Offenbar durch die anhaltende Diskussion in der deutschen evangelikalen Bewegung angeregt, hat sich die Deutsche Evangelische Allianz (DEA) entschlossen, einen neuen Versuch zu starten, eine Antwort auf die Frage zu finden „Was heißt eigentlich bibeltreu?“. Im jüngsten Heft ihrer Zeitschrift EINS (2/2005) finden sich dazu Beiträge von Ulrich Betz, Wilhelm Faix und Rolf Hille.
Der von U. Betz verfasste Artikel fordert als „theologischer Leit-Artikel“ auf, „dass sich viele mit den Inhalten auseinander setzen“ (6). Dieser Aufforderung will ich gerne nachkommen. Es ist erfreulich, dass U. Betz versucht, darzulegen, wie die Heilige Schrift Norm für Glauben, Leben und Lehre sein kann. Mutig und treffend ist seine traurige Feststellung, wie weit die evangelikale Bewegung in Deutschland von Bibeltreue entfernt ist. Abgesehen davon fallen vor allem drei Mängel auf, die zeigen, dass die Aussagen von U. Betz ungeeignet sind, zur Bibeltreue hinzuleiten. Denn der Artikel ist (1) widersprüchlich in seinen Aussagen über gelehrte und gelebte Bibeltreue. Ihm fehlt (2) Klarheit, wenn es um ein bibeltreues Inspirationsverständnis geht. Und er unterliegt (3) dem Irrtum, der Verweis auf die Wirkung der Bibel beim Menschen reiche aus, ein bibeltreues Schriftverständnis zu bestimmen.
1. Widersprüche
A. Es bleibt bis zum Schluss des Artikels widersprüchlich, warum sich Ulrich Betz überhaupt an einer Antwort auf die Frage „Was heißt eigentlich bibeltreu?“ versucht. Er verdächtigt jeden Versuch doch zugleich, nur einen unnötigen „Schutzzaun“ um die Heilige Schrift aufrichten zu wollen. Ist es nun notwendig, klare Aussagen zum Schriftverständnis zu machen oder können wir „dankbar, heiter und gelassen“ darauf verzichten, weil „die Heilige Schrift durchaus in der Lage ist, sich als göttliche Kraft selber zur Wirkung zu bringen und ihre gottgegebene Würde zu wahren“ (8)?
Warum sagt Betz nicht, dass es beim Ringen um das rechte Schriftverständnis nie darum gehen kann, dass wir Gottes Wort vor kritischen Angriffen schützen? Die Antwort auf die Frage nach der Bibeltreue soll den Glaubenden helfen, dass ihr Vertrauen auf Gottes Wort nicht untergraben wird. Warum wurde denn von vielen in der evangelikalen Bewegung gegen die radikale Bibelkritik gekämpft? Doch nicht um Gott zu helfen, sondern um die Gläubigen zu ermutigen und ein klares Zeugnis in die Welt zu geben. Und aus dem gleichen Grund muss heute gegen jede gemäßigte und freundlich daher kommende Bibelkritik innerhalb der evangelikalen Bewegung argumentiert werden. Ihre Leiter haben eine Verantwortung als gute Hirten unter dem Oberhirten Jesus. Darum müssen sie Menschen zu einem solchen Bibelverständnis führen wie es Jesus hatte.
… dann müsste die Heilige Schrift auch Betz’ Lehre über die Heilige Schrift bestimmen.
B. Ulrich Betz sagt, die Heilige Schrift müsse „norma normans (normierende Norm) für Glauben, Lehre und Leben der Christen“ sein. Ja. Aber wenn er das ernst meint, dann müsste die Heilige Schrift auch seine Lehre über die Heilige Schrift bestimmen. Betz aber sieht anders als die Schrift die mündliche Überlieferung als Problem für ein Inspirationsverständnis: In die „Traditionsaufnahme“ seien bei der Weitergabe „eigene Erfahrungen eingeflossen“. Die „Überlieferungsprozesse vor und nach der Schriftwerdung“ bleiben ihm ein „göttliches Geheimnis“. Die ganze Bibel achtet das menschliche Mitwirken beim Aufschreiben des Wortes Gottes und nennt Überlieferungswege. Doch steht das an zweiter Stelle hinter der Tatsache, dass Gott selbst und sein Heiliger Geist redet.
