Lesen Sie auch Teil 1 und Teil 2 dieser Vortragsserie.
1. Prinzipien christlichen Verhaltens in der Gesellschaft
In der Bibel finden wir recht konkrete Angaben über ein geistlich gefordertes gesellschaftliches Engagement. Für unser politisches Verhalten finden wir zum Beispiel folgende Prinzipien:
1. Vorbild
Der Christ soll ein über die Minimalforderungen des Staates hinausgehendes, auf den Ordnungen Gottes beruhendes Leben führen, das anderen Menschen zu einem Hinweis auf Gott wird. Er soll den Forderungen des Staates voll entsprechen, es sei denn sie widersprechen dem christlichen Glauben offensichtlich. Er sollte in seinem Auftreten anderen Menschen gegenüber, im Berufsleben, in seinem sozialen Engagement und in der Gestaltung der Freizeit Vorbild sein (Röm 12,17-21; 1Petr 2,12).
2. Kommentar
Der Christ soll zustimmend oder kritisch seine, aus der Bibel begründete Stellungnahme, zu einer aktuellen Entscheidung oder Praxis abgeben (Jes 1,1-17; Apg 17,16). Das kann im persönlichen Gespräch, durch Leserbriefe und Anrufe an die Medien oder in der Wahrnehmung einer gesellschaftlichen Stellung stattfinden.
3. Unterstützung
Der Christ soll den Staat oder die Kräfte des Staates über das gesetzlich geforderte Maß hinaus unterstützen, soweit sie sich für die Umsetzung christlicher Ethik einsetzen (Jer 29,7; 1Tim 2,2). Das kann in öffentlicher Meinungsäußerung, Kundgebungen, Publikationen, Unterschriftensammlungen und im Wahlverhalten ausgedrückt werden.
4. Recht
Der Christ soll den Streit unter Glaubensgeschwistern intern beilegen, Glaubensgegnern oder dem Staat gegenüber aber die juristischen Möglichkeiten ausschöpfen, um biblischen Werten und christlichen Interessen zum Durchbruch zu verhelfen (Lk 18,1-8; Apg 22,25). Dazu gehören z.B. Fragen um die Anerkennung evangelikaler Ausbildungsgänge, finanzieller Unterstützung christlicher Initiativen, Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts, Verfassungsklagen gegen Abtreibungsfälle, Klage wegen Blasphemie, usw.
5. Protest
Der Christ sollte in der Bundesrepublik die legalen Möglichkeiten nutzen, um seinen Protest an Gesetzen und Handlungen effektiv zu äußern (Jer 16; 19; Hos 4,1-11). Dazu stehen ihm persönliche Gespräche, Briefe an Medien, Bürgervertreter, Interessensverbände, der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages, Kaufboykott, Demonstrationen, Flugblätter, Bürgerfunk, Talkshows, öffentlichkeitswirksame Aktionen u.a. zur Verfügung.
6. Mitgestaltung
Der Christ sollte alle Möglichkeiten zur Mitbestimmung des gesellschaftlichen Lebens ausnutzen, die der demokratische Staat ihm durch politische und wirtschaftliche Partizipation gibt, dazu gehören neben den oben genannten Wegen der Meinungsäusserung eine direkte Einflussnahme durch Wahlen, aktiver Einsatz in der Politik, Bürgerbegehren, Bürgerentscheide, Mitarbeit in Initiativgruppen und Gewerkschaften, Betriebsrat, Aufsichtsrat, Anhörungen, über Verwaltungseingaben usw. (Est 7,1ff.; Dan 6).
