Franz Eugen Schlachter?
Geboren am 28. Juli 1859 in Altkirch bei Mühlhausen im französischen Elsass als zweites Kind des Kaufmannes Franz Josef Schlachter, war dem Knaben schon früh ein bewegtes Leben beschieden: Nach einem Aufenthalt in Lugano zog die Familie nach Basel um. Hier besuchte Franz Eugen die Volksschule bis zum Eintritt in das Gymnasium. Später, im Jahr 1883 sollte er auch in Basel das Schweizerische Bürgerrecht erhalten. Die Schul- und Ausbildungsjahre in Basel zu verbringen, verlieh dem Jüngling einen weltoffenen Horizont, wie er die Bewohner dieser Stadt auszeichnet: An der Dreiländerecke begegnen sich die germanische und die lateinische Kultur, vermischen sich das nieder-alemannische und das elsässische Temperament zu einer lebhaften, unternehmungsfreudigen und von Humor gespickten Mentalität, die sich von der eher steifen und schwerfälligen Art der ober-alemannisch geprägten schweizerischen Bevölkerung abhebt.
Wirtschaftliche Probleme der Familie zwangen Franz Eugen, das Gymnasium zu verlassen und eine Handwerkslehre als Glaser anzutreten, ergänzt durch eine kaufmännische Ausbildung. Hier erlernte er auch den Umgang mit der Schreibmaschine, dem damals modernsten Werkzeug für jede redaktionelle Tätigkeit. Aus einem Zeugnis seiner Tochter Maria, zu Anfang der 1960er Jahre, ist überliefert, dass die Kinder jeweils dem Vater behilflich waren, am Samstag die Farbbänder für die Schreibmaschine einzufärben und sie im Garten zum Trocknen aufzuhängen! Die praktischen Berufslehren sollten sich in späteren Zeiten als sehr nützlich erweisen, wo Schlachter 1883, beim Bau der Kapelle für die Gemeinde der Evangelischen Gesellschaft in Biel, der er als Prediger diente, die Glaserarbeiten übernahm, wovon heute noch einige Teilstücke erhalten sind.
Der Abbruch des Studiums hinderte den Jüngling nicht, sich mit einer Materie zu beschäftigen, die sein ganzes Interesse fesselte: das Studium der alten Sprachen, Griechisch und Hebräisch, zu denen sich später auch noch Aramäisch gesellte. Diesem Interesse für die biblischen Sprachen entsprach auch seine geistliche Erfahrung: der Religionsunterricht in der Schule und wohl auch die entsprechende Kultur im Elternhaus wurden vertieft und belebt dank der damaligen Erweckungsbewegung durch den Dienst des amerikanischen Predigers Robert Pearsall-Smith und dessen Gattin Hannah Pearsall-Smith, die von England über Deutschland und dann auch in der Schweiz ihre segensreiche Wirkung ausgestrahlt hat. In einer Reise, die damals als ‚Triumphzug‘ bezeichnet wurde, kamen diese bevollmächtigten Verkündiger des lebendigen, durch persönliche Entscheidung angeeigneten Evangeliums und der Heilsgewissheit im Glauben, im Jahr 1875 auch nach Basel. Ohne Zweifel wurde Schlachter von dieser geistesmächtigen Bewegung bestärkt, was dann in seinem Herzen die Bereitschaft weckte, dem Herrn unter seinen Mitmenschen zu dienen.
So ist es nicht erstaunlich, dass wir Franz Eugen Schlachter 1878, nach Abschluss seiner Berufslehre, auf den Bänken der neu gegründeten Evangelischen Predigerschule in Basel finden. Dort wurde eine theologisch-wissenschaftliche Orientierung geboten und ein besonders vertiefter Umgang mit den alten Sprachen Griechisch und Hebräisch. Das Studium schloss im Frühjahr 1881 mit Diplom.
