ThemenGelebte Bibeltreue

Arbeitsweisen christlicher Schulen

Ein Beitrag über Ziel und Grundlagen der Arbeit an christlichen Schulen.

Christliche Schulen, wenn sie gut arbeiten, fußen zunächst auf zwei tragenden Säulen. Erstens: Lehrerinnen und Lehrer, die Christen sind, bieten fundierten Fachunterricht. Damit fängt alles an. Zweitens: Wenn diese Lehrkräfte in ihrem Glauben leben, wenn dieser Glaube nicht nur aufgesetzt ist, sondern die Person prägt, wird der Fachunterricht davon nicht unberührt bleiben, und auch über den Unterricht hinaus wird es zu erzieherischen Begegnungen mit Schülerinnen und Schülern kommen, die Gottes Gnade und Gerechtigkeit aufleben lassen.

Wie das geschehen kann, davon handeln meine Ausführungen. Bei allem bin ich davon überzeugt, dass christliche Schule nicht davon lebt, dass staatliche oder öffentliche Schule so schlecht wäre. Ich habe etwa zwanzig Jahre an öffentlichen Schulen unterrichtet (davon fünfzehn Jahre als Fachleiter in der Lehrerausbildung) und viel kompetente, teilweise aufopfernde pädagogische Arbeit erlebt, Fantasie beim Unterrichten, Ringen um einzelne Schüler, aufrichtigen Umgang mit Theorien, Modellen, Ideologien und anderen Positionen. Selbstverständlich gibt es auch schlechten Unterricht an öffentlichen Schulen, davon aber sind möglicherweise auch private, christliche Schulen nicht frei. Motor für die Arbeit christlicher Schulen ist jedenfalls nicht primär, dass öffentliche Schule defizitär wäre, sondern dass das Evangelium so gut ist.

Die Arbeit christlicher Schule wird von einem speziellen Beziehungsgeflecht bestimmt, dessen Elemente zu bestimmten Erwartungen und Zielen führen. Diese finden zuerst ihren Niederschlag im Unterricht selbst, darüber hinaus in einer christlich geprägten Schulgemeinschaft ebenso wie in bewusst gestalteten Außenbeziehungen. Wenn ich dazu im folgenden Beispiele gebe, dann vor allem aus der Schule, an der ich arbeite, der Georg-Müller-Schule in Bielefeld, einer vierzügigen Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe im Aufbau.

Beziehungsgeflecht

Das klassische Beziehungsgeflecht innerhalb der Schule ist das von Schülern, Lehrern und Eltern. Die Schule im engeren Sinn hat, gerade im Fall der christlichen Privatschulen, eine besondere Beziehung zum Schulträger, in unserem Fall einem eingetragenen Verein, der aus einer Elterninitiative zur Gründung der Schule hervorgegangen ist und die Schule ideell trägt, und zum Förderverein, der die Schule materiell-finanziell trägt.

Nach außen steht die Schule zunächst einmal (schon vor ihrer Gründung) in einer Beziehung zu Behörden, insbesondere dem Schul- oder Kultusministerium als der genehmigenden Behörde und der Bezirksregierung oder dem Schulamt als oberer Schulaufsicht, der unsere Schulen mit gewissen Einschränkungen auch zugeordnet sind.

Besondere Beziehungen bestehen zu den „Abnehmern“, d. h. zu Betrieben, Ausbildungsstätten, anderen Schulen oder Hochschulen, zum Arbeitsamt, zu Nachbarschulen in Bezug auf Zusammenarbeit oder Konkurrenz, zu Partnerschulen, zu Lehrerausbildungsseminaren und zur breiten allgemeinen Öffentlichkeit: zu den unmittelbaren Nachbarn, zum Stadtbezirk, zur Presse usw.

Unser Schulleben prägen darüber hinaus Beziehungen zum breiten Spektrum der verschiedenen Gemeinden, von denen, die die Schule unmittelbar mittragen, bis zu denen, aus denen zwar Kinder unsere Schule besuchen, die aber der speziellen evangelikalen Ausrichtung der Schule eigentlich eher mit Skepsis gegenüber stehen.