2. Wie kommen wir zu Entscheidungen?
Manche biblische Gebote gelten nur begrenzt, lassen aber Rückschlüsse auf allgemeine Prinzipien des Handelns Gottes zu
Bevor heute die Durchsetzung eines konkreten Verhaltens gefordert werden kann, muss geklärt werden, welche Ordnungen Gottes in welcher Weise für unsere Zeit anzuwenden sind. Diesbezüglich müssen wir zuerst feststellen, dass sich manche biblischen Gebote nur auf bestimmte Personengruppen, gesellschaftliche Beziehungen, einmalige Situationen oder begrenzte Zeiten beziehen. Viele der alttestamentlichen Gesetze gelten insbesondere für den Bund Gottes mit Abraham oder sind auf die besondere Situation der nationalen Identität und das jeweilige politische System Israels oder die Herrschaft Gottes im tausendjährigen Reich bezogen (z. B. Regelungen über Feste, Königswahl, Erbe, Opfer usw.). Solche Gebote werden allerdings immer deutlich als zeitlich oder regional begrenzt gekennzeichnet (2Mose 16,23-30) oder im Neuen Testament abgeschlossen (Apg 10,9-16). Andere Gesetze wie die zehn Gebote werden im Neuen Testament aufgegriffen und bestätigt (Mt 5,17-19; Röm 13,8-13), sodass eine gegenwärtige Gültigkeit nicht in Frage stehen dürfte. Doch auch die begrenzt gegebenen Ordnungen wie die Zeremonialgesetze oder Bestimmungen über das Sammeln des Manna lassen Rückschlüsse auf allgemeine Prinzipien des Handelns Gottes zu. So lässt sich die genannte Beschränkung des Mannasammelns beispielsweise mit dem Verbot des Sorgens und der dahinter stehenden Aufforderung zur bewussten Abhängigkeit Gott gegenüber verbinden (Mt 6,25-34). Generell muss aber festgehalten werden, dass die Gesetze Gottes dauerhafte Gültigkeit haben, also auch für gegenwärtige politische Entscheidungen herangezogen werden müssen (Ps 111,7-8; 119,160; Mt 5,18f.).1
In anderen Bereichen, vor allem in konkreten Sachentscheidungen wie „Soll die Rente um 2,3 oder 2,4 % angehoben werden?“ oder „Sollte auf einer Bundesstrasse nur 80 km/h gefahren werden?“ kann eine Entscheidung nicht unmittelbar aus der Bibel abgeleitet werden. Trotzdem gilt es auch hier in der Verantwortung vor Gott Stellung zu beziehen. Bezogen auf diese Einzelentscheidungen gibt es keine christliche Politik. Natürlich gelten in diesen konkreten Entscheidungen die göttlichen Gebote und Grundwerte als Fundament einer Entscheidung, die Wahl muss aber von der durch Gott bestimmten Vernunft und den gegebenen politischen Verhältnissen und Möglichkeiten abhängig gemacht werden. Insofern schaffen die gesetzlichen Möglichkeiten des konkreten Staates die Wirklichkeiten der christlich politischen Entscheidungen. So ist die Wahl oder der Bürgerentscheid in der modernen Demokratie eine vor Gott legitime und gegebenenfalls geforderte Möglichkeit christlicher Meinungsäußerung und staatlicher Korrektur, kann aber in einer, diese Verfahren ablehnenden Monarchie zu unterlassen sein. Wenn Paulus den Sklaven Onesimus wieder zu seinem Herren zurückschickt und damit die Sklaverei an sich toleriert, bedeutet das nicht, dass wir in einem Staat, der die Möglichkeit zur Ablehnung der Sklaverei und zum rechtlichen Vorgehen dagegen bietet, Sklaverei weiterhin akzeptieren sollten. So richtet sich die Wirklichkeit christlicher Politik auch nach den durch den Staat gegebenen Möglichkeiten.
Unsere Situation ist mit der Israels im babylonischen Exil (Daniel), oder in Persien (Mordechai) zu vergleichen
Für die konkrete Umsetzung göttlicher Gebote ist darauf zu achten, dass wir in einem Staat leben, in der sich die Mehrzahl der Bürger nicht nach der Bibel zu richten bereit ist im Gegensatz zur Frühphase Israels oder dem „Gottesstaat“ Calvins. Unsere Situation ist also eher mit der Israels im babylonischen Exil (Daniel), im Römischen Reich oder in Persien (Mordechai) zu vergleichen. Dabei fällt auf, dass in keiner dieser Situationen religiöse und gesellschaftliche Maximalforderungen gestellt wurden, sondern eine konstruktive politische Mitarbeit unter nichtchristlichen Umständen möglich war, soweit keine Beeinträchtigung des Glaubens vorlag. Das spricht zumindest in Fragen, die in der Bibel nicht detailliert geregelt sind, für die Möglichkeit von Kompromissen und für die politische Toleranz von der Bibel losgelöster Gesetze für „gottlose“ Menschen.
