Der Autor ist katholisches Ordensmitglied der Redemptoristen und ist habilitiert in Mittlerer und Neuerer Kirchengeschichte. Das vorliegende Buch ist somit aus römisch-katholischer Sichtweise geschrieben. Erschienen ist es im katholischen Herderverlag in Vorbereitung des Reformationsjubiläums.
Der Verfasser stellt zunächst den geschichtlichen Kontext der reformatorischen Ereignisse dar. Die Komplexität des damaligen Herrschaftsgebildes auf deutschem Boden, das Ineinandergreifen von Kaiser, Reichsfürsten und Reichsständen wird überblicksartig dargestellt. Daraus entwickelt er in großen Zügen die zentralen Elemente der reformatorischen Reformen und stellt diese in den politischen Wirkungszusammenhang.
Decot, Rolf. Geschichte der Reformation in Deutschland. Freiburg: Herder 2015. 286 S. Hardcover: 29,99 €. ISBN: 978-3-451-31190-1.
Gerade bei dem Wirken Luthers und auch Calvins beschränkt sich der Autor leider auf religions-soziologische Erläuterungen. Die Zentralität der Reformation – die Wiederentdeckung des Schriftprinzips – behandelt der Autor bedauerlicherweise nicht. Für ihn bleibt Luthers Erkenntnis ein „Beschäftigen mit der Bibel“ (S. 60). Er stellt ihn damit in eine lange Reihe der Kirchengeschichte (denn die Bibel sei ja zu allen Zeiten ausgelegt worden). Es wird somit verkannt, dass das sola scriptura die essentielle Wiederentdeckung der Reformation war. Auch der Rechtfertigungslehre wird eine zu geringe Beachtung geschenkt. Sie taucht selbst in der untersten Gliederungsebene nicht als Topos auf, allenfalls wird sie en passant behandelt. Implizit wird die Rechtfertigungslehre auf S. 65 ff. im Rahmen der „Reformatorischen Erkenntnis“ erwähnt. Hier mangelt es aber an der Gegenüberstellung mit dem römisch-katholischen Lehrgebäude. Leider wird hier der Schwerpunkt mehr auf den Zeitpunkt der Erkenntnis und andere Nebensächlichkeiten gelegt, als auf den Kern der Erkenntnis selber. Der Abschnitt liest sich mehr als eine philosophische Analyse. Dies macht deutlich, dass der Verfasser den theologischen Kern der großen protestantischen Erweckung nicht verstanden hat oder verstehen will. Beim Nachsinnen darüber drängte sich dem Rezensent jedoch der Eindruck auf, dass dieses Buch sehr gut die heute im gesellschaftlichen Mainstream anzutreffende Sichtweise der Reformation beschreibt. Denn der theologische Kern von Schriftprinzip und Rechtfertigungslehre wird weder im evangelisch-kirchlichen Raum noch selbst im evangelikalen Raum kaum richtig erkannt, bekannt und auch nicht mehr verstanden. Diesbezüglich dürfte aber das Wort des Altbundeskanzlers Kohl zutreffen, der einmal formuliert hat: „Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten.“ Vielleicht sieht es aufgrund dieser Unkenntnis über zentrale Glaubensinhalte der Reformation in den christlichen Gemeinden heute so aus, wie es aussieht.
Das Buch ist interessant, wenn man sich auf einer religions-soziologischen Ebene bewegen möchte. Um die Reformation als Glaubensbewegung zu verstehen, bietet es nur wenig Vertiefendes. Um die Gedanken Luthers oder Calvins näher zu verstehen, bietet es eigentlich gar nichts. Hier sollte man sich an den Originalschriften orientieren.