Das neunzehnte Jahrhundert war von mehreren Erweckungszeiten geprägt, nach dem Vorbild des Methodistenpredigers John Wesley (1703/1791). Aus Schottland trugen Robert Haldane, Richard Wilcor und Henry Drummond die Gewissheit des biblischen Glaubens in einen Kreis von jungen Studenten in Genf, die zu Trägern und Vorkämpfern der Erweckung (1805-1820) in ihrer Stadt und in Südfrankreich wurden. Durch den Dienst eines Ami Bost, vertieft durch Männer wie Gaussen, César Malan, Merle d‘Aubigné, Galland und andere mehr, verbreitete sich die Bewegung, in der Deutschschweiz mit C. H. Rappard (1837/ 1909) und Arnold Bovet (1843/1913), in Deutschland durch F.W. Bädecker (1823/1906) und Th. Jellinghaus (1841/ 1913). In den Vereinigten Staaten und England wirkten ihrerseits Finney (1792/1875) und Boardman (1810/1886), gefolgt von D. L. Moody, Sankey und Reuben Torrey. Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts brachte die Erweckung von Wales 1904/ 1905 eine mächtige Belebung des geistlichen Lebens in England, in Frankreich, in Deutschland und in der Schweiz. (So auch u.a. durch den Dienst von H.-E. Alexander (1884/1957), dem Gründer der Genfer Bibelschule, der ‚Action Biblique‘, der Häuser der Bibel und der Genfer Bibelgesellschaft, wobei Alexander selbst von der Erweckung von Wales geprägt war.)
Franz Eugen Schlachter, Prediger, Reiseevangelist, Redakteur und Schriftsteller
Nach Verlassen der Predigerschule wurde Schlachter am 1. Mai 1881, auf Empfehlung des Prediger-Missionars Elias Schrenk, von der Evangelischen Gesellschaft des Kantons Bern berufen und mit einem Betätigungsfeld in einem Quartier der Stadt Bern betraut, in welchem eine oft unruhige Arbeiterbevölkerung wohnte. Kaum 23 Jahre alt übernahm er diese Aufgabe mit Begeisterung. Hier konnte er seine Gaben und Talente zur Geltung bringen und auch gewisse Grenzen kennen lernen: die jugendliche (und vielleicht baslerische?) Neigung zu kräftigen Worten zu dämpfen und sich in die Disziplin einer Gemeinschaft einzufügen. Der Dienst am Ort wurde erweitert durch Evangelisationswochen in ländlichen Gegenden, wo sich in vielen Dörfern die Leute Abend für Abend zusammenfanden, um die Botschaft von Gottes Wort zu vernehmen. Die Zuhörer wurden biblisch unterrichtet und eingeladen, sich zu Jesus als dem persönlichen Herrn und Retter zu bekehren und so ein neues Leben in der Gemeinschaft des Herrn und seiner Getreuen zu erlangen. Nicht selten führten diese Bekehrungen junge Männer und Frauen zu eigentlichen Berufungen. In der Bevölkerung regte sich mancherorts auch ein gewisser Widerstand, namentlich vonseiten der so genannten ‚Wirtshauspartei‘: mehr oder weniger stürmischen Horden lokaler ‚Helden‘, denen das Evangelium zuwider war und die ihren Missmut handgreiflich bekundeten, bis hin zu Steinwürfen, um die Versammlungen zu stören oder dem Versuch, die Prediger mit Jauche zu begießen!
So sehen wir Franz Eugen Schlachter im Kontakt mit der werktätigen Bevölkerung, die oft unter schwierigen Lebensverhältnissen litt, sei es in Fabriken oder auf dem Land, wo der Alltag verdüstert war durch die Folgen des politischen, religiösen und wirtschaftlichen Umsturzes, den das Zeitalter der ‚Aufklärung‘‚ der Revolutionen und der atemberaubenden technischen Entwicklung mit sich gebracht hatte. Diese Existenznot weckte in vielen Herzen den Hunger nach der Botschaft des Evangeliums, nach Sündenvergebung und nach einem neuen Leben unter der Gnade Gottes, genährt durch das Wort, wie es in der Heiligen Schrift überliefert ist.
