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Gefährliche Männer? Ist christliche Männlichkeit toxisch?

Es scheint inzwischen selbstverständlich klar zu sein, dass Frauen die besseren Menschen sind und Männer Gewalt, Missbrauch und Unterdrückung in die Welt gebracht haben und bringen. Besonders die „alten weißen Männer“, die noch vom Christentum geprägt wurden, gelten als Ursprung des Bösen. Der Einfluss der christlichen Werte auf Männer wird zunehmend kritisch gesehen. In den USA gibt es Gruppen, die am liebsten alle Männer aus der Welt schaffen würden. Darauf haben fleißige Christen mit klugen Argumenten geantwortet. Die Apologetin Nancy Pearcey zeigt in ihrem umfangreichen Buch, dass der gelebte Glaube tatsächlich gute Männer hervorbringt und legt dar, dass die toxische Männlichkeit andere Ursachen hat. Sie scheint allerdings für verweltlichte Christen besonders negativ zu sein.

In den USA läuft seit ein paar Jahren eine Diskussion darüber, woher die sogenannte „toxische Männlichkeit“ stammt. Die Spitze der Kritik an den Evangelikalen stellte vielleicht das Buch von Kristin Kobes Du Mez dar unter dem Titel „Jesus and John Wayne: How White Evangelicals corrupted a Faith and Fractured a Nation“. Das Buch wurde 2020 ein Bestseller und zeichnet ein Bild von Christen, die sich den amerikanischen Cowboy zum Vorbild ihrer Männlichkeit genommen haben: immer bereit, mit der Waffe für Recht und Gerechtigkeit zu kämpfen, dabei eher einsam und auf Frauen angewiesen, die ihn irgendwie bewundern, aber kein Verständnis erwarten. Die Autorin legte den Finger offenbar auf einige wunde Stellen, denn sie bekam für ihre Sammlung von Geschichten der modernen „John Waynes“ in Gemeinden viel Zustimmung. Es bleibt aber die Frage, ob sie den Kern eines vorhandenen Problems wirklich getroffen hat oder nicht doch in unterhaltsamen Anekdoten stecken bleibt. Vor allem scheint es so, dass Du Mez nicht wirklich die biblisch-christliche Männlichkeit beschreibt, sondern eher das, was von dieser Männlichkeit übrig­ge­blieben ist, nachdem es durch die Mühle der Säkularisierung in Mischung mit dem Sozialdarwinismus des 19. Jahrhunderts mit seiner Idee vom Recht des Stärkeren und starken Umbrüchen im normalen Familienleben durch die Industrialisierung gedreht wurde.

Christen sind allerdings herausgefordert, eine Antwort auf die starke Infragestellung des Mannseins zu geben. Das erfordert nicht zuletzt die Botschaft der Bibel, die von unterschiedlichen Aufgaben von Mann und Frau spricht. Wie kann ein Mann „Haupt“ seiner Frau und Familie sein und seiner besonderen Verantwortung in der Gemeinde gerecht werden? Wie kann er das insbesondere als Ehemann und Vater in der Beziehung zu seiner Frau und seinen Söhnen und Töchtern? Auch wenn die Diskussion in der amerikanischen Öffentlichkeit viel pointierter geführt wird als in Deutschland, ist die Rede von der „toxischen Männlichkeit“ doch auch hier laut geworden. Und die Überlegungen sind auch nicht wirklich neu, wurde doch bereits von Franz Alt 1989 Jesus Christus als vorbildlicher „neuer Mann“ dargestellt, der sich mit Sanftheit und Verständnis von der klassischen Männlichkeit mit Stärke und Entschlossenheit unterscheidet. Dieser Mann solle männliche und weibliche und kindliche Elemente in sich integrieren und damit die Welt aus ihren Krisen führen. Franz Alt sah übrigens die alte Männlichkeit wesentlich in dem Gott begründet, den Mose erfunden habe, den „Gott des Alten Testaments“: „ein furchtbares Gottesbild mit schrecklichen Auswirkungen auf die Menschheitsgeschichte“.1

Der Zurückdrängung bestimmter Er­schei­nungsformen von Männlichkeit werden mit einigem Recht positive gesellschaftliche Entwicklungen zugeschrieben.

