(Bonn, 20.12.2010) Als die Weltweite Evangelische Allianz das Buch What Difference Does the Trinity Make? (Welche Bedeutung hat die Trinität?) von Thomas K. Johnson in der Global Issues Series veröffentlichte, hatte man nicht mit so viel Aufmerksamkeit gerechnet. Theologen aus aller Welt schätzen die Herangehensweise, mit der die praktische Bedeutung der Trinität erörtert wird. Der Baptistentheologe T. Preston Pierce sagte dazu: „Wer hätte gedacht, dass die Trinitätslehre so praktisch und solch ein Vergnügen sein könnte?“ Der presbyterianische Theologe John Wiers bemerkte: „Das ist ein frischer und wertvoller Weg, die klassischen Lehren im Mittelpunkt des historischen christlichen Glaubens zu betrachten, der ihre ethischen und sozialen Folgen beleuchtet.“ Nachdem Johnson eingeladen wurde, über das Thema in den baltischen Ländern zu sprechen, schrieb Rev. Carl Chaplin, ein inzwischen in Riga (Lettland) lebender Missionarsveteran, Pastor und Lehrer: „Ihr Unterricht über die Trinität für die Studenten unseres Seminars war hervorragend. Es war die beste Lehre über die Trinität, die ich jemals gehört habe: Sie hat gezeigt, wie die frühen Glaubensbekenntnisse formuliert wurden, um die Irrlehrern der damaligen Zeit und unserer heutigen Zeit zu bekämpfen.“
Der Vorsitzende der theologischen Kommission der Weltweiten Evangelischen Allianz empfahl vor kurzem auf einer in Nepal stattfindenden Konferenz evangelikaler Lehrer aus ganz Asien, sich dieses Buch zu Gemüte zu führen: „Die große Zahl der täglich Neubekehrten macht die evangelikale Bewegung für allerlei merkwürdige Lehren und Irrlehrer anfällig, wenn wir uns nicht verstärkt bemühen, neue Leiter mit einer sicheren biblischen Theologie auszubilden. Eines der Themen, denen wir einen zentralen Platz in dieser Ausbildung geben müssen, ist die Trinitätslehre, die man nicht mehr selbstverständlich voraussetzen kann. Ihre Bedeutung für das tägliche Leben Evangelikaler muss aufgezeigt werden.“
BQ hatte die Möglichkeit, Dr. Johnson zu fragen, warum er das Buch geschrieben hat:
BQ: Dr. Johnson, was ist denn eigentlich in Ihrem Verständnis der Trinitätslehre neu?
Johnson: Nun, ich hoffe, dass nichts neu ist. Das, was wir heute brauchen, ist sehr alt, wir müssen nämlich wiederentdecken, was unsere christlichen Vorfahren über Gott und die Welt wussten. Wir brauchen eine Rückbesinnung auf die klassische Orthodoxie in unserer Theologie, Ethik, und Weltsicht. Deshalb habe ich von einer „Post-kritischen Trinitätsorthodoxie“ gesprochen.
BQ: Wenn doch an dem, was Sie sagen, nichts neu ist, warum haben Sie dann Ihr Buch geschrieben?
Johnson: Ich hatte mehrere Gründe. Nachdem ich persönlich einige sehr verdrehte Versionen des christlichen Glaubens und des Christenlebens durchgemacht hatte, habe ich gemerkt, dass wir ein Werkzeug brauchen, mit dessen Hilfe wir die Glaubensversion, die wir hören oder praktisch ausleben, einschätzen können, um so zu erfahren, ob sie ausgewogen und vollständig ist. Wie ein Arzt zur Diagnose verschiedene Testmethoden und Messinstrumente braucht, genauso brauchen Seelenärzte und Ärzte für die Gemeinde solche Hilfsmittel. Die historische Trinitätslehre sollte als solch ein diagnostisches Messinstrument eingesetzt werden.
BQ: Das klingt merkwürdig. Können Sie das erläutern?
Wenn jemand eine Person Gottes völlig außer Acht lässt, dann kommt alles aus dem Gleichgewicht und wird verdreht.
Johnson: Es ist eigentlich nicht merkwürdig. Ein Christ, dessen Glaube und Leben vollständig und ausgewogen ist, wird aufmerksam auf alle drei Personen Gottes reagieren. Wenn eine Einzelperson oder eine religiöse Bewegung eine Person Gottes völlig außer Acht lässt, egal ob es sich um den Vater, den Sohn oder den Heiligen Geist handelt, dann kommt alles aus dem Gleichgewicht und wird verdreht. Vielleicht ist es nicht so schlimm, wenn verschiedene Christen oder Bewegungen den Schwerpunkt, wer Gott ist, leicht unterschiedlich setzen. Wir sollen uns aber davor hüten, dass wir keine „Nur-Jesus“- oder „Nur-Heiliger-Geist“-Christen werden. Wenn wir an alle drei Personen Gottes glauben, und wenn wir eine irgendwie vollständige Sicht vom Wirken jeder einzelnen Person Gottes haben, werden wir reifer und ausgewogener.
BQ: Hat das einen Bezug zu den alten Irrlehren, mit denen die Kirche zu tun hatte?
