In manchen Anfragen vor meiner geplanten Reise im Februar 2018 nach Indien schwang eine gewisse Unsicherheit mit. Die Nachrichten aus dem Land erfüllten einige mit Sorgen.
„Gewaltsame Übergriffe gegen religiöse Minderheiten haben deutlich zugenommen. Laut einem Bericht des indischen Innenministeriums gab es in den letzten drei Jahren über 2000 Angriffe auf religiöse Minderheiten, bei denen physische Gewalt angewendet wurde. Die Dunkelziffer dürfte bedeutend höher sein, viele Opfer wagen es nicht, die Polizei zu verständigen, denn oft ist die Polizei befangen und schützt die Täter. Die Opfer werden im Stich gelassen. In den 200 Übergriffen auf Christen, die wir im Jahr 2017 registriert haben, nahm die Polizei nur in 25 Fällen Ermittlungen auf. Das ist schockierend!“
So lautet eine aktuelle Schilderung von CSI zur Situation in Indien. Mit Sorge wird auch darauf hingewiesen, dass Indien bis 2021 ein rein hinduistischer Staat sein soll. Eine Forderung, die man nicht ignorieren sollte, weil einflussreiche Politiker dahinterstehen. Das Programm hinter dieser religiösen Ideologie ist die sogenannte Hindutva, die bestimmt, wer Hindu und Inder ist. Die Hindutva strebt ein rein hinduistisches Indien an.
Ein alter indischer Freund bestätigte mir leider solche Tendenzen. So hat im Bundesstaat Bihar die dort regierende Hindupartei eine Regel bzw. ein Gesetz verabschiedet, das Bild der Göttin Saraswati, die Göttin der Erziehung, in allen christlichen Schulen aufzustellen. Die gesamte Schule soll Pujaris (Hindupriester) akzeptieren, die Slokas (Hindugedichte) rezitieren. Die Brahmanen gestatten nicht, sie zu übersetzen, damit sie ihre angeblich heilige Wirkung nicht einbüßen. Alle Kinder in den christlichen, oft katholischen Schulen dürfen zwar in der Bibel lesen und beten, sollen aber auch die Slokas der Brahmanis chanten. Auch soll in allen öffentlichen Schulen Yoga mit Meditation auf die Sonne als verpflichtende Morgenandacht eingeführt werden. Yoga gehöre nun mal zu Indien bzw. zum Hinduismus.
Christen in Indien werden immer öfter in Fallen gelockt, um sie anklagen zu können.
Derselbe indische Bruder berichtete auch von erschreckenden Beispielen, wie man christliche Institutionen unterwandert und zerstört. So leitete ein feiner und bewährter Christ ein Waisenheim. Man brachte ihm ein vierzehnjähriges Mädchen unter dem Vorwand, die Eltern haben es verlassen. Gerne nahm er das Kind auf. Was er nicht wusste: es war dies eine Falle seitens der fanatischen Hindus. Sie hatten das Mädchen vorher bewusst geschwängert. Nach vierzehn Tagen behauptete die Vierzehnjährige, dieser Älteste habe sie sexuell missbraucht. Es wurde ein Schwangerschaftstest vorgenommen, der positiv ausfiel. Sofort wurde er verhaftet. Inzwischen auf Kaution freigelassen, wartet er auf seinen Prozess. Das geschah im Oktober letzten Jahres. Man wird erinnert an die Sowjetzeit, wo die Kommunisten mit ähnlichen Tricks versuchten, die Gemeinden zu zerstören und verantwortliche Diener Gottes zu diskreditieren. Der wörtliche Kommentar eines anderen Freundes, den ich nach etlichen Jahren nun in Hyderabad wieder traf: „Sie wollen das Christentum zerstören“. So wurde beispielsweise das Weihnachtsfest auf einen normalen Werktag verlegt und damit den Christen dieser besondere Feiertag genommen. Immer mehr christliche NGOs werden verboten.
