Armin Baum, Professor für Neues Testament an der FTH in Gießen, legt mit diesem umfangreichen Werk den ersten Teil seiner Einleitung in das Neue Testament vor, das die Evangelien und die Apostelgeschichte umfasst. In einem ausführlichen ersten Teil befasst er sich mit Sprache und Erzählstil der Geschichtsbücher. Nach umfangreichen Vergleichen mit zeitgenössischer und alttestamentlicher Literatur ordnet Baum die Evangelien überzeugend als „Biographien Jesu im alttestamentlich-rabbinischen Stil mit leichten griechisch-römischen Einschlägen“ ein. Hilfreich ist in diesem Zusammenhang auch sein Hinweis, dass die Geschichtsbücher im Kontext des antiken Konzepts von historischer Authentizität gelesen werden müssen. Das kann im Hinblick auf so manche bibelkritische Vorwürfe gar nicht oft genug betont werden, zumal Baum diesen Hinweis mit detaillierten Analysen, etwa zum antiken Gebrauch direkter Rede, untermauert. Soweit Baum zur Klärung der synoptischen Frage die Bedeutung der Gedächtnisleistungen hervorhebt, macht er zwar einerseits die Zuverlässigkeit des Überlieferten plausibel, erklärt aber andererseits: „Einige Aspekte des synoptischen Befundes lassen sich sogar leichter als Gedächtnisfehler als literarkritisch deuten“. Ob das im Hinblick auf die Inspiration und Irrtumslosigkeit der Schrift eine angemessene Redeweise ist?
In der speziellen Einleitung befasst sich der Autor mit zahlreichen Einzelfragen, denen er jeweils eigene Kapitel widmet. Beispielhaft seien der semitische Ur-Matthäus, der westliche Text der Apostelgeschichte oder das Papiaszeugnis über den Presbyter Johannes genannt. Hier zeigt sich, dass die traditionellen Annahmen zur Verfasserschaft immer noch vorzuziehen sind. Das zweite Evangelium ordnet Baum Johannes Markus zu, das lukanische Doppelwerk dem Paulusbegleiter Lukas. Einen semitischen Ur-Matthäus hält Baum im Hinblick auf die altkirchlichen Zeugnisse für plausibel. Hinsichtlich der Verfasserschaft des vierten Evangeliums geht Baum davon aus, dass jedenfalls die Kapitel 1-20 auf einen Augenzeugen zurückgehen, wobei interne Indizien und externe Zeugnisse eine Abfassung durch den Apostel Johannes nahelegen. Joh 21 hält er für einen nachträglich durch Johannesschüler oder einen Herausgeber ergänzten Anhang, dessen Inhalt indirekt vom Evangelisten stamme. Das ist an dieser Stelle nicht ganz überzeugend, zumal Baum den „völlig einheitlichen textkritischen Befund“ erwähnt und selbst feststellt, dass dieses Schlusskapitel syntaktisch und lexikalisch zu dem übrigen Evangelium sehr gut passt und allenfalls „kleine Abweichungen“ enthält.
Baum, Armin D. Einleitung in das Neue Testament. Evangelien und Apostelgeschichte. Gießen: Brunnen 2017. 945 S. Hardcover: 70,00 €. ISBN: 978-3-7655-9569-1.
Im Abschlussteil werden übliche Datierungsfragen aufgegriffen. Interessant ist hier das Argument des Autors gegen die Deutung der Vorhersage über die Zerstörung des Tempels als vaticinum ex eventu (Weissagung vom Ereignis her). Hiergegen sprächen die fehlenden historischen Einzelbezüge und „Spannungen“ (ein etwas weitgehender Begriff) zwischen Vorhersage und Ereignis. Im Ergebnis entscheidet sich Baum für eine Datierung der synoptischen Evangelien in den 60er Jahren des 1. Jahrhunderts. Dieser Teil ist eher knapp gehalten, eine Auseinandersetzung mit Ansätzen zur Frühdatierung (etwa auch des Johannesevangeliums) fehlt.
Insgesamt legt Baum eine gelungene Einleitung vor, deren Schwerpunkt in vergleichenden Analysen besteht, während den häufig primär in Einleitungen erörterten Themen (Abfassungsort, Abfassungszeit, Zweck, inhaltliche Schwerpunkte) eher weniger Raum als üblich gegeben wird. Zielgruppe des Werks ist wohl vor allem das Fachpublikum: die zum Teil komplexen Einzelfragen und die ausgiebigen originalsprachlichen Zitate dürften für Laien eher schwerer zugänglich sein. Besonders geeignet ist das Buch als Nachschlagewerk. Es enthält nicht nur ein ausführliches Stellen- und Autorenregister, sondern ist auch nutzerfreundlich gegliedert. Jede einzelne Diskussion enthält eine einleitende Erläuterung der Gliederung des Kapitels, kursivgedruckte Zwischenergebnisse und ein kurzes Fazit. Der durchdachte Aufbau dient so der Nachvollziehbarkeit und dem Verständnis.