Jede einzelne dieser Beziehungen führt zu Erwartungen und, je nachdem, zu Zielen. Ich greife im Folgenden einige Beziehungsstränge heraus, um entsprechende Erwartungen zu erläutern. (Dass die Schule vor allem in einer Beziehung zu Gott als ihrem Schöpfer, Erhalter und Auftraggeber steht, setze ich voraus.)

Erwartungen und Ziele

Vom Schulträger

In dieser Schule sollen junge Menschen nach dem biblischen Menschenbild erzogen werden, um ihnen die Möglichkeit zu geben, zum lebendigen Glauben an Jesus Christus zu finden

Der Träger der Georg-Müller-Schulen in Bielefeld und Steinhagen hat für seine beiden Grundschulen und für die weiterführende Schule seine Erwartungen an und Ziele für die Schule im „Geistlichen und pädagogischen Konzept“ festgehalten. Dort heißt es u. a.:

In dieser Schule sollen junge Menschen nach dem biblischen Menschenbild erzogen werden, um ihnen die Möglichkeit zu geben, zum lebendigen Glauben an Jesus Christus zu finden (Joh. 3,16) und zu Persönlichkeiten heran zu reifen, die verstehen, dass ihr Leben sich nicht im Irdischen erschöpft, sondern dass ihr Schöpfer ihrem Leben Sinn und Ziel gibt.

Unsere Schülerinnen und Schüler sollen als mündige Menschen in der Verantwortung vor und Abhängigkeit von Gott zu eigenständigen Urteilen über traditionelle und moderne Bildungs- und Kulturgüter gelangen und als verantwortungsbewusste Persönlichkeiten in unserer Gesellschaft handeln. (S. 3.)

Es ist die Absicht der Schulinitiatoren, die Schüler unter Berücksichtigung ihrer individuellen Voraussetzungen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung, in den sozialen Verhaltensweisen sowie in ihren musischen und praktischen Fähigkeiten gleichermaßen umfassend zu fördern (S. 7).

Als Erziehungsziele werden unter anderen genannt: „Einübung christlicher Verhaltensnormen wie Wahrhaftigkeit, Selbstdisziplin, Treue, Geduld, Ausdauer, Vergebungsbereitschaft, Hilfsbereitschaft, […], Dankbarkeit und Freigebigkeit“ (S. 8).

Diese Ziele werden von den Lehrern und vielen Eltern geteilt. Die Erwartungen gehen hier in Richtung einer Schule, die Institution für solide, an der Bibel orientierte Bildung und gleichzeitig in gewisser Weise Schutzraum ist und die zum Glauben an Jesus Christus einlädt.

Von Schulbehörden

Schulministerium, Bezirksregierung und Schulamt setzen in ihren Erwartungen natürlich andere Schwerpunkte. Das schlägt sich z. B. nieder im Richtlinienvorspann zu den Lehrplänen aller Fächer für die Sekundarstufe I an den Gesamtschulen in Nordrhein-Westfalen:

Leitendes Ziel der Erziehung in der Gesamtschule ist es, junge Menschen zur Selbständigkeit und zum friedlichen Miteinander in einer demokratischen Gesellschaft zu erziehen. Es gilt, vor allem ihre Fähigkeit und Bereitschaft zu entwickeln und zu festigen, mit Menschen unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlicher Bildung und unterschiedlicher Interessen rücksichtsvoll zusammen zu leben.1

Durch ihre Arbeit […] sollen die Schülerinnen und Schüler die erforderlichen Kenntnisse, Methoden, Arbeits- und Darstellungsweisen erwerben, um sich die Welt erschließen, von sich aus Erkenntnisse gewinnen und ihr Leben gestalten zu können (S. 12).

Die Auseinandersetzung mit Weltdeutungs- und Glaubensfragen hat für die Selbstfindung der Heranwachsenden einen hohen Stellenwert (S. 14).

Primär ist hier die Verantwortung in einer demokratischen Gesellschaft; die genannten Ziele lassen sich als einzelne überwiegend unterschreiben (z. B. rücksichtsvolles Zusammenleben). Eine verbindliche Haltung bezüglich Weltdeutung und Glauben wird weder vorausgesetzt noch angestrebt. Auch die Denkschrift der Kommission „Zukunft der Bildung – Schule der Zukunft“ des Landes Nordrhein-Westfalen von 1995 verdeutlicht, dass ein wie auch immer gearteter Absolutheitsanspruch einer „Weltdeutung“, z. B. des Wortes Gottes, nicht für möglich gehalten wird:

Der Schule fällt im Unterricht aller Fächer die Aufgabe zu, gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen Möglichkeiten der Orientierung in der gerade wegen der Pluralität der Sinnangebote ‚wertunsicheren Gesellschaft‘ zu finden (S. 104f.).

