Wie kann ein barmherziger, liebevoller Gott viele Menschen in die Hölle werfen und dort ewig leiden lassen? Kaldeweys Ausweg besteht aus zwei Teilen:
Inklusivismus – nicht „viele“: Im Neuen Jerusalem werden jene sein, die in diesem Leben zum Glauben an Christus kamen. Darüber hinaus wird es auf der neuen Erde eine weitere, wohl überraschend große Gruppe geben, die „Nationen“. Das sind Menschen, die zwar keine Christen waren, „doch tief im Herzen haben sie etwas von Gott erfasst und dienen ihm, ohne es zu wissen“ (S. 178). Gott rechne „ihnen aufgrund eines verborgenen oder potenziellen Glaubens die Gerechtigkeit seines Sohnes“ zu (S. 338). Als gerechter und barmherziger Richter berücksichtigt er auch Faktoren wie gelebte Barmherzigkeit oder die guten Absichten unseres Herzens.
Annihilation – nicht „ewig“: Die Hölle ist nur für die „wirklich Bösen“ bestimmt, die sich bewusst gegen Gott stellen. Allversöhnung sei biblisch nicht haltbar, doch passe eine ewige Höllenqual nicht zum Wesen des barmherzigen Gottes. Plausibel sei dagegen die Annihilation, die Auslöschung dieser Menschen nach einer angemessenen Strafe in der Hölle.
Kaldewey, Jens: Großer Himmel – kleine Hölle? Wie das Gericht Gottes uns Hoffnung macht. Holzgerlingen: SCM R. Brockhaus, 2021. ISBN 978-3-417-24171-6. 363 S. 24,99 €
Die vorgestellte Lehre ist auf das Gottesbild, Sündenverständnis, Selbstbild und Gerechtigkeitsempfinden des modernen Menschen abgestimmt. Doch: Ist Gottes Wesen nicht zu vielschichtig, um es vorrangig auf seine Barmherzigkeit zu reduzieren? Und teilt die Bibel tatsächlich diese optimistische Sicht auf den Menschen, der – solange er sich nicht gegen Gott verhärtet – auch so viel Gutes vorzuweisen hat? Betritt nicht wieder einmal die Werkgerechtigkeit die Szene, wenn die halbwegs Guten begnadigt werden? Kann Glaube im biblischen Sinn ohne Erkenntnis, dem „Glaubenden“ selbst verborgen sein?
Die vorgeblich gründliche Exegese ist von Formulierungen durchzogen wie: „Ich kann mir schwer vorstellen …“, „Dürfen wir nicht vermuten, dass …“, „Ich lese hier zwischen den Zeilen …“ Es bleibt zu hoffen, dass der Leser dies bemerkt.