Existenznot weckte in vielen Herzen den Hunger nach der Botschaft des Evangeliums
Im Jahr 1883 empfand Franz Schlachter das Bedürfnis nach einer Atempause in seiner Tätigkeit und unternahm, im Einvernehmen mit dem Komitee der Evangelischen Gesellschaft, eine Reise nach England. Er besuchte auf dem Weg seinen Vater in Basel und fuhr nach Calais, von wo er nach London gelangte. Während seines Aufenthaltes bot sich die Gelegenheit, den bekannten Evangelisten C. H. Spurgeon zu hören und den Amerikaner D. L. Moody, die ihn beide beeindruckten, besonders durch die perfekte Organisation der Versammlungen und die wirksame Integration des Gesanges in die Botschaft.
So gewann er bleibende Eindrücke und Anregungen, die sich für seinen weiteren Dienst als gewinnbringend erweisen sollten.
In die Schweiz zurückgekehrt nahm er 1884 sein Amt in Bern wieder auf, wobei man eine gewisse Veränderung seines Stils als Folge der in London gesammelten Erfahrungen und Beobachtungen feststellte. Verschiedene Dienste in der Gegend ergänzten seine Arbeit und im Jahr 1885 fand seine Hochzeit mit Maria Jakob statt, der Tochter eines geschätzten Landarztes, dessen Haus schon seit längerem ein Stützpunkt für die Evangelische Gesellschaft war. Zwei Monate nach der Hochzeit wurde Schlachter nach Schönbühl versetzt, einem Ort außerhalb der Stadt Bern. Zu Ende des Jahres 1886 führte ein weiterer Umzug die Familie nach Steffisburg bei Thun, einem wichtigen Zentrum an der Schwelle vom flachen Land zu der Gebirgswelt des Berner Oberlandes.
Die „Brosamen” erschienen nicht ohne eine Rubrik „Humor“
Hier sollte ein Projekt verwirklicht werden, das Franz Eugen Schlachter schon seit längerer Zeit mit sich herumtrug: eine Zeitschrift für das weitere Publikum, für Bibelkunde und Bibellehre verbunden mit allgemeinen Informationen zum religiösen und politischen Geschehen – und nicht ohne einer Rubrik ‚Humor‘! So erschienen die ‚Brosamen – von dem Tisch des Herrn‘ als Monatsschrift mit 16 und später 24 Seiten. Zum selben Zeitpunkt begann eine intensive literarische Aktivität: Artikel und Berichte aus den ‚Brosamen‘ wurden als Sonderdrucke oder Bücher zusammengefasst und separat veröffentlicht.
Übersetzungen aus dem Französischen, so die Zeugnisse des kanadischen Priesters Chiniquy, erschienen in deutscher Fassung. Andere Texte aus seiner eigenen Feder sollten folgen: ‚Resli, der Güterbub‘, die wahre Geschichte eines Jungen, den sein Stiefvater nicht mehr ernähren konnte (oder wollte) und der, dem landläufigen Brauch entsprechend, von der Gemeindebehörde an denjenigen Landwirt versteigert wurde, der das kleinste Kostgeld forderte. Solche ‚Verdingkinder‘ hatten ein schweres Schicksal als Knechtlein, die man nie bei ihrem Vornamen rief, sondern nur mit einem abschätzigen: ‚Bueb‘! In der Erzählung von Schlachter kommt der junge Andres von einem Hof zum anderen, doch auch in christliche Häuser. Er bekehrt sich bei seiner Konfirmation und entschließt sich zu einem Wandel mit Gott, findet Anschluss an eine Gruppe von Gläubigen (der Evangelischen Gesellschaft). Die Erzählung endet konstruktiv mit der Hochzeit des erwachsenen Andres und der Gründung eines bescheidenen, eigenen Hausstandes …
Weitere Schriften aus dieser Zeit: ‚Jarousseau, der Pfarrer der Wüste‘ und ‚Herodes I, genannt der große‘. Letzteres zum Teil aus dem Griechischen aus Flavius Josephus übersetzt, gibt einen Einblick in die Zeit des Neuen Testamentes; ‚Meister Pippin‘; ‚Berechtigung und Aufgabe der Predigt‘; ‚Der Priester, der Beichtstuhl und das Weib‘; ‚Was verdanken wir der Reformation?‘; verdeutlichen das weite Feld dieser literarischen Produktion. Danach folgten noch ein Gesangbuch und ein Doppelband mit Andachten (aus Predigten) für jeden Tag des Jahres.