Aufgabe und Chance christlicher Schule liegen darin, den ihnen gewährten Freiraum zu nutzen

Aufgabe und Chance christlicher Schule liegen nun darin, den ihnen gewährten Freiraum zu nutzen und bei aller gebotenen Behutsamkeit in der Art und Weise zu vermitteln, dass Jesus Christus der Weg, die Wahrheit und das Leben ist, ohne das ganze Spektrum schulischer Bildung zu vernachlässigen. Francis Schaeffer sagt dazu, allerdings im Hinblick auf amerikanische Schulen (1982):

It [i.e. the Christian school] should certainly teach the students how to read and write and how to do mathematics better than most public schools enjoy today. It should do that but it should also appreciate and teach the full scope of human learning. Christian education is indeed knowing the Bible, of course it is, but Christian education should also deal with all human knowledge […] presenting it in a framework of truth, rooted in the Creator’s existence, and in his creation.2

Von Eltern

Die Hintergründe der Elternhäuser sind sehr unterschiedlich: Christlich und nicht christlich, bei ersteren liegen ganz unterschiedliche historische, kulturelle und gemeindliche Prägungen vor. Die Motivation für die Anmeldung von Kindern variiert daher auch stark, Hauptbeweggründe sind bei vielen der Wunsch nach einem Schutzraum für die Kinder, bei anderen der nach konzentriertem, gutem Unterricht und wieder anderen der nach ausgeprägter Disziplin.

Die Heterogenität der Elternschaft führt zu sehr unterschiedlichen Erwartungen in Bezug auf die „Christlichkeit“ der Schule (z. B. äußere Formen), auf Mitarbeit, Unterrichtsinhalte, Erziehungsstil usw.

Eine große Mehrheit der Eltern erwartet Kompetenz und Kommunikationsbereitschaft der Lehrer, möglichst individuelle Betreuung und Förderung der Schüler, insbesondere eine optimale Vorbereitung auf den bestmöglichen Abschluss, einige Eltern wünschen Erziehungsberatung und einige wenige nur, in Ruhe gelassen zu werden.

Von Schülern

Die meisten Schüler wollen etwas lernen und reagieren mit unterschiedlichen Ausdrucksweisen von Enttäuschung, wenn das nicht geschieht

Die meisten Schüler wollen etwas lernen und reagieren mit unterschiedlichen Ausdrucksweisen von Enttäuschung, wenn das nicht geschieht. Sie betrachten ihre Schule aber auch als Lebens- und Kommunikationsraum und erwarten spürbare Freiräume für Gemeinschaft. Alle wünschen sich ein hohes Maß an Wertschätzung, Zuwendung, Achtung, Vertrauen, Gerechtigkeit, Souveränität und Großzügigkeit. Sie wollen Klarheit und Eindeutigkeit in der Stoffvermittlung, dabei authentische Lehrer, die sie nicht nur in ihrer Rolle, sondern als richtige Menschen erleben können. Viele Schüler unserer Schulen suchen christliche Vorbilder in ihren Lehrern, die ihnen ihren persönlichen Glauben nahe bringen und nachvollziehbar machen, sie suchen nicht bloße Vertreter von Lehrmeinungen und Richtungen. Ja, und natürlich wünschen die meisten Schüler Abwechslung und Spaß.

Von Lehrern

Unsere Lehrer möchten an der Schule ihren Glauben leben, sie wünschen sich gute äußere Bedingungen für einen erfolgreichen Fachunterricht, sie wünschen Wertschätzung und Vertrauen durch Träger, Schulleitung, Eltern und Schüler. Sie erwarten Transparenz in allen sie betreffenden Entscheidungen, Freiräume für Erziehung, Förderung und eine deutliche berufliche Perspektive.