Der Zurückdrängung bestimmter Er­schei­nungsformen von Männlichkeit werden mit einigem Recht positive gesellschaftliche Entwicklungen zugeschrieben. Die Gewalt­kriminalität hat bei uns in den vergangenen 50 Jahren erheblich abgenommen. Das auch aus christlicher Sicht entwürdigende Frauenbild der Nazizeit und der Nachkriegsjahre ist verschwunden. Väter sind nicht mehr die schlagenden Erzieher, mit denen Mütter drohen, wenn sie mit ihren Kindern nicht mehr weiter wissen: „Warte bis dein Vater von der Arbeit kommt. Dann kannst du was erleben.“ Aus christlicher Sicht kann man allerdings beklagen, dass an die Stelle kaum ein positives Bild von Männlichkeit getreten ist.2 Vielmehr sehen wir in den letzten Jahren, dass Mannsein und Frausein nur noch als Rollenbilder angesehen werden, die durch die Gesellschaft gebildet wurden und auswechselbar erscheinen.

Vor diesem Hintergrund ist es lohnend, sich mit dem neuen Buch von Nancy Pearcey zu beschäftigen. Die US-amerikanische Apologetin, die auch bei uns durch ihr Buch „Liebe deinen Körper“ bekannt geworden ist, nimmt sich des Kampfes gegen die alte, angeblich christliche Männlichkeit in der notwendigen Tiefe an. Sie verleugnet nicht die echten Probleme, die es auch in christlichen Gemeinden gibt, aber stellt zugleich fest, dass das wirkliche Ausleben der christlichen Ethik zum Mannsein und zur Familie die beste und gesündeste Art ist, Mann in dieser sündigen Welt zu sein. Sie legte 2023 unter dem Titel „The Toxic War on Masculinity: How Christianity reconciles the Sexes“ (dt. „Der toxische Krieg gegen Männlichkeit: wie Christsein die Geschlechter versöhnt“) ein knapp 350 Seiten-Werk vor, das sowohl die geschichtliche Entwicklung der westlichen Kultur und ihre Auswirkungen auf die Familie in den Blick nimmt als auch die biblischen Gebote und Ordnungen zum Thema darstellt. Dabei verarbeitet sie auch mehrere gründliche sozial­wissenschaftliche Studien zur Familie, die in den USA auch den Aspekt der Religion und des gelebten Glaubens beachten. Dadurch wird sie auch konkret und gibt Antworten nicht nur zu einem gesunden Verständnis von Männlichkeit, sondern bearbeitet auch zahlreiche Problemfelder. Dazu gehören auch der sexuelle Missbrauch und der Machtmissbrauch in Familie und christlicher Gemeinde.

Zur Person

Ihr eigenes negatives Erleben mit Machtmissbrauch hat Nancy Pearcey nicht zum Männerhasser werden lassen. Es hat sie aber zu gründlicher Ausein­andersetzung inspiriert.

Nancy Pearcey war in einem christ­lichen Elternhaus aufgewachsen. Sie schildert im Buch, wie sie ihren Vater erlebte, der in der Gemeinde ein vorbildlicher Mann, Ältester und Prediger war. Zuhause aber schien er ein anderer zu sein: er war tyrannisch und gewalttätig, worunter auch Nancy Pearcey erheblich zu leiden hatte. Als sie die Familie zum Studium verließ, hatte sie sich auch vom Glauben distanziert und lebte als Agnostikerin. Das änderte sich erst, als sie in den 1970er Jahren in Europa Francis Schaeffer kennenlernte und in seiner Lebensgemeinschaft L’Abri entscheidende Antworten auf die Fragen ihres Lebens und ihres verschütteten Glaubens fand. Sie studierte dann Theologie und Philosophiegeschichte und schrieb bis jetzt neun Bücher, die sich mit verschiedenen Aspekten des Denkens der Gegenwartskultur beschäftigten. Das tut sie mit einer biblischen Perspektive, die nicht nur theoretisch beleuchtet, sondern lebensnahe Ant­worten gibt. Sie ist der Überzeugung, dass es für junge Christen überlebenswichtig ist, dass sie in der Gemeinde gute Antworten auf die Anfragen der Gesellschaft an den christlichen Glauben und die christliche Lebensweise finden. Deswegen hat sie an verschiedenen Stellen als Apologetin gewirkt, so mit mehr als 1000 Beiträgen in einer christlichen Radioarbeit. Aufgrund dessen wurde sie auch in viele andere Sendungen eingeladen, um Rede und Antwort zu stehen. Sie schrieb zahlreiche Artikel für amerikanische Zeitungen. Derzeit unterrichtet sie Apologetik an christlichen Universitäten.

