1. Standortbestimmung
Die Bibel ist das einzige Informationsdokument Gottes, das uns in geschriebener Sprache vorliegt. Sie ist das geistliche Fundament, worauf die Gemeinde Jesu aufgebaut wird (Eph 2,20). Als inspiriertes Wort ist sie zugleich der Nährboden für Lehre und Leben in der Gemeinde (2.Tim 3,16-17). Dieses Wort Gottes ist lebendig und kräftig (Hebr 4,12), das Leben erneuert und verändert (1.Petr 1,23).
Wenn der Gemeinde Jesu dieses Wort Gottes weggenommen wird, dann wird ihr der Boden unter den Füßen weggezogen. Dann steht das Haus nur noch auf Sand, aber nicht mehr auf Fels.
Auf der einen Seite musste die Gemeinde immer wieder den Verfolgungen widerstehen, aber auf der anderen Seite waren die Angriffe nicht auf die Christenheit selbst, sondern auf die Bibel, den Nährboden der Christenheit, gerichtet.
In den letzten dreihundert Jahren war das westliche Christentum besonders diesen Angriffen auf die Bibel ausgesetzt. Manchmal kamen sie massiv, offensiv, manchmal schleichend, versteckt.
Ich möchte in diesem Beitrag den Weg der Relativierung der Bibel kurz skizzieren. Dabei verzichte ich auf eine ausführliche Geschichtsbeschreibung, sondern versuche exemplarisch den Autoritätsverlust der Bibel zu umschreiben. Sicherlich haben auch säkulare, ideologische und naturwissenschaftlich- technische Entwicklungsprozesse zu der Destruktion der Bibel beigetragen. Zu nennen wären auch Geistesströmungen wie der Humanismus, der Skeptizismus, der englische Deismus, der Idealismus und der Darwinismus, die ihren Einfluss auf das theologische Denken hatten. Auf diese Wurzeln werde ich nur am Rande eingehen. Ich konzentriere mich viel mehr auf die Folgen der Relativierung der Bibel für die Gemeinde Jesu.
2. Vom rechten Zugang zur Bibel
Das 20. Jahrhundert wird durch die kritische Theologie des 18. und 19. Jahrhunderts vorbereitet. Skizzenhaft fassen wir die wichtigsten Strömungen zusammen.
Der Dichter Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781) erkennt zwischen der Geschichte (ob profane Geschichte oder biblische Heilsgeschichte) und der Gegenwart einen „garstigen Graben“. Der moderne Mensch hat aufgrund des zeitlichen Abstands keinen wirklichen Zugang mehr zur Bibel. Die Bibel sei wohl noch für ein bestimmtes Menschenalter brauchbar, nämlich das des Kindes. Aber das Kind wächst kraft seiner Vernunft heran und wird mündig und somit kann der Mensch, wenn er gelernt hat, sich seines Verstandes zu bedienen, sich der Bibel entledigen (so in Erziehung des Menschengeschlechts, 1780). Lessing hat für sich einen solchen „garstigen Graben“ zur Bibel empfunden. Aber die Bibel selbst spricht von einer anderen Diskrepanz, denn der „natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geist Gottes“ (1.Kor 2,14). Zum Verstehen der Bibel braucht der Mensch die Neugeburt und den Heiligen Geist. Lessing hat, wie es scheint, nie diesen Zugang zur Bibel gefunden. In der „Ringparabel“ von „Nathan, dem Weisen“ (Nathan der Weise, 1778) ste- hen die drei Ringe für die drei großen Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam. Jeder der Söhne denkt, dass er den rechten Ring (sprich „Wahr- heit“) besitzt, aber keiner ist der Echte. Der Glaube wird bei Lessing zu einer motivierenden Einbildung und letztlich durch die Vernunft abgelöst.
Der Philosoph Immanuel Kant aus Königsberg (1724-1804) hat das Zeitalter der Aufklärung definiert als die Befreiung des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit hin zur Mündigkeit durch Betätigung seiner autonomen Vernunft. Die Aufklärung förderte das selbstständige Denken des Menschen, die Freiheit und Gleichwertigkeit eines jeden Erdenbürgers. Das klingt auf den ersten Blick ganz neutestamentlich. Auf der anderen Seite jedoch macht sie die Vernunft des Menschen zum Maßstab aller Dinge (Humanismus). Alles, was der Vernunft widerspricht, ist widervernünftig und damit zu annullieren (vgl. René Descartes: die Wahrheit unterliegt der Herrschaft der Vernunft). Die Rationalisten rechnen nicht mehr damit, dass der menschlichen Vernunft Grenzen gesetzt sind und dass die Vernunft „verfinstert“ (Eph 4,18), sprich geblendet und verführbar ist, ja sogar abartig sein kann.
Der in Berlin dozierende Theologe Friedrich Schleiermacher (1768-1834) funktioniert den Glauben an Jesus in die Religion des Abhängigkeitsgefühl von Gott um. Jeder Mensch, der sich von Gott abhängig weiß, hat Religion, hat einen Glauben. Das reiche aus. Eine solche oberflächliche Religionsphilosophie führt leicht zum Synkretismus (Vermischung interreligiöser Glaubensauffassungen) und zumPolytheismus.
Johann Salomo Semler (1725-1791), Professor der Theologie in Halle, unterscheidet zwischen Menschenwort und Gotteswort in der Bibel. Damit wird er zum geistigen Vater der historisch-kritischen Methode. Unter Absehung von der Inspirationslehre beschreibt er die geschichtliche Entstehung des Kanons. Göttlichen Ursprungs sei nur, was zur moralischen Besserung diene, das Übrige sei als lokale und temporale Akkomodation (Angleichung) Jesu und der Apostel an ihre Zuhörer zu beurteilen und für die Gegenwart bedeutungslos. Mit anderen Worten, alles, was der Ethik, dem sozialen Miteinander, dient, ist zu gebrauchen und alles Übrige wie Wunder, Theophanien (Gotteserscheinungen) und Engelsankündigungen sind widervernünftig und damit überflüssig.