1883 übersiedelte die Familie Schlachter nach Biel, der Uhrmacherstadt, wo die florierende Gemeinde der Evangelischen Gesellschaft einen vollzeitlich angestellten Prediger benötigte, eine Aufgabe, die Schlachter während mehr als zwölf Jahren ausfüllen sollte. In dieser Zeit wurde eine Kapelle erbaut wo der Prediger eine reichlich bemessene Innenhöhe beantragte, um die Zuhörer vor dem Einnicken zu bewahren! Hier besorgte er auch die Glaserarbeiten, dank der in seiner Jugend absolvierten Lehre.
Die Sorge für die Gemeinde, besonders deren Jugend, der Predigtdienst und die literarische Tätigkeit, die Redaktion der ‚Brosamen‘ und, ab 1883, die Bibelübersetzung stellten ein imposantes Arbeitsvolumen dar, ohne das Familienleben zu vernachlässigen. Aus einem Zeugnis der verwitweten Frau Maria Schlachter-Jakob ist bekannt, dass die Hausmutter sich früh um vier Uhr zur Hausarbeit begab, während ihr Gatte sich um diese Zeit hinlegte um sich einige Stunden der Ruhe zu gönnen! Immerhin hatte er sich zur Regel gemacht, den Montag frei zu halten zur Entspannung und zu Wanderungen, oft in Begleitung der Kinder.
Das Hauptwerk von Franz Eugen Schlachter: die Bibelübersetzung
Für diesen Mann der Bibel, überzeugt von der göttlichen Inspiration der Heiligen Schrift, von ihrer unbestreitbaren Autorität, als Trägerin einer Botschaft an alle Menschen, deren Tiefen er kannte durch das Studium der Originalsprachen, musste der Wunsch erwachen, den deutschsprachigen Mitmenschen den Zugang zu diesem Reichtum mit einer neuen Übersetzung zu erleichtern, nachdem die vorhandenen Versionen, vornehmlich Luther und Zwingli, sprachlich überaltert und in wenig praktischen Formaten erhältlich waren.
Schlachter nährte das Anliegen einer Taschenbibel, die der Leser überallhin mitnehmen und so immer zur Hand haben kann! Dazu sollte der Text allen zugänglich sein, exakt, aber in einer kommunikativen Sprache formuliert. So entstand das Projekt der ‚Miniaturbibel‘ im Format von 11x17cm, mit einer Stärke von nur 12mm dank einem Dünndruckpapier, die in der Rocktasche, wie auch in der Handtasche einer Leserin, Platz finden sollte. Als weitere Neuheit sollte der Text nicht mehr versweise abgehackt, sondern in intelligenten Sinnabschnitten gesetzt werden. Zur Platzersparnis werden keine Titel und Untertitel eingefügt, doch würde der Schlüsseltext jedes Abschnittes durch g e s p e r r t e S c h r i f t hervorgehoben.
Schon 1893 erschien ein Vorabdruck des Buches Hiob als dem schwierigsten Stück des Alten Testaments
Schon 1893 erschien ein Vorabdruck des Buches Hiob als dem schwierigsten Stück des Alten Testamentes und, ab 1901, wurden Einzelhefte im definitiven Format geliefert bis zum Erscheinen der kompletten Miniaturbibel im November 1905. Sehr positiv aufgenommen in der Schweiz, wie auch in Deutschland, folgten mehrere Nachdrucke in kurzen Zeitabständen, und es erschienen Ausgaben in größeren Formaten um das Angebot zu ergänzen.