Ihr eigenes Erleben hat Nancy Pearcey nicht zum Männerhasser werden lassen. Das macht aber auch ihre gründliche Auseinandersetzung zusätzlich zum Faktenreichtum sehr glaubwürdig.

Der Unterschied zwischen „echter“ und „guter“ Männlichkeit

Pearcey stellt fest, dass es ein verbreitetes Wissen davon gibt, was ein guter Mann ist. Das ist weder ein weinerlicher Waschlappen noch ein gewalttätiger einsamer Held. Allerdings weicht das Wissen von dem ab, was immer wieder ein „echter“ Mann genannt wird. Diesen „echten“ Mann, der in Krisen oder im Krieg kämpft, Stärke zeigt und Schwache beschützt, erscheint ihr keineswegs in jeder Hinsicht als schlecht. Aber das ist nicht der Mann des Alltags, und es wäre ungesund, wenn Krisenverhalten zum Alltagsverhalten erklärt wird. Der biblisch moralische Maßstab zeigt ein gesundes Verhalten für den Alltag, das sich auch in Krisen bewähren kann. Pearcey sieht das Pro­blem darin, einzelne Elemente der guten Männlichkeiten aus dem Ganzen herauszubrechen und gegenüber anderen zu idealisieren. Nachdem das geschehen sei, entstand ein Bild von Männlichkeit, das in der Öffentlichkeit als „toxisch“, also giftig, und gefährlich angesehen wird. Als Reaktion darauf wurden Männer zu Hassobjekten erklärt. Jungen werden in der Schule von ihren Lehrerinnen als Problem angesehen und wie ein „mangelhaftes Mädchen“ (23) behandelt.

Der Glaube wird „feminisiert“, indem die rationale Seite des Glaubens gegenüber der emotionalen zurückgedrängt wird.

Das hat auch Folgen für die Gemeinden. Der Glaube wird „feminisiert“, indem die rationale Seite des Glaubens gegenüber der emotionalen zurückgedrängt wird. Das typische christliche Ehebuch sah lange Zeit im Mann das Hauptproblem aller Ehekrisen. Selbst in den USA ist das Verhältnis von männlichen und weiblichen Kirchenmitgliedern inzwischen bei 40:60. Dadurch zählen inzwischen Männer zu der größten vom Evangelium unerreichten Gruppe der Welt (26).

Biblische Eckdaten in Schöpfung, Fall und Erlösung

Männer und Frauen sind von Gott erschaffen und leben immer als solche in der Welt. Sie haben den gemeinsamen Auftrag, Leben zu zeugen und zu ernähren, und ebenso einen Kulturauftrag, der im Auftrag zur Unterordnung der Schöpfung, ihrem Bebauen und Bewahren, zum Ausdruck kommt. Der gemeinsame Auftrag von Mann und Frau ist es also, Zivilisation hervorzubringen, in der viele Menschen miteinander leben können; dann Kultur, also schöne und gesunde Lebensweisen; und dann Geschichte zu schreiben. Am Horizont steht dabei schon, dass einmal der Retter Jesus Christus darin geboren wird und die Erlösung in der Welt wirkt. Dass mit jedem Eheschluss ein neues Haus begründet wird, unterstreicht die Bedeutung der Gemeinschaft von Mann und Frau dabei. Mit dem Sündenfall und als Strafe für den Bruch mit Gott kam auch der Geschlechterkampf in die Welt. Die Frau will ihren Mann beherrschen und er, als der körperlich Stärkere, wird am Ende über seine Frau herrschen. Dieser Kampf ist die Wirklichkeit der Sünde in der Welt, aber natürlich kein christliches Ideal. In seiner hässlichen Fratze laufen heute Frauen im T-Shirt herum, auf dem steht: Tötet alle Männer. Männer verachten Frauen als Objekte sexueller Begierde oder unterdrücken sie. Pearcey stellt heraus, dass die Erlösung zuerst der Vergebung der Schuld gilt, aber auch den Auftrag mit sich bringt, das Miteinander der Geschlechter im Frieden nach Gottes Maßstäben zu leben und so den Kulturauftrag in der gefallenen Welt zu erfüllen.