Die historisch-kritische Methode der Bibelauslegung konstituiert sich mit Ernst Troeltsch (1865-1923), Theologe und Religionsphilosoph. Die Bibel wird wie ein normales Buch betrachtet und mit gewöhnlichen literarischen Methoden gelesen. Die Bibeltexte werden wie profane Texte interpretiert und mit profanen Texten verglichen (Intertextualität). Zugang zur Bibel erhalte man durch „Kritik“ (aufbauend auf die autonome menschliche Vernunft), „Analogie“ (das Wunderliche muss mit unseren modernen Alltagserlebnissen übereinstimmen) und „Korrelation“ (das ist die Wechselbeziehung zwischen biblischer Geschichte und ihrer Umwelt). Damit treten Offenbarung und Inspiration zurück. Troeltsch lehnt die Absolutheit des Christentums ab. Es ist eine Religion unter anderen. Jesus ist nicht Gott, sondern nur der „Führer zu Gott“, nicht der Erlöser, sondern „Urbild des christlich-persönlichen Lebens“. Er ist nicht das einzige Heil, sondern „das große Beispiel der über die Nachthinweg triumphierenden Gottesgewißheit“.1
Fassen wir das 18. und 19. Jahrhundert zusammen:
Der moderne Mensch, der sich allein seines Verstandes bedient, sucht einen neuen Zugang zur Bibel. Dabei gerät er in einen Konflikt zwischen Vernunft und Glauben, zwischen Wissenschaftlichkeit und Wundern, zwischen dem menschlichen Jesus und dem göttlichen Jesus. Jesus als der Menschensohn wurde von Maria geboren und in eine Krippe gelegt. Das erscheint noch nachvollziehbar aber Jesus ist zugleich das inkarnierte (fleischgewordene) Wort Gottes, der Sohn Gottes und Gott ist allein sein Vater. Aber die Jungfrauengeburt ist naturwissenschaftlich nicht mehr nachvollziehbar. Der moderne Mensch versucht ringend diesen „garstigen Graben“ durch neue Begrifflichkeiten (wie Unterscheidung von Historie und Geschichtlichkeit) und durch neue Methoden (Historisch-Kritische Methode) zu überwinden. Doch gelingt ihm dieser Sprung nicht und er wird auch nie gelingen, weil er sich allein seines Verstandes bedient und den Geist Gottes ausschließt.
Die historischen Ereignisse in der Bibel werden immer mehr in Frage gestellt. Das Erlösungswerk Christi bleibt dabei zunächst noch unangetastet. In Heilsfragen sei die Bibel noch Wort Gottes.
3. Heilsfragen und Geschichte
Immer wieder flackert die Diskussion um die Heilsfragen in der Bibel auf. Man will, nachdem die Bibel in ihrer historischen Echtheit in Frage gestellt wurde, die alte Heilslehre doch nicht ganz aufgeben. Also lässt man die Heilsfragen, die die Errettung des Menschen betreffen, als Wahrheit stehen, bezweifelt aber, ob dazu auch die historischen „Sachaussagen“ wahr sein müssen.2 Jesus hat selbst gesagt, dass wir ihn in der Schrift suchen können (Joh 5,39), und zwar in der ganzen Schrift und nicht nur in bestimmten Teilen.
Wie will man überhaupt die Heilsfragen von ihren historischen Zusammenhängen trennen? Stehen nicht vielmehr die Heilsfragen inmitten eines geschichtlichen Umfangs? Steht nicht die Prophetie inmitten geschichtsträchtiger Ereignisse? Wenn die Bibel in ihren historischen Aussagen irren kann, wer verbürgt uns, dass sie sich dann nicht in ihren Heilsfragen irrt?
Und was gehört innerhalb der Theologie zu den Heilsfragen? Ist es nur das Kreuz? Wozu gehört aber das Kreuz? Es gehört zu Jesus von Nazareth! Und schon sind wir wieder bei den geschichtlichen Ereignissen angelangt. Wie will man an das Kreuz glauben, wenn man das ganze historische Umfeld in Bezug auf das Leben des Jesus von Nazareth, sprich seine biographischen Daten, die uns in den Evangelien überliefert wurden, ablehnt?!
Denn wir müssen bedenken: Das Kreuz auf Golgatha verbindet Himmel und Erde, die Horizontale mit der Vertikalen. Es blickt zurück auf die Menschheitsgeschichte und weist in die ferne Zukunft. Das Kreuz ist der Mittelpunkt der göttlichen Heilsgeschichte. Um diesen Mittelpunkt dreht sich Gottes Heilsgeschichte, die bis zum Ende nach dem vollkommenen göttlichen Plan abläuft. Und dieser Plan ist uns in der Bibel aufgeschrieben. Wenn man die Wahrhaftigkeit nur auf das Kreuz beschränken will, fällt die gesamte Heilsgeschichte flach und damit das Kreuz selbst.
Das Ende der Bibliologie ist absehbar, in dem Sinne, dass die Bibel nicht mehr als Gottes Wort anerkannt wird. Sie ist nur noch in ihren Heilsfragen gültig. Damit aber verliert sie ihre eigentliche Autorität. Der mündig gewordene Mensch löst sich von der Autorität der Bibel.
4. Der Autoritätsverlust der Bibel
Die Autorität3 der Schrift4 geht aus ihrem Wesen hervor.5 Sie ist die unmittelbare Folge der Inspiration. Die Bibel hat ihre Autorität, weil sie von Gott gegeben ist.6 Die Autorität der Schrift verlangt Gehorsam. Jesus selbst stellt sich unter ihre Autorität. Er stellt kein Wort des Alten Testaments in Frage. Er erfüllt alle Verheißungen des Alten Bundes, indem er bis zum Tode am Kreuz gehorsam ist (Phil 2,8). Die Autorität der Schrift besitzt keinen Zwangscharakter. Der Gehorsam ihr gegenüber geschieht freiwillig. Zudem hat die Autorität ihren Ursprung nicht in der Kraft der menschlichen Vernunft, sondern in Gott selbst. Sie ist geistlich. Die Autorität der Schrift ist Ausdruck der Autorität Gottes.7 So wenig wie Gott den Menschen sklavisch unterdrückt, ihm den eigenen Willen nimmt, ebenso wenig tut dies die Schrift.8 Leider ist so die Autorität im umgekehrten Sinne in unserem Jahrhundert verstanden worden. Das Ziel der „Frankfurter Schule“ der 60er und 70er bestand darin, jegliche Autorität abzuschaffen. Ihr Konzept bestand aus sechs Proklamationen:9
- Herrschaft sei immer repressiv, das heißt, sie will den Menschen ausbeuten und knechten.
- Das heteronome, etwa durch ein Gebot, durch ein „du sollst“ an den Menschen herangetragene Ethos sei schon Herrschaftsanspruch und deswegen zu verneinen.
- Das Subjekt, der Mensch als Person, geht im Kollektiv unter. Nur der Beschluss der Gruppe zählt. Eine Autorität über der Gruppe wird abgelehnt. Rollen (von Mann und Frau) und Normen sind beliebig austauschbar. Die Gruppe (oder auch die Gesellschaft) bestimmt das Verhaltensmuster, also die Ethik. Die Gruppe ist alles, du bist nichts.
- Das Ethos entsteht erst durch Diskussion in der Gruppe. Der Diskurs ist unendlich. Wer Gott als den allmächtigen Vater, Schöpfer Himmels und der Erde bekennt, steht unter einem herrschaftslegitimierenden Weltbild, muss also außerhalb des Diskurses der Gruppe bleiben, die Ethos „macht“ (Konsensusethik). Die Gruppe ist also der neue Gott, der neue Gebote gibt.
- Alle herkömmlichen Werte und Normen werden „hinterfragt“. Der Mensch hat keine Ehrfurcht mehr, weder vor dem heiligen Gott, noch vor seinem Wort. Die Bibel wird hinterfragt und verliert dadurch ihre Gültigkeit für „Glauben und Leben“ des Christen.
- Christliche Werte und Normen wie Ehe, Familie und Erziehung werden stets als Konflikte (Konfliktstrategie) durch die Massenmedien dargestellt und somit dem Menschen madig gemacht. Der Konflikt schafft revolutionäres Bewusstsein, das zur Aktion gegen bestehende Autorität motivieren soll.
