Biblisch Glauben, Denken, Leben

Krippe und Kreuz? Starb Jesus wirklich an einem Kreuz?

Es gibt gute Gründe dafür, dass Christen glauben, dass Jesus an einem Kreuz gestorben ist. Selbst wenn für manche das Symbol des Kreuzes seiner christlichen Bedeutung entleert ist oder sie es missbrauchen, ist das kein Grund das Zeichen des Kreuzes ganz abzulehnen. Ursprünglich war es auch kein Erkennungszeichen, sondern wurde von Gegnern des Christentums als Spottzeichen benutzt, von den Christen als Zeichen, mit dem sie sagen: Ich bin mit Christus gekreuzigt!

Dass Jesus nach seiner Geburt in eine Futterkrippe gelegt wurde, scheint für die meisten ebenso unbestritten wie sein Tod an einem Kreuz. Allerdings lehnen Anhänger der Zeugen Jehovas nicht nur die Feier von Weihnachten ab, sondern bestreiten auch, dass Jesus an einem Kreuz starb. Es geht im Folgenden deswegen um die Frage, ob man beim Tod von Jesus Christus vom Kreuz sprechen darf oder von einem Marterpfahl reden muss. Jeder, der schon einmal mit Zeugen Jehovas in Berührung kam, fand sich bald mit diesem auf den ersten Blick unwichtigen Problem konfrontiert.

Das Kreuz hat allerdings für das Christentum und auch für viele Christen einen hohen Symbolwert bekommen. Und auch das Neue Testament bezeugt seine wichtige geistliche Be­deutung. Andererseits ist nicht zu leugnen, dass manche Christen das Kruzifix, also die Darstellung eines Kreuzes mit dem Gekreuzigten, anstelle von Jesus Christus verehren. Auch das Sich-Bekreuzigen liegt manchmal gefährlich nahe an einer magischen Handlung, einem Schutzzauber, obwohl es ursprünglich ein bildlicher Ausdruck für die neutestamentliche Aussage „Ich bin mit Christus gekreuzigt“ war. Für andere Menschen ist das Kreuz aber nur ein Schmuckstück für Gebäude, Zimmer und menschliche Körper.

Nach Markus Söders Vorschlag, das Kreuz in jeder bayerischen Behörde aufhängen zu lassen, diskutierte kurzzeitig ganz Deutsch­land über dieses christliche Symbol. Söder beschrieb es dann aber nicht allein als christliches Zeichen, sondern als „das grundlegende Symbol der kulturellen Identität christlich-abendländischer Prägung“.

Für Zeugen Jehovas ist das Kreuz, vor allem das Kruzifix, grundsätzlich ein Götze und seine Verehrung Götzendienst. Deswegen versuchen sie zu beweisen, dass Jesus Christus nicht an ein Kreuz, sondern an einen Pfahl angenagelt wurde, der für Jesus-Jünger in geistlicher Hinsicht dann ein Marterpfahl wurde. Das schlägt sich auch in ihrer Standard-Bibelübersetzung, der Neue-Welt-Übersetzung, nieder.

Übersetzungen im Vergleich

Ich vergleiche im Folgenden die Neue-Welt-Übersetzung der Zeugen Jehovas mit Formulierungen aus der Neuen evangelistischen Übersetzung, die ich selbst erarbeitet habe. Natürlich kann man auch bei einem Vergleich mit anderen Übersetzungen das Problem schnell feststellen. Außerdem machen die wenigen Bibelstellen deutlich, dass die Rede vom Kreuz an wichtigen Stellen des Glaubens und Lebens zur Sprache kommt.

NeÜ bibel.heute Neue Welt Übersetzung
1Kor 2,2: Denn ich hatte mich entschlossen, unter euch nichts anderes zu kennen außer Jesus Christus und ihn als gekreuzigt. … nichts zu wissen außer von Jesus Christus und davon, dass er an den Pfahl gebracht wurde.
Röm 6,6: Wir sollen also begreifen, dass unser alter Mensch mit Christus gekreuzigt worden ist, damit unser sündiges Wesen unwirksam gemacht wird und wir der Sünde nicht mehr wie Sklaven dienen. Wir wissen ja, dass unsere alte Persönlichkeit mit ihm an den Pfahl genagelt wurde, damit unser sündiger Körper machtlos wird und wir keine Sklaven der Sünde mehr sind.
Mt 10,38: Und wer nicht sein Kreuz aufnimmt und mir folgt, ist es nicht wert, mein Jünger zu sein. Auch wer seinen Marterpfahl nicht nimmt und mir nachfolgt, verdient es nicht, mein Jünger zu sein.
Lk 9,23: Und zu allen sagte er: „Wenn jemand mein Jünger sein will, dann muss er sich selbst verleugnen, er muss täglich sein Kreuz aufnehmen und mir folgen.“ Dann sagte er noch zu allen: „Wer ein Nachfolger von mir sein will, muss sich selbst verleugnen, Tag für Tag seinen Marterpfahl nehmen und mir ständig folgen.