Dabei brauchen Mann und Frau einander und sollen sich gegenseitig ergänzen. Das impliziert, dass sie verschieden sind: natürlich nicht in allem völlig, aber auf verschiedenen Gebieten graduell. Selbst bei den klaren biologischen Unterschieden von Mann und Frau bleiben beide Menschen. Darum schließt sich Pearcey C.S. Lewis an, der es für Arroganz hielt, wenn Fairness, Direktheit und Zuvorkommenheit als „maskulin“ bezeichnet wurden, aber es genauso Arroganz darstellt, wenn Sensibilität, Takt und soziale Bezogenheit als „feminin“ angesehen werden. Sie lehnt es ab, aus der Beschreibung von tatsächlichen Unterschieden Stereotype zu bilden, die dann an tatsächliche Menschen angelegt werden, um sie daran zu messen. Dazu ist die von Gott geschaffene Geschlechtlichkeit von Mann und Frau als Ganzheit zu komplex.

Und die Wirklichkeit?

Die Folgen der Gegenwarts­kultur mit ihrem Angriff auf Ehe und Familie wirkt sich unter früher evangelikalen Namens­christen besonders negativ aus.

Anhand von großen sozialwissenschaftlichen Studien zeigt Pearcey auf, dass es um die christlichen Ehen und Familien, die traditionell christliche Werte leben, nicht so schlecht bestellt ist, wie es oft den Anschein hat. Es sei zwar in den USA fast üblich, davon auszugehen, dass die Scheidungsrate unter Evangelikalen genauso hoch oder sogar höher ist als in der übrigen Bevölkerung, aber das stimme so nicht. Pearcey kann zeigen, dass die Familien, die sich nicht nur evangelikal nennen, sondern auch wirklich fest in Gemeinden verankert sind und regelmäßig in der christlichen Gemeinschaft leben, deutlich weniger von ernsten Problemen in Ehe und Familie betroffen sind. In den USA gibt es aber als Entwicklung der vergangenen 30 Jahre einen großen Anteil an Namenschristen, die sich als evangelikal bezeichnen oder einmal in solchen Gemeinden aufwuchsen, aber nicht mehr als Christen leben. Unter diesen ist die Familienqualität tatsächlich deutlich schlechter als selbst unter Agnostikern oder Atheisten. Die glücklichsten Ehefrauen finden sich nach mehreren Untersuchungen unter konservativen Evangelikalen, die ihr Christsein auch wirklich leben. Sie erleben, dass ihre Männer sie wertschätzen und erklären, dass sie sich auch im körperlich sexuellen Umgang respektiert fühlen. Das haben neuere Studien, die während der Covid-Pandemie gemacht wurden, in der Familien durch Verordnungen sehr belastet waren, erneut durchweg bestätigt.

Auch die evangelikalen Missionen haben zur Überraschung einiger sozialwissen­schaftlicher Institute mit einem konservativen Bild von Mann und Frau in der Ehe in nicht-westlichen Ländern mehr für den Respekt und die Gleichberechtigung von Frauen bewirkt als die meisten Ent­wick­lungshilfe­organisationen. Das liegt offenbar daran, dass sie mit der Predigt christlicher Tugenden vor allem die Männer überzeugen kann, von schädlichen und frauenfeindlichen Lebens­weisen in ihren Kulturen Ab­stand zu nehmen und ihre Ein­stellungen grundlegend zu ändern.

Das Hauptsein des christlichen Mannes

Für fast 80 % der befragten christlichen Ehen konservativer Evangelikaler waren die Aussagen: „Der Mann ist das Haupt der Familie“ und „Ehe ist eine gleichberechtigte Partnerschaft“ keine Gegensätze. Die meisten evangelikalen Männer verstehen sich nämlich als „Erster unter Gleichen“ und nicht als Herrscher in ihren Familien.

Nancy Pearcey unterstreicht, dass die Aussagen über die christliche Ehe, wie sie im NT zu lesen sind, schon am Anfang der Christenheit eine Revolution darstellten, weil die griechisch-römische Welt ein völlig anderes Bild hatte. Ehe und Sexualität mit einer Ehefrau galt bei den Philosophen als notwendige Pflicht, sexuelle Befriedigung sucht man woanders. Männer sollten sich nicht mehr einfach nach Belieben scheiden dürfen oder ungestraft neben der Ehe sexuelle Verhältnisse etwa zu den Sklavinnen haben. Der „normale“ Gang zu einer Prostituierten stellte jetzt eine Sünde gegen den eigenen Körper dar, der ein Tempel des Heiligen Geistes ist. Sexuelle Reinheit steht im Zusammenhang mit der Erlösung durch Christus. Die Aufgabe des Mannes als rechter Haushalter und Haupt des Hauses unterliegt klaren Regeln und fordert selbsthingebende Liebe. Bei aller Schwachheit und Sünde, die es auch in christlichen Ehen gibt, hat das immer noch erstaunliche Auswirkungen auf das tatsächliche Leben von hingegebenen Christen.