Dem aufmerksamen Leser wird sofort bewusst, dass die Autorität der Bibel ebenso in Frage gestellt wird. Sie verliert ihre Autorität in unserem Leben und sogar in den Gemeinden. Die Gemeinde muss wissen: Sie ist nicht Herrin, sondern die Magd der Schrift; nicht die Mutter, sondern die Tochter; nicht die Urheberin, sondern die Leserin; nicht Richterin, sondern Zeuge und Verteidigerin des biblischen Textes.10
Menschliche Autorität wurde durch den Sündenfall zerstört, wirkt repressiv, unterdrückend, egozentrisch und ausbeutend.
Der Gehorsam Gott gegenüber wirkt auf den Christen befreiend, erlösend und wohltuend. Gott führt den Menschen aus der Sklaverei in die Freiheit: „Ihr aber, liebe Brüder, seid zur Freiheit berufen“ (Gal 5,13). Gott beutet den Menschen nicht aus, sondern er beschenkt ihn, indem er seinen einzigen Sohn am Kreuz sterben lässt, um den Menschen zu erlösen.
Wer die Autorität Gottes anerkennt, der hat die beste Hilfe für die Gestaltung seines Lebens. Wir sind Gott gehorsam, nicht als Knechte, sondern als Kinder (Röm 8,14-17).
In diesem Sinne ist auch die Autorität der Bibel zu verstehen und zu akzeptieren. Wenn die Bibel ihre Autorität verliert, dann verliert die Gemeinde Jesu ihre Orientierung.11 Sie besitzt keine geistlichen Maßstäbe mehr. Sie ist nicht mehr kontrollierbar. Sie fährt auf dem Meer ohne Kompass und erreicht somit den Hafen nicht mehr.
Gottes Wort ist der beste Kompass und das beste Kursbuch für unser Leben. Karl Heim berichtet von einem Treffen mit Hudson Taylor:
„Wir kamen ja aus dem Tübinger Stift, der Hochburg der liberalen Theologie und der Bibelkritik. Wir umringten Hudson Taylor und stellten ihm die Frage: ‘Wie können Sie so an jedes Wort der Bibel glauben?’ Er gab uns zur Antwort: ‘Wenn Sie morgen wieder von Frankfurt abreisen wollen, so schlagen Sie das Kursbuch auf und sehen nach, wann der Zug abgeht. Und wenn da steht, um sieben Uhr morgens fährt der erste Zug, so stellen Sie weiter keine Untersuchungen an über die Zuverlässigkeit des Kursbuches, sondern gehen morgens sieben Uhr auf den Bahnhof und finden dort den angegebenen Zug. Genau so, wie Sie es mit dem Kursbuch machen, habe ich es seit fünfzig Jahren mit der Bibel und ihren Geboten und Zusagen gemacht, und ich habe ihre Weisungen in einem langen Leben auch unter Hunderten von Todesgefahren immer richtig gefunden.’“12
5. Inspiration im Wandel der Zeiten
Im Laufe der Geschichte der Aufklärungstheologie wurde die Bibel als ein Produkt des menschlichen Geistes gesehen. Sie verliert ihren göttlichen Charakter. Bereits Johann Salomo Semler hat die Lehre von der Inspiration der Bibel aufgegeben. Einige versuchen noch an der Realinspiration festzuhalten (wie Menken, Hofmann, Rothe), indem sie die Sache, insbesondere die Heilsgeschichte, für inspiriert halten. Schleiermacher versuchte es mit der Personalinspiration, indem er die Apostel für inspiriert hielt, nicht aber das Geschriebene.13
Die katholische Kirche gibt die Inspirationslehre nicht auf.14 Für sie ist die Bibel inspiriert. Daneben werden aber auch einige Apokryphen (wie Judit, Tobias (Tobit), Sirach, 1. u. 2.Makkabäer u.a.) als kanonisch anerkannt.15 Zudem gesellt sich die „Heilige Überlieferung“, die eng mit der Heiligen Schrift verbunden ist, weil sie beide derselben göttlichen Quelle entspringen.16
Der indische Jesuit Ishanand Vempeny geht noch einen Schritt weiter. Er untersucht in seinem 1973 erschienen Buch „Inspiration in the Non-Biblical Scriptures“ (Inspiration in den nichtbiblischen Schriften) die Religionen. Da auch die Religionen einen „Heilsplan“, einen „kosmischen Bund“ und eine „Logos-Theologie“ (Logos, das Wort) besäßen, seien somit auch ihre Heiligen Schriften inspiriert und damit auch wahr.17
Welchen Weg wird der Protestantismus in der Inspirationslehre in der Zukunft gehen? Wird sie die Lehre ganz aufgeben oder wird sie sich der katholischen, und damit offenen, Lehrauffassung angleichen?
Für den Monat September des Jahres 2006 gab die Herrnhuter Losung einen Monatsspruch aus dem Buch der Weisheit 15,1 an. Und der Bibelleser konnte in der fortlaufenden Bibellese zwischen 1.Chr und Weish wählen. Für den Sonntag des 20. August konnte der Verkündiger den Predigttext zwischen Jes 62,6-12 und Sir 36,13-19 wählen.18
Die Gemeinde Christi darf die biblische Lehre von der „Theopneustie“ („Gotteinhauchung“ der 66 kanonischen Bücher der Bibel) nicht aufgeben, sie auch nicht variieren oder assimilieren.
Die Verbalinspiration wird eindeutig in 2.Tim 3,16 bezeugt. Immer wieder heißt es in der Schrift, dass wir ihr nichts hinzufügen oder von ihr wegnehmen sollen (5.Mo 4,2; 13,1; Spr 30,5-6; Offb 22,18-19).
Wenn die Autorität der Bibel fällt, dann fällt auch die Inspiration (und umgekehrt) und das bedeutet, dass sie in der Gemeinde wie ein profanes Buch behandelt wird. Sie verliert ihre göttliche Kraft und ihre Verbindlichkeit! Wo findet die Gemeinde Jesu dann noch Zuverlässigkeit und Wahrheit? In Christus? Ja, aber Christus finden wir in der Schrift (Joh 5,39). Die Bibel ist zeitlos gültig (Mt 24,35). Nicht stellen wir sie in Frage, sondern sie stellt uns in Frage. Sie allein ist der Maßstab für unser Leben und Handeln.
6. Offenbarung und Geschichte
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatte man einen neuen „garstigen Graben“ zwischen dem modernen Menschen und der Bibel entdeckt: Es ist der Graben, der zwischen Offenbarung und Geschichte liegt. Die Geschichte spielt sich auf der Erde ab, im Diesseits. Sie ist nachvollziehbar, prüfbar, verifizierbar. Die Offenbarung dagegen geschieht aus dem Jenseits, aus dem Himmel und ist damit mit empirisch-wissenschaftlichen Methoden nicht mehr prüfbar.19 Diese Entwicklung in der Theologiegeschichte ist nachvollziehbar: Hat man im 19. Jahrhundert zwischen Menschenwort und Gotteswort in der Bibel unterschieden, so gibt es nun ein Problem mit der Offenbarung Gottes. Die eigentliche Schlussfolgerung wäre gewesen, die Bibel ad acta (zu den Akten) zu legen. Stattdessen versucht man Offenbarung und Geschichte irgendwie auf einen Nenner zu kriegen.