Bei dieser Reise begleitete mich meine Frau Catherine. Kurz vor unserem Abflug wurde in Tamil Nadu ein Pastor einer Pfingstgemeinde getötet. Ebenfalls um diese Zeit hat man im Süden Indiens Christen, die Bibeln verteilen wollten, gestoppt und die Bibeln verbrannt. Das wurde sogar noch gefilmt. Man stelle sich vor, man hätte in ähnlicher Weise Koranausgaben verbrannt. Der Aufschrei hätte bis in die EU nachgehallt. So aber gab es so gut wie keine Reaktion. Oft sind die Christen verängstigt und eingeschüchtert. Und radikale Hindus forcieren immer mehr Ghar Vapsi, die Zeremonie der Rückkehr eines z.B. zum Christentum „abgefallenen“ Inders zum Hinduismus.
Eine andere Falle: Ein Inder besuchte eine Gemeinde und half ein halbes Jahr vorbildlich bei jeder Gelegenheit. Der Gemeindeleiter war beeindruckt von seinem geistlichen Verhalten und seiner Bereitschaft zu dienen. Nach einem halben Jahr bat er darum, getauft zu werden. Danach zeigte er den Pastor bei der Polizei mit der Anschuldigung an, er habe ihm angeblich Geld angeboten, damit er sich taufen lasse. Das ist in Indien strafbar. Er wurde sofort verhaftet und wartet, ebenfalls auf Kaution frei, nun auf seinen Prozess.
Wenn die derzeit regierende Hindupartei noch mehr Wahlen gewinnen sollte, gibt es womöglich ein landesweites Verbot, Rindfleisch zu essen. Christen gelten als „Beefeater“ und dies soll möglichst bald bestraft werden. Es gibt sogar einen Kuhminister und Ambulanzen für Kühe. Die Kuh wird immer heiliger und inzwischen wird sogar der Urin der Kuh als Medizin besonders in Ayurveda verwendet. Yoga- und Homöopathie-Experten aus Hyderabad empfehlen Kuh-Urin als Heilmittel gegen alle möglichen Krankheiten. So schreibt Tabitha Bühne in ihrem neu erschienen Buch Mit Sari auf Safari: „Und es wird auch ein lukratives Geschäft mit Kuh-Urin gemacht, der als eine Art Zauberelixier verkauft wird und nach Meinung einiger Kuhhalter auch gegen eine ganze Reihe von Krankheiten helfen soll, selbst gegen Krebs“ (S. 65).
Nun hat Open Doors in seinem Verfolgungsindex Indien sogar von Platz 28 im Jahre 2014 an die 11. Stelle gesetzt, noch vor Saudi- Arabien und unmittelbar nach Persien. Ein erfahrener Bruder, schon seit Jahrzehnten in diesem Subkontinent tätig, ersuchte um Gebet für den Bundesstaat Karnataka, dass die derzeit regierende Partei wiederum die Wahl gewinnt. Andernfalls, so meinte er, könne die derzeitige, noch sporadische Verfolgung tsunamiartig anschwellen.
Allerdings sagte ich den Geschwistern ganz offen, dass ich mir nur schwer vorstellen kann, dass es hier schlimmer als in Saudi-Arabien zugehen soll. Ich hatte oft die Gelegenheit, in Gemeinden frei zu sprechen und in Versammlungen zu verkündigen und zu unterrichten. Dabei war bei mir nicht die leiseste Furcht vorhanden, nun könnte eine Art Sittenpolizei hier einschreiten und uns womöglich sogar verhaften, was in Saudi-Arabien durchaus nicht ungewöhnlich wäre. Ich fühlte mich in gewisser Hinsicht völlig frei, manchmal wie getragen von Gebeten. Jedoch hat bei unserer ersten Station in Hyderabad unser Gastgeber uns in einer eher unauffälligen Wohnung untergebracht und uns ermahnt, uns so wenig wie möglich öffentlich zu zeigen.