Nach biblischem Verständnis kann auf das Hauptsein des Mannes nicht einfach verzichtet werden. Es umfasst die Verantwortung für Schutz und Versorgung der Familie, aber auch für das geistliche Wohl und auch für die Erziehung der Kinder. Es erscheint zwar anders, weil sich Männer heute meist deutlich weniger um die Kinder kümmern, weil sie außerhalb des Hauses arbeiten. In früherer Zeit war das allerdings anders und die Familie war als Wirtschaftsgemeinschaft oft zusammen im Haus oder in der Dorfgemeinschaft tätig. Es ist kulturell gesehen ein Ergebnis der industriellen Revolution, dass solche Gemeinschaften heute selten geworden sind. Den Folgen sollten Christen mit eigener Kultur begegnen, damit die väterliche Verantwortung nicht zu kurz kommt. Die Entfremdung der Kinder von ihrem Vater ist für ihre Entwicklung nämlich nicht gesund.

Die von der Frau erwartete Unterordnung ist christlich nicht das Ergebnis der Unterdrückung der Frau, sondern ein allgemeines Element christlicher Ethik.

Die von der Frau erwartete Unterordnung ist christlich nicht das Ergebnis der Unterdrückung der Frau, sondern ein allgemeines Element christlicher Ethik, das auch in anderen Zusammenhängen von Christen gefordert ist. Das Denken erscheint dem modernen Menschen ohne christliche Bindung so fremd, dass er auch die Unterordnung in der Ehe nicht richtig verstehen kann. Wirkliche christliche Unterordnung ist auch kein Kadavergehorsam, sondern erfordert Einsicht in den Willen und die Motive des anderen. Wirkliche Unter­ordnung ist so kein Akt zähne­knirschender Aufgabe von Rebellion, sondern Teil echter Liebe. Die Kinder wiederum werden schon in den Geboten aufgefordert, Vater und Mutter gleichermaßen zu ehren.

Pearcey zeigt auf, dass das Verhältnis von Mann und Frau nicht zu einer Respektlosigkeit der Frau gegenüber führen darf. Das wäre nicht nur für die geistliche Gesundheit der Frau schlecht, sondern auch für die Kinder, die miterleben müssen, wenn ihre geliebte Mutter vom Vater schlecht behandelt wird.

Wie die die Männlichkeit toxisch wurde

Pearcey zeigt im zweiten Teil ihres Buches auf, welche Schritte in einer ursprünglich stark christlich geprägten Gesellschaft dazu geführt haben, dass die von Gott gutgemeinte Männlichkeit teilweise unbestreitbar toxisch wurde. Dieser mittlere Teil umfasst rund zwei Drittel des Buches. Er enthält viele historische Untersuchungen, die auf eine Fülle von Fakten zurückgehen. Ein großer Teil an Literaturverweisen und Belegstellen am Ende helfen allen, die bestimmte Details nachforschen wollen.

In einem ersten Schritt entfaltet das Buch, wie die frühen christlichen Siedler in Amerika, die vor allem Puritaner waren, als Familien lebten und nach welchen Werten sie das taten. Sie verwirklichten die biblisch-christlichen Über­zeugungen mit vielen praktischen Lebensweisen. Noch am Anfang des 19. Jahrhunderts schrieb der französische Diplo­mat und Denker des politischen Liberalismus, Alexis de Toqueville, beeindruckt von seinen Begegnungen mit amerikanischen puritanischen Frauen. Er rechnete ihrer Freiheit, Kraft und Schaffenskraft einen wesentlichen Teil des nordamerikanischen Wohlstands zu.

Vieles, was heute als Befreiung von Frauen aus männlicher Unterdrückung angesehen wird, ist tatsächlich eine Förderung des Individualismus und hat das Miteinander von Mann und Frau belastet.

Tatsächlich zeigte sich hier historisch, was in späterer Zeit nicht mehr verstanden wurde: Frauen werden durch die christliche Ethik über Familie und Sexualität nicht unterdrückt und kleingehalten. Sie sind zwar körperlich schwächer, aber das ist keine Zurücksetzung durch Gott, weil er auch bezeugt, dass er Freude daran hat, das Schwache zu erwählen und die Starken abseits stehen zu lassen. Die christliche Frau brauchte keine Befreiung aus der Unterdrückung. Frauen sind zwar körperlich schwach. Sie sind wirtschaftlich abhängig, wenn sie Kinder zur Welt bringen und sich um sie kümmern. Aber sie können das sein in der Verbindung zu gesunder Männlichkeit, wie sie von Gott gewollt ist.