Alle, die in der Schularbeit im engeren Sinne stehen, suchen, wie wir sahen, Wertschätzung und Förderung. Gerade darin liegt die große Chance christlicher Schule. Christlicher Glaube gründet sich auf Wertschätzung; ich weiß, Gott schätzt mich, er liebt mich, er hat mich angenommen. Gerade an uns Christen ergeht der Aufruf, einander anzunehmen und den Nächsten zu lieben.

Die Bereitschaft, auf die unterschiedlichen Erwartungen einzugehen, muss groß sein, und sie ist es in der Regel. Wir sind dankbar, dass uns dort, wo die Motive und Zielsetzungen von Schulträger und staatlichen Behörden auseinander gehen, als christlicher Schule ein großer Freiraum zugestanden wird, solange unsere Abschlüsse denen öffentlicher Schulen qualitativ mindestens gleichwertig sind.

Nicht allen Erwartungen von Eltern, Schülern und Lehrern kann andererseits entsprochen werden. Wo unterschiedliche Gemeindetradition und unterschiedliche persönliche Glaubensprägung betroffen ist (im Hinblick auf Formen, Inhalte, Methoden und Sprache), sind viel Rücksichtnahme, viel Gespräch, Verständnis und Feingefühl nötig.

Wichtig ist, bei Differenzen immer auf die Bibel selbst zurückzugreifen

Wichtig ist, bei Differenzen immer auf die Bibel selbst zurückzugreifen, dennoch bleiben Unterschiede in Sichtweisen, die Souveränität und Vertrauen im Miteinander erfordern – vor allem bei Lehrern und Eltern. (Um hier mögliche Barrieren abzubauen und um gegenseitiges Verständnis zu erleichtern, haben wir an der Georg-Müller-Schule regelmäßige Hausbesuche durch die Klassenlehrer eingeführt: Innerhalb von zwei Schuljahren besucht jeder Klassenlehrer jedes Elternhaus von Schülern seiner Klasse mindestens einmal.)

Unterricht

Was sind nun charakteristische Merkmale des Unterrichts an unseren christlichen Schulen? Ein Blick auf einen Stundenplan lässt erkennen, dass dieser Plan zunächst einmal öffentlichen Vorgaben hinsichtlich des Fächerkanons und der jeweiligen Wochenstundenzahl folgt. Folgende Fächer werden in der Sekundarstufe I unterrichtet bzw. angeboten: Fremdsprachen (bei uns Englisch, Französisch, Latein, Spanisch), Deutsch, Mathematik, Naturwissenschaften (Biologie, Physik, Chemie, z. T. integriert), gesellschaftswissenschaftliche Fächer (Erdkunde, Geschichte, Politik), Religion, Informatik, Sport, Kunst, Musik und Arbeitslehre (Wirtschaft, Hauswirtschaft, Technik).

Darüber hinaus werden Arbeitsgemeinschaften und Förderunterricht angeboten. Das Fächerangebot der gymnasialen Oberstufe entspricht ebenfalls ganz den Vorgaben für die Oberstufe an öffentlichen Gymnasien und Gesamtschulen.

Auch die Unterrichtsinhalte und die verwendeten Methoden entsprechen im Wesentlichen diesen Vorgaben.

Ein Beispiel

Englischunterricht, Klasse 7, Texteinführung „The Boy with Green Hair“: Ein Mädchen ist nach London gezogen und von der unruhigen Umgebung verunsichert. Sie trifft an einem der Kanäle einen grünhaarigen Straßenmusiker, vor dem sie sich spontan fürchtet, der sich aber als verständnisvoll und hilfsbereit erweist.

Wir haben im Unterricht vorher darüber gesprochen, welchen ungewöhnlich aussehenden Personen wir schon einmal begegnet sind und wie wir uns dabei gefühlt haben. Entsprechende Wörter („Vokabeln“) haben an der Tafel gestanden und sind bereits verwendet worden. Für den neuen Text führe ich zu Stundenbeginn einige neue unbekannte Wörter ein, dann spiele ich den Text von einer CD ab, während die Schüler in ihren Büchern mitlesen. Um sicher zu stellen, dass die Geschichte verstanden worden ist, kann ich verschiedene Verfahren einsetzen, z. B.:

Ich stelle Fragen zum Globalverständnis, oder die Schüler tun das, oder wir verwenden entsprechende Übungen aus dem Lehrbuch usw. An irgendeiner Stelle des Unterrichts kann das Vorlesen des Textes geübt werden, sicher werden, u.a. zur Festigung der Sprechkompetenz, auch Dialoge szenisch geübt (z. B. das Mädchen berichtet ihren Eltern), und – wichtig! – die Frage, ob das Mädchen richtig gehandelt hat, indem sie sich als Vierzehnjährige allein auf ein Gespräch mit einem ihr unbekannten Straßenmusiker eingelassen hat, wird erörtert werden. Hier spätestens wird der Unterricht persönlich und Personen bezogen, und Lehrer und, soweit zutreffend, Schüler äußern sich als Christen.

Aufbau und Gliederung des Unterrichts entsprechen im Wesentlichen denen in öffentlichen Schulen

Aufbau und Gliederung des Unterrichts entsprechen im Wesentlichen denen in öffentlichen Schulen. Trotzdem kann es bedeutende Abweichungen geben. An der Georg-Müller-Schule haben wir uns z. B. dafür entschieden, der Tatsache, dass Gott Menschen mit unterschiedlicher Begabung ausstattet, dadurch Rechnung zu tragen, dass wir stärker, als öffentliche Gesamtschulen es in aller Regel tun, durch Kleingruppen und durch eine begabungs- und leistungsorientierte Profilbildung in der Mittelstufe differenzieren.

Vor allem aber bei den Lerninhalten werden bei näherem Hinsehen eine ganze Reihe Besonderheiten deutlich, die ihre Grundlagen in dem christlichen Rahmen der Schule haben.

Beispiel Literaturunterricht

Zum Umgang mit Literatur führt das Konzept der Georg-Müller-Schulen aus:

In der Auseinandersetzung mit weltanschaulichen Strömungen werden uns in literarischen Texten Haltungen begegnen, die Gott nicht in Betracht ziehen oder die ihn ablehnen. Insofern spiegeln solche Texte die Realität unserer Lebensumwelt wider, und eine Kenntnisnahme dieser Haltungen sowie eine aufrichtige, sachgemäße Auseinandersetzung mit ihnen vor dem Hintergrund biblischer Lehre ermöglicht den jungen Menschen eine Bewältigung realer Situationen ihres Alltags (S. 14).

Unsere Überzeugung, dass Gottes Wort wahr und verbindlich ist, führt uns also nicht dazu, Texte und andere Unterrichtsgegenstände, die andere Positionen vertreten, aus dem Unterricht herauszuhalten, sondern uns auf der Basis unseres Glaubens damit auseinander zu setzen. Natürlich geschieht das altersgemäß. Ein Deutsch-Lesebuch für Klasse 5, das mit fünfzehn Seiten Textauszügen von Michael Ende beginnt, haben wir aus eben diesem Grund nicht eingeführt (auch um Schüler und Eltern nicht zu einem Zeitpunkt zu verunsichern, zu dem das Gespräch miteinander noch nicht richtig begonnen haben kann). In höheren Klassen stehen dann aber je nach Fach Goethe, Saint-Exupéry, Huxley und andere Autoren zur Diskussion. (Nicht übersehen werden sollte Literatur, die eine christliche Sicht unterstützt, z. B. Goldings Herr der Fliegen.)

Christliche Schule muss diese Ideologien bloßstellen; darum ist nicht Verdrängung, sondern eine Auseinandersetzung mit ihnen nötig

Soll christliche Schule sich mit Ideologien befassen, die der christlichen Lehre widersprechen? Der Kolosserbrief warnt davor, Opfer solcher „Philosophien“ zu werden (2,8). Wir alle, insbesondere unsere Schüler, sind überall solchen weltlichen Ideologien ausgesetzt, zum großen Teil ohne sich/uns dessen bewusst zu sein. Christliche Schule muss diese Ideologien bloßstellen; darum ist nicht Verdrängung, sondern eine Auseinandersetzung mit ihnen nötig.

Beispiel Religionsunterricht

Im Mittelpunkt unseres Religionsunterrichts stehen Bibelorientierung und systematische Bibelkunde. Die Bibel wird vorgestellt als Gottes Wort.