In Bangalore saßen Catherine und ich mit etlichen verantwortlichen Geschwistern und Bibellehrern zusammen. Ich erwähnte, dass ich einen Bericht über die Reise verfassen werde. Auch diese Geschwister bestätigten, dass man früher öffentlich evangelisieren und auch Traktate verteilen konnte. Dies sei nun nicht mehr möglich. Auch wurde ich wegen der veränderten Situation gebeten, keine Namen, Bibelschulen oder Personen des öffentlichen politischen Lebens zu erwähnen. Im Zeitalter des Internets kann dies für die dort lebenden Christen Folgen haben. Deswegen vermeide ich diesmal Eigennamen von Personen, manche Ortsangaben und auch andere Details.
Einige reife Christen hoffen, dass die Verfolgung der Gemeinden zu einer Reinigung von falscher Lehre und oberflächlichem Christsein führen wird.
Allerdings möchte ich erwähnen, dass solche Szenarien mit Angriff auf Gemeinden und Bibelkreise, Verprügeln von Christen, sich in erster Linie in ländlichen Gebieten abspielen. In den großen Städten mit zum Teil vielen Kirchen ist man relativ sicher. Der neue Direktor eines evangelikalen Missionswerkes erklärte zum Thema Verfolgung: Sie bewirke Reinheit, Einheit und Klarheit. Dieses Bild vermittelt die Christenheit in diesem siebtgrößten Land der Erde derzeit allerdings leider nicht allzu oft. Das christliche Fernsehen ist in erster Linie von Vertretern des Wohlstandsevangeliums besetzt. Ein erfahrener Bruder klagte, dass Sendungen mit gesunder biblischer Lehre kaum Anklang finden und um genügend Geld zu mobilisieren, müsse man eben Kompromisse machen und manch einer, der noch eher gemäßigt begann, ist nun Anhänger der “Prosperity Gospel“.
Allerdings gibt es in Indien in etlichen Teilen dieses großen Landes und besonders auch in den Dörfern und unter den Stammesvölkern sowohl Wachstum als auch das Entstehen vieler neuer Gemeinden. In besagtem Missionswerk wurde uns ein kleines Büchlein über Luther Here I Stand von einem gewissen R. Stanley mitgegeben. Er behandelt besonders die vier Soli der Reformation. Bei dem Thema Gnade warnte er zu meiner Überraschung sehr deutlich vor der neuen Strömung „Hyper-Grace“, die er einen Missbrauch der Gnade nennt. In ihr müsse man nach seiner Bekehrung, auch wenn man gesündigt hat, nicht mehr Buße tun und umkehren. Gott sei eben so gnädig, schließlich habe er uns alle Sünden vergeben. Deren führender Vertreter ist Joseph Prince aus Singapur, der dort eine Mega-Gemeinde leitet.
Zurück zu den indischen Fernsehpredigern. Einer dieser „Gesalbten des Herrn“ hat nun sechs Leibwächter und verkauft geweihtes Öl und Taschentücher, über die er gebetet hat. Damit lässt sich offenbar genügend Geld verdienen, um teure Fernsehprogramme immer erfolgreicher zu bestreiten. Ein anderer dieser Heilungsevangelisten hat einen besonderen „Wunderdienst“ begonnen. Er wirft Leute zu Boden und bespritzt sie auch mit Wasser, Heilung angeblich inbegriffen. Besonders tragisch ist der Werdegang eines der größten Missionswerke überhaupt, bzw. dessen Leiter. Er läuft herum wie ein Kardinal und hat die Zeremonie des „Ringküssens“ eingeführt. Streckenweise wird man mehr an katholische, hierarchische Würdenträger erinnert, denn an bescheidene Diener Christi.
Selber konnte ich aber wie bei früheren Indienbesuchen verkündigen, evangelisieren und unterweisen. Besonders in Bangalore hatte ich fast ständig Dienste und Unterricht. Am Sonntag war die Halle voll und ich predigte meine Lieblingsbotschaft von Heilsgewissheit und Vergebung der Sünden. Der Leiter gab danach einen Aufruf und es kamen auch tatsächlich etliche nach vorne. Jedoch bin ich mit Zahlen vorsichtig, weil nur Gott allein weiß, was hier echt ist und Ewigkeitswert hat.