Pearcey zeigt auf, dass der Kampf für das Wahlrecht der Frauen, wie er vor gut 100 Jahren von den sogenannten Suffragetten geführt wurde, damals anfangs auch von der Mehrheit der Frauen abgelehnt wurde. Denn hinter der Forderung nach dem individuellen Wahlrecht stand auch eine starke Veränderung der Sicht des Staates. Der Staat wurde wie Familie und Kirche als ein Institut verstanden, das verantwortlich ist für die Erhaltung und För­derung eines allgemeinen gesellschaftlichen Interesses. Ein gesteigerter Individualismus stellte immer mehr die persönlichen Interessen über das allgemeine Gute. Wenn der Staat nun die Aufgabe erhält, möglichst viele individuelle Interessen zu befriedigen, dann muss mindestens im Wahlrecht auch scheinbar jedes persönliche Interesse vorkommen. Viele Frauen argumentierten gegen ihr persönliches Wahlrecht, weil sie sich in der Vertretung der Hausgemeinschaft durch ihre Männer nicht benachteiligt sahen (99). Es ging für sie nicht um Frauen gegen Männer, sondern um die Frage des individuellen Wahlrechts gegen ein Wahlrecht des Haushalts. Wir sind heute so individualistisch geprägt, dass wir Mühe haben zu verstehen, dass Frauen nicht aufgrund von Unterdrückung, sondern freiwillig auf das Wahlrecht verzichteten.

Ein Faktor, der Männlichkeit entstellte, war die Auflösung der häuslichen Wirt­schaftsgemeinschaft in der In­dus­trialisierung des größten Teils des Arbeits­lebens. Der Mann war nun vor allem abwesend und die Frau hatte tatsächlich die Verantwortung für das Familienleben, an dem der Mann nur müde teilnahm. Die Väter verloren die Beziehung zu ihren Kindern und diese zu ihren Vätern. So wurden die Väter auch vor allem zu den Verdienern, die das Geld nach Hause bringen. Der größte Teil ihres Lebens dreht sich darum, so viel wie möglich vom „Mammon“ heranzuschaffen. Die Abhängigkeit wurde dann zunehmend nicht mehr im Sinne der Versorgung positiv gesehen, sondern Frauen sollten Unabhängigkeit erlangen, indem sie keine Versorgung mehr benötigten, sondern ebenfalls außerhalb des Hauses eigenes Einkommen erzielten.

Ein weiterer Faktor war nach Pearcey die Abtrennung des religiösen Lebens als etwas persönlich Subjektivem vom Leben in der tatsächlichen Welt. Der Glaube scheint mit dem größten Teil des Lebens des Mannes nichts mehr zu tun zu haben. Christ ist er nur am Sonntag in der Kirche. Im Arbeitsleben soll ihn Egoismus voranbringen, während der am Sonntag schlecht ist.

„Die industrielle Revolution wurde zur Wasserscheide im sozialen Verständnis von Männlichkeit. Indem Ehe­männer und Väter aus dem Haushalt gerissen wurden, schaffte die Indus­trialisierung eine Situation, in der es immer schwieriger wurde, das biblische Ideal von Männlichkeit zu leben … und wurde zum Katalysator für die Akzeptanz einer ganz säkularen Sicht von Männlichkeit“ (101).

Viele Predigten aus dieser Zeit bezeugen, dass das Problem in den christlichen Gemeinden wahrgenommen wurde und man versuchte, das christliche Bild der Familie und der Männlichkeit dagegenzustellen. Für große Teile der Gesellschaft blieb das erfolglos und wird heute als angebliche „Erfindung der Familie“ und Idealisierung von romantischen Vorstellungen verspottet.

Sind Frauen die besseren Menschen?

Nancy Pearcey stellt heraus, dass mit der Entwicklung der Männlichkeit zum Ver­diener, dessen Leben sich um wirtschaftliche Belange in einer Welt, in der nur kapitalistische Werte zählen, dreht, notwendig auch das Bild der Frau verändert wurde. Die Frau war jetzt zuständig für die Aufrechterhaltung der moralischen Werte im Bereich der Familie. Das wiederum führte dazu, dass Männer als amoralisch angesehen wurden und Frauen als die besseren Menschen erschienen. Im Mittelalter war das genau umgekehrt. Frauen galten als leicht verführbar und schwach. Sie verführten die Männer zu sexueller Unmoral. Sie benötigten deswegen die moralische Aufsicht des Mannes, um nicht zu verderben. Die Reformatoren hatten sich gegen eine solche Sicht auf Frauen gestellt und gemeint, sie entsprängen einer Frauenfeindlichkeit, wie sie unter Mönchen gepflegt wurde.