Darf nun die Heilige Schrift die Lehre über die Heilige Schrift bestimmen oder die kritische Theologie, die mit ihren Theorien etwa zu den Überlieferungsprozessen die Vertrauenswürdigkeit des Wortes Gottes systematisch untergraben hat? Es müsste uns daran gelegen sein, so mit der Heiligen Schrift umzugehen, wie es Jesus mit dem Alten Testament tat und darüber hinaus die Apostel mit den ihnen vorliegenden Teilen des Neuen Testamentes. Wer Betz’ Hauptthese ernst nimmt, der braucht ein Schriftverständnis wie es Jesus hatte. Damit kann er zwar nicht vor der kritischen Theologie bestehen, aber sicher vor dem wahrhaftigen Gott.
C. Einmal sagt Betz, dass die Antwort darauf, wie die Normativität der Bibel begründet wird, über Auslegung und Predigt entscheidet (6). Dann aber meint er die dogmatische Definition des Bibelverständnisses sei gar nicht das Problem. Der eigentliche „Kampfplatz“ sei Auslegung und Predigt (8). Bauen Schriftverständnis und Schriftauslegung denn nicht notwendig aufeinander auf? Das aber würde doch bedeuten, dass das „traurige“, „chaotische Bild“, das Betz in der evangelikalen Bewegung in der Bibelauslegung beklagt, seinen Grund auch darin hat, dass man sich allzu oft mit schwammigen Aussagen vor einer klaren Position in Sachen Schriftverständnis drückt. Nur auf der Basis eines bibelgemäßen Schriftverständnisses kann richtig über die Auslegung einzelner Schriftstellen gerungen werden, ohne dass Spaltungen sein müssen und man sich gegenseitig ausgrenzt. Nur auf der Basis eines bibelgemäßen Schriftverständnisses gewinnt die Christenheit Vollmacht in ihrer Verkündigung. Nur auf der Basis eines bibelgemäßen Schriftverständnisses kann in einer pluralistischen Gesellschaft Bibeltreue das christliche Leben gestalten.
Resigniert stellt Betz fest, dass die evangelikale Bewegung zur Bibeltreue noch einen weiten Weg gehen muss, weil ihr das angemessene Bibelverständnis im Verbund mit angemessener Schriftauslegung fehlt (8). Es ist allerdings zu bezweifeln, dass man mit einer derart widersprüchlichen Haltung auch nur einen Schritt voran kommt. Diese Haltung scheint nämlich weniger aus der Treue zur Bibel geboren zu sein, sondern vielmehr aus der Treue zur Allianzbewegung, die in ihren Reihen schon lange historische Bibelkritik in gemäßigter Form genauso akzeptieren will wie deren völlige Ablehnung. Wenn Evangelische Allianz ein Begriff für gelehrte und gelebte Bibeltreue werden soll, dann muss sie sich meines Erachtens von dieser Widersprüchlichkeit trennen.
2. Fehlende Klarheit
Nun meint Betz, dass die Normativität der Bibel in der evangelikalen Bewegung gar nicht umstritten sei, sondern nur das Warum und Wieso der Normativität. Er will die Tragfähigkeit vorhandener Begründungen prüfen. Dabei aber zieht er die Lehre von der Inspiration der Heiligen Schrift in Zweifel, um sie durch eine unklar gefasste Inspiration der Apostel und Propheten und der heutigen Verkünder des Wortes Gottes zu ersetzen. Wohin nur will uns die DEA durch diesen Leit-Artikel leiten?
Der Aufsatz leitet zuerst weg von der „Verbalinspiration“. Das ist die Überzeugung, dass die einzelnen Wörter der Heiligen Schrift von Gott eingegeben, also inspiriert sind. Statt sich aber mit Inhalt und Bedeutung dieser Lehre auseinander zu setzen, wird sie entgegen der historischen Wahrheit verzerrt. Die Lehre von der Verbalinspiration bedeutet gerade nicht, dass geglaubt werden soll, jedes Wort der Bibel sei von den Autoren der biblischen Bücher als direktes Diktat von Gott oder dem Heiligen Geist empfangen worden. Das ist eine platte Verzeichnung der Lehre, die nur das eine Ziel hat, sie ablehnen zu können. Wahrscheinlich hat Betz nicht bemerkt, dass er sich damit auch gegen Rolf Hille wendet, den Vorsitzenden der theologischen Kommission der weltweiten Evangelischen Allianz.