Ich greife exemplarisch zwei Theologen heraus, die versucht haben, den „garstigen Graben“ zwischen Offenbarung und Geschichte zu überbrücken:
Der reformierte Theologe Karl Barth (1886-1968) macht sich in seiner Kirchlichen Dogmatik Gedanken darüber, inwiefern die Bibel noch Gottes Wort sein könnte. Ich fasse seine Überlegungen kurz zusammen:20
Die Aussage „die Bibel ist Wort Gottes“ sei nur ein Glaubensbekenntnis, so Barth.
Die Bibel werde nur im Ereignis Wort Gottes. Ereignis heißt, wenn Gott durch sein Wort redet.
Da, wo die Bibel nach dem Menschen greift (im Ereignis), wird sie Wort Gottes.
Hier ist das geschriebene Wort identisch mit dem verkündigten Wort. Das verkündigte Wort ist dann Wort Gottes, wenn es von Gott bestätigt und begnadigt wird, wenn also der MENSCH angesprochenwird.
So ist das geschriebene Wort der Bibel Wort Gottes, wenn Gott redet.
Wir sagten von der kirchlichen Verkündigung: Sie muss Gottes Wort je und je werden. Und wir sagten dasselbe von der Bibel: Sie muss Gottes Wort je und je werden.
Indem der freie Gott sich ihrer bedient, sind Bibel und Verkündigung Gottes Wort.
Wenn die Bibel nicht Wort Gottes und auch nicht Offenbarung ist,21 dann wird sie zu einer profanen Lektüre, ja sogar mit derselben identifiziert. Barth behauptet, dass die Bibel mal hier mal dort Gottes Wort „enthalte“. Er schreibt „hier deus dixit, hier Paulus dixit. Das ist zweierlei.“22 Auf Deutsch:„Hier spricht Gott, hier spricht Paulus. Das ist zweierlei.“ Der reformierte Theologe geht sogar soweit, dass er die Bibel auf die Stufe des verkündigten Wortes (Predigt) stellt. Aber ist die Verkündigung Wort Gottes, das heißt mit ihr identisch? Die Predigt ist Wort Gottes, insofern Gott redet. Aber sie darf niemals mit der Bibel identifiziert werden. Die Predigt steht unter der Bibel, und sie hat sich an ihr zu orientieren. Die Bibel wird auch nicht zum Wort Gottes, wenn Gott sich ihrer bedient.
Wir halten fest: Die Bibel ist das Wort Gottes! Sie ist es auch an sich! Sie ist nicht ein Versuch der Darstellung von Menschenworten.23 Wenn wir die Psalmen lesen, dann redet nicht David zu uns, sondern Gott. Auch wenn die Bibel nicht zu mir redet, so bleibt sie doch Wort Gottes. Es ist falsch, wenn wir sagen: Die Bibel enthält Wort Gottes. Nein! Sie ist das Wort Gottes in Ewigkeit. Auch ist die Bibel nicht bloß ein Zeugnis von Menschenworten. Sie ist viel mehr. Sie ist inspirierte Offenbarung von oben. Wer die Inspiration ablehnt, der muss auch die Bibel als Wort Gottes ablehnen und umgekehrt: Wer die Inspiration bejaht, der muss auch die Bibel als das Wort Gottes akzeptieren.
Rudolf Bultmann (1884-1976) sieht die Bibel als ein Mythenbuch. Alles, was historisch nicht nachvollziehbar ist, wird zum Mythos.24
Hart und unerbittlich klingt das „Erledigt“ Bultmanns: Erledigt sind die Geschichten von der Höllen- und Himmelfahrt Christi – erledigt ist die Vorstellung von einer unter kosmischen Katastrophen hereinbrechenden Endzeit – erledigt ist die Erwartung des auf den Wolken des Himmels kommenden Menschensohns – erledigt sind die Wunder als bloße Wunder – erledigt ist der Geister- und Dämonenglaube („die Blumhardtschen Geschichten sind mir ein Gräuel“). Unser Weltbild ist unwiderruflich durch Wissenschaft und Technik bestimmt, das Weltbild des Neuen Testaments dagegen ist ein mythisches (3- Stockwerke-Theologie des Mittelalters).
Ebenso proklamiert er das Unverständlich: Unverständlich ist für den modernen Menschen die Vorstellung von dem göttlichen Geist als einem übernatürlichen Etwas, das in das Gefüge der natürlichen Kräfte eindringt – unverständlich ist für ihn die Deutung des Todes als einer Strafe für die Sünde, verursacht durch einen Ahnherrn – unverständlich ist für ihn die Lehre von der stellvertretenden Genugtuung durch das Sterben Christi am Kreuz – unverständlich ist für ihn die Auferstehung Christi als ein Ereignis – unverständlich ist für ihn die Erwartung, in die himmlische Lichtwelt versetzt und dort mit einem neuen, geistlichen Leib überkleidet zu werden.25
Bultmann meint den „garstigen Graben“ zwischen Geschichte und Offenbarung überbrücken zu können, indem er die Bibel entmythologisiert, das heißt, die Mythen herausschält und „das Echte“, das Historische, in der Verkündigung präsentiert.26 Nur: Es bleibt nicht mehr viel übrig. Das Ergebnis ist die „Entmythologisierung Jesu“: Präexistenz Jesu, seine Menschwerdung, sein stellvertretendes Opfer, seine Gottessohnschaft, seine Auferstehung, seine Himmelfahrt und seine Wiederkunft werden annulliert.27
Damit fällt die ganze Christologie (die Lehre von Christus) und mit der Chri- stologie fällt die Soteriologie (die Lehre vom Heil)!
Der „garstige Graben“ zur Bibel kann auch nicht von Barth und Bultmann übersprungen werden – im Gegenteil: er wird nur noch tiefer und weiter. Der moderne Mensch verliert immer mehr einen Zugang zur Bibel. Er verliert das Vertrauen zur Bibel und damit auch das Vertrauen zu dem Autor (Gott und seinem Geist) und zu der Hauptperson: JESUS!
Die Offenbarung kann gar nicht von der Geschichte getrennt werden. Beide zusammen finden sich wieder in der Heilsgeschichte der Bibel. Die Offenbarung ist ein Geschenk Gottes, das den Verfassern der Bibel gegeben wurde. Paulus schreibt:
„Durch Offenbarung ist mir das Geheimnis kundgemacht worden, wie ich eben aufs kürzeste geschrieben habe“ (Eph 3,3).
Existenziale Interpretation
In der Mitte des 20. Jahrhunderts herrscht in der Hermeneutik die „Existenziale Interpretation“ vor. Da die Geschichte Israels uns nichts mehr zu sagen hat28 und das Neue Testament voller Mythen ist, müssen folglich die biblischen Texte für den modernen Menschen uminterpretiert werden. Es wird gefragt, was die Texte heute für die Existenz des Menschen bedeuten (Existenziale Interpretation).
