Mit dieser umfangreichen Fleißarbeit hat John N. Klassen (Jahrgang 1929) ein Buch vorgelegt, das sicher lange Zeit Standartwerk zur Geschichte, Entwicklung und Beurteilung der Russlanddeutschen, insbesondere baptistischer Prägung, bleiben wird.
Das Buch ist die aktualisierte Form der Dissertation von Pastors John N. Klassen, der u.a. am Bibelseminar Bonn lehrt. Er hat damit 2002 im Bereich Missiology an der Universität von Südafrika promoviert.
Das Werk ist eine ekklesiologische Untersuchung über die Geschichte der Russlanddeutschen, ihre Frömmigkeit und den Aufbau und die Entstehung ihrer heutigen Gemeinden in Deutschland, mit Schwerpunkt auf Mennoniten und Baptisten.
Trotz seiner wissenschaftlichen Korrektheit ist es leicht lesbar und durch die genaue Feingliederung, vielfältige Tabellen und Register auch für Laien als Kompendium zu benutzen.
Die Fixierung auf mennonitische und baptistische Gemeinden, die im Buchtitel klar wird, trifft allerdings nicht ganz das ursprüngliche Dissertationsthema „Gemeindeaufbau und Wachstum bei den Russlanddeutschen Evangelikalen in Deutschland inmitten der Spannung von Einwanderung und Integration“. Lutherische Brüdergemeinden, von denen es heute mindesten 150 in Deutschland gibt, kommen, wie auch andere Freikirchen, nur am Rande vor. Dies obwohl auch sie als Evangelikal eingestuft werden müssen. Allerdings war die Eingrenzung auf Mennoniten- und Baptistengemeinden wohl auch der Fülle des Materials wegen nötig. Über die besondere Problematik der anderen Gemeinden wäre eine ähnliche Arbeit wünschenswert.
John N. Klassen. Russlanddeutsche Freikirchen in der Bundesrepublik Deutschland. Grundlinien ihrer Geschichte, ihrer Entwicklung und Theologie. edition afem mission academics 27. Nürnberg/Bonn: VTR/VKW 2007. 444 S. Paperback: 34,80 €. ISBN 978-3-937965-87-1
Der stellv. Chefredakteur der Zeitschrift „Glaube in der 2. Welt“ , der wichtigsten Fachzeitschrift über die kirchlichen Verhältnisse in Ost- und Südosteuropa, empfiehlt das Buch mit den Worten „Dieser Studie ist bei einer großen Leserschaft freundliche Aufnahme zu wünschen – in freikirchlichen, in evangelisch-landeskirchlichen und auch katholischen Kreisen. Möge sie dazu beitragen, dass wir jenen vielfach nicht akzeptierten Glaubensgeschwistern aus dem Osten größere Liebe und mehr Verständnis in Christo entgegenbringen“. (S.26)
Das Buch umfasst nach einem Einführungsteil vier Hauptteile, mit wichtiger Untergliederung:
- Teil: Geschichtlicher Hintergrund der Russlanddeutschen Aussiedler S.35-60
– Auswanderung
– Entwicklung der Deutschen in Russland bis zum 1. Weltkrieg
– Die Sowjetdeutschen und die Sowjetunion
Dieser Teil gibt einen Einblick wie das geistliche Leben in Russland entstand und in schweren Zeiten bewahrt wurde.
- Teil: Die Aussiedlung der Russlanddeutschen S.61-149
– Der Aufbruch nach Deutschland
– Konfessionelle Zugehörigkeit der Russlanddeutschen
– Gemeindegründungen durch russlanddeutsche Aussiedler
Es wird die Frömmigkeit der Russlanddeutschen deutlich aber auch reale Zahlen über Gemeindeglieder. Auch wird deutlich, warum eine Integration der gläubigen Aussiedler in die einheimischen Gemeinden nur selten gelingen konnte.
- Teil: Wachsen und Leben der Aussiedlergemeinden S. 149 – 365
– Wachstum der Aussiedlergemeinden am Beispiel von 12 Gemeinden
– Ursachen des Wachstums und deren Auswertung
– Theologische und geistliche Prägung in den Gemeinden
In diesem Teil haben wir den Schwerpunkt der Untersuchung vor uns. Er zeigt, dass es sich bei den Aussiedlergemeinden um bibeltreue Christen handelt, die eine spezielle Prägung evangelikalen Lebens darstellen. Sicher könnten hier auch einheimische Christen Impulse für ihre Gemeindearbeit empfangen.
- Teil: Anhänge und Verzeichnisse S. 365- 444
Vielfältige Belege und Register
Hier wird neben Quellenangaben auch ein Überblick über Gemeinden, ihr Wachstum und ihre Gemeindeverbände gegeben.
Die aufgeführten Fakten zeigen wie geistliches Leben im Ausland entstand, wie es unter schwierigen Verhältnissen bewahrt wurde und auch noch nach der Umsiedlung wirksam bleibt. Es zeigt reale Zahlen der gläubigen Aussiedler und die Kraft der Gemeinden
Da die geistliche Landschaft Deutschlands immer wieder durch Zuzug aus dem Ausland bereichert wurde, man denke nur an die Böhmischen Brüder, die Hugenotten oder die Flüchtlinge aus den Ostgebieten am Ende des 2. Weltkriegs, wird auch der Zuzug der Russlanddeutschen für Deutschland zum Segen sein. Allerdings nur, wenn sie sich nicht vom liberalen Mehltau, der das einheimische Christentum teilweise geistlich einschlafen ließ, anstecken lassen.
Das in Klassens Buch dargestellte geistliche Leben der Russlanddeutschen Gemeinden in Deutschland lässt hoffen, dass der geistliche Reichtum der zugewanderten deutschen Christen aus der früheren Sowjetunion, der in der kommunistischen Verfolgung gefestigt wurde, auch unter den Anfechtungen unserer Zeit bleiben wird.