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Ist der Ehrliche der Dumme?

Christsein in Beruf und Wirtschaft

Es liegt schon einige Zeit zurück, geschah aber tatsächlich in diesem Jahrzehnt. Die Tür zu unserem Büro öffnete sich nach dem Anklopfen. Ein älterer Herr trat ein. Wir kannten ihn. Er hatte um ein Angebot zum Einbau einer Heizung gebeten und es auch erhalten. Nun bestätigte er seine Absicht und vergab den Auftrag an unsere Firma. Damit aber nicht genug. Aus seiner Tasche zog er ein stattliches Bündel Geldscheine und packte es auf den Tisch. Auf verständnislose Rückfrage erklärte er, dies sei eine Anzahlung. Allerdings entsprach der Betrag beinahe dem ganzen Angebotspreis. Vom Sohn, der den älteren Herrn mit dem Auto gebracht hatte, wurde uns das bestätigt. Sein Vater sei fest entschlossen, diese Anzahlung zu leisten. Schließlich müsse die Firma schon Material kaufen. – Jener Mann war Christ. Hätte er clever gehandelt und einen Monat später gezahlt, dann wäre ihm ein Zinsgewinn von mehr als DM 40,00 zugeflossen. – War er dumm?

Ein anderer Kunde läßt sich in einem sehr verwahrlosten Haus, das er modernisiert, Heizung und zwei Bäder einbauen. Zunächst wünscht er einfachsten Standard und läßt sich darüber Preise nennen. Im Laufe der Zeit ändert sich seine Ansicht. Hochwertige Materialien für Bad und Heizung werden ausgewählt und in den Auftrag übernommen. Zusätzlich werden zahlreiche Arbeiten erforderlich, um die ordnungsgemäße Funktion der Anlage zu ermöglichen. Stets mit Zustimmung des Bauherrn. Monteure räumen die Zimmereinrichtungen mehrmals fast komplett um. Alles in unkomplizierter harmonischer Zusammenarbeit. Bis es ans Bezahlen geht. Da stellt er sich auf den Standpunkt, daß das Anfangsangebot bindend sei. Allenfalls eine geringe Erhöhung würde er hinnehmen. Er wisse zwar, das wurde von ihm selbst niedergeschrieben, daß das Anfangsangebot nicht realistischer sein konnte, aber … Er ist clever. Auf diese Weise kommt er kostenlos zu seiner hochwertigen Badausstattung. – Ist er ehrlich?

Der Ehrliche ist der Dumme

Wie stufen wir solches Verhalten ein? Betrachten wir den alten Herren ein wenig mitleidig als reichlich weltfremd? Als geradezu sträflich leichtgläubig und vertrauensselig? Wie kann man sich nur so mit seinem guten Geld in die Hand eines anderen begeben? Und der zweite Kunde? Geschickt einige tausend Mark gespart. Das packt nicht jeder. So ganz ohne jedes Risiko. Eine Gerichtsverhandlung würde wegen der Kosten keinen Sinn machen. Niemand will es so deutlich sagen, aber immerhin: der Erfolg gibt ihm recht. Man muß nur wissen, wie man der mangelnden Spendenfreudigkeit der Handwerker abhilft.

Ob unverhohlen laut gesagt oder verschämt leise gedacht: der zweite Typ paßt einfach besser in die Zeit. Wer ehrlich ist, der hat einen sicheren Platz – unter den Verlierern. Ehrlich, aber erfolglos. Ehrlich, aber draufgelegt. Ehrlich, aber untergegangen. Wer jedoch will das?

Unehrlichkeit als Erfolgsrezept

„Die Dummen leben von der Arbeit. Die Schlauen leben von den Dummen.“ So lautete der verschmitzte Lieblingsspruch eines älteren Arbeiters. Er verstand es vorzüglich, sich jeden erdenklichen Vorteil zu sichern. Sein tatsächliches Einkommen kannte niemand. Offenbar ließ es sich damit gut leben.

Von der Arbeit wird niemand reich. Mag dieser Satz auch sehr pauschal sein, er beinhaltet dennoch eine Wahrheit. Eine schmerzliche Wahrheit. Sie gefällt auch niemandem so recht.

Aber was soll’s. Offenbar handelt der am klügsten, der günstige Gelegenheiten zu seinem Vorteil zu nutzen weiß. Oder aber, daß er sogar Vorteile zu schaffen weiß.