Die Verbreitung in Deutschland erfolgte durch den ‚General-Depositär Johannes Schergens in Bonn a. Rh.‘.
In der Arbeiterstadt Biel nahm er das Wort ‚Kapital‘ aus dem marxistischen Wortschatz und versetzte es in die Bibel
Einige Beispiele mögen hier angebracht sein, um die Eigenheiten und originellen Züge der Übersetzung hervorzuheben: So lesen wir in 1Mo 13,10:
„Da hob Lot die Augen auf und besah die ganze Jordanaue …“,
weiter in 18,10
„(Sarah) sprach: Nachdem ich verblüht bin .“,
dann 48,11:
„Und Israel sprach zu Joseph: Dass ich dein Angesicht noch sehen dürfte, darum hätte ich nicht zu bitten gewagt; und nun, siehe, hat mich Gott sogar deine Kinder sehen lassen!“
Treffende Ausdrücke, respektvolle Wendungen und seelsorgerliche Nuancen dieser Art findet der aufmerksame Leser auf Schritt und Tritt. Großartig und kühn war Sprüche 20,6:
„Viele Menschen werden gnädige Herren genannt; wer findet aber einen treuen Mann?“ (Die gnädigen Herren – auch ‚IO , Ihro Gnaden‘ genannt – waren jahrhunderte lang die in der Stadt Bern regierenden und das Landvolk beherrschenden Patrizier, mit ihren Knechten, den kirchlichen Würdenträgern.)
Ebenso finden wir bei Schlachter in 1Tim 6,19:
„ … und so für sich selbst ein schönes Kapital für die Zukunft zu sammeln, damit sie das wahre Leben erlangen.“
Damit hat er in der Arbeiterstadt Biel das Wort ‚Kapital‘ aus dem marxistischen Wortschatz entnommen und in die Bibel versetzt. Der Leser begegnet hier einer Version, deren Wortwahl ihm nahe ist, mit Wendungen, die mehr dem Genius seiner Muttersprache entsprechen, als dem Hebräischen oder Griechischen, wodurch die Übersetzung spontaner und unmittelbar ansprechend wird.
Im Jahr 1907 suchte die Freie Evangelische Gemeinde der Stadt Bern den Prediger Franz Eugen Schlachter zu gewinnen, anstelle des erkrankten bisherigen Amtsträgers. Schlachter nahm die Einladung an, insbesondere auch wegen der hier geübten Praxis der Erwachsenentaufe, die seiner eigenen Überzeugung entsprach. Die Evangelische Gesellschaft entließ ihn aus ihrem Dienst, nicht ohne Bedauern, aber doch mit ihren Segenswünschen. Sie übernahm fortan die Redaktion der ‚Brosamen‘.
Schlachter trat den neuen Predigerdienst freudig und unternehmungslustig an und arbeitete nebenbei an der Erstellung eines Taschenlexikons im gleichen Format wie die Miniaturbibel, das unter anderem Parallelstellen enthalten sollte und Erklärungen zu den biblischen Begriffen. Während drei Semestern besuchte er an der Universität Kurse zu den alten Sprachen Syrisch und Arabisch. Hier arbeitete er auch an dem oben erwähnten Andachtsbuch mit Predigten für jeden Tag des Jahres, 2 Bände mit insgesamt über 800 Seiten. Seine Schriften ließ er vornehmlich bei K. J. Wyss Erben in Bern drucken, der Buchdruckerei, die noch 50 Jahre später neben den französischen und italienischen Ausgaben, auch die Schlachterbibel für die Genfer Bibelgesellschaft drucken sollte.
Diese intensive Arbeit wurde unvermittelt von dunkeln Wolken überschattet: ein heimtückisches Leiden lähmte den unermüdlichen Streiter: die Ärzte diagnostizierten Magenkrebs, ein Übel, das sich unbemerkt einnistet und erst in einem vorgerückten Stadium wahrgenommen wird. Trotz Operation ließ es sich nicht mehr beheben, zehrte an den Kräften von Franz Eugen Schlachter bis zum Heimgang am 12. Januar 1911, im tiefen Frieden und von den Seinen umgeben.