Frauen wurden durch die Überbetonung der Emotion in der Romantik zu Trägerinnen des Mitfühlens und der Barmherzigkeit erklärt. Danach schienen sie auch die wahre Religiosität zu bewahren.

Mit der allgemeinen Hochschätzung der Emotionalität wurde die Frau zur Trägerin und Bewahrerin der wahren Gefühle und des Mitfühlens gemacht. Dass der Vater für die Barmherzigkeit mit den Kindern steht, wie das in Psalm 103,13 formuliert ist, erscheint uns heute als fremdartig. Die Frauen werden dann auch zu den Bewahrerinnen der Religiosität. „Das weibliche Herz scheint der letzte Altar der Religion, seit sie aus der Politik, den Akademien der Philosophen und dem öffentlichen Leben verdrängt wurde“, wie es in einer Predigt des 19. Jahrhunderts formuliert wurde (117). Der Feminismus des 19. und 20. Jahrhunderts pflegte das gleiche Bild, stellte Männer als durchweg gefährliche Gewalttäter dar und sah in der Weiblichkeit den Weg zu einer besseren Welt.

Biblisch gesehen sind das Elemente eines Geschlechter­kampfes, der weder für Männer noch für Frauen gut ausgehen kann. Die Bibel pflegt dagegen eine realistische Sicht auf Männer und Frauen und ruft sie zu ihrer jeweiligen Verantwortung vor Gott und füreinander.

Vaterlose Gesellschaft

Pearcey sieht das Problem, dass die hohe Aufgabe und Berufung des Mannes zum Vater in der gegenwärtigen Kultur weithin verachtet wird. Sie zitiert Suzanne Venker aus ihrem Buch „The War on Men“:

„In einer Spanne weniger Jahrzehnte hat Amerika den Mann vom geachteten Ver­sorger und Beschützer der Familie zu einem überflüssigen Blödmann degradiert. Regelmäßig wird medial das Bild des dummen Ehemannes gezeichnet, dessen Frau viel klüger und fähiger ist als er.“

Söhne und Töchter lernen im besten Fall gute Männlichkeit zuerst bei ihren Vätern kennen. Das hilft Söhnen in ihrem Heran­wachsen zum Mann und Töchtern im Erlernen eines gesunden Verhältnisses zu Männern.

Die Bindung von Mutter und Kind stand lange Zeit so im Fokus, dass die Bedeutung der Väter für ihre Kinder unbedeutend schien. Erst langsam erkennt man die unter­schiedliche, aber nicht zu verachtende Bedeu­tung der Väter für Söhne und Töchter. Statt Väter lächerlich zu machen, müsste ihre Bedeutung, die die Bibel immer unterstreicht, wieder herausgestellt werden. Dabei soll der Mann nicht nur die Autorität der Mutter unterstützen, sondern seinen Auftrag für die Entwicklung seiner Kinder wiederentdecken. Söhne und Töchter lernen im besten Fall gute Männlichkeit zuerst bei ihren Vätern kennen. Das hilft ihrer eigenen Entwicklung, den Söhnen in ihrem Heran­wachsen zum Mann, den Töchtern besonders im Erlernen eines gesunden Verhältnisses zu Männern. Aber auch umgekehrt hat die Wahrnehmung der väterlichen Verantwortung eine gesunde Auswirkung auf die Männlichkeit des Vaters.

Gestützt wird das auch durch Untersuchungen in den Sozial­wissenschaften. Be­haup­­tete man früher, dass nur Mutter­­schaft natürlich sei, wäh­rend Vaterschaft eine soziale Konstruktion bzw. kulturelle Entwicklung darstelle, so spricht man heute von einem auch bei Männern tief verwurzelten Bewusstsein für Vaterschaft. Väter empfinden diese Verantwortung, auch wenn sie sich ihr entziehen.

