Andreas Boppart ist Missionsleiter von „Campus für Christus“ in der Schweiz und ein ziemlich beliebter Redner auf evangelikalen Jugendveranstaltungen. In dem idea- Leitartikel „So tickt die Jugend“ erläuterte er seine Sicht gegenwärtiger Evangelisation (Idea 5/2020, S.16-20).
Ganz unzweifelhaft ist Evangelisation absolut wichtig. Menschen sollen von Jesus hören, der ihr Leben verändern will und ihnen ganz neue, bisher ungeahnte Perspektiven aufzeigt. Natürlich müssen die Aussagen der Bibel in diesem Zusammenhang auch immer wieder neu auf die jeweilige Sprache und Kultur bezogen werden, wie Boppart es fordert. Dabei darf allerdings nicht vergessen werden, dass Gott durch sein Wort den gerade vorherrschenden Mainstream immer infrage stellen und nicht bestätigen will. Gottes Aussagen sollen nicht einschläfern und in falscher Ruhe wiegen, sondern herausfordern und manchmal auch wehtun. Sich lediglich seiner kulturellen Umgebung anzupassen, bedeutet letztlich die Auflösung des christlichen Glaubens, ganz besonders in einer Zeit, die biblische Werte bewusst ablehnt.
Ganz anderes Christsein?
In dem betreffenden Idea – Artikel beschreibt Boppart eine zukünftige Generation, „… wie sie ganz anders und doch genau gleich leidenschaftlich und hoffnungsvoll demselben Christus nachfolgen können, dem auch wir begegnen durften.“ Natürlich lebt jede Generation etwas anders als die Vorhergehende, das war allerdings auch schon immer so. Wenn jedoch behauptet wird, Christen lebten in Zukunft „ganz anders“ als in der Vergangenheit, dann ist das doch ziemlich erklärungsbedürftig. Über die letzten 2000 Jahre gab es, geistlich gesehen, immerhin eine ziemliche Kontinuität. Da kann man schon ins Überlegen kommen, was für Boppart „ganz anders“ konkret bedeutet. Feiern zukünftige Christen kein Abendmahl mehr, schließen sie keine Ehen oder lehnen sie sich gegen den Staat auf, glauben sie nicht mehr an die Realität der Sünde oder den stellvertretenden Tod Jesu?
Ganz andere Werte?
Eine zukünftige Generation von Christen wird ihr „… Wertegebäude ganz anders konstruieren“ (S. 17), prognostiziert Boppart. Bisher haben Christen sich bemüht, ihre Werte aus den Aussagen Jesu abzuleiten, die auch nach 2000 Jahren noch ziemlich konstant in der Bibel wiederzufinden sind. Tatsächlich konstruieren heute immer mehr Menschen ihre Werte ganz ohne Gott, eher nach dem Mainstream und vor allem nach ihrem jeweiligen Empfinden. Für Christen ist das allerdings keine wirklich gangbare Option, es sei denn sie wollen das Christsein aufgeben, bzw. nach den Erfordernissen einer bedarfsorientierten Spiritualität umgestalten.
Keine Schuld mehr?
Ans Zentrum christlichen Glaubens geht es, wenn Boppart die Thesen altbekannter Bibelkritik wiederbeleben will. Etwas schwammig spricht er von einer „modifizierten Kreuzestheologie“. Demnach seien die Aussagen von Christi Stellvertretung, Sühne, dem Sündenlamm am Kreuz usw. problematische Verkürzungen.
Bopparts Forderung, zukünftig nicht mehr so viel von der Schuldvergebung zu predigen, sondern von „Christus als Entschämer“ (S. 19), klingt theologisch zweifellos ziemlich originell, hilft in einer „schamorientierten Kultur“ aber auch nicht wirklich weiter, wie Generationen von Missionaren, beispielsweise in Asien, bestätigen. Wahrscheinlich muss eher zur Kenntnis genommen werden, dass der postmodern selbstzentrierte Mensch niemandem zugestehen will, über ihn zu urteilen. Richtig ist, was er für richtig erklärt. Aber genau hier liegt das „Ärgernis des Evangeliums“. Auch schon zu Jesu Zeiten wollten die Menschen nicht hören, dass sie schuldig sind und Vergebung brauchen. Trotzdem haben Jesus und die Apostel genau das gepredigt; allerdings mit begrenztem Erfolg. Überhaupt ist es angesichts der weit verbreiteten Unterscheidung zwischen eher schuld- und eher schamorientierten Kulturen ziemlich erstaunlich, dass Gott in eine der gruppen- und schamorientierten Gesellschaft des Orients mit einer deutlich schuldorientierten Botschaft hineinspricht. In der Bibel wird überall deutlich von Schuld gesprochen, obwohl die damalige Umwelt überwiegend anders orientiert war.
Christen übernehmen „neues Denken“?
Bopparts Ruf nach dem „ganzheitlichen Evangelium“ (S. 19-20) ist natürlich vollkommen zutreffend, gleichzeitig aber auch uralt. Ganzheitlich war Gottes Heilsangebot natürlich schon immer. Ausgehend von der Sündenvergebung und einer umfassenden Erneuerung des Denkens und Fühlens wird schließlich das ganze Leben eines Menschen verändert. Wer Ganzheitlichkeit allerdings als „soziales Evangelium“ uminterpretiert, stellt das Evangelium gründlich auf den Kopf.
Für den christlichen Glauben ist es selbstzerstörerisch, die „wesentliche Verschiebung im Denken“ (Boppart, S. 19), die tatsächlich überall zu beobachten ist, einfach als „neues Denken“ zu akzeptieren oder gar zu adaptieren. Ganz im Gegenteil, christlicher Glaube bietet bewusst eine Alternativkultur, die „falsches Denken“ entlarvt und unter den Gehorsam Christi zu stellen hat.
In einer veränderten gesellschaftlichen Situation sollten Christen kreativ neue missionstheologische Strategien entwerfen, wie man relativistisch- postmoderne Menschen der westlichen Welt für Christus und seine Wahrheit im Evangelium abholt und gewinnt. Dass man die gegenwärtige Auflösung religiöser Wahrheit in der Gemeinde als das „Neue“ einfach akzeptieren müsste, um sich der gottfernen Kultur anzupassen, ist keine erfolgversprechende Strategie.
Trotz aller kritischen Rückfragen wünsche ich mir, dass durch Andreas Boppart und andere redegewandte Christen zukünftig noch viele Menschen für Jesus erreicht und im Glauben gefestigt werden.