Nach solch einem Vortrag stand ein Amerikaner vor der Tür der Chapel. Er erzählte, wie in seiner Heimat ein gewisser Michael Woodward in einem Abfallkübel in einer Tankstelle eine Gideonbibel fand. Er fischte sie heraus, las in der Heiligen Schrift und bekehrte sich. Er schloss sich erst zwei Jahre später einer Baptistengemeinde an. Jetzt ist er nach theologischer Ausbildung Pastor dieser Gemeinde. Das sind mutmachende Berichte über die Wirksamkeit von Gottes Wort.
Natürlich fragten mich auch etliche der indischen Geschwister, was in Deutschland los ist. Ich habe da kein Blatt vor den Mund genommen und offen meine Meinung gesagt. Es sollte z.B. auffallen, dass viele von denjenigen, die laut „Refugees welcome“ rufen, zugleich für die Abtreibung sind. Für das ungeborene Leben gibt es also keine Willkommenskultur. Wenn man dann auch noch lesen muss, wie der Staat einzelne Flüchtlinge, die sich vom Islam zum Christentum bekehrt haben, gnadenlos abschiebt (vgl. den Bericht in ideaSpektrum Nr. 3/2017), dann hat man den Eindruck, auch das Land der Reformation wird immer antichristlicher.
Deutschland leidet meines Erachtens unter einer ideologischen Autoimmunerkrankung. Dazu zähle ich, dass man Kindern schon ab der ersten Klasse sexuelle Vielfalt vermitteln will. Die Ehe als dauerhafte Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau wird neu definiert. Ich habe den Geschwistern in Indien ganz offen gesagt, dass Gott Deutschland meiner Meinung nach mitsamt großen Teilen seiner Christenheit in ihre Irrwege dahingegeben hat (vgl. Röm. 1,22ff.) Die Reaktion der indischen Geschwister, als ich ihnen erzählte, dass eine christliche Jugendzeitschrift in Deutschland „Holy Yoga“ empfohlen hat, reichte von ungläubigem Staunen bis zu Fassungslosigkeit.
Ein indischer Arzt erzählte mir dagegen Folgendes: Nachdem er zu Jesus gefunden hatte und in den USA sein Medizinstudium absolvierte, wurden innerhalb seiner Ausbildung im Fachbereich Verhaltenswissenschaften unter dem Titel Was sind alternative Therapien? Yoga, Akupunktur und Meditation angeboten. Er lehnte diese Kurse ab. Seine Bemerkung: „Ich komme aus dem Hinduismus, ich möchte nicht dorthin zurückkehren.“
Manche christliche Prediger schaden mit ihrem Auftreten der Botschaft des Evangeliums, wenn sie Wohlstand versprechen, mit Wundern Aufsehen erregen wollen oder sich maßlos verehren lassen.
Wem meine Worte wieder einmal zu scharf sind, möge es mir nachsehen. Man verzeihe meine „Klagelieder“. Wir erleben nicht nur die zunehmende Gesetzlosigkeit, die unser Herr Jesus in Mat 24,12 vorausgesagt hat. Dieses Szenario ist verbunden mit einer „Blütezeit“ für falsche Propheten, wie uns der Vers unmittelbar davor sagt. Zur Zeit beobachte ich, dass sich z.B. das sogenannte „hörende oder prophetische Gebet“ streckenweise wie ein Steppenbrand in einst nüchternen Gemeinden und evangelikalen Einrichtungen ausbreitet. Statt Bibelstunden zur Betrachtung des Wortes Gottes scheint Vertiefung der Gläubigen durch Formen von Hellseherei und Wahrsagerei geschehen zu sollen. Zu diesem Szenarium passt dann auch die zunehmende Verfolgung (Mat 24,9). Damit will ich aber nicht ausschließen, dass Gott immer noch durch seine Boten viele Menschen mit seiner Wahrheit und seinem Evangelium erreichen möchte. Lasst uns Ihm und seinem Wort treu bleiben.