Ein Beispiel für eine konkrete Entscheidungsfindung soll das verdeutlichen: Korruption ist weltweit eines der gravierendsten wirtschaftlichen Probleme. Vertrauen wird zerstört, reale Konkurrenz unterbunden, neue Initiativen abgewürgt und das Rechtswesen erschüttert. Der lateinische Begriff corrumpere meint „die gute Beschaffenheit von etwas zerstören“ und lässt sich nahtlos auf die biblische Bewertung beziehen, nach der korrupte Handlungen nicht nur verboten sind (2Mose 23,8), sie berauben andere Menschen (Micha 2,1ff.), gefährden Leben (Hes 22,27f.), kommen aus der Habgier der Menschen (Jes 6,13; Hab 2,9), sie zerstören die gute Ordnung Gottes (Spr 29,12; Micha 3,1ff.), stellen sich gegen Gott (Spr 19,9; 17,23; 11,26) maßen sich göttliche Autorität an, werden deshalb von Gott verflucht (5Mose 27,25) und müssen schärfstens bestraft werden (Hes 18,6ff.). Gott selber gilt vorbildlich als unbestechlich (5Mose 10,17).2 Damit sollte die private Stellung des Christen zur Korruption unzweifelhaft feststehen. Weil es sich hier aber nicht nur um private Schuld handelt, sondern um ein die Gemeinschaft der Menschen und die Grundlage eines geordneten Rechtssystems zerstörendes Verhalten, sollte genügend Grund sein, ein vehementes politisches und juristisches Vorgehen gegen Korruption zu rechtfertigen.
3. Gefahren des christlichen Engagements
Geld, Sex und Macht können auch Christen korrumpieren
Christen, die in verstärkter Weise in einem Bereich der Öffentlichkeit engagiert sind, sehen sich noch anderen Gefährdungen ausgesetzt. Im Kern ist der Christ nach Richard Forster durch den Missbrauch von Geld, Sex und Macht korrumpierbar.3 Etwas genauer hingeschaut können besonders in folgenden Bereichen verstärkt Probleme auftreten:
1. Privatleben
Durch den hohen Zeitaufwand und die zahlreichen sozialen Kontakte steigt die Gefahr des Vernachlässigens der Familie und wachsender Distanz zum Ehepartner, die zur Zerstörung der Ehe führen kann und anfällig macht für die Suche nach intensiven, auch sexuellen, Kontakten im Arbeitsleben. Diese Beobachtung bestätigt sich in der statistisch erhöhten Zahl der Scheidungen von Predigern, Managern und Politikern in den USA. Darüber hinaus kann die starke Fixierung auf das öffentliche Leben zu einer Verarmung des privaten Bereiches, insbesondere des geistlichen Lebens, führen. Beide Entwicklungen demontieren die öffentliche Glaubwürdigkeit und die geistliche Durchschlagskraft.
2. Beeinflussung
Verantwortungsträger in Politik und Wirtschaft sind der ständigen Beeinflussung von Interessensgruppen ausgesetzt. Der Christ steht in der Gefahr durch dieses unablässige Werben, Überzeugen, Manipulieren und Drohen von seiner bibelorientierten Haltung abgebracht zu werden. Außerdem wird seine Wahrnehmung und Bewertung aktueller Ereignisse in verstärkter Weise durch die Paradigmen des Zeitgeistes beeinflusst, da er mit diesen Gedanken ständig und schon in einer frühen Phase konfrontiert wird.
3. Entscheidungsfindung
Im öffentlichen Leben müssen immer wieder Kompromisse zwischen den verschiedenen Interessensgruppen geschlossen werden
Der in öffentlicher Verantwortung stehende Christ, der sich in seinen Entscheidungen nach den Ordnungen Gottes richten will, kann sich nicht immer dem bewussten Druck seiner Umgebung entziehen.
- Trotz Gewissensfreiheit fordern viele Fraktionen in Abstimmungen zur Parteidisziplin auf, die dazu zwingen kann, die eigene Meinung den Interessen der Partei unterzuordnen.
- Um überhaupt zu einer gemeinsamen Entschließung zu kommen, müssen im öffentlichen Leben immer wieder Kompromisse zwischen den verschiedenen Interessensgruppen geschlossen werden. Für den Christen besteht die Gefahr, sich nach zermürbenden Auseinandersetzungen mit einem Bruchteil biblischer Werte zufriedenzugeben oder einer Einigung zustimmen zu müssen, die lediglich Schlimmeres verhütet, nicht aber dem Willen Gottes entspricht.
- Unpopuläre christliche Entscheidungen können von Kollegen im Konkurrenzkampf herangezogen werden, um den Christen auszuschalten, der aus Angst davor, vor diesen Entscheidungen zurückscheut.
- Bestimmte Aussagen, Worte und Meinungen können öffentlich nicht genannt werden, ohne sich politisch stark zu beschädigen, obwohl sie christlich gerechtferigt sind, nicht aber der „political correctness“ entsprechen.
- Außerdem steht auch der Christ in der Gefahr sich in seiner Meinungsbildung durch angebotene Positionen oder wirtschaftliche Vorteile korrumpieren zu lassen.