Natürlich wissen wir, dass die Bibel in und durch die Verkündigung heute zu uns redet. Aber bei der „existenzialen Verkündigung“ spielt die Wahrhaftigkeit und die Autorität des Wortes Gottes keine Rolle mehr, so dass man sich fragen muss, wem denn nun der Zuhörer gehorchen soll, denn die Bibel hat ja ihre historische Glaubwürdigkeit verloren.
Nachdem der Exeget den Text historisch-kritisch beerdigt hat, soll er ihn existenzial wieder auferwecken, stellt schon Rudolf Bohren fest.29 Der Mensch in seiner Existenz wird zum Gegenstand der Auslegung und der Predigt. Alles dreht sich um den Menschen, alles spielt sich auf der Erde ab.
„Niemals und nirgends rettet das Historische, sondern allein das Konkrete“, schreibt Manfred Mezger.30 Die historischen Aussagen in der Bibel spielen keine Rolle mehr, sie sind uninteressant, sondern allein das Konkrete, also das Erlebnis in dem Gottesdienst, Visionen und Träume, sprechen noch den Zuhörer an.
Die auf den Menschen bezogene existenziale Interpretation passt gut zu den Erlebnisgottesdiensten. Der eigentliche Inhalt des Bibeltextes und die biblische Lehre treten zurück. Der postmoderne Zuhörer möchte keine Wahrheiten gelehrt bekommen. Es besteht die Gefahr, dass der Hörer mehr vom Charisma des Verkündigers angesprochen wird als von dem Wort der Bibel.
Aber weder Zeichen und Wunder, noch die menschliche Weisheit (1.Kor 1,22) stellen die Mitte der Verkündigung dar, sondern allein der gekreuzigte und auferstandene Christus, der der Anfang, die Mitte und das Ziel des biblischen Wortes ist.
7. Die Relativierung der Wahrheit
Das griechische Wort für Wahrheit lautet „aletheia“. Es ist abgeleitet von „lethe“, was „Vergessenheit“ oder „Verborgenheit“ bedeutet. Wahrhaftig ist also jemand, der nicht im Verborgenen (a–letheia) redet, sondern frei und öffentlich heraus, der nichts verstecken muß.31 Das Gegenteil von Wahrheit ist also die Lüge, nicht die ganze Wahrheit erzählen, etwas im Verborgenen lassen. Gott ist ein Gott der Wahrheit, der sich offenbart, die ganze Wahrheit redet, nicht lügt. JESUS ist die Wahrheit, weil ER nichts im Verborgenen geredet hat (Joh 18,20). Die Rede Gottes und seines Sohnes ist aufgeschrieben in dem Buch der Wahrheit (vgl. Ps 119,160), das ist die Bibel.
Inzwischen aber hat man die Wahrhaftigkeit Gottes von der Wahrhaftigkeit der Bibel getrennt. Der Wahrheitsbegriff der Bibel wird neu definiert. Wahr sei nicht gleich richtig. Da die Wahrheit in der Geschichte geschieht, ist sie nie ein für alle mal da, nie endgültig, nie fertig, nie allgemein, sondern sie bleibt immer offen, konstatiert Paul Tillich (1886-1965).32
Wahrheit ist nicht das, was mit der Realität korrespondiert, sondern sie ist religiös-pragmatisch und funktional zu verstehen; sie ist nicht in erster Linie in den objektiven Aussagen der Bibel zu finden, sondern hinter den Aussagen in der Absicht der Schreiber.33
Wahrheit hat schon im Alten Testament etwas mit Begegnung, mit Vertrauen und mit der Beziehung zu tun. Darauf hat schon Emil Brunner (1889-1966) in seiner Schrift „Wahrheit als Begegnung“ (1938) hingewiesen.34
Für Gott spielt die Begegnung, die Beziehung zum Menschen in erster Linie die entscheidende Rolle. Das bezeugen die vielen Geschichten in der Bibel (Abraham, Jakob, Gideon, David …). Aber: Die Bibel hebt dadurch die Lehrwahrheiten (über Gott, über Jesus, über die Schöpfung, über die Erlösung, über den Hl. Geist, über die Gemeinde, über Israel, über die Eschatologie) nicht auf!
Und hier nun können wir Brunner nicht mehr folgen: Er wendet sich nun gegen eine „Bibelorthodoxie“ und gegen eine „Dogmenorthodoxie“. Wahrheit spielt für Brunner eine sekundäre Rolle. Sie will gelebt werden in der Beziehung zu Jesus Christus. Der Inhalt der Wahrheit, die Lehre tritt bei Brunner zurück.
Brunner ist seiner Zeit weit voraus. Der Rücktritt der Wahrheit gegenüber dem Erlebnis, die Verdrängung der biblischen Lehre und der Moral gegenüber gelebten Beziehungen („personale Korrespondenz“) wird im 21. Jahrhundert immer stärker die Gemeinden prägen.
Es gehe also in der Bibel gar nicht um die sachliche Wahrheit, sondern um eine personale Wahrheit: Gott ist Wahrheit und das reicht aus.35 Der hebräische Wahrheitsbegriff hat aber sowohl etwas mit „Begegnung, Beziehung“zu tun, als auch mit „sachlicher Richtigkeit“.36 Als Beispiel können wir den Arzt Lukas anführen, der sehr akribisch nach geschichtlichen Tatsachen in Bezug auf das Leben Jesu recherchiert hat (Lk1,1-4).37 Und Petrus weiß sehr wohl zwischen Mythen und Tatsachenberichten zu unterscheiden. Er stellt klar, dass er niemals den „klugen Fabeln“ (Mythen) gefolgt ist (2.Petr 1,16), sondern dass die Propheten, deren Zeugnisse in der Bibel aufgeschrieben sind, durch den Geist Gottes geredet haben (2.Petr 1,21) und damit will er sagen, dass der Geist Gottes nicht lügt. Es besteht meines Erachtens eine große Gefahr darin, an dem biblischen Wahrheitsbegriff herumzutüfteln, denn dann gleicht man jemandem, der das Fundament eines Wolkenkratzers wegsprengen möchte in der utopischen Hoffnung, dass das Gebäude doch noch stehen bleiben möge.
8. Das Ende des Ethos – die Säulen der Ethik fallen
Die Bibel hat in der Theologiegeschichte der letzten dreihundert Jahren ihren Wahrheitsanspruch, ihre Göttlichkeit, ihren Offenbarungscharakter und damit auch ihre Autorität verloren. Diese Entwicklungsprozesse haben fatale Folgen für die Gemeinde Jesu Christi. Denn wer diese liberalen Denkmuster über- nimmt, der findet in der Bibel für sein Leben keine Maßstäbe, keine klare Orientierung mehr. Er wird einen subjektiven Weg des Glaubens wählen, kann sich aber nie gewiss sein, ob dieser eingeschlagene Weg der richtige ist.
Die Bibel ist nicht mehr norma normans (die Norm aller Normen). Es kommt zur Auflösung des biblischen Wahrheitsanspruchs und des biblischen Ethos.
Das Ethos in der Gemeinde Jesu wird nicht mehr durch die Bibel geprägt, sondern durch die sich stets verändernde Gesellschaft.
