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Er wird nicht streiten und herumschreien

Der verstorbene Ravi Zacharias (1946-2020), der für seine wunderbaren Antworten auf feindselige Fragen bekannt war, zitierte öfter ein indisches Sprichwort: „Schneide niemandem die Nase ab, gib ihm besser eine duftende Rose.“ In den vergangenen Jahren haben die Diskussionen um wichtige Themen in unserer Kultur einen zunehmend feindseligen Ton bekommen. Menschen sprechen nicht mit, sondern übereinander und lassen dann ihrem Zorn freien Lauf. In den sogenannten sozialen Medien wählen die Kommentatoren im Zweifel den schärferen Knaller, der von vielen gelesen wird und „Clicks“ bringt, als die „sanfte Antwort“, die Zorn stillt (Spr 15,1). Man fragt sich, ob es jemals eine Generation gab, die so viel meinte, sagen zu müssen und das auf schlechtere Weise tat als die jetzige.

Wie können Christen in diesem Umfeld leidenschaftlich die Wahrheit bezeugen, ohne dass ihre Leidenschaften mit ihnen durchgehen? Wie kann unsere Kommunikation wirklich christusgemäß sein, so dass wir mit jeder unserer Antworten unseren Herrn ehren? Ich möchte in dieser Sache eine christliche Lehre, einen Bibelvers und ein Sprichwort bringen, die uns Wegweisung und Hoffnung geben können.

Zeuge werden: prophetisch, priesterlich und königlich

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Die Lehre gehört zu den Kronjuwelen der reformatorischen Theologie: es ist die Lehre vom dreifachen Amt Christi (munus triplex). Das dreifache Amt beschreibt das Werk von Jesus mit den drei Hauptämtern des Alten Testaments, dem Propheten, dem Priester und dem König (Hes 7,26-27; 22,26-28), die im Dienst von Christus im Neuen Testament zusammenfallen. Jesus erfüllt seinen Dienst mit diesen drei Aspekten als unser mutiger letztgültiger Prophet, unser sündloser und mitfühlender Hohepriester und als unser unvergleichlich weiser und fähiger König (Lk 4,24; Joh 18,37; Heb 4,14). Wichtig ist dabei für uns, dass Jesus die Dienste als Prophet, Priester und König gleichzeitig ausführt. Er handelt nicht manchmal als Prophet, dann als Priester und in anderen Situationen als König. Es ist vielmehr so, wie es der holländische Theologe W. A. Visser `t Hooft ausdrückte: „Die drei Ämter sind so eins mit dem anderen verbunden, dass Christus Prophet auf eine priesterliche und königliche Weise ist. Priester ist er auf prophetische und königliche Weise. König ist er als Priester und Prophet“. Deswegen sprachen die Reformatoren auch nicht von drei Ämtern Christi, sondern vom dreifachen Amt von Christus.

Wenn wir nun darüber nachdenken, wie wir etwas sagen sollen, dann sollten wir uns also nicht nur die prophetische Frage stellen, ob es wahr ist, was wir reden. Wir müssen uns auch die priesterliche Frage stellen, ob es rein und mitfühlend ist. Und schließlich fragen wir uns auch die königliche Frage, ob es der beste Weg und die beste Zeit ist. Manchmal hat Jesus sofort und kraftvoll geredet, etwa als er Petrus widerstand (Mt 16,23). Zu anderen Zeiten hat Jesus gezögert, eine wichtige Wahrheit auszusprechen, weil er wusste, dass seine Jünger es noch nicht ertragen können (Joh 16,12). Er konnte seine Zuhörer vor allem mit seinen Fragen überraschen und Pilatus mit seinem Schweigen erschrecken. Wenn wir in unserer Kommunikation wie Christus sein wollen, müssen wir unsere Worte von allen drei Aspekten des dreifachen Amtes Christi her prüfen. Er sprach nämlich nicht nur als unser Prophet, sondern als Prophet, Priester und König.

Zeuge sein: freundlich und würzig

Kommen wir von der einen Lehre zu dem einen Bibelvers aus Kolosser 4,6: „Eure Rede sei allezeit freundlich und mit Salz gewürzt, dass ihr wisst, wie ihr einem jeden antworten sollt.“ Das Schlüsselwort könnte hier „allezeit“ sein. Denn welche Art des Redens du im privaten Bereich pflegst – als mit den Eltern, dem Ehepartner, den Kindern, den Mitarbeitern und dann auch online mit entfernteren Menschen, deren Behauptungen dich verärgern oder angreifen –, wird wesentlich bestimmen, wie du in kritischen Momenten reden wirst, wenn viel auf dem Spiel steht. Wir brauchen in der Stunde die Abhängigkeit von der Kraft des Heiligen Geistes, der in uns wohnt, aber wir leben auch beständig in diesem Geist und im Gebet, das nicht endet (1Thess 5,17). Nur dann kann der Herr eine gehässige Zunge in eine verwandeln, die immer freundlich und zugleich mit Salz gewürzt redet. F.F. Bruce schrieb zu diesem Vers im Blick auf die Zeit be­sonderer Her­ausforderung:

„Wenn Christen die freundliche Rede regelmäßig praktizieren, wird sie ihnen nicht fehlen, wenn sie plötzlich in die Lage kommen, dass sie ihre Über­zeu­gungen verteidigen müssen.“

Zeuge bleiben: mutig

Ich will diese Überlegungen mit einem Wort der Ermutigung schließen, das einem Sprichwort entstammt: „Je dunkler die Nacht, desto heller leuchten die Sterne“. Wir nehmen im gegenwärtigen Diskurs – besonders im Internet, das mit Falschheit und Wut angefüllt zu sein scheint – viel Dunkelheit wahr. Aber die Dunkelheit kann das Licht nicht überwinden. Es wird dadurch nur der Kontrast zwischen Dunkelheit und Licht unterstrichen. Zu uns als Christen gehört es aber, dass wir leuchten „als unbescholtene Kinder Gottes … wie Himmelslichter mitten unter den verdrehten und verdorbenen Menschen dieser Welt … Dazu müsst ihr an der Botschaft festhalten, die euch das Leben garantiert“ (Phil 2,15-16 NEÜ). Das können wir nur, wenn wir unsere Augen auf Jesus Christus richten, uns in ihm freuen und die Herrlichkeit unseres Propheten, Priesters und Königs widerspiegeln.

Übersetzung und Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Ligonier Ministries