4. Motivation
Enttäuschung und Frustration über die aufreibenden Auseinandersetzungen und den minimalen Erfolg erschüttern die geistliche Motivation des Christen. Öffentliches Ansehen, Massenauftritte, alltägliche Machtausübung, Medienpräsenz oder die Suche nach kollegialer Anerkennung können zur eigentlichen Motivation werden. Der in seinem Idealismus erschütterte Christ steht auch in der Versuchung, statt der langwierigen Kleinarbeit sich lieber um die Durchsetzung seiner Privatinteressen zu kümmern.
5. Einsamkeit
Der Christ in der Politik vereinsamt zunehmend
Von der Familie isoliert, von Lobbyisten und der auf das eigene Vorankommen konzentrierten Konkurrenz umgeben, in endlosen sachlichen Sitzungen und unter der unzufriedenen Kritik christlicher Gemeinden, vereinsamt der Christ zunehmend trotz seiner zahlreichen sozialen Kontakte. Die ihn umgebenden Menschen wollen über ihn entweder ihre Interessen durchsetzen, sich in seiner Bekanntheit sonnen, ihn als lästigen Konkurrenten ausschalten, sich in einer Auseinandersetzung mit ihm profilieren, immer weniger jedoch trifft er auf Menschen, die offen und konstruktiv auf einer Ebene mit ihm eine Beziehung aufbauen können.
4. Wichtige politische Fragen der Gegenwart
1. Materialismus
Die dem biblischen Weltbild widersprechende, aber immer noch an Einfluss zunehmende Wertschätzung der Materie als eigentlich wirklicher Welt beeinflusst aktuelle politische und wirtschaftliche Entscheidungen. So misst sich der Wert einer wirtschaftlichen Entscheidung oder einer politischen Reform nach ihrem finanziellen Gewinn. Das Leben des Menschen wird nach dessen körperlichen Funktionen bewertet (Behinderungen) und als beendet angesehen (Todesdefinition).
2. Postmoderne
Der mit einer Relativierung jeglicher Werte und Wahrheiten einher gehende Wandel im Kopf, den die Philosophie der Postmoderne vorantreibt, bewirkt eine starke Veränderung öffentlicher und politischer Meinungsfindung. Weil alles relativ ist, ist nichts mehr wahr, alles wird dem öffentlichen Spott und Zynismus ausgesetzt, jede Lebensform und Überzeugung ist vertretbar, Politiker versuchen ihre Entscheidungen mit Sachgutachten zu legitimieren und die Grundwerte, die eine Gesellschaft erst ermöglichen, schwinden zusehends. Dem ist z. B. durch stärkere inhaltliche Auseinandersetzungen und der Betonung absoluter Werte in Bildung und Wirtschaft entgegenzutreten.
3. Religion
Vom Materialismus geprägt wird die Religion zusehends aus der Öffentlichkeit verdrängt (z. B. LER statt Religionsunterricht) oder in ihrer Bedeutung unterschätzt (multikulturelle Gesellschaft). Die Postmoderne führt konsequent zu einer weiteren Relativierung religiöser Werte und Aussagen, sowie eine Vermischung im Rahmen der persönlichen Beliebigkeit (Psychokurse, berufliche Fortbildung, Sektenbewertung). Zudem schwindet mit der ständig abnehmenden Bedeutung der Grosskirchen eine öffentlich hörbare Kommentierung politischer Entscheidungen aus religiöser Sicht.
4. Bildung
Christen sehen sich mit bibel-feindlicher Ideologie, emanzipatorischer Pädagogik und zunehmenden sozialen Spannungen an den deutschen Schulen konfrontiert
Ausbildungsstätten vermitteln Wissen und zeitgeistliche Prägung. Christen sehen sich mit bibelfeindlicher Ideologie, emanzipatorischer Pädagogik und zunehmenden sozialen Spannungen an den deutschen Schulen konfrontiert. Dementsprechend werden Fragen der Privatisierung des Schulwesens, der stärkeren Leistungsorientierung und der Prüfung von Lehrinhalten das öffentliche Engagement von Christen in diesem Bereich bestimmen.
5. Arbeitslosigkeit
Im öffentlichen Bewusstsein ist die Frage der Arbeitslosigkeit zum vordringlichsten gesellschaftlichen Problem geworden. Dadurch sehen sich Christen mit der Betreuung von Arbeitslosen, Prüfung der Arbeitswilligkeit, Förderung der Selbständigkeit, Gestaltung der Arbeistfreiräume, Infragestellung rücksichtsloser Rationalisierung, eigenen Arbeitsangeboten und Hilfe in sozialen Notfällen konfrontiert. Darüber hinaus sind Christen durch die Arbeitslosigkeit und den schrittweisen Rückzug des Staates aus dem Sozialwesen stärker zu eigenem Handeln herausgefordert, wobei der Blick nicht an den eigenen Grenzen halt machen, sondern nach biblischem Vorbild besonders die unter Armut leidenden geistlichen Geschwister in den Ländern der zweiten und dritten Welt erfassen sollte.