Vor einigen Jahren wurde uns ein Auto gestohlen. Wir waren zu Besuch bei tschechischen Geschwistern unmittelbar an der polnischen Grenze. Nicht nur der deutschen Polizei war damals in solchen Fällen wenig Erfolg beschieden. Auch der tschechischen, die nur über einen ständig besetzten Telefonanschluß verfügte. Das nur zur Vorgeschichte.

Wer ehrlich ist, der hat einen sicheren Platz – unter den Verlierern

Einige Wochen später erhielten unsere Gastgeber Besuch und zwar von der Polizei. Man wollte herausfinden, ob es sich um einen echten oder nur um einen fingierten Diebstahl handelte. Man erläuterte bei dieser Gelegenheit, wie das abläuft. Das Auto wird auf Bestellung geklaut. Die Bestellung kommt nicht von einem zukünftigen Besitzer, sondern vom derzeitigen. Denn dadurch kann er zur Entschädigung von der Versicherung noch einen Bonus von den Ganoven kassieren. Je wertvoller das Auto, desto höher fällt dieser aus. Ganz offensichtlich wird eine gewinnträchtige Situation gezielt erzeugt. Daß dazu eine Portion kriminelle Energie erforderlich ist, stellt kein unüberwindliches Hindernis dar. Sicherlich ist dazu nicht jeder imstande. Aber nach Schilderung der tschechischen Polizei sei das kein so seltenes Ereignis.

Damit sind wir bei einer sehr geläufigen Methode. Das Spiel mit der Versicherung. Da bekleckert einer seine gute Hose mit Fett aus der Bockwurst. Die Versicherung findet das vielleicht auch bedauerlich, zahlen wird sie dennoch nicht. Da muß ein Freund einspringen. Aus dessen Wurst sei das Fett auf die Hose gespritzt und er damit haftbar. Zahlt dann die Versicherung? Natürlich. Unser Jüngster ramponierte unser Auto. Schaden: ca. 2000 DM. Ein Schulfreund wollte gerne helfen und bot sich als Schuldigen an. Mit seinem Moped habe er die Beulen erzeugt. Für ihn gab es kein Problem, da Mopeds ohne Schadensfreiheitsrabatt abgerechnet werden. Ist doch nett von diesem jungen Mann. Geradezu vorbildlich, denn Mitleid gehört zu den christlichen Tugenden. Also bitte …

Dann die Schadenssummen. Selbst ein harmloser Streifer beim Einparken läßt die Beträge rasch in schwindelerregende Höhen klettern. Der von der Reparaturwerkstatt erstellte Kostenvoranschlag ist nichts für schwache Nerven. Natürlich sollen Werkstätten auch leben. Wir brauchen sie. Manchmal eher, als uns lieb ist. Natürlich soll der Geschädigte keinen Verlust erdulden. Aber was da bei einer wenige Zentimeter eingedrückten Stoßstange alles repariert wird – bis hin zur Klimaanlage.

Wegen eines Wasserflecks (Durchmesser 40 cm) hinterm Sofa wird beharrlich eine Komplettrenovierung der Wände einschließlich Decke anvisiert.

Man hat sich darauf eingestellt, daß man belogen und betrogen wird, ist lediglich auf Begrenzung der Kosten bedacht

Warum unternehmen Versicherungen und ihre Vertreter vor Ort eigentlich nichts dagegen? Jedenfalls ist man über deren Zahlungsbereitschaft oft genug verblüfft. Diese einfache Frage führt zu einer verblüffenden Antwort:

Versicherungen wissen selbstverständlich um solche Praktiken. Bis zu einer gewissen Höhe unternehmen sie jedoch nichts. Aus mehreren Gründen. Zum einen erhöhen weitere Recherchen und dergleichen nur unnötig die Kosten und belasten die Bilanz. Zum anderen zwingt die harte Konkurrenz des liberalisierten Marktes zu einer maßvollen Großzügigkeit, damit der Ruf der Gesellschaft nicht leidet. Zum letzten liegt es auch nicht im Interesse des Vertreters, seine Klienten zu verärgern. Ansonsten könnte er seine Verträge nicht halten und an Neuabschlüsse wäre überhaupt nicht zu denken. Ein Alptraum für jeden Versicherungsvertreter bei den massiven Vorgaben! Gelegentlich stellt sich der Eindruck ein, daß er stärker die Interessen des Kunden als seiner Gesellschaft wahrnimmt. Natürlich ist das ein komplizierter Balanceakt. Seine Vorgesetzten wollen ja Einnahmen und keine Auszahlungen sehen. Fazit: man hat sich bei den Versicherungen hinlänglich darauf eingestellt, daß man belogen und betrogen wird. Man ist lediglich auf Begrenzung der Kosten bedacht.

