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Jesus, der Verkündiger unangenehmer Wahrheit

In einer verbreiteten Vorstellung von Jesus ist man sich sicher, dass Jesus niemals jemandem widersprach oder wollte, dass sich ein anderer unwohl fühlte, und schon gar nicht wollte er den Lebensstil von irgend jemandem verurteilen. Dass Jesus jeden liebte, bedeutet für viele, dass er die Leute so akzeptierte, wie sie sind. Jesus wäre ein Vorreiter in Diversität gewesen. So sei er gekommen, um eine inklusive Gesellschaft aufzurichten, in der alle Typen aus allen Gruppen umfasst sind und niemand, welchen Neigungen er auch immer nachgeht, ausgeschlossen würde.

Nun hat Jesus tatsächlich eine Kirche gegründet, die frei ist von den weltlichen Kategorien, durch die Menschen in gegnerische Lager geteilt werden. Er ist der Herr einer neuen Menschheit, „ein neuer Mensch“ mit „einem Körper, der „Frieden“ geschaffen hat für diejenigen, „die fern waren und diejenigen die nahe waren“ (Eph 2,15-17). Bedeutet das aber, dass Jesus beabsichtigte, dass alle religiösen und moralischen Unterscheidungen verschwinden? Wird die Liebe, verstanden als Akzeptanz und bedingungslose Annahme, die Wahrheit auslöschen? Es lohnt sich, sich ein paar Beispiele in der Bibel näher anzuschauen.

Wahrheit über Bequemlichkeit

Die samaritanische Frau am Jakobsbrunnen ist durstig nach dem lebendigen Wasser, das Jesus ihr anbietet. Aber gerade als sie danach fragt, bringt Jesus das unangenehme Thema mit ihrem Ehemann zur Sprache. Sie hatte schon fünf verschiedene gehabt und lebte jetzt unverheiratet mit einem weiteren Mann zusammen (Joh 4,15-18). Autsch, eine peinliche Situation. Man könnte denken, dass Jesus Umgang damit die Zwischentöne vermissen lässt. Ist denn angesichts der Möglichkeit, dass diese Frau durch Jesus gerettet werden kann, eine Jüngerin wird und zur Gemeinde gehört, unbedingt notwendig ihren gegenwärtigen Lebensstil zu verdammen, indem man sie mit ihrem unmoralischen Verhalten konfrontiert? Jesus setzt die Wahrheit offenbar über die Bequemlichkeit.

Wahrheit über Gefühlen

Jesus bewahrt die Frau, die beim Ehebruch gefangen worden war vor dem Zorn eines heuchlerischen Mobs. Er lehnt es ab, sie zu verurteilen. Aber er sagt ihr dann: „Geh und sündige nicht länger!“ (Joh 8,11) Er bezeichnet ihre sexuellen Abenteuer außerhalb der Ehe als Sünde und fordert sie auf, das zu beenden. Er entschuldigt also nicht leichthin ihre moralischen Entscheidungen. Er freut sich nicht über ihre Zuwendung zu einem vielfältigen Lebensstil. Implizit warnt er sie, dass die Weiterführung dieses Weges in der Zerstörung ihrer Seele enden wird. Warum? Weil sie umkehren muss, wenn sie gerettet werden will. Wahrheit bekommt einen Platz über den Gefühlen.

Wahrheit über Ablehnung

Der reiche junge Mann wollte eine Versicherung, dass er das ewige Leben bekommt. Er war ein „guter Mensch“. Nach seiner Aussage hat er alle Gebote Gottes gehalten. Wir lesen ausdrücklich, dass Jesus ihn liebte. Aber Jesus sagte ihm auch (Markus 10,21): „Eins fehlt dir. Geh und verkaufe alles, was du hast, und gib den Erlös den Armen – du wirst dann einen Schatz im Himmel haben – und komm, folge mir nach!“ Starke Worte und eine unerhörte Forderung. Jesus hatte bemerkt, dass der Mann einen Götzen in seinem Herzen hatte, von dem er sich trennen musste, um gerettet zu werden. Verletzte er damit nicht seine Gefühle? Ja. Schloss Jesus den Mann mit seiner Forderung nicht irgendwie aus? Ja. Denn der Mann ging traurig weg. Hätte Jesus nicht wenigstens jetzt seine Forderung etwas weicher machen können? Nein, er sattelte noch drauf. Er verglich die Errettung eines Reichen mit dem Weg eines Kamels durch das Nadelöhr – unmöglich für einen Menschen, nur möglich für Gott (10,23-26). Die Wahrheit bekommt einen Platz über die mögliche verärgerte Ablehnung.

Jesus hat offenbar nicht viel Zeit darauf verwendet, sich Gedanken darüber zu machen, wie er eine angenehme Situation für empfindliche Gemüter schaffen kann. Jesus widerstand der Sünde.

Aufgrund der drei Beispiele kann man annehmen, dass Jesus nicht viel Zeit darauf verwendet hat, sich Gedanken darüber zu machen, wie er eine angenehme Situation für empfindliche Gemüter schaffen kann. Jesus widerstand der Sünde. Als einer der Schriftgelehrten zustimmte, dass Jesus die Pharisäer angriff, da legte Jesus gleich nach und sagt: „Genauso wehe euch Schriftgelehrten“ (Lk 11,45-52). Es stand einfach zu viel auf dem Spiel, um die Wahrheit abzumildern. Als Jesus von anderen gewarnt wurde, dass seine Lehre sehr „hart“ wäre, da entschuldigt sich Jesus nicht, sondern fragte: „Nehmt ihr Anstoß daran?“ (Joh 6,61). Er sagte über die, die nicht glauben: „Niemand kann zu mir kommen, es sei ihm denn vom Vater gegeben“ (65). Damit will ich nicht sagen, dass Jesus unsensibel oder desinteressiert war, wenn es um die Schwächen von anderen ging. Das Gegenteil ist der Fall. Jesus schaute sich die Menge der verirrten und ahnungslosen Menschen an. Er sah sie als Schafe ohne Hirten, die hilflos und erschöpft waren (Mt 9,36). Er hatte Mitleid mit ihnen und fing an, sie viele Dinge zu lehren, die Kranken zu heilen und die Hungrigen zu speisen (Mt 15,32-39; Mk 8,2-10). An der Grabhöhle von Lazarus, so schreibt Johannes, war Jesus tief bewegt in seinem Inneren, traurig und weinte. Er trauerte mit der weinenden Verwand­tschaft von Lazarus (Joh 11,33.35.38).

Obwohl Jesus also voller Mitgefühl war, hatte die Wahrheit den Vorrang. Ihm waren die Gefühle anderer nicht gleichgültig, aber er verhielt sich als einer, der wusste, dass nur die Wahrheit des Evangeliums retten kann. Er lehrte, dass sie es ist, die frei macht (Joh 8,32). Die Mission von Jesus bestand darin, dass er Zeuge der Wahrheit war (Joh 18,37). 66 mal im Neuen Testament wird das Evangelium einfach mit „der Wahrheit“ gleichgesetzt. Dabei steht der bestimmte Artikel, weil es um die eine und einzige Wahrheit geht. Wie unangenehm sich Menschen auch immer fühlen im Angesicht der einen Wahrheit, wie schroff „die“ Wahrheit für die Ohren des Nichtglaubenden auch klingen mag, wie unzeitgemäß die Wahrheit erscheinen mag, Jesus hat immer die Wahrheit ausgesprochen und wir müssen das Gleiche tun.

Übersetzung und Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Ligonier Ministries