Die schöpfungsgemäßen Ordnungen werden aufgegeben. Mann und Frau, Ehe, Familie verlieren ihren biblischen Stellenwert. An diese Stelle tritt das Kollektiv, das Orientierung, Geborgenheit, Sinn und Zweck vermitteln will (es aber nicht kann). Aber das Kollektiv bestimmt die Richtung, die Ordnung.
Bereits der Apostel Paulus kündigt in 2.Tim 3,1-7 für die „letzten Tage“ den moralischen Abfall an: Sie werden hochmütig, Geld liebend, den Eltern ungehorsam, undankbar, gottlos, lieblos, wild und zuchtlos sein, um nur einige Beschreibungen zu nennen.
9. Quo vadis, Gemeinde Jesu?
Wohin gehst du? Wohin geht die Gemeinde Jesu im 21. Jahrhundert?
Die Gemeinde Jesu muss sich den Herausforderungen einer sich stets verändernden Bibelhaltung in der Gesellschaft und in der Theologie stellen. Tut sie es nicht, ist sie Fremdeinflüssen schonungslos erlegen. Unser kurzer historischer Abriss hat gezeigt, dass die größten Angriffe auf die Bibel nicht von außen kamen, sondern von liberalen Theologen. Die Gemeinde Jesu muss sich mit dem eigenen Lager auseinandersetzen. Damit hat aber schon der Selbstzerstörungsprozess der Gemeinde begonnen.
Wenn die Wahrheit der Bibel relativiert wird und wenn JESUS nicht mehr das Wort Gottes ist, dem wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben, dann dringen de facto andere Ereignisse, Mächte, Gestalten und Wahrheiten in die Gemeinde Jesu ein!38
Wir leben in einer Zeit, in der das christologische Gebot der Wachsamkeit mehr gefragt ist, denn je. Dreimal ruft unser HERR in seiner Endzeitrede in Mt 24 seine Jünger zur Wachsamkeit auf.
Welcher Versuchung, welchem Kampf steht die Gemeinde Jesu überhaupt nun im 21. Jahrhundert gegenüber?
Kann man ihr überhaupt noch etwas wegnehmen, wenn schon die Bibel, der historische JESUS und die Vokabel Gott relativiert wurden?
Wenn der Protestantismus nicht zu seinen reformatorischen Wurzeln39 zurückkehrt, dann verliert sie den Boden unter den Füßen, dann hat sie kein Evangelium mehr für die verlorene Welt, dann wird sie dahinsiechen und hat der gottlosen Gesellschaft nichts mehr entgegenzuhalten und sie wird schließlich vom Sog der Ökumene verschlungen werden. Diese Entwicklung und das Ende der protestantischen Ära hat bereits Paul Tillich (1886-1965) seiner Zeit vorausgesagt. Tillich bezeichnet das „nachprotestantische Zeitalter“ als einen „evangelischen Katholizismus“.40
Wer die Autorität der Bibel ablehnt, sucht woanders nach Autoritäten. Wer die Offenbarung Gottes negiert, sucht woanders Offenbarungen.
Wer das Ethos der Bibel verwirft, muss sich ein humanistisches Ethos schaffen.
Wer die 10 Gebote verflüchtigt, der setzt seine eigenen Maßstäbe, was in Autonomie und Anarchie hineinführt (2.Thess 2,3).
Wer JESUS als den einzigen Heilsbringer leugnet, sucht in sich selbst oder in anderen Religionen das Heil.
Der Weg im 21. Jahrhundert wird ein bibelloser Weg sein. 300 Jahre Theologiegeschichte haben die Kirche zu einer wortlosen Institution umfunktioniert. Der zukünftige Weg wird wohl ein spiritueller Weg sein, aber kein Weg des Wortes. Der postmoderne Mensch hört lieber den charismatisch begabten Redner als das geschriebene Wort der Bibel. Er fordert nicht das „sola scriptura“ (allein die Schrift), sondern Zeichen.
Pilatus oder Hiob
Pilatus stellt die Frage nach der Wahrheit: Was ist Wahrheit? Diese Frage hat man in den letzten dreihundert Jahren innerhalb der Theologiegeschichte immer wieder gestellt. Ist die Bibel Wahrheit? Oder enthält sie nur die Wahrheit? Ist sie deshalb wahr, weil Gott Wahrheit ist? Oder ist sie wahr, weil sie Gottes Wort ist? Ist sie wahr, weil sie inspiriert ist? Oder ist die Bibel wahr, weil sie sich im Leben der Christen bewahrheitet?
Die Antworten auf diese Fragen führten oft in die Zerreißprobe protestantischer Theologie.
Die liberalen Theologen des 20. Jh. halten sich immer wieder in der Nähe von Pilatus auf, suchen, fragen, forschen nach Wahrheit, experimentieren mit der Wahrheit, suchen die Mitte zwischen Theologie und Wissenschaft, klopfen bei der Philosophie an, suchen nach immer neuen Methoden in der Hermeneutik. Stattdessen sollten wir lieber zu Hiob gehen, der ein eindeutiges Bekenntnis des Glaubens (Hiob 19,25) und zu seinem Erlöser abgelegt hat. Auch Hiob hat gerungen, gezweifelt, disputiert, aber er hielt an das Bekenntnis des lebendigen Gottes fest. In diesem Sinne ruft uns auch der Verfasser des Hebräerbrie- fes auf, an das göttliche Bekenntnis (griech. „homo-logia“ = „die Worte in gleicher Weise wiederholen“) Jesu Christi festzuhalten (Hebr 3,1; 4,14; 10,23). In diesem Bekenntnis der Hoffnung sollen wir fest stehen und nicht wanken, egal wie viele Bollwerke gegen Christus und seinem Wort aufgefahren werden. Es ist das Bekenntnis, dass die Bibel Gottes Wort ist. Wenn die Bibel nicht mehr Wort Gottes ist, wohin sollen wir dann gehen?! Wir wollen mit Petrus bekennen: „HERR! Wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens!“ (Joh6,68).
Wachet!
Die Gemeinde Jesu kennt ihren Weg, weil sie ihren HERRN kennt. Sie geht durch 2000 Jahre Kirchengeschichte durch viel Leid und Tränen ihrem Retter, in dem allein Erlösung ist (Apg 4,12), entgegen. Sie geht diesen schmalen, einzigen Weg (Joh 14,6), auch wenn er dornig, umstritten, angefochten und immer wieder in Frage gestellt wird.
Sie weiß, dass der leibhaftig auferstandene JESUS wiederkommt, um seine Gemeinde zu sich zu holen, wie ER es im hohepriesterlichen Gebet verheißen hat. Dann werden die Gerechten leuchten wie die Sonne in ihres Vaters Reich (Mt 13,43).
Die Schafe hören auf die eine Stimme ihres Hirten. Sie hören auf keine andere Stimme. Diese Stimme des großen Hirten und Wächter unserer Seelen JESUS hören sie nirgends sonst als in seinem Wort, in der Bibel.
Aber die Gemeinde Jesu muss wachsam sein. Jeder einzelne Gläubige muss wachen. Denn wenn die Gemeinde Jesu dieses Wort Jesu vergißt, verwässert, verwischt, vernachlässigt, verliert, dann ist sie schon der Verführung erlegen.
