Der evangelikale Theologe ist Professor für Systematische Theologie. Für dieses Werk erhielt er 2002 den Louisville Grawemeyer Award in Religion und ein sehr positives Echo. Als gebürtiger Kroate ging ihm der Jugoslawienkrieg und die Gräueltaten, die dort von allen Seiten geschahen, besonders nahe. Auch in Los Angeles erlebte er ethnische und kulturelle Konflikte. Ihm wurde klar, dass diese Konflikte „Teil eines größeren Problems von Identität und Anderssein“ (S.13) sind. Sein Ziel war es nicht, eine andere Gesellschaft zu schaffen, sondern er erforschte, „wie unser Selbst beschaffen sein müsste, um in Harmonie mit anderen zu leben.“ (S.19). Es geht in diesem Buch also nicht primär um die großen Veränderungen, sondern darum, wie wir im Kleinen miteinander in Frieden leben können, mitten in einer Welt von Ungerechtigkeit und Gewalttaten. In dieser Welt der Gewalt stellt das Kreuz Jesu einen Skandal dar. Die christliche Nachfolge, in einer Welt der Ungerechtigkeit und Gewalttaten, ist eine besondere Herausforderung.
Im ersten Teil des Buches untersucht er herausfordernd folgende aktuelle Begriffe im Zusammenhang seiner Thematik: Distanz und Zugehörigkeit; Exklusion; Umarmung und geschlechtliche Identität. Der große Teil seiner Aussagen und Schlussfolgerungen ist einleuchtend und nachvollziehbar, an anderen Stellen erscheinen mir seine theologischen Betrachtungen jedoch etwas überspannt. Das ist etwa bei seinem Verständnis zu Kain oder zur Genderthematik zu beobachten.
Volf, Miroslav: Von der Ausgrenzung zur Umarmung. Versöhnendes Handeln als Ausdruck christlicher Identität. Marburg: Verlag der Francke Buchhandlung 2012. 461 S. Hardcover: 19,95 €. ISBN: 978-3-86827-355-7
Im zweiten Teil betrachtet er folgende Themen näher: Unterdrückung und Gerechtigkeit, Täuschung und Wahrheit sowie Gewalt und Frieden. Er fordert darin immer wieder zum Umarmen des Anderen auf. Dabei stellt die Umarmung für ihn keine billige Praxis dar, sondern durch sie entsteht eine Synergie mit der Gerechtigkeit. Immer wieder nimmt er dabei Bezug auf das Sterben Jesu am Kreuz. Trotz allem ist dieser Weg für ihn kein Allheilmittel für diese Welt. Erst durch Gottes Gericht wird eine endgültige Gerechtigkeit aufgerichtet. Bis dahin hält Gottes Werben um die Menschen an. Gottes Geduld mit den Menschen ist teuer, denn sie lässt es zu, „dass das Leiden weitergeht“ (S.401). Genauso fordert es uns heraus, für die Menschen, so wie Jesus, offene Arme der Annahme ohne Vorbedingungen zu haben, damit sie offen werden, Jesus zu lieben.
Das Buch forderte mich heraus sehr genau zu lesen, da jeder Satz viel Inhalt zum Nachdenken hat. Zeitweise überlegte ich, ob es sich um ein theologisches oder eher ein philosophisches Buch handelt, da Nietzsche gefühlt genauso oft zitiert wird, wie die Bibel. Trotzdem ist es lesenswert, da es die aktuellen Themen unserer Zeit aufgreift und uns im Kleinen herausfordert aktiv zu werden. Schwierige Themen geht er offen an und ermutigt dazu, unseren Glauben praktisch im alltäglichen Leben umzusetzen.