Konstituierend für einen guten Religionsunterricht scheint mir auch eine systematische Vermittlung von Kirchengeschichte zu sein als der Geschichte Gottes mit seiner Gemeinde; Gottes Wundertaten und menschliches Versagen werden dabei (wie in Psalm 78) gleichermaßen deutlich. Das Kennenlernen anderer Religionen dient dem Verstehen, das im Übrigen Voraussetzung für fruchtbares Zusammenleben im Allgemeinen und persönliches Evangelisieren im Besonderen ist.

Beispiel Naturwissenschaften

Gott ist Schöpfer. Vor diesem Hintergrund vermitteln wir auch die Evolutionstheorie als das heute gängige Erklärungsmodell, das es zu kennen gilt.

Diese drei Beispiele mögen genügen. Nach der unmittelbaren Aufbauphase wird jede christliche Schule das christliche framework, von dem Schaeffer spricht (s. o.), d.h. das christliche Profil in Unterrichtsorganisation, Lerninhalten und Unterrichtsmethoden, ausformulieren, systematisieren und verbindlich machen. Einige Schulen haben dabei schon Vorbildliches geleistet. Ziel ist, „jeden Gedanken gefangen zu nehmen unter den Gehorsam des Christus“ (2Kor 10,5).

Ich möchte nicht die Schwierigkeiten verschweigen, die sich auch oder gerade im Unterricht an christlichen Schulen auftun. Zum einen bereitet die Unterschiedlichkeit gemeindlicher Prägungen zuweilen Probleme. Ich selbst genieße die christliche Vielfalt an unserer Schule und staune, wie bereichernd und Horizont erweiternd die so unterschiedliche Prägung von Kollegen, Eltern und Schülern sein kann und wie viel ich von anderen Christen in der Schule lernen kann. Aber diese Vielfalt führt auch zu Differenzen. Trotz behutsamer Vermittlung, trotz Elterninformationen, Einbettung in biblische Wertvorstellungen zur Ehe usw. bleibt Sexualkundeunterricht nicht unumstritten. Ähnliches gilt in einzelnen Fällen für Sketche und Theaterstücke und für bestimmte Musikstile. Andererseits bin ich dankbar dafür, dass gerade solche Fragen zu fruchtbaren Glaubensgesprächen mit Schülern führen. Ich hatte einer Klasse ein amerikanisches Spiritual vorgespielt, woraufhin ein Schüler meinte: „Das kann kein Christ sein, der schreit ja so!“

Darauf schloss sich ein intensives Gespräch mit der ganzen Klasse darüber an, was einen Christen ausmacht.

Vor allem aber sind es menschliche Schwächen, eigene Grenzen oder Krisen, auch Sünden, die Not bereiten

Natürlich beeinträchtigen auch gelegentliche Disziplinschwierigkeiten unseren Unterricht. Vor allem aber sind es menschliche Schwächen, eigene Grenzen oder Krisen, auch Sünden, die Not bereiten. In der Aufbauphase einer Schule ist vieles neu, da werden Fehler gemacht; Menschen sind vergesslich, sie sind Stimmungen unterworfen; viele junge Lehrer, obgleich engagiert und kreativ, müssen sich ihre eigene Souveränität und Autorität oft erst erarbeiten; älteren fehlt es manchmal an Flexibilität. Fehleinschätzungen gibt es auch durch Träger und Schulleitung.

All das erfordert einen Umgang in Sanftmut, Liebe und Vergebungsbereitschaft. Eigene Erwartungen müssen immer wieder zurückgestellt werden. Dass das geht, habe ich in keiner Schule so erlebt wie in der christlichen.

Um solche und andere Schwierigkeiten zu vermeiden, um unsere Kompetenz als christliche Lehrer und Erzieher zu erweitern, nehmen wir Lehrer regelmäßig an fachlichen und pädagogischen Fortbildungsveranstaltungen öffentlicher Träger als auch an geistlichen Fortbildungsveranstaltungen teil. Der Schulträger lädt einmal im Jahr zu einer zweitägigen geistlichen Fortbildung mit christlichen Fachleuten, Seelsorgern usw. ein (Thema in diesem Jahr: „Kinder stark machen“; außerdem für die Mitglieder der Schulleitungen: „Qualitätsmanagement“). Auf Initiative der Lehrerkonferenz organisierte die Schulleitung schulinterne Fortbildungen zu den Themen „Gesprächsführung“, „Umgang mit ADS (Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom)“, „Andachten gestalten“ u. a.