Die Gemeinde Jesu weiß von der Parusie (Wiederkunft) Jesu nicht, weil sie auf die Stimmen von Theologen, Philosophen oder sonstigen Religionsführern hört, die nun schon über 300 Jahre lang nach dem historischen Jesus suchen, sondern sie weiß um seine glorreiche Wiederkunft, weil es sein Wort sagt (Joh 14,3; 2.Thess2,1-2).
„Ihr sucht in der Schrift, denn ihr meint, ihr habt das ewige Leben darin; und sie ist’s, die von mir zeugt“ (Joh 5,39).
Deshalb ist die Gemeinde Jesu im 21. Jh. mehr als in allen anderen Jahrhunderten gefordert, auf dies eine Wort der Bibel als das offenbarte, inspirierte, geschriebene und wahrhaftige Wort Gottes, das in Ewigkeit bleibt (verbum dei manet in aeternum), zu achten, ihm zu lauschen, es zu durchforschen, ihm zu gehorchen und es zu bewahren – bis ER kommt! Maranatha!
Hans-Georg Pöhlmann in dem Artikel über Ernst Troeltsch in: H. Burkhardt u.a. (Hg.), Evangelisches Lexikon für Theologie und Gemeinde, Wuppertal, 2.Aufl. 1998, Bd. 3, S. 2039. ↩
Vgl. Howard Marschall: „Biblische Inspiration“, Gießen: TVG, 1986, S. 58f. oder auch H. Hempelmann: „Nicht auf der Schrift, sondern unter ihr“, Lahr: Verl. Der liebenzeller Mission, 2000, S. 104: „Die Unfehlbarkeit, Vollkommenheit der Bibel zeigt sich vor allem darin, dass sie und wie sie den Weg zum ewigen Leben mit Gott unfehlbar und voll- kommen weist.“ ↩
Der folgende Beitrag über die Autorität der Schrift ist ein Ausschnitt aus meinem Buch: „Ist die Bibel zuverlässig?“, Barntrup: Verlagsbuchhandlung Lebensquelle, 1998, S. 93ff. ↩
In der Dogmatik sprechen wir von den „affectiones“ (Affekten) der Schrift. Zu der vierfachen Beschaffenheit der Schrift gehört die Autorität (auctoritas), die Genügsamkeit (sufficentia), die Klarheit (claritas) und die Wirksamkeit (efficentia). Vgl. dazu Otto Weber: „Grundlagen der Dogmatik“, Neukirchen: Verlag des Erziehungsvereins, 2.Aufl. 1959, Bd. I, S. 296-316. ↩
Vgl. dazu auch Gerhard Maier: „Biblische Hermeneutik“, Wuppertal: TVG, 1990, Artikel IX: „Die Autorität der Schrift“, S. 140-159. ↩
Johannes Calvin: „Deshalb wird durchweg die höchste Beglaubigung der Schrift darin gesehen, dass hier Gott in Person redet“ (in: Institutio I, 7,4). ↩
Wir sind nicht, wie Helmut Thielicke meint, der Schrift wie Koordinaten nebengeordnet und dürften sie dementsprechend kontrollieren. Helmut Thielicke über die „Autorität“ in: Religion in Geschichte und Gegenwart (RGG), Ungekürzte Studienausgabe, 3.Aufl. 1986, I, Sp. 792ff. ↩
Wir sind nicht Unmündige, wenn wir uns der Autorität der Schrift beugen. Unmündige sind wir unter der Herrschaft diktatorischer Ideologien und unter der Herrschaft des Satans. Gott aber macht uns zu Mündigen (Gal 4,1-7). Vgl. auch G. Maier: „Bibl. Hermeneutik“, a.a.O., S. 48. ↩
Georg Huntemann: „Die Zerstörung der Person“, Bad Liebenzell: Verlag der liebenzeller Mission, 2.Aufl. 1984, S. 18-23. Als Fundamental- und Offenbarungsethiker setzt G. Huntemann sich klar für das biblische Ethos ein. ↩
René Pache: „Inspiration und Autorität der Bibel“, Wuppertal: R.Brockhaus, 3.Aufl. 1985, S. 305. So auch G. Maier: „Bibl. Hermeneutik“, a.a.O.: Die Hl. Schrift ist norma normans (Norm der Norm, S. 152) und nicht der Zeitgeist (S. 352). ↩
So auch Stephan Holthaus: „Trends 2000 – Der Zeitgeist und die Christen“, Basel/Gießen: Brunnen Verlag, 1998, S. 102.
„Hintergrund für die ethische Krise der Kirchen und Gemeinden ist ohne Frage die Verunsicherung über die Autorität der Bibel. Zerstört durch die Historisch-Kritischen Methoden der Bibelwissenschaften, hat sie keine normsetzende Kraft mehr. Alle ethischen Fundamente scheinen zu schwimmen, die Bibel wird zum Relikt einer vergangenen Zeit degradiert – auch bei manchen Evangelikalen: Die Bibel ist zeitbedingt, von ihren Meinungen geprägt. Einem solchen Buch kann man keine allgemeingültige Autorität mehr zusprechen.“ ↩Lienhard Pflaum in: Informationsbrief der Bekenntnisbewegung „Kein anderes Evangelium“, Nr. 183 / August 1997, S. 16. ↩
Vgl. zur geschichtlichen Darstellung der Inspirationslehre Otto Weber über den Artikel „Inspiration“ (II) in: RGG, a.a.O., Bd. 3, Sp. 775ff. Siehe auch G. Maier: „Biblische Hermeneutik“, a.a.O., S. 79ff.; Eckhard Schnabel: „Inspiration u. Offenbarung“, Wuppertal, 2.Aufl. 1997, S. 47ff. ↩
Zweites Vatikanisches Konzil: „XI. Die dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung ‚Dei Verbum’“, 3,11, in: Karl Rahner / Herbert Vorgrimler (Hg.): Kleines Konzilskompendium – Sämtliche Texte des Zweiten Vatikanums, Freiburg im Breisgau/ Basel/ Wien: Herder, 23.Aufl. 1991, 373f. ↩
Die röm.-kath. Kirche deklarierte auf dem Konzil von Trient von 1546 einige Apokryphen als kanonisch. Sie anerkannte Zusätze zu Daniel und Ester, Baruch, den Brief des Jeremia, 1. u. 2.Makkabäer., Judit, Tobias (Tobit), Sirach und die Weisheit Salomos. ↩
Zweites Vaticanum XI, 2,9 (Rahner / Vorgrimler, a.a.O., S. 372). ↩
Die Arbeit des Jesuiten Ishanand Vempeny wurde zusammengefasst von Helmut Gabel: „Inspirationsverständnis im Wandel – Theologische Neuorientierung im Umfeld des Zweiten Vatikanischen Konzils“, Diss. 1990, Univ. Mainz, Mainz: Matthias-Grünewald- Verl., 1991, S. 280-286. ↩
Evangelische Brüder-Unität Herrnhut und Bad Boll (Hg.): „Die täglichen Losungen und Lehrtexte der Brüdergemeine für das Jahr 2006“, Lörrach/ Basel: Reinhardt, 276. Aus- gabe 2005. Die fortlaufende Bibellese und die Monatssprüche stammen von der „Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen“ in Berlin. Auch wenn die Herausgeber der Herrnhuter Losungen nicht für die fortlaufende Bibellese, für die Monatslosung und für die Auswahl des Predigttextes verantwortlich sind, so ist dennoch der Leser irritiert, weil es keinen Hinweis in Bezug auf die Unterscheidung zwischen Apokryphen und der Bibel gibt. ↩