Die Frage bleibt: Sollen wir nicht mehr vom Kreuz sprechen und davon, dass wir mit Christus mitgekreuzigt sind, wenn wir wirklich biblisch sein wollen? Natürlich dürfen wir das, gerade auch, weil wir jede Art von Götzendienst ablehnen. Gewiss rechnen wir auch nicht mit einer magischen Wirkung eines Kreuzes, wenn wir an einem Kruzifix vorbeikommen. Das leere Kreuz allerdings ist bei vielen Christen ein schönes Symbol für die Auferstehung ihres Herrn.

Die Vorstellung der Zeugen Jehovas

Darstellung einer Kreuzigung nach einer Zeichnung der Zeugen Jehovas

Die Zeugen Jehovas stellen sich eine Kreuzigung so vor wie sie auf einer Zeichnung in einem Buch (Das Kreuz in Tradition, Geschichte und Kunst) aus dem Jahr 1897 dargestellt wird (offizielle Homepage JW.org). Ne­ben­stehende „Ab­bil­dung einer crux simplex: Lateinischer Begriff für einen einfachen Stamm zum Anpfählen eines Verbrechers.“

In Bezug auf die Kreuzigung von Jesus Christus ist zumindest das nebenstehende Bild in der Hinsicht falsch, dass die Bibel in Joh 20,25 etwas anderes feststellt. Jesus wurde nämlich mit mindestens zwei Nägeln ans Kreuz geschlagen. Denn damals sagte der sogenannte ungläubige Thomas: „Das glaube ich erst, wenn ich die Spuren der Nägel(!) an seinen Händen sehe …“ So steht es sogar in der NWÜ der Zeugen, und „Nägel“ steht wirklich im Plural.

Sprachgeschichtliche Hintergründe

Auf der offiziellen Homepage der Zeugen Jehovas wird das so erklärt: „In der Bibel wird in der griechischen Ursprache an den entsprechenden Stellen nämlich meist das Wort staurós verwendet (Matthäus 27:40; Johannes 19:17). Dieses Wort wird zwar oft mit „Kreuz“ übersetzt, aber die eigentliche Bedeutung ist nach einhelliger Meinung vieler Gelehrter ‘aufrecht stehender Pfahl‘.“

Ja, das Wort staurós meinte ursprünglich tatsächlich einen (spitzen) Pfahl, wie er bei Palisaden verwendet wurde. Das wird mit zwei theologischen und einem Schulwörterbuch belegt. Weggelassen haben die Zeugen Jehovas aber immer die weiteren Erklärungen im entsprechenden Wörterbuch1, denn kaum ein Wort behält immer seine ursprüngliche Bedeutung bei.

  • Die strafrechtliche Praxis

    Staurós kann den zum Teil oben angespitzten Pfahl bezeichnen, an dem ein Getöteter im Sinn einer zusätzlichen Strafe der Schande preisgegeben wird, sei es durch Anhängen oder Aufspießen. So wurde es häufig im Orient geübt und der Leichnam des Getöteten zur Schau gestellt.

    Dann ist staurós aber auch das Marterholz, etwa im Sinn des lateinischen patibulum, eines wohl auf der Schulter aufgelegten Querbalkens. Schließlich wurde es auch das Marter­werkzeug, bei dem ein senkrechter Pfahl und ein etwa gleichlanger Querbalken ein Kreuz im engeren Sinn bildete. Entweder hatte es die Form eines T oder eben eines †. Dieses Marterwerkzeug wurde im Okzident (im Westen) gebraucht und zwar zu Hinrichtung eines noch Lebenden.

    Die Hinrichtungsart der Kreuzigung ist für Griechenland und die Karthager belegt; von letzteren dürften es die Römer übernommen haben. Im Römischen Reich wurden dann vor allem Nichtrömer und entlaufene oder aufständische Sklaven am Kreuz (arbor crucis) gekreuzigt, zum Beispiel tausende Anhänger des Spartacus 71 v.Chr. Aber auch im Gebiet Israels ließ im Jahr 82 v.Chr. Alexander Jannäus, der damalige König Judäas, 800 seiner innerjüdischen Gegner auf einmal kreuzigen. Die Kreuzigung war in Judäa also längst bekannt und wurde von dem Römer Pilatus ohne Zweifel auch für Jesus Christus angeordnet.2

  • Sprachliche Beobachtung

    Es ist bemerkenswert, dass es im Altgriechischen überhaupt kein anderes Wort für „Kreuz“ gab. Es wurde immer der Begriff staurós verwendet, wenn es um ein Kreuz ging, das aus einem Pfahl mit Querbalken bestand. Die Autoren des Neuen Testaments mussten also das Wort staurós für das Kreuz verwenden.

    Auch im Neugriechischen bezeichnet staurós immer das Kreuz. Selbst das Rote Kreuz heißt eurythrós staurós, und Autobahnkreuz heißt diastaúro:se, also auch von staurós abgeleitet. Pfahl dagegen heißt pássalos oder paloúki.