Verhalten und Vorgehensweise der Ermittlungsbehörden legen ebenfalls Zeugnis von (teilweise unfreiwilliger) Zustimmung zu diesem Bereicherungsprinzip ab. Als eine große Baufirma, für die wir in großem Umfang tätig waren, Konkurs anmeldete passierte folgendes. Der Konkursverwalter stieß recht bald auf Unregelmäßigkeiten beim Betriebsvermögen. Insgesamt sollen 1,5 Mill. DM verschwunden sein. Damit hätte sich ein großer Teil der Verbindlichkeiten begleichen lassen. Doch sie waren weg und blieben es auch. Jeder Mensch hätte nun vermutet, daß eine Ermittlungsverfahren durch den Staatsanwalt eröffnet würde. Weit gefehlt: man sei mit Fällen deutlich höherer Beträge schon völlig ausgelastet. Der oder die Täter müssen keinerlei Folgen oder gar Strafe befürchten, unabhängig davon, wieviel Auftragnehmer sie in schwere finanzielle Probleme oder in den Ruin trieben. Verweigertes Ordnungsgeld für Falschparken von 30 DM wird hingegen eingetrieben – ohne Rücksicht auf Zeit und Kosten.

Unehrlichkeit ist ein Erfolgsrezept. Man darf es nur nicht übertreiben, wie der Vater von Steffi Graf. – Über Steuerehrlichkeit, speziell über Schwarzarbeit wäre übrigens auch noch einiges zu sagen! Doch:

Warum sollten Christen ehrlich(er) sein?

Ehrlicher als die anderen. Mit diesem Motto ließe es sich zur Not leben. Man hätte ausreichend Entscheidungsspielraum. Jeder könnte den Vergleichspunkt selbst bestimmen. So würde jemand mit einem relativ korrekten Maßstab die Grenze bei 100 DM ziehen. Großzügigere legten die Latte auf meinetwegen 1000 DM. Noch Liberalere bemessen sie deutlich höher, würden aber irgendwann zurückschrecken.

Eine Rolle hierbei spielt natürlich der berufliche Horizont. Für einen Studenten mit relativ geringem Einkommen liegt die Schwelle entsprechend niedrig. In der Wirtschaft hat mancher täglichen Umgang mit fünf- oder sechsstelligen Beträgen. Folgerichtig ergeben sich ganz andere Gewohnheiten und Relationen. Für den einen sind 100 DM ein Viertel seines Einkommens, für den anderen ein Tausendstel des Monatsumsatzes. Daraus ergibt sich natürlicherweise ein sehr unterschiedliche Grenzziehung. Das ist kein moralisches Urteil, sondern nur eine Feststellung.

Christen – nur ehrlicher als die anderen?

Wir sehen also, daß der Ansatz, ehrlicher als die anderen, von vornherein sehr relativ ist. Er wird beispielsweise von Enge oder Weite des Gewissens, aber auch von beruflicher Tätigkeit geprägt.

Ist Ehrlichkeit kein zentrales Thema der Heiligen Schrift?

Wenn das so schwierig ist, sollten dann nicht allgemein gehaltene Appelle ausreichend sein? Überhaupt sollte die Frage erlaubt sein, weshalb ein Christ dazu verurteilt sein soll, Schaden zu erleiden oder Vermögensverbesserungen auszuschlagen? Haben also doch die Stimmen recht, die Christsein von sich weisen als sichere Variante von Unannehmlichkeiten und Verlust? Oder beschlich uns selbst schon mal ein Gedanke dieser Art? Es muß also einen starken Grund für die Forderung nach Ehrlichkeit geben. Gibt es in der Tat einen solchen Grund? Wer in seiner Konkordanz nachschlägt oder im Bibeltext nachsucht, erlebt eine Überraschung. Nicht einmal das Stichwort ist zu finden. Ganz zu schweigen von einer klaren und bindenden Weisung. Allenfalls in der „Hoffnung für alle“ verwenden die Übersetzer den Begriff. Von diesem Befund her, ließe sich vermuten, daß Ehrlichkeit absolut kein zentrales Thema der Heiligen Schrift darstellt. Doch dies Urteil wäre verfrüht. Durchaus an zentraler Position lassen sich Äußerungen zur Sache finden. Wer kennt sie nicht, jenes „Du sollst nicht stehlen.“ oder „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.“ Bis hin zu „Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, Knecht, Magd, Rind, Esel noch alles, was dein Nächster hat.“

