Das Buch ist als aktuelle Einführung in die Umwelt des Neuen Testaments konzipiert und legt den Schwerpunkt auf „das frühjüdische Umfeld des Christentums“ (19), insbesondere im Hinblick auf die Trennung von Juden und Christen. Die Stärken des Buches liegen aber vor allem in der Beschreibung des Frühjudentums. Der Band beginnt mit einer sensiblen Erörterung des Begriffes „Frühjudentum“ (25-26) sowie einer zeitlichen Einordnung dieses häufig verwendeten, aber selten definierten Begriffes (25-30). Tiwald bezieht den Begriff „Frühjudentum“ auf die Zeit zwischen dem 3. Jh. v.Chr. und dem 2. Jh. n.Chr. (27). Dementsprechend gibt der Band in einem ausführlichen Kapitel zunächst einen hilfreichen Abriss über die Geschichte des Judentums zur Zeit der Diadochenreiche, in der Makkabäerzeit sowie in der römischen Zeit bis zum jüdischen Krieg und Bar Kochba-Aufstand (53-115). Dieses Kapitel ist besonders hilfreich, weil es in sehr einfacher Sprache die wichtigsten Entwicklungen kompakt zusammenfasst.
Anschließend folgt ein Kapitel zu den unterschiedlichen Gruppierungen des Frühjudentums, in dem auch das Diasporajudentum und die Anfänge des Christentums berücksichtigt werden (117-236). Auch hier finden sich wertvolle, aber knappe Informationen zur Zeitgeschichte. Insbesondere die Darstellung der frühjüdischen Gruppierungen ist hilfreich, weil die verfügbaren Informationen zu Pharisäern, Sadduzäern, Essenern, Herodianern, Samaritanern und Zeloten zusammengetragen und die jeweiligen frühjüdischen Quellen genannt werden. Ein weiteres Kapitel richtet das Augenmerk schließlich auf die soziopolitische Situation Palästinas und liefert dabei interessante Informationen zur wirtschaftlichen Lage und den existierenden sozialen Spannungen zur Zeit Jesu (237-256). Das letzte große Kapitel beschäftigt sich mit Gemeinsamkeiten, Übergängen und Trennungen zwischen Frühjudentum und Christentum und ist zugleich der schwächste Teil des Buches. Tiwald ist als Kenner des Frühjudentums und paulinischer Theologie zwar in vielen seiner Urteile treffsicher und bahnt sich so einen durchaus gangbaren Pfad durch etliche neuere Entwicklungen und Fragestellungen der Paulusauslegung. In anderen Bereichen herrschen aber idiosynkratische Deutungen (so etwa zum Selbstverständnis Jesu) oder bibelkritische Plattitüden der Forschung (so etwa zur Entstehung der Evangelien) vor.
Tiwald, Markus: Das Frühjudentum und die Anfänge des Christentums. Ein Studienbuch. Stuttgart: Kohlhammer 2016. 368 S. Kartoniert: 60,00 €. ISBN: 978-3-17-030922-7
Die Stärken des Buches liegen daher in der Darstellung der geschichtlichen Entwicklungen des Frühjudentums und des frühen Christentums. Die Konzentration auf die geschichtliche Komponente ist aber zugleich die größte Schwäche des Buches: Auch Jesus, Paulus und die Evangelisten werden rein geschichtlich betrachtet und die neutestamentlichen Texte historisch hinterfragt. Das so rekonstruierte Bild von Jesus, Paulus und dem Beginn der Gemeinde steht damit vielfach in Spannung oder sogar im Widerspruch zu den Aussagen der neutestamentlichen Texte selbst.
Fazit: Ein gut lesbarer, kompakter Abriss über das Frühjudentum, der seine Stärken vor allem in der Darstellung der Zeitgeschichte und der Zusammenfassung historischer Entwicklungen hat. Die Auseinandersetzung mit den neutestamentlichen Texten findet man dagegen besser, ausführlicher und plausibler in anderen Büchern.