Siehe dazu den Beitrag von Rolf Hille in: Arbeitskreis für evangelikale Theologie (AfeT) in Verbindung mit der Deutschen Evangelischen Allianz (Hg.): „Evangelikale Theologie“, 12/2 Nov. 2006, S. 2-5. Im Altprotestantismus war die Bibel der einzige Maßstab. Der Neuprotestantismus orientiert sich an der Wissenschaftstheorie. „Im Gegensatz dazu betrachtet der Neuprotestantismus nicht nur die kirchliche Tradition und Dogmenbildung, sondern auch die Schrift selbst als Produkt einer langen und komplexen religionsgeschichtlichen Entwicklung, die wie alle menschliche Tradition kritisch zu untersuchen ist“ (S. 4). „Wegen des Festhaltens an der göttlichen Inspiration der ganzen Schrift ist die pietistische Theologie dem ‚Altprotestantismus’ zuzuordnen. Durch die vielfältigen internationalen – vor allem angelsächsischen – Bezüge wurde der Evangelikalismus im 20. Jahrhundert zu einer ökumenisch offenen Theologie“ (S. 4). „Im Zusammenhang der laufenden bzw. anstehenden Anerkennungsverfahren evangelikaler Ausbildungsstätten muss sich ein Konzept ergeben, das einerseits der inhaltlichen Schriftbindung der evangelikalen Theologie Rechnung trägt und andererseits den formalen Kriterien wissenschaftlicher Arbeit genüge tut“ (S. 5). ↩
Karl Barth: „Kirchliche Dogmatik“ (KD), München, 2.Aufl. 1935, I, 1, § 4 (S. 101-124). ↩
Ebd., KD, a.a.O., S. 114. ↩
Ebd., KD, a.a.O., S. 116. ↩
Ebd., KD, a.a.O., S. 116. ↩
Rudolf Bultmann: „Der Sinn des Mythos und der Entmythologisierung“, in: H.W. Bartsch (Hg.), Kerygma und Mythos, II, Hamburg, 1952, S. 180-190. ↩
Heinz Zahrnt: „Die Sache mit Gott – Die protestantische Theologie im 20. Jahrhundert“, München: Piper, 9.Aufl. 1990, S. 239f. (Zitate Bultmanns in: Kerygma und Mythos, I, S. 18 u. 136). ↩
Es wird dann vom „kerygmatischen Jesus“ gesprochen. Kerygma ist die Verkündigung, das Zeugnis, die Predigt. Es wird wohl noch von dem Tod und der Auferstehung Jesu in der Predigt gesprochen („Jesus sei im Kerygma auferstanden“), aber ER ist nicht leibhaftig auferstanden. ↩
An dieser Stelle nahm die Bekenntnisbewegung „Kein anderes Evangelium“ ihren Kampf auf und proklamierte 1966 in der Dortmunder Westfalenhalle die leibhaftige Auferstehung Jesu. Siehe dazu Rudolf Bäumer u.a. (Hg.): „Weg und Zeugnis – Bekennende Gemeinschaften im gegenwärtigen Kirchenkampf“, 1965-1980, Bad Liebenzell, 2.Aufl. 1981. ↩
So R. Bultmann in: Gesammelte Aufsätze, Tübingen: J.C.B. Mohr, 1933, S. 333. ↩
Rudolf Bohren: „Die Krise der Predigt als Frage an die Exegese“ in: Evangel. Theol., 22. Jg. (1962), S. 73f. in: H. Zahrnt: Die Sache mit Gott, a.a.O., S. 275. ↩
Manfred Mezger: „Die geschichtliche Wahrheit als Vollmacht der Predigt“ in: Ev. Theol., 22. Jg. (1962), S. 492, zitiert von H. Zahrnt: Die Sache mit Gott, a.a.O., S. 324. ↩
Franz Passow: „Handwörterbuch der griechischen Sprache“, neu bearbeitet von Chr.Fr. Rost u.a., II/1, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 5.Aufl. 1983, S. 50f. ↩
Paul Tillich: „Philosophie und Schicksal“, 1929 nach H. Zahrnt: Die Sache mit Gott, a.a.O., S. 330. ↩
J.B. Rogers u. D.K. McKim: „The Authority and Interpretation of the Bible: An Historical Approach“, New York, 1979, zusammengefasst von Eckhard Schnabel: Inspiration und Offenbarung, a.a.O., S. 89. ↩
Vgl. die Ausführungen bei H. Zahrnt: „Die Sache mit Gott“, a.a.O., S. 78-82 ↩
Vgl. dazu H. Hempelmann: „Gemeinsame Liebe – wie Evangelikale die Autorität der Bibel bestimmen“, Bad Liebenzell: Verlag der Liebenzeller Mission, 2001, S. 42-58. ↩
Vgl. dazu die Wortstudie von Heinrich von Siebenthal: „Wahrheit bei den Althebräern“ in: H. Stadelmann (Hg.), Liebe zum Wort, Nürnberg, 2002, S. 72-93. ↩
Siehe dazu die Ausführungen von Armin D. Baum: „Lukas als antiker Historiker“ in: Stephan Holthaus / Karl-Heinz Vanheiden (Hg.): Die Unfehlbarkeit und Irrtumslosigkeit der Bibel, Bibelbund-Verlag, Hammerbrücke, 2002, S. 141-155. ↩
Vgl. noch das mutige Bekenntnis der Barmer Theologischen Erklärung von 1934: „Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Got-tes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben. Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und müsse die Kirche als Quelle ihrer Verkündigung außer und neben diesem einen Worte Gottes auch noch andere Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten als Gottes Offenbarung anerkennen.“ (Art. 1). ↩
Sola scriptura: allein durch die Schrift; sola gratia: allein durch die Gnade; sola fide: allein durch den Glauben und sola Christus: allein durch Christus! Am 31. Okt. 1999 wurde in Augsburg, wo 1530 die Confessio Augustana der reformatorischen Bewegung vor Kaiser und Reich proklamiert wurde, eine gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre, dem Kernpunkt reformierter Theologie, zwischen dem Lutherischen Weltbund als Glaubensgemeinschaft und der Katholischen Kirche feierlich unterschrieben. Dabei wird die Gnade betont, aber auch das Mitwirken des Menschen durch den Glauben und die freie Entscheidung. Am Abend des Reformationstages spricht Kardinal Karl Lehmann auf der Kanzel der Lutherkirche in Wiesbaden. ↩
Paul Tillich: „Das Ende der protestantischen Ära?“ I, Ges. Werke VII, 152ff. in: H. Zahrnt: Die Sache mit Gott, a.a.O., S. 386ff. ↩