Martin Luther schrieb dazu:

„Die Schelmerei ist das weitest verbreitete Handwerk auf Erden, die größte Zunft: wenn man in die Welt schaut, durch alle Stände hindurch, dann kommt sie einem vor wie ein großer Stall voller Diebe.“

Mit Schelm meinte man damals einen durchtriebenen Menschen, einen Bösewicht. Heute trägt dieser Menschentyp das Merkmal „clever“. Was Luther Schelmerei nannte, heißt heute Unehrlichkeit. Ist sie auch heute, 500 Jahre nach Luthers Feststellung, noch das „weitest verbreitete Handwerk auf Erden“?

Alle angeführten Gebote schließen die Forderung nach Ehrlichkeit im Umgang ein. In allen Bereichen des Zusammenlebens: in der Ehe, der Verwandtschaft, der Gemeinde und natürlich dem beruflichen Alltag im weitesten Sinn.

Damit könnte die Sache eigentlich schon geklärt sein: Gott will das so und fertig. Doch so spartanisch kurz hält uns Gott in Seinem Wort nicht. Er rückt seine Maßstäbe in einen bestimmten Zusammenhang. Er verbindet die Einzelformulierung mit einem Grundgedanken, einer Grundidee, wodurch das einzelne Gebot in seiner Zielstellung erfaßbar und verständlich wird. Ehrlichkeit ist kein Wert an sich. Ehrlichkeit erhält seine Bedeutung durch etwas anderes. Alle Gebote wurzeln in der Liebe: Jesus, unser Herr antwortet, als er nach dem gewichtigsten Gebot befragt wurde (Mt 22,37-40):

„Er aber sprach zu ihm: ‚Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Verstand.‘ Dies ist das größte und erste Gebot. Das zweite aber ist ihm gleich: ‚Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.‘ An diesen zwei Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“

Kein Gesetz um des Gesetzes willen. Keine Ehrlichkeit, um der Ehrlichkeit willen. Gebote sind konkretisierte Aufforderungen zur Liebe. Richtige Einhaltung der Forderungen wird zur Betätigung von Liebe. Verstoß gegen das Gebot ist Lieblosigkeit. Darum geht es. Das ist der Grund.

Unehrlichkeit, in welcher Form auch immer, schädigt jemanden. Das ist nicht clever, sondern lieblos. Extreme Ausnahmesituationen, wie zum Beispiel in einer Diktatur, wo einen unwahre Aussage lebensrettend sein kann, ändern den Grundsatz nicht. Lieblosigkeit ist stets ein Angriff. Zuerst auf Gott, der die Liebe ist. Danach aber auch auf den Nächsten.

Gebote sind konkretisierte Aufforderungen zur Liebe

Wie tief verwundend etwa ein Wohnungseinbruch ist, kann man aus Presseberichten entnehmen: Ein älteres Ehepaar fand bei der Rückkehr aus dem Urlaub ihre Wohnung ausgeplündert vor. Sie waren gut versichert und mit der Entschädigung durch die Versicherung hätte alles wieder im Lot sein können. Doch seither lebten sie stets mit der Bedrohung in ihrem Bewußtsein, daß sie wieder Opfer von Einbrechern werden könnten. Seither verreisen sie nicht mehr gemeinsam in den Urlaub. Diese seelische Schädigung wiegt weitaus schwerer als der materielle Verlust. Jenes Eindringen in ihre Privatsphäre (= Lieblosigkeit) veränderte sie in ihrer Persönlichkeit. Sie leben in totaler Verkrampfung. Urlaub allein! – Mit diesem Beispiel wird die Vielschichtigkeit von Lieblosigkeit sichtbar. Selbst wenn kein psychischer Knacks zurückbleibt, dann bleibt der Einbruch noch immer schlimm.

