Kürzlich machte ich einen Fehler. Sicher, es war nicht mein erster, aber er war besonders schmerzhaft, weil er öffentlich stattfand. Einige Leute wurden durch meinen Irrtum aufgeschreckt und griffen ein, um beim Umgang mit den Folgen zu helfen. Und ich wurde zornig.
Ich war so zornig, weil ich sehr erregt war. Ich hatte etwas vermasselt und andere haben es gesehen. Am liebsten hätte ich jemand anderem die Schuld gegeben oder es auf die Umstände geschoben. Ich suchte nach etwas, auf das ich zornig sein konnte. Aber die Wahrheit war nun mal, dass es mein eigener Fehler war, und ich nicht zornig auf mich sein wollte, aber mich auch nicht entschuldigen und es vor denen bekennen, die es betroffen hatte. Traurigkeit, Schuld und Ärger sind schwer zu ertragen. Zorn fällt oft leichter.
Ein sehr bekannter Abschnitt in der Bibel über Zorn findet sich in der Bergpredigt:
Ihr habt gehört, dass zu den Vorfahren gesagt worden ist: ‚Du sollst keinen Mord begehen. Wer mordet soll vor Gericht gestellt werden.‘ Ich aber sage euch: Schon wer auf seinen Bruder zornig ist, gehört vor Gericht. Wer aber zu seinem Bruder ‚Schwachkopf‘ sagt, der gehört vor den Hohen Rat. Und wer zu ihm sagt: ‚Du Idiot!‘, gehört ins Feuer der Hölle. (Mt 5,21-22 NEÜ)
Christus erweitert hier das Gebot gegen den Mord aus 2Mo 20,13, weil er feststellt, dass es weitere Sünden über den eigentlichen Mord hinaus umfasst und Zorn und Beleidigungen ebenso verbietet. Das Westminster Bekenntnis hatte darauf bezugnehmend von „sündigem Zorn“ gesprochen, der durch das Gebot ebenso verboten wird. Das heißt also, dass nicht der Zorn im Allgemeinen verboten ist, sondern der sündige Zorn. Das beinhaltet, dass nicht jeder Zorn sündig ist. Paulus hatte das offenbar auch im Sinn, als er an die Epheser schrieb: „Zürnet, und sündigt dabei nicht! Die Sonne gehe nicht unter über eurem Zorn“ (Eph 4,26).
Wollen wir verstehen, wie Zorn ohne Sünde ist, müssen wir auf Gott schauen. Gott ist langsam zum Zorn (2Mo 34,6), aber es gibt doch viele Beispiele in der Schrift, wo Gott seinen Zorn zeigt. Römer 1,18 sagt uns, dass „Gottes Zorn vom Himmel her über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, welche die Wahrheit durch Ungerechtigkeit niederhalten“, offenbart wird. Dieser Zorn ist berechtigt und gerecht, gerichtet gegen Menschen, die sich gegen ihren Schöpfer gestellt haben. Gott überlässt sie ihren eigenen Sünden und deren Folgen, was zuletzt in einem ewigen Gericht Gottes endet.
Auch Jesus Christus war manchmal zornig. So warf er die Geldwechsler und Händler aus dem Tempel (Joh 2,13-17) und verdammte die Schriftgelehrten und Pharisäer dafür, dass sie ihren eigenen Traditionen gehorchten anstatt Gott und einfachen Menschen schwere Lasten auflegten (Mt 23,1-36).
Wenn wir an die Bosheiten dieser Welt denken, ist es naheliegend, zornig zu werden. In jedem Jahr werden hunderttausende von Babys im Mutterleib getötet. Herrscher unterdrücken ihre Völker und überfallen andere. Der gute Ruf mancher wird skrupellos zerstört. Menschen werden sexuell missbraucht. Christen sterben als Märtyrer. Kinder gehen an Hunger zugrunde.