6. Medien
Mit der steigenden Medienpräsens, neuen Informationstechnologien und zunehmendem Medienkonsum stellen sich zunehmend die gesellschaftlichen Fragen nach den Grenzen der Einflussmöglichkeiten der Medien, nach einer Beschränkung der gefährdenden Inhalte, einer frühen Medienerziehung, der irreführenden Relativierung der Wirklichkeit, der stärkeren Berücksichtigung christlicher Inhalte und den Alternativen der Freizeitgestaltung.
7. Technik
Der sich noch ständig beschleunigende Fortschritt der Technisierung konfrontiert den verantwortungsbewussten Christen mit den Risiken, Gefahren und möglichen Beschränkungen des Technikeinsatzes, der Veränderung des Weltbildes durch einen allgemeinen Machbarkeitswahn, der Abnahme persönlicher Kontakte durch Technikbezogenheit, dem mit der Technikverbreitung verbundene ökologische Preis, den Grenzen der Lebensverlängerung und der Zulässigkeit von Manipulationen der Gentechnik.
8. Werte
„Das mittlerweile häufig zitierte Wort eines Abgeordneten: ‚Was Werte sind bestimmen wir!‘ ist nicht nur ein Lapsus, es ist symptomatisch für das Bestreben, nun endlich auch in den ‚letzten Fragen‘ eine Zugriffsmöglichkeit auf Schülerseelen zu haben.“4
Der forcierte Verlust allgemeiner Grundwerte ist eine zentrale Herausforderung christlich gesellschaftlichen Engagements
Der durch die obigen Entwicklungen forcierte Verlust allgemeiner Grundwerte ist eine zentrale Herausforderung christlich gesellschaftlichen Engagements. In diesem Punkt knüpfen wir an die Forderungen der Politiker und Wirtschaftsvertreter an, die zu Beginn zu Wort kamen. Alle Einzelauseinandersetzungen müssen von einem Christen natürlich auf die von Gott garantierten Grundwerte und Ordnungen zurückgeführt werden können, weshalb ein Schutz dieser Grundlage unerlässlich bleibt. In unserer gegenwärtigen Situation sehen wir uns insbesondere einer Relativierung gegenüber den Werten des Lebens (Abtreibung, Sterbehilfe, wirtschaftliche Wertgebung des Lebens), des Eigentums (Besteuerung, Entkriminalisierung von Eigentumsdelikten, bürgerliches Anspruchsdenken), des Rechts (Konsensorientierung, Verrechtlichung des Alltags, Streichung christlicher Hinweise im Grundgesetz), der Freiheit (Erziehung, Meinungsäußerung, Christenverfolgung) und der Wahrheit (Postmoderne, Relativismus, Pragmatismus).
Obwohl für die katholische Kirche formuliert, kann das Wort von Bischof Joachim Meisner auch für evangelische Gläubige eine Warnung und Herausforderung sein:
„Wenn die Kirche permanent ihr inneres Glaubenskonto überzieht und sich hineindehnt in Aufgaben, die von ihrem Christusglauben nicht mehr abgedeckt und getragen werden, muss sie degenerieren zu einem humanitären Verein.“5
„Denn das ist der Wille Gottes, dass ihr durch Gutestun die Unwissenheit der unverständigen Menschen zum Schweigen bringt, als Freie, aber nicht als solche, die die Freiheit als Deckmantel für die Bosheit benutzen, sondern als Sklaven Gottes. Erweist allen Ehre, liebt die Geschwister, fürchtet Gott, ehrt den König.“ (1Petr 2,16f.)
Vgl. Thomas Schirrmacher. Ethik Bd.2, Neuhausen Stuttgart, 1994, S. 48-81. ↩
Vgl. Paul Kleiner. Bestechung, Bern 1992 Karl Rennstich. Korruption – Eine Herausforderung für Gesellschaft und Kirche, Stuttgart, 1990. ↩
Vgl. Richard Forster. Geld, Sex und Macht, Wuppertal, 1987. ↩
Christian Koecke. Kirchen in politische Verantwortung, in: Eichholz Brief. Zeitschrift zur politischen Bildung 4/97, S. 79. ↩
Joachim Meisner, Predigt der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz Februar 1997, in: Eichholz Brief. Zeitschrift zur politischen Bildung 4/97, S. 82. ↩