Wer Unehrlichkeit praktiziert, bekundet sein Zutrauen in die Herrschaft des Geldes und riskiert leichten Herzens den Konflikt mit Gott

Als Christ stecke ich in einem Konflikt. Er ist ständiger Begleiter. Für unsere Thematik lautet er zugespitzt: Wer oder was regiert die Welt? Es ist ein geflügelter Satz: „Geld regiert die Welt.“ Spreche ich ihn nach? Oder – richte ich mich, bewußt oder unbewußt, nach dieser Maxime? Könnte es gar sein, daß Ehrlichkeit zu einer Glaubensfrage wird? Wer Unehrlichkeit praktiziert, bekundet sein Zutrauen in die Herrschaft des Geldes und riskiert leichten Herzens den Konflikt mit Gott. Wer hingegen Gott in der Herrschaft sieht, der riskiert keinen Konflikt mit ihm. Deshalb unterläßt er jede Art von Aktionen, die ihn in Widerspruch zu dem setzen, der die Liebe ist. Er will so sein, wie sein Vorbild. Seinen Wesenszügen will er entsprechen. Das hält er für wichtig. Das leitet ihn in seinen Werturteilen.

Wer hingegen dem Geld eine Vorrangstellung einräumt, strebt ihm nach und setzt alles andere zurück. Hemmungen und Bedenken werden erdolcht mit dem Argument, daß es ja allgemein üblich ist. Ehrlichkeit und Unehrlichkeit erlangen den Rang eines gelebten Bekenntnisses. Ehrlichkeit bekennt sich zur Autorität Gottes und seinem Wesen „Liebe“.

Der Ehrliche ist nicht der Dumme

Ehrlichkeit ist natürlich auch eine Bewährungs- und Vertrauensprobe. Je drängender etwa der Auftragsmangel ist in Zeiten knapper Kassen, desto riskanter ist ehrliches Wirtschaften. Unter der Last einer Verantwortung für eine Reihe von Familienvätern kommen Prinzipien leicht ins Wanken. Mach man da nicht doch etwas falsch, wenn man an unüblichen Grundsätzen festhält?

Der Ehrliche ist nicht der Dumme. Noch immer gilt der alte Satz: „An Gottes Segen ist alles gelegen.“ Seine Wahrheit lernt man allerdings in keinem Studium für Betriebswirtschaft. Sie kommt in keinem Fachbuch für Finanzmathematik vor. Dennoch gilt sie.

Bewahrung vor ruinösen Aufträgen

Gottes Führungen kann man schon vertrauen, doch die Spannung ist enorm

Jede Firma braucht Aufträge – von Kunden, die sie nicht unbedingt schon vorher kennt. Daher jedesmal ein Risiko, unter Umständen ein tödliches Risiko. Vor zwei Jahren gab es hoffnungsvolle Gespräche mit einem großen Bauträger über mehrere Siedlungsbauten. Eine mündliche Zusage zur Auftragserteilung lag vor. Dann die Absage. Ohne weitere Begründung. Natürlich reute uns die intensive Bearbeitung und Planung. Ärgerlich war das in jedem Fall. Etliche Monate später erfuhren wir zufällig, daß der Bauträger pleite sei und viele Handwerker beträchtliche Verluste erlitten hatten. Die Spannung ist enorm. Vor allem mitten in der Situation. Hinterher, wenn die Dinge klar auf der Hand liegen, dann ist es keine Kunst mehr. Vor Verlust bewahrt! Gottes Führungen kann man schon vertrauen.

Bewahrung vor Machenschaften

Jeden Tagen klingelt dutzendemal das Telefon, treffen etliche Faxe ein. Man ist froh, wenn sie rasch abgelegt werden können, wenn sie leicht abzuarbeiten sind. Meine Kollegin berichtete – ich kam von einer Baustelle zurück – daß ein Fax eingegangen wäre und sie es gleich bearbeitet hätte. Zum Fax gab es noch einen Anruf. Inhalt: wenn wir den Eintrag in irgendein Register nicht mehr wünschten, dann sollte das Fax ganz rasch unterschrieben zurückgesandt werden. Um unnötige Ausgaben zu vermeiden, war das Fax unterschrieben zurückgegangen. Da mir der Absender unbekannt war, suchten wir nach dem zu kündigenden Vertrag, fanden aber keinen. Bei näherem Hinsehen kam es dann heraus: mit dem Fax war nichts abbestellt, sondern etwas bestellt worden. Mit einiger Mühe ließ sich die Sache stoppen. Zwar wäre der Schaden nicht ruinös gewesen, in jedem Fall aber ärgerlich.