Die Geschichte der Schlachter-Bibel bis zu diesem Tag
Nach dem Heimgang des Übersetzers übernahm die Privilegierte Württembergische Bibelanstalt den Text und ließ ihn von zwei Schweizer Pfarrern, Linder und Kappeler, einer gründlichen Durchsicht unterziehen. Dieser Text, im Prinzip näher am Grundtext gehalten, bekam Überschriften, einige Parallelstellen sowie einen Anhang mit Sacherklärungen und Hinweisen auf Textvarianten. Ab dem Reformationsfest 1918 erschien die Miniaturbibel neuer Fassung in zahlreichen Ausgaben bis zur Zeit des Zweiten Weltkrieges, und fand eine große Leserschaft, besonders im Rahmen von Freikirchen und Christlichen Versammlungskreisen.
Gegen Ende der dreißiger Jahre und angesichts der wachsenden Bedrohung durch einen neuen Weltkrieg, sah H. E. Alexander, Begründer der Genfer Bibelschule, der ‚Häuser der Bibel‘ und des Bibelmissionswerkes ‚Action Biblique‘, die Gefahr einer Unterbrechung des Nachschubes von Bibeln und Neuen Testamenten in französischer Sprache, die in England produziert wurden. Er mietete in Genf ein Lokal und unterbreitete der Britischen und Ausländischen Bibelgesellschaft in London den Vorschlag, hier größere Vorräte anzulegen. Die sich überstürzenden Ereignisse vereitelten diesen Plan und im Frühjahr 1940 unterbrachen die Kriegsereignisse jede Verbindung zwischen England und dem Kontinent. Nunmehr beschloss H. E. Alexander, mit der telegrafisch übermittelten Zustimmung der Britischen Bibelgesellschaft, die französischen Schriften, vorerst kleine Evangelienhefte, in der Schweiz zu drucken, denen das Neue Testament und die Bibel folgen sollten, zuerst in Französisch, danach in Italienisch und auch in Deutsch. Für diese Verlagsarbeit wurde 1943 die Genfer Bibelgesellschaft gegründet und im Handelsregister des Kantons Genf eingetragen. Die Finanzierung dieser Produktion erfolgte durch einen bis heute nie versiegenden Strom von freiwilligen Spenden aus verschiedenen christlichen Kreisen in den ‚Verlagsfonds für die Heilige Schrift‘.
Nach einem erfolglosen Versuch, während des Krieges in der Schweiz eine Auflage mit dem Druckstock der Schlachterbibel aus Stuttgart zu drucken, wandte sich H. E. Alexander an die Familie Schlachter und erhielt ihr Einverständnis, den ursprünglichen Text der Ausgabe 1905 wieder aufzulegen. Vorab wurde das Neue Testament mit Psalmen in mehreren hunderttausend Exemplaren gedruckt, wovon ein großer Teil unter den deutschen Kriegsgefangenen in Nordafrika und in England verteilt wurde.
Als Neuheit für deutsche
Bibelausgaben erschien die
Vollbibel 1951 in lateinischen Lettern
Der Text der ganzen Bibel 1905 wurde einer sorgsamen Neubearbeitung unterzogen durch den Assistenten an der Genfer Bibelschule, Willi Mauerhofer und dessen Gemahlin, Gertrud Mauerhofer-Schmidt. Sie stammte aus einer deutsch-baltischen Familie, war Gymnasiallehrerin für die deutsche Sprache in Moskau und konnte so ihrem Gatten als kompetente Mitarbeiterin zur Seite stehen, umso mehr als diese Bearbeitung sich vornehmlich auf Veränderungen im deutschen Sprachstil beschränkte.
Damit erschien die Vollbibel 1951 und – Neuheit für deutsche Bibelausgaben –, in lateinischen Lettern und nicht mehr in Frakturschrift! Diese Bibel fand über die Jahre hinweg eine regelmäßige Verbreitung in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich. Ausgaben in größeren Formaten ergänzten das Angebot, neben Neuen Testamenten mit Psalmen und, – als weitere Neuheit –, die Sprüche Salomos im selben Band.