Zu den Aufgaben unserer (wie aller) Lehrer gehört es, Schüler zu beraten. Besondere Beratungsbereiche sind neben der Schullaufbahn- und der Berufsberatung (die auch von Vertretern des Arbeitsamtes übernommen wird) Beratung bei zwischenmenschlichen Konflikten innerhalb und außerhalb der Schule, bei Streit, Angst, Umgang mit Fehlverhalten und Sünde, Mutlosigkeit, Glaubenszweifel u. a. Zur Unterstützung der Lehrer bei dieser Aufgabe haben wir einen Kollegen ermutigt, sich als Beratungslehrer und als Seelsorger ausbilden zu lassen. Ihm zur Seite tritt ab diesem Schuljahr ein Sozialpädagoge, der keine unterrichtliche Aufgabe innehat und darum ständig in akuten Fällen zu Verfügung steht und gleichzeitig eine Vielzahl von möglicherweise „therapeutischen“ Angeboten – vom Schülercafé bis zu handwerklichen Arbeitsgemeinschaften – systematisch aufbauen kann.

Schulgemeinschaft

Schulgemeinschaft an christlicher Schule wird vom Glauben der Lehrer, der Eltern und der gläubigen Schüler geprägt. Äußerlich lässt sich die christliche Ausprägung der Gemeinschaft zunächst an einigen regelmäßigen Terminen im Tagesablauf ablesen:

  • Der Schultag beginnt mit einer Andacht aller Lehrkräfte, die in der ersten Stunde Unterricht geben. An der Georg-Müller-Schule treffen wir uns um 7.35 Uhr im Lehrerzimmer, lesen einen Abschnitt aus einem Bibelbuch (fortlaufend), eine kurze Auslegung dazu und tauschen uns dann darüber aus. Das Gespräch ist oft geprägt von persönlichen Beiträgen, manchmal von individuellen Perspektiven, häufig von einem konkreten Bezug zu unserem Schulalltag. Wir schließen es mit einer Gebetsgemeinschaft ab.
  • Auch für die Schüler beginnt der Schultag mit einer kurzen Andacht zu Beginn der ersten Stunde. Die Lehrer gestalten sie unterschiedlich; ein Bibelvers wird ausgelegt oder eine Geschichte vorgelesen oder ein Lied gesungen oder der Brief eines Missionars gelesen, manchmal wird über ein aktuelles Ereignis gesprochen. Meist versuchen wir, die Jungen und Mädchen einzubeziehen, ein Gespräch entstehen zu lassen, manchmal gestalten auch sie selbst eine Andacht. Immer schließt ein Gebet die Andacht ab.
  • In vielen Schulen gibt es regelmäßige Andachten oder Gottesdienste in der Aula.
  • Die letzte Unterrichtsstunde jeden Tages beschließen wir mit einem Gebet.

Mehrere Male im Jahr laden wir zu besonderen Veranstaltungen ein, teilweise mit evangelistischer Ausrichtung.

Innerhalb der letzten Monate waren Werner Gitt, Elisabeth Elliot und Fritz Pawelzik an unserer Schule.

Es ist wichtig, dass wir unsere Arbeit als Gottesdienst sehen

Es ist so wichtig, dass wir Lehrer für unsere Kinder beten, einzeln und in der Gemeinschaft, aber auch füreinander, für den Träger, für neue Lehrkräfte, für Hilfe in konkreten Schwierigkeiten, dass wir Gott danken für Erfolge, für Zuwendungen, für Ermutigungen, dass wir alles aus Gottes Hand nehmen. Deshalb ist es wichtig, dass die tägliche Andacht nicht zur Routine wird. Es ist so wichtig, dass wir unsere Arbeit als Gottesdienst sehen. Das ist die große Chance christlicher Schule! Insofern geschieht das Wesentliche nicht unbedingt im Fachunterricht, in der Vermittlung oder Nichtvermittlung bestimmter Inhalte, sondern durch die von Gott abhängige Haltung aller Christen an der Schule.