Verschleißarme Zusammenarbeit

In einer guten Beziehung ist fast alles möglich. In einer gestörten Beziehung gibt es eine endlose Kette von Schwierigkeiten. Sie zu klären, ist mühsam und kräftezehrend. Viel Zeit muß investiert werden. Und oft bleibt das Ergebnis mager. Nehmen wir als Beispiel eine Reklamation. Sie läuft vielfach über den Lieferanten. Ohne atmosphärischen Störungen kann das ohne Kosten und innerhalb kurzer Zeit abgewickelt werden. Sicher auch zur Freude der Kunden. Andererseits kann viel Zeit mit Rückfragen vergehen: wer wann was getan oder festgestellt hat, ob nicht schon viel früher etwas zu sehen war, ob nicht gar Eigenverschulden vorliegt, und und und … Nach einigen Wochen weiß schon niemand mehr ganz genau, was wann unternommen wurde. Immer neue aufwendige Recherchen sind erforderlich und die Kosten wachsen und wachsen. Der Kunde ist unzufrieden und man selbst hat irgendwann einmal die Nase voll. Nichts geht mehr. Das muß nicht so sein. Innerbetrieblich gilt das und gleichermaßen für die Lieferanten. Wie muß eine solche Beziehung beschaffen sein und wie läßt sie sich herstellen? Darauf wird in einem letzten Punkt eingegangen. Zuvor aber noch einen Blick auf:

Verheißener Gewinn

Man darf mit Gottes Segen rechnen, aber berechnen läßt er sich nicht

Nicht alles, was man richtig macht, wird heute und hier vergolten. Man darf mit Gottes Segen rechnen. Berechnen läßt er sich jedoch nicht. Manches wird erst in der Zukunft abgewogen. Schätze im Himmel sammeln heißt die Devise. Übrigens, wer jetzt schon für alles Beifall einheimst, der hat ja schon bekommen, was er erwarten kann. Jesus sagt:

„Der hat seinen Lohn dahin.“ (Mt 6,2.5.16)

Es muß sich nicht alles sofort auszahlen. Halte ich das für eine sinnvolle Investition, wenn ich noch Jahrzehnte auf den Gewinn warten muß? Buchhalterische Rechenkunst hat für zukünftigen Gewinn kein Buchungskonto.

Leben in der Transparenz

Als letztes beschäftigt uns die Frage, was für eine gute Beziehung zu Mitarbeitern, zu Kunden und zu Lieferanten erforderlich ist. Natürlich könnte man auch noch hinzufügen: für Konkurrenten. Ich beschränke mich auf folgende Punkte:

Keine Unwahrheit

Besonders die Situation, daß jemandem eine Fehler unterlaufen ist, fördert die Neigung zur Unwahrheit. Sei es Vergeßlichkeit, sei es ein Irrtum, im Baugeschehen passiert so etwas fast unausweichlich.

Doch schon beginnt die Unterscheidung. Passiert das in der Firmenleitung, dann wird es oft weniger schwer gewogen. Betrifft es Monteure, dann verursacht es oft unmittelbare Kosten. Und überhaupt – keiner läßt sich gern Fehler nachsagen. Folge: jeder versucht, den Hergang möglichst in einem für ihn günstigen Licht darzustellen. Leicht ist die Schwelle zur Unwahrheit übersprungen. Sie scheint eine geeignete Lösungsmöglichkeit darzustellen.

Nachhaltig kann dadurch die Basis für eine harmonische Zusammenarbeit gestört werden. Das wird oft nicht bedacht und deshalb leichtfertig in Kauf genommen. Natürlich müssen wir als Christen Maßstäbe setzen. Mir fällt das ebenso wenig leicht, Fehler zuzugeben, wie anderen. Es ist eine Investition. Kosten: ein beträchtliches Maß an Selbstverleugnung.