Das christliche Kreuz als Graffito

Das Exponat im Museum auf dem Palatin zeigt ein Schuttstück mit Einritzung in Wandverputz

Im Jahre 1856 machten Forscher auf dem Palatin-Hügel in Rom eine interessante Entdeckung. Als sie den Trümmerschutt aus einer Wachtstube des Kaiserpalastes entfernt hatten, fanden sie an der Wand ein Kreuz. Es war mit einem Nagel oder einem Messer primitiv in den Wandverputz eingeritzt. Ein Junge erhebt grüßend und betend seine Hand zum Kreuz hin. Am Kreuz hängt ein Mann. Aber sein Kopf ist ein Eselskopf. Darunter steht in ungelenken Buchstaben: Alexamenos sebete theon – Alexamenos betet (seinen) Gott an! Hier wurde offenbar ein Rekrut wegen seines Christseins von einem Kameraden verspottet.

Dies ist die älteste Darstellung eines christlichen Kreuzes. Es stammt aus dem zweiten Jahrhundert (vielleicht 125 n.Chr.) In der römischen Welt war es undenkbar, dass man einen Gott verehrte, der am Kreuz hing, dem Hinrichtungswerkzeug für Sklaven und Schwerverbrecher. Deshalb schrieb schon der Apostel Paulus an die Christen in Korinth:

1Kor 1,22-25: Die Juden wollen Wunder sehen, die Nichtjuden suchen Weisheit, aber wir verkünden, dass gerade der Gekreuzigte der von Gott versprochene Retter ist. Für Juden ist das ein Skandal, für Nichtjuden eine Dummheit, aber für die, die Gott berufen hat – Juden oder Nichtjuden –, ist der gekreuzigte Christus Gottes Kraft und Gottes Weisheit. Denn was an Gott töricht erscheint, ist weiser als die Menschen, und was an Gott schwach erscheint, ist stärker als die Menschen. NeÜ

Es ist kein Wunder, dass die Christen dieses Hin­rich­tungs­instrument in Zeiten der Verfolgung nicht gerade als Symbol für ihr Christsein wählten. Damals verwendeten sie als Geheimzeichen ein Fischsymbol (natürlich ohne Inschrift), weil die Anfangsbuchstaben des griechischen Wortes für Fisch für sie als Glaubensbekenntnis gedeutet wurde, nämlich: Ἰησοῦς Χριστός Θεοῦ Υἱός Σωτήρ, das heißt: Jesus Christus, Gottes Sohn, Erlöser.

In den Katakomben sieht man Jesus sonst nur als Guten Hirten abgebildet, als Lehrer und Wunderheiler oder inmitten seiner Jünger, aber noch nicht mit dem Kreuz.

Als Symbol für ihren Glauben gebrauchten die Christen damals die ersten beiden Buch­staben von ΧΡΙΣΤΟΣ (Christus) in der Form XP, also chi-rho ineinander. Das wurde dann auch als Christusmonogramm bezeichnet. Später gab es dafür auch die zweite Variante, die schon eher an ein Kreuz erinnerte.

Erst unter Konstantin dem Großen wurde das Kreuz zum unverwechselbaren Symbol des Christentums. In diesem Zeichen hatte der Kaiser seine Legionen von Sieg zu Sieg geführt. Die Kreuzigung selbst als eine Form der Todesstrafe schaffte Konstantin dann auch ab.

Fazit

Das Kreuz als christliches Symbol ist also nicht grundsätzlich zu verwerfen und keinesfalls aus den Bibelübersetzungen zu eliminieren, denn es beruht auf unbestreitbaren sprachlichen und historischen Tatsachen. Aber angebetet oder verehrt werden darf es keinesfalls. Das steht nur dem gekreuzigten Jesus Christus selbst zu.

Es ist allerdings wahr, dass das Kreuz im Christentum dennoch bis in die Gegenwart hinein verehrt wird, genauso wie die Israeliten das mit der ehernen Schlange machten, bis König Hiskija sie zerstören ließ (2Kö 18,4), obwohl Gott selbst ihre Anfertigung einst durch Mose befohlen hatte (siehe 4. Mo 21,4-9 und Joh 3,14-16). Dass wir aber deshalb alle Kreuze zerstören müssten, ist nicht angesagt, denn es ist ein biblisches Symbol. Wir dürfen uns dazu bekennen und werden dadurch immer wieder an den Opfertod unseren Herrn Jesus Christus erinnert.


  1. Wenn man das Wesentliche weglässt, nützt es gar nichts, wenn das neueste Erscheinungsjahr des Wörterbuchs angegeben wird, wie zum Beispiel Theologisches Begriffslexikon zum Neuen Testament (2005) S. 1219 oder Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament von Gerhard Kittel, Band 7, S. 572; wie auf der offiziellen Homepage der Zeugen Jehovas. Man sollte in jedem Wörterbuch immer ein Stück weiterlesen, wenn man den Begriff wirklich verstehen will. 

  2. Auch folgende wissenschaftliche Untersuchung belegt dies gut: John Granger Cook: Cruzification in the Mediterranian World. 2nd, extended edition. Tübingen: Mohr Siebeck 2019.