Ein Weg zur Heilung dieses Defizits kann für Familien darin liegen, dass sie gemeinsam nach Wegen suchen, wie auch der Vater Verantwortung im Haushalt mittragen kann. Was zuerst nur nach zusätzlicher Belastung klingt, hat erwiesenermaßen auch positive Auswirkungen auf den Mann und natürlich die Ehebeziehung. Der Effekt auf die Kinder ist ebenso beträchtlich, weil sie auf natürliche Weise zum Beispiel Kooperation und Umgang mit Konflikten lernen. Sie nehmen aber auch die Bedeutung des Lebens als familiäre Gemeinschaft wahr. Man schläft nicht nur im gemeinsamen Haus, sondern ist als Familie ein Haus im Sinne der Bibel.

Pearcey sieht auch einen Teil des Schreis nach Anerkennung und Annahme bei jungen Menschen als Folge des Mangels an väterlicher Anerkennung. Die besteht biblisch gesehen nicht nur in einer ständigen Bestätigung der Kinder, sondern sehr wohl auch in ihrer Korrektur und Erziehung. Auch das ist Zuwendung und Wertschätzung, denn dem Vater ist das Tun und Ergehen seiner Kinder nicht gleichgültig. An dieser Stelle bestätigt sich erneut, wie wichtig das biblische Bild von Männlichkeit ist: hier ist der Mann unter Gott und in seiner Erziehung. Er nimmt selber Ermahnung und Zurechtweisung an und weiß, dass er sich vor Gott verantworten muss. Aus dieser Haltung erzieht er seine Kinder. Das bewahrt ihn vor tyrannischem Verhalten und hilft seinen Kindern in Verantwortung vor Gott und Menschen zu leben. Die christliche Gemeinde sollte aus dem Mangel an gesunder Vaterschaft nicht nur Klage ableiten, sondern sehen, wie groß das „Missionsfeld“ vaterloser Kinder und besonders Jungen ist.

Pearcey geht noch auf zahlreiche andere Einflüsse auf das Bild der Männlichkeit und die tatsächlich gelebte Männlichkeit ein. Sie zeigt auf, dass der weitgehende Abschied der Männer aus der Erziehung ihrer Söhne über Generationen Folgen zeigte. Einerseits lernte der „wilde Junge“ nicht den gesunden Umgang mit Aggression, andererseits wurde der weiche Junge zum „Muttersöhnchen“. Beides schwächte zahllose Männer in ihrer Entwicklung. Die Ideen des Sozialdarwinismus förderten die Vorstellung vom Mann als dem höherentwickelten Menschen, der sich gegenüber der Frau als überlegen durchsetzen müsste. Das Aufkommen der Psychoanalyse sah den Menschen als Triebwesen, das vor allem von seiner Sexualität bestimmt ist. Die wahre Befreiung sollte dann darin liegen, dass die Triebe nicht mehr unterdrückt würden, was angeblich zu psychischen Erkrankungen führte. Am Ende aber steht, dass „alle Männer Schweine sind und immer nur das eine wollen“.

Das Buch sieht ein wesentliches Problem darin, dass christliche Männer viele Ideen dieser ganz weltlichen Bilder aufgenommen haben. Die von Gott gewollte und in der Bibel beschriebene „Software“ für Männlichkeit wurde von einem gefährlichen „Virus“ einer gesellschaftlich deformierten Männlichkeit stark beeinträchtigt. Dagegen zeigt Pearcey immer wieder die biblischen Linien auf.

Eindrücklich stellt sie in einem eigenen Kapitel gegen Ende des Buches dar, wie sie selbst durch einen bibelgebundenen Glauben Heilung ihrer eigenen Verletzungen aus einer Familie erfahren hat, die von einer verdrehten Männlichkeit bestimmt war. Dieses und ein Kapitel über Heilung in verletzten Ehen sind stark erfahrungsorientiert.

Das Buch schließt mit einer Studienhilfe mit Fragen zum Verständnis bzw. Aufträgen zur Reflexion und Anwendung der biblischen Lehre über das Mannsein und Frausein.

Fazit

Nancy Pearceys Buch über wahre und falsche Männlichkeit ist ein wichtiger Beitrag, biblische Werte wieder neu wahrzunehmen und Elemente des Zeitgeistes im eigenen Denken zu hinterfragen, die auch für viele Christen unhinterfragbar scheinen. Die Ablehnung der gegenwärtigen Verwirrung über die Geschlechter muss ergänzt werden durch fundierte Gegenbilder. Dazu liefert Pearcey reichlich Argumente.


  1. Franz Alt, Jesus der erste neue Mann. Piper 1989. 

  2. Ein positives Beispiel ist meines Erachtens das Buch von Thomas Schirrmacher: Moderne Väter: weder Waschlappen noch Despot. Hänssler 2019.