Wenn ich meinen Fehler eingestand, erlebte ich schon mehrmals eine positive Überraschung

Vom Mitarbeiter eines Händlers wurde mir eine recht durchsichtige Lüge aufgetischt, um ein Versäumnis zu vertuschen. Wir haben übrigens jetzt ein sehr gutes Verhältnis. Ich erklärte ihm, daß es für mich nicht so schlimm ist, etwas zu vergessen, als Lügen aufzutischen. So könne man keine Beziehung haben. Zuerst war er etwas verblüfft, doch dann stimmte er zu. Wenn er jetzt etwas vergißt, dann ruft er an und entschuldigt sich. Für mich natürlich eine große Herausforderung. Was, wenn ich etwas vergesse? Vor allem, wenn dadurch Kosten für mich entstehen? Soll ich dann nicht die Sache umdeuten, um Ausgaben zu sparen? Nein! Wenn ich meinen Fehler eingestand, dann erlebte ich schon mehrmals eine Überraschung. Er meinte, daß sei gar nicht weiter schlimm und er könne mir da ohne zusätzlichen Aufwand helfen. Ich denke, daß es daran liegt, daß er ohne Angst vor Betrug sein kann. Das entkrampft.

Gewinn mit Verantwortung

Natürlich muß eine Firma Gewinn machen. Darüber muß sich niemand wundern. Das gilt genauso für eine christliche Firma. Aber die Art und Weise, sowie das Maß, fallen sehr wohl in die eigene Verantwortung. Geldgier verrät den wahren Herrn, für den nur zwei Dinge schändlich sind: kein Erfolg, zu knapper Gewinn.

Geldgier steckt an. Jeder versucht, vom Kuchen ein möglichst großes Stück zu haben. Ellenbogen und weitere Teile werden eingesetzt. Kann ich als Christ, dieses Rennen eröffnen und damit die Basis lädieren?

Betroffen sind neben den eigenen Mitarbeitern natürlich auch die Kunden. So steht immer wieder das Fragen an, wo die Grenze verläuft.

Vertrauen als Basis der Zusammenarbeit

Es lebt sich schwer mit irgendwelchen Verdächtigungen. Verweigertes Vertrauen führt zu schmerzlichen Verkrampfungen. Niemand kann seine Mitarbeiter ständig kontrollieren. Es bleibt immer ein Rest. Sicherlich ist Kontrolle unverzichtbar. Aber immer mit Vertrauensvorschuß. Dann entzweit Kontrolle nicht und kränkt nicht.

Der Arbeiter ist seines Lohnes wert

Jeder Mensch möchte mehr Lohn erhalten. Die Kosten steigen und damit sinkt das verfügbare Einkommen. Eben dann, wenn es keine Lohnerhöhung gibt. Was jedoch ist am Markt machbar? Über die Problematik der hohen Lohnnebenkosten und den negativen Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung wurde schon genug informiert. Wer die Probleme nicht kennt, der kann sie sicher ahnen.

Die andere Seite formuliert Paulus so:

„Der Arbeiter ist seines Lohnes wert.“ (1Tim 5,18)

Wie läßt sich der richtige Grundsatz verwirklichen? Und zwar genau unter den aktuellen Bedingungen. Überall sind die Kassen leer. Arbeitskraft hingegen findet sich reichlich. Was liegt näher, als zu drücken. Wer nicht spurt, der fliegt. Mehr arbeiten für den gleichen Lohn oder gleiche Arbeit für weniger Lohn.

Alternativ bieten sich andere Formen von Lohnzahlungen an. Etwa im Bereich von Urlaubs- und Weihnachtsgeld, von vermögenswirksamen Leistungen, speziellen Mitarbeiternachlässen und Einmalzahlungen aus besonderen Anlässen (Geburtstag, Umzug, Hochzeit, Geburt eines Kindes usw.). Das sind zwar nicht die großen Beträge, aber es sind Signale. Signale der Würdigung. Daneben darf auch gerne die aufrichtige Anerkennung in Worten stehen. Wichtig ist die gute Mischung und absolute Aufrichtigkeit. Sonst wirkt es eher aufgesetzt und berechnend. Also auch hierbei ist Ehrlichkeit gefragt.

Schluß

Anstrengungen aus dem Weg zu gehen kann sich nur leisten, wer kein Ziel hat

Eigentlich haben wir immer und immer wieder nur das eine getan: nach dem richtigen Maßstab gefragt und die gängigen etwas durchleuchtet. Genau dazu will uns der Heilige Geist durch die Heiligen Schrift trainieren. Genau das haben wir auch nötig. Es ist gut, daß wir einen Gott haben, der dem eigentlich drängenden Bedarf abhilft. Training ist mit Anstrengung verbunden. Dem gehen wir gern aus dem Weg. Leisten kann sich diesen Luxus nur, wer kein Ziel hat.