Ab 1980 erwachte in Deutschland und der Schweiz ein neues Interesse für den Text der Genfer Ausgaben. So unternahm eine christliche Gemeinschaft im Allgäu die Erfassung des Textes auf elektronischem Träger, was einem weiteren, württembergischen Kreis, in Zusammenarbeit mit einem Team der Genfer Bibelgesellschaft die Möglichkeit bot, ab dem Jahr 1993 eine systematische Revision vorzunehmen, mit dem Ziel, den Text von 1905 zu erhalten, ihn sprachlich zu erneuern und die Verlässlichkeit der Übersetzung zu vertiefen. Weiterhin sollten neue, wohlproportionierte und moderne Schriften den Lesekomfort heben.
Systematische Revision seit dem Jahr 1993
So entstanden die neuen Formate: ‚Miniatur‘ (9,5 x 14,5 cm); ‚Standard‘ (12,5 x 19,5 cm); ‚Studienbibel‘ 16,5 x 23,5 cm mit 100000 Verweisstellen und Anhängen); ‚John-Mac-Arthur Studienbibel‘ mit Einleitungen, Erläuterungen und Parallelstellen (17 x 24 cm). Sie bilden ein weit gefächertes Angebot, das vielseitige Bedürfnisse abzudecken vermag.
Unter der Bezeichnung ‚Version 2000 – Neue revidierte Fassung‘ erreicht die Übersetzung von Franz Eugen Schlachter, nach einem Jahrhundert, einen neuen Anfang, mit der Hoffnung und der Überzeugung, dass die neuen Ausgaben dazu dienen mögen, viele Leser auf dem Fels der offenbarten Wahrheit zu gründen, das geistliche Leben und die Gemeinschaft mit Gott und seiner Gemeinde zu vertiefen.1
Als der Witwe Maria Schlachter im Jahr 1945 ein Exemplar des Neuen Testamentes (aus der Auflage für die Kriegsgefangenen), überreicht wurde, schrieb sie an den Gründer der Genfer Bibelgesellschaft:
„Somit erfüllt sich der Wunsch meines Gatten, dass die Schlachter-Übersetzung eine Gabe der Schweiz sei. Wie sind die Wege Gottes doch wunderbar!“
Diesem Wort können wir von Herzen zustimmen und uns verneigen vor dem Herrn, der sein Volk von einem Jahrhundert zum anderen führt und dessen Treue kein Ende hat!
„Eine Besonderheit dieser Übersetzung ist die Tatsache, dass sie auf dem alten reformatorischen Grundtext basiert. Damit folgt sie der Tradition der englischen King-James-Bibel …“, schreibt Karl-Hermann Kauffmann, einer der Mitarbeiter an der Revision in BIBEL Info, der Vierteljahrespublikation der Genfer Bibelgesellschaft vom Sommer 2005. Was das Neue Testament betrifft, haben die Revisoren damit allerdings einen der Grundsätze Schlachters verlassen, der im Vorwort zu seiner Übersetzung schrieb: „… dass dem Leser der wirkliche Sinn des Urtextes vermittelt wird, soweit derselbe bis jetzt überhaupt durch die Arbeit der gelehrten Forscher zu vermitteln war.“ Damit verzichten die Revisoren der „Version 2000” nicht nur auf die Einarbeitung wichtiger griechischer Handschriften (zum Beispiel des Codex Sinaiticus und des Codex Vaticanus), die wesentlich älter als die sind, die im Text des Humanisten Ersamus von Rotterdam eingearbeitet waren, sondern machen die Arbeit Schlachters an dieser Stelle sogar rückgängig. Zusätzlich stellen sie in Anmerkungen die Unterschiede zu „Nestle-Aland“, einer gebräuchlichen wissenschaftlichen Textausgabe, sehr deutlich heraus. Anm. d. Red. ↩