wird klagen. (12,1)
- Mehr Schein als sein, das lasse sein. (12,9)
- Nicht ein Los fällt selbst bei Heiden, ohne dass es Gott wird leiten. (16,33)
- Des Menschen Narrheit bringt ihm Verirrung im Nu, doch die Schuld dafür schiebt er Gott in die Schuh. (19,3)
- Handle nicht gegen besseres Wissen, sonst verstummt bald dein Gewissen. (19,27)
- Lass das Schimpfen und das Schelten, Gott der Herr, er wird´s vergelten. (20,22; 24,19)
- Guter Rat für die Ohren eines Toren, sind wie Wasser auf Stein – nichts dringt ein. (23,9)
- Das Böse habe kein Gewicht, wer so denkt ist ein Bösewicht. (24,8)
- Wie du mir, so ich dir, das verschließt bald jede Tür. (24,29)
- Faulheit und der Unverstand gehen oftmals Hand in Hand. (24,30)
- Urteile nie nach dem Augenschein, das bringt dir doch nur Ärger ein. (25,8)
- Ein weises Wort zur rechten Zeit und auch am rechten Ort, das macht das Reden jeder Zeit zur Kunst aus Geist und Wort. (25,11-12)
- Hält man sich selbst für klug, lebt man im Selbstbetrug. (26,12)
- Der faule Mensch erfindet Hürden, die andere niemals sehen würden. (26,13)
- Rhetorik gleicht Kosmetik, ersetzt nicht substanzielle Ethik. (26,23)
- Stein und Sand sind sehr schwer, der Ärger über Narren wiegt weit mehr. (27,3)
- Grausam sind Ärger und überflutend der Zorn, doch wehe Eifersucht nimmt dich aufs Korn. (27,4)
- Besser ein offenes Wort, das ermahnt, als geheime Liebe, von der man nichts ahnt. (27,5)
- Wer nicht mehr hören will, was Gott im Wort zu sagen hat, den will Gott auch nicht hören, egal was er zu klagen hat. (28,9)
- Grundloses Lob ist nichts als Schmeichelei und eine Falle aus purer Heuchelei. (29,5)
- Tritt ein kluger Mann mit einem Narren vor Gericht, so tobt der nur und lacht, doch Ruhe gibt es nicht. (29,9)
- Ein Herrscher, der auf Lügen baut, hat gottlose Leute denen er vertraut. (29,12)
- Wer die Jugend verhätschelt und verwöhnt, beklagt am Ende Rebellion und stöhnt. (29,21)
- Fürchte nicht Menschen, vertrau auf Gott, er bietet Sicherheit, denn er hält Wort. (29,25)