Was christliche Schulen brauchen, sind Lehrer, die in einer Beziehung zu Jesus Christus leben, die im Gebet ihre Schüler vor Gott tragen, die die Grundzüge der christlichen Lehre gut kennen und sie kind- und jugendlichengemäß weitersagen können und die möchten, dass ihre Schüler errettet werden. Sie laden ausdrücklich zum Glauben ein.

Diese Lehrer sollten sich nicht scheuen, die christliche Botschaft in ihren Fächern zur Geltung kommen zu lassen, wo dies auf natürliche Weise geschehen kann. Sie sollten Klarheit und Mut auch bei der Benennung von Sünden haben und nicht grundsätzlich Gottes Gericht verschweigen. Das bedeutet auch: Grenzen setzen, Nein sagen, konsequente Maßnahmen ergreifen, wenn Regeln verletzt wurden, und: vergeben.

Wie “übersetze” ich Begriffe wie Heil, Buße, Dienst in ein Deutsch, das unsere Computerkids verstehen?

Wir sind Gott dankbar, dass christliche Schulen viele solche Lehrerinnen und Lehrer haben. Aber auch sie brauchen Begleitung im Gebet und durch ganz konkrete Hilfe auch für die Vermittlung christlicher Inhalte. Wie vermittle ich Gottes Heil einem Siebenjährigen, wie einem Vierzehnjährigen? Wie „übersetze“ ich Begriffe wie Heil, Buße, Dienst in ein Deutsch, das unsere Computerkids verstehen? Wie gelingt es mir überhaupt, die Welt, in der unsere Schüler leben – ihre Subkultur(en) – zu erschließen, damit ich sie verstehen und verständlich begleiten kann? Dazu brauchen wir neben kompetenter Fortbildung (s. o.) eine nie erlahmende Anteilnahme an der Welt unserer Jungen und Mädchen.

Ganz wesentlich für jede Schule, für christliche besonders, für jeden Unterricht und jede Beziehung ist Zeit oder Muße. Unterricht braucht Zeit zum Begreifen, zum Erproben, zum Diskutieren, zum Nachfragen. Beziehungen verlangen Zeit zum Gespräch, für Verständnis, zum Gebet. Dabei treten uns zwei strukturelle Schwierigkeiten entgegen: Erstens verhindert das Fachlehrerprinzip der weiterführenden Schulen oft die Muße, die für eine Beratung, eine Ermutigung, einen Trost nötig ist. Pausen sind zu kurz, nach dem Unterricht wartet eine Konferenz.

Zweitens: Viel Sensibilität verlangt zudem die Doppelrolle des Lehrers – auch an christlichen Schulen. Lehrer sind (das wünschen wir) Einladende, Seelsorger, Betreuer; andererseits prüfen und beurteilen sie, sie vergeben und verweigern Chancen und sind und bleiben auch als Christen Menschen, die sichtbar und spürbar Fehler machen. Hier wird deutlich, wie wichtig gerade an christlichen Schulen die liebevolle, offene Hinwendung zum einzelnen Schüler ist, wenn wir Gottes Einladung und Zuwendung nicht trüben wollen. Es muss deutlich werden, dass Kritik an einem Lernergebnis oder einem Lernverhalten nicht Kritik an der Person als solcher ist.

Außenbeziehungen

Zur Arbeitsweise christlicher Schule gehört neben den grundlegenden Kontakten zu christlichen Gemeinden auch die Pflege sinnvoller Beziehungen zu anderen Institutionen und zur Öffentlichkeit allgemein. Wir nehmen an Wettbewerben und Sportveranstaltungen teil, arbeiten mit dem Arbeitsamt und der Polizei zusammen, nehmen an Fortbildungsveranstaltungen auch öffentlicher Träger teil, als Schulleitung an regionalen und überregionalen Konferenzen und Dienstbesprechungen auf Schulleitungsebene mit dem Ziel einer für alle fruchtbaren Zusammenarbeit. Wir präsentieren unsere Schulen in der Öffentlichkeit. Wir ermöglichen damit Vertrauen zu unseren Schulen und bauen Vorurteile oder Berührungsängste ab. Dass wir außerdem die Möglichkeit der Zusammenarbeit in der Arbeitsgemeinschaft evangelischer Bekenntnisschulen haben, nehmen wir dankbar an.


  1. S. 11, Ausgabe für das Fach Englisch. 

  2. Priorities 1982, zitiert aus dem Internet.