Wenn die Ungerechtigkeit regiert, dann ist auch Gott zornig. Wir tun recht, wenn wir zornig sind, wo Gott auch zornig ist. Aber ist gibt einen wichtigen Unterschied. Gottes Zorn ist immer gerecht und angemessen. Bei uns bleibt aber in diesem Leben, auch wenn wir durch den Heiligen Geist erneuert und geheiligt wurden, die Kraft des sündigen Fleisches vorhanden, so dass unser Zorn so von uns ausgeht, dass er das Böse noch vergrößert, das ihn ausgelöst hat.
Der Westminster Katechismus hebt die Gefahr hervor, dass der Zorn sündig wird, wenn er sich mit Hass, Feindschaft und dem Wunsch nach Rache verbindet. Diese verbundenen Sünden sind als Sünden, die oft dem Zorn folgen, genauso verboten. Der Zorn bleibt nicht allein, sondern gebiert Sünde und die Sünde bringt den Tod (Jak 1,15). So gehen aus dem Zorn immer mehr Sünden hervor.
Jakobus ermahnt uns, dass wir „schnell zum Hören, langsam zum Reden, langsam zum Zorn“ sind. „Denn eines Mannes Zorn wirkt nicht Gottes Gerechtigkeit.“ (1,19-20 ELB). Der Zorn des Menschen, d.h. der sündige, fleischliche Zorn, schafft keine Gerechtigkeit, sondern bringt immer mehr Böses zur Welt.
Wenn wir glauben, dass unser eigener Zorn gerechter Zorn ist, dann müssen wir uns selbst prüfen, um sicherzustellen, dass wir nicht auf eine unangemessene Weise reagieren. Selbst wenn wir zu Recht über Unrecht zornig werden, muss uns das letztlich dazu führen, dass wir Gott unsere Sache anvertrauen, der wirklich gerecht ist und der verspricht: „Die Rache ist mein, ich will vergelten“ (Röm 12,19).
Über das Verbot zu morden muss aber mehr gesagt werden. Denn wenn Gott etwas verbietet, dann will ER nicht nur das Böse verhindern, sondern zum Guten ermuntern. Christus hilft uns, das zu erkennen, wenn er herausstellt, dass wir uns mit unserem Bruder versöhnen sollen, mit dem wir zerstritten sind. Das negative Verbot zu morden enthält das positive Gebot in sich, gute Beziehungen zu pflegen.
Das hilft uns, wenn wir einen Weg zum Umgang mit unserem Zorn suchen. Wenn uns jemand verletzt hat, können wir alles Mögliche versuchen, um die Verletzung zu heilen. Wir können anderen mit Demut begegnen, indem wir, soweit nötig, für unsere Verfehlung um Verzeihung bitten. Paulus sagt uns: „Soweit es irgend möglich ist und soweit es auf euch ankommt, lebt mit allen Menschen in Frieden!“ (Röm 12,18 NEÜ).
Wir dürfen vor allem nicht vergessen, dass unsere wichtigste Beziehung die ist, die wir zu dem Einen haben, der uns geschaffen und erlöst hat. Zorn ist so verwerflich, weil er ein Angriff gegen den ist, der nach Gottes Bild geschaffen wurde. Gegen den Menschen zu sündigen, der Gottes Ebenbild ist, heißt auch, gegen Gott zu sündigen. Der Geist Gottes, der uns die Erlösung gebracht hat und uns heiligt, der will uns auch die Kraft geben, zu überwinden (Phil 3,14). Er bringt bei uns in Erinnerung, wir sehr wir gegen unseren Schöpfer gestanden haben und wir sehr Gott uns Liebe und Geduld entgegengebracht hat. Die Anfeindungen von Menschen, die wir auszuhalten haben, sind dagegen gering.
Lasst uns also, wenn der Zorn kommt, uns an die Geduld, die Gerechtigkeit und die Güte Gottes erinnern. Wir brauchen das Vertrauen, dass Gott trotzdem alles zum Guten wenden wird für diejenigen, die ihn lieben.
Übersetzung und Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Ligonier Ministries