Johnson: Genau! Die Irrlehren des zweiten und dritten Jahrhunderts hatten alle damit zu tun, dass das Wirken einer bestimmten Person Gottes vernachlässigt, verdreht oder verleugnet wurde. Die Irrlehren, die einen stark hellenistischen Hintergrund hatten – die „gnostische“ Familie der Irrlehren –, hatten zum Beispiel typischerweise eine schrecklich verdrehte Sicht von Gott, dem Vater, und von allem, was mit der Schöpfung zusammenhing. Ihr ganzer Glaube und ihr Leben war in eine ganz bestimmte Richtung verdreht. Die Irrlehren, die von Arius beeinflusst wurden, hatten eine verzerrte Sicht von Jesus, der zweiten Person Gottes, und dadurch wurde alles verzerrt, was sich auf Errettung bezieht.
BQ: Gibt es also Ähnlichkeiten zwischen den alten Irrlehren und bekannten Verdrehungen des Glaubens heutzutage?
Johnson: Es gibt einige Unterschiede. Ich bezweifle sehr, dass die Doketisten des zweiten Jahrhunderts behauptet hätten, dass sie durch Visionen von McDonalds ernährt worden seien, wenn sie damit prahlten, wie viel sie fasteten, aber ich habe gehört, wie das Menschen heute behaupten. Aber die meisten ernsthaften Verdrehungen des Glaubens, egal ob heutzutage oder in der Alten Welt, vernachlässigen oder missverstehen ernstlich eine Person der Trinität. Das ist die Ähnlichkeit.
BQ: Wie hängt das mit ihrer Aussage zusammen, dass die Trinitätslehre von ganz entscheidender Wichtigkeit für die Reaktion auf den Säkularismus ist?
Johnson: Wir alle wachsen unter dem Einfluss irgendeiner Weltsicht oder Lebensphilosophie auf, die an unsere säkuläre Kultur gebunden ist, sei sie antik oder modern. Diese alte Lebensphilosophie formt in unserem Denken einen Plan oder einen Grundriss, der uns zu Fehlinterpretationen des christlichen Glaubens und Lebens führt. Wenn wir jedoch bewusst anfangen, unseren christlichen Glauben und unser tägliches Lebens im Licht der Dreieinigkeit zu verstehen, können wir in unserem erneuerten Sinn mit dem Schreiben eines neuen Planes oder Grundrisses beginnen. Dann ist die Dreieinigkeit keine antike Metaphysik – sie ist der Grundriss unseres Glaubens, unseres Lebens und unserer Weltsicht.
BQ: Hilft die Trinitätslehre also, unsere Beziehung zur säkularen Kultur zu verändern?
Wenn wir die Trinität nicht in der Tiefe begriffen haben, wird unsere Herangehensweise an den Glauben und das Leben immer halb säkularisiert sein.
Johnson: Das ist wichtig. Entweder verstehen wir den Glauben im Licht einer säkularen Weltsicht, und wir wenden ihn entsprechend an, oder wir verstehen säkulare Kulturen und Weltbilder im Licht der Trinität. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Wenn wir die Trinität nicht in der Tiefe begriffen haben, wird unsere Herangehensweise an den Glauben und das Leben immer halb säkularisiert sein. Ich mache mir Sorgen darüber, dass einige Christen auf solch eine halb säkularisierte Weise leben.
BQ: Hat das einen Bezug zu dem, was Sie „post-kritische“ Theologie nennen?
Johnson: Richtig! Seit der Aufklärung hat man oft gefragt, ob moderne, gebildete Menschen immer noch an die Dreieinigkeit glauben können. Die Frage geht davon aus, das wir auf der Basis unserer kritischen Vernunft beurteilen können, ob Gott existiert oder nicht und ob Gott dreieinig sein kann oder nicht. Diese Fragestellung verdreht sowohl die Vernunft als auch den Glauben grundlegend. Als post-kritischer Theologe würde ich sagen, dass die Existenz und die Aktivität aller drei Personen der Dreieinigkeit die ontologischen, historischen, und existentiellen Voraussetzungen bilden für alles, was wir wissen und erfahren. Wir sollten den Verstand im Licht der Dreieinigkeit gebrauchen, nicht umgekehrt.
BQ: Hatte also die Lehre von der Dreieinigkeit großen Einfluss in der Geschichte?
Johnson: Ich habe das noch nicht so gut dokumentiert, wie ich mir das wünsche, aber ich bin davon überzeugt, dass die westliche Zivilisation ohne zwei Faktoren nicht entstanden wäre: 1. Gott ist wirklich eine Trinität. 2. Viele Christen hatten wenigstens eine ungefähre Kenntnis von Gott als Trinität. Das lässt darauf schließen, dass ein neu belebtes Trinitätsverständnis für die Erneuerung unserer Gemeinden und unserer Kultur entscheidend ist.
BQ: Vielen Dank für das Gespräch.
Johnson: Es ist immer ein Vergnügen über unseren dreieinigen Gott zu sprechen.
Bezugsinformationen:
Johnsons Buch, What Difference Does the Trinity Make? A Complete Faith and Worldview, Band 7 in der Global Issues Book Series der Weltweiten Evangelischen Allianz (Bonn: VKW, 2009), ist hier als kostenloser Download erhältlich:
Bonner Querschnitte BQ 154 - Nr.32/2010