Der vertritt nämlich, dass Gott im Sinne der Verbalinspiration „auch in der schriftlichen Formulierung der Offenbarungsinhalte, ihrer Sammlung, Überlieferung bis hin zu der Übersetzung aramäischer Texte ins Griechische“ gehandelt hat.1 Das wird auch zu allermeist unter Verbalinspiration verstanden und nicht Betz’ Zerrbild. Dies aber hilft ihm auch, die Irrtumslosigkeit der Heiligen Schrift mit einem Federstrich zu verwerfen. Verbalinspiration scheitere daran, dass es keine Originalschriften mehr gebe, sondern nur noch unterschiedliche Abschriften und dass wir nur durch Übersetzungen Zugang zum Wort Gottes haben.
Welchen erheblichen Unterschied es macht, ob man damit auch Fehler und Irrtümer in den Originalschriften annimmt, wird ebenso übergangen wie die Tatsache, dass es trotz Abschriften und Übersetzungen nur wenige gewichtige Abweichungen gibt. Es entsteht der Eindruck, als hätten wir es mit einem willkürlichen Text zu tun, von dem wir nicht wissen können, wieviel Ähnlichkeit der noch mit dem ursprünglichen hat. Das ist nicht nur eine Entstellung der historischen Wahrheit, sondern raubt einer Schriftlehre die Grundlage.
Können wir uns in einer so
wichtigen Frage wie der
Bibeltreue so viel Unklarheiten, unscharfe Aussagen, Verzerrung von historischer Wahrheit leisten?
Damit man sich nun nicht auf die sogenannte „Realinspiration“ berufen kann, geht Betz auch gegen sie vor. Er tut das allerdings in einer Form, in der unklar bleibt, ob er den Begriff genauso versteht, wie er allgemein definiert wird. Meist versteht man nämlich die Behauptung darunter, dass es eine inspirierte Heilige Schrift in der nicht inspirierten Bibel gebe. Es gebe göttliche Inhalte, aber nicht die Bibel als Ganze sei inspiriert.
Es scheint so, als wolle Betz diese Sicht (wieder entgegen den historischen Tatsachen) bei den Vätern der Lausanner Erklärung wiederfinden. Sie erklärten die Heilige Schrift sei „ohne Irrtum in allem, was sie verkündigt (in all what it affirms)“, aber meinten damit alle positiven Aussagen der Schrift und gerade nicht nur die Aussagen „von Gott und vom Menschen“ (7).
Vielleicht meint Betz mit Realinspiration aber auch die Inspiration aller Aussageinhalte der Bibel in Abgrenzung zur Inspiration des Wortlautes. Da er sich aber auch hiervon distanzieren will, schadet es vielleicht nicht, wenn die Unklarheit bleibt. Nur ist seine Distanzierung ebenso unklar. Wenn er bemängelt, dass sich die biblischen Aussagen über die Inspiration der Heiligen Schrift nur auf das Alte Testament beziehen, dann ist seine Auswahl an Stellen nur schwach (2Tim 3,16 und 2Petr 1,21).
Aber die Stellen führen ihn auch nicht dazu, wenigstens die Aussagen des Alten Testamentes in ihren Inhalten als von Gott gegeben anzusehen. Die Inspiration der Inhalte scheint ihm darüber hinaus auch durch die Überlieferungsprozesse in Frage gestellt.
Können wir uns denn in einer so wichtigen Frage wie der Bibeltreue so viel Unklarheiten, unscharfe Aussagen, Verzerrung von historischer Wahrheit leisten? Es wird doch damit immer und immer wieder eine Botschaft vermittelt: „Das mit der Heiligen Schrift ist alles sehr kompliziert. Irgendwie kann man nicht sagen, warum man sie als Norm für sein Denken und Handeln haben sollte. Richtig verstehen kann man sie wahrscheinlich auch nicht. Und im Übrigen weiß keiner so genau, ob das, was da steht, wirklich das ist, was Gott sagen wollte“.
Genau die gegenteilige Botschaft braucht die christliche Gemeinde und die Welt, die auf sie schaut: Die Heilige Schrift ist klar und zuverlässig. Der dort spricht, lügt nicht und irrt sich nicht. Er hat dafür gesorgt, dass sogar die Wörter und noch mehr die Inhalte zuverlässig weitergegeben wurden. Das sagt die Bibel auch von sich selbst. Darum kann und muss jeder Mensch sein Leben auf die Schrift Gottes bauen, weil sie Wort von Gott ist. Betz aber bewirkt, was „eine bibelgemäße Inspirationslehre unter allen Umständen vermeiden muss: die Verunsicherung über den gottgegebenen Inhalt der Bibel“.2 Und das wird auch nicht besser durch den scheinbaren Ausweg, den er zeigt.
3. Irrtum
Und was bleibt bei dieser Infragestellung? Im Nebel der Unklarheiten taucht ein Leuchtfeuer auf, das sich als gefährliches Irrlicht entpuppt. Die Bibel sei Heilige Schrift, weil sie wirkt. Das gelinge ihr durch den Heiligen Geist in den Menschen, die die Bibel in der Verkündigung benutzen. Durch die Geistausgießung sind Menschen „Botschafter, Beauftragte, Bevollmächtige des ewigen Wortes, um Gottes Verheißungen und Gerichte in ihrer Zeit zu offenbaren und zur Wirkung zu bringen – in der Kraft des Heiligen Geistes“ (7).
So werde die lebendige Stimme des Evangeliums laut und bewirke Ablehnung oder Bejahung. Das gleiche Prinzip sei schon für die Bildung des Neuen Testamentes entscheidend gewesen. In der Kirchengeschichte sei nicht gefragt worden, ob die jeweilige Schrift inspiriert war, sondern ob sie von einem inspirierten Apostel stamme. Kanon, Inspiration, Autorität der Heiligen Schrift alles führt Betz auf das Prinzip zurück, dass die Heilige Schrift durch inspirierte Menschen wirkt. Damit vertritt er eine erweiterte Form einer „Personalinspirationslehre“, bei der behauptet wird, dass nicht die Schrift, sondern nur ihre Autoren inspiriert sind.
Im Nebel der Unklarheiten taucht ein Leuchtfeuer auf, das sich als gefährliches Irrlicht entpuppt: Die Bibel sei Heilige Schrift, weil sie wirkt.
Die historische Beschreibung von Bibeltreue bis etwa zur Aufklärung hat nie spitzfindig zwischen der Inspiration der Bibel und ihrer Autoren unterschieden. Natürlich waren sie vom heiligen Geist geleitet und haben so geisterfülltes Wort Gottes aufgeschrieben. Es bestand kein Zweifel, dass sämtliche Inhalte von Gott gewollt sind und bis in die Wortwahl hinein von Gott gelenkt, ohne dass die schreibenden Personen ausgeschaltet waren. Auch war man der Überzeugung, dass zum rechten Verständnis der Heilige Geist beim Leser oder Hörer wirken müsse. Betz’ Standpunkt aber ist nur eine Rückzugsstellung vor den Angriffen der Bibelkritik. Wer sich davor scheut, zur Definition des Schriftverständnisses Aussagen über die Qualität der Heiligen Schrift zu machen, der macht damit auch eine Aussage. Nämlich die, dass er den Aussagen der Bibel über ihre Qualität misstraut. Das ändert sich auch nicht, wenn man sich – wie H. Hempelmann – jede positive und negative Aussagen über die Heilige Schrift in einer Hermeneutik der Demut verbietet: Man wolle sich nicht hochmütig über die Schrift stellen. Wenn aber doch zahlreiche Bibelaussagen die Vertrauenswürdigkeit des Wortes Gottes in seiner Qualität als Wort aus dem Mund des wahren Gottes bezeugen. Warum sollten wir diesen Aussagen nicht vertrauen? Und wenn wir sie für zweifelhaft halten, warum sollten wir dann den Bibelstellen über die Wirksamkeit des Wortes vertrauen, auf die sich Betz beruft?
Am Ende dieses Denkens „ist der Mensch allein auf dem Platz geblieben: er allein ist das Subjekt, die Heilige Schrift ist sein Prädikat geworden“.
Es ist längst erwiesen, dass sich mit der von U. Betz vertretenen Inspirationslehre kein bibelgemäßes Schriftverständnis begründen lässt.3 Nicht nur gemäßigte, sondern auch radikale Bibelkritik lassen sich problemlos damit verbinden. Was aber noch mehr Anfragen aufwirft, ist die Behauptung, dass heute erst der inspirierte Verkündiger das Wort Gottes zur Wirkung bringen muss, weil konsequenterweise auch die Wirkkraft keine Qualität des Wortes selber ist. Damit muss der inspirierte Mensch nur noch sich selbst treu bleiben. Das Wort Bibeltreue verliert seine Bedeutung. Am Ende dieses Denkens „ist der Mensch allein auf dem Platz geblieben: er allein ist das Subjekt, die Heilige Schrift ist sein Prädikat geworden“.4
Nun bestreitet niemand, der bibeltreu sein will, dass Gottes Wort wirkt. Aber lässt sich damit die Frage beantworten „Was heißt eigentlich bibeltreu?“.
Lautet die Antwort nun: Bibeltreu ist, wer an eine Wirkung der Bibel glaubt oder sie erlebt hat? Oder ist man erst bibeltreu, wenn man die Bibel mit dem Heiligen Geist zur Wirkung bringt? Das alles krankt nicht nur daran, dass das Erleben des Menschen zum Maßstab wird. Es bleibt auch die Antwort schuldig, wenn wir wissen wollen, was man sich unter den Wirkungen des Wortes vorzustellen hat. Was heißt schon Ablehnung oder Bejahung? Ist Bejahung bereits, dass man sich irgendwie zu Gott hingezogen fühlt oder meint Bejahung, dass ich jede Aussage der Heiligen Schrift als wahr und irrtumslos glaube? Nach der Bibel müsste Bejahung bedeuten, dass ein Mensch anfängt an Jesus Christus zu glauben und zwar genauso wie ihn die Heilige Schrift von Mose über die Propheten bis zu den Aposteln bezeugt. Wie auch immer Betz es sieht: es ist jedenfalls ein Irrtum, zu meinen, dass sich ein bibeltreues Schriftverständnis formulieren lässt, wenn man Aussagen über die Qualität der Schrift meidet und diese durch Aussagen über die Menschen ersetzt.
Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass die Deutsche Evangelische Allianz die evangelikale Bewegung auf dem von Ulrich Betz vorgeschlagenen Weg zur Bibeltreue führen will.
Auch die beiden anderen Artikel geben keine klare Wegweisung:
W. Faix verspricht „Leitsätze zur Ausbildung an bibeltreuen Ausbildungsstätten“, rechtfertigt aber nur das Kompromissvotum der Konferenz bibeltreuer Ausbildungsstätten von 2003. Ist das schon eine Folge des Kompromisses, dass keine klaren Leitsätze mehr formuliert werden? Das wäre bedauerlich, denn das Bibelverständnis ist doch die entscheidende Grundlage für jede biblisch-theologische Ausbildung.
R. Hille legt zurecht dar, dass ein Fundamentalismus in der Bibelfrage nicht mit politischem Fundamentalismus gleichgesetzt werden darf und sieht den Platz der Vertreter der Irrtumslosigkeit auch innerhalb der Allianz. In seinem letzten Teil plädiert er aber dafür, sich mit dem Bibelbekenntnis der Glaubensbasis der DEA zu begnügen und erwartet von den Vertretern der Irrtumslosigkeit, auch „andere evangelikale Überzeugungen bei der Bibelauslegung zu respektieren“ (14). Wenn damit der Respekt vor den Menschen und Geschwistern eingefordert ist, die andere Meinungen vertreten, dann möchte ich das ohne Einschränkung unterstützen. Wenn aber ein evangelikaler Meinungspluralismus sich widersprechende Ansichten ohne das gemeinsame Ringen um die rechte Erkenntnis festgeschrieben werden soll, dann muss man dagegen einwenden, dass die Heilige Schrift Meinungsvielfalt nur an wenigen Stellen toleriert. In der Schrifthaltung kann ich das nicht erkennen.
Leider unterstellt der Artikel wiederholt, es gehe den Vertretern der Irrtumslosigkeit darum, jedes sachliche Detail der Bibel zu beweisen oder jede Frage der Wissenschaft zu beantworten. Das wäre aber eine Illusion. Richtig ist, dass sie das Vertrauen bezeugen und fördern, dass Gott uns eine in allem zuverlässige Offenbarung geschenkt hat, damit wir an seinen Sohn glauben können. Darum ist es auch eine falsche Alternative, wenn Hille für die (anderen) Evangelikalen in Anspruch nimmt, dass sie durch die „Begegnung mit Christus“ als der heilsgeschichtlichen Mitte aller Offenbarung „das Fundament ihres Glaubens und feste Orientierung für ihr Leben“ finden (14).
Es ist doch so: Wer im Stimmengewirr der falschen Christusse den wahren Christus erkennen will und keinem „anderen Evangelium“ (2Kor 11,4; Gal 1,6-9) aufsitzen möchte, der braucht eine in allem zuverlässige und mit klarer Stimme redende Heilige Schrift. Ich hoffe, dass viele Freunde der Allianz den wiederholten Einladungen des Bibelbundes folgen und sich ohne Vorurteile und ernsthaft mit dem Weg zur Bibeltreue beschäftigen, den die Chicago-Erklärung aufzeigt. Das würde eine Abkehr von jeder Form der Bibelkritik erfordern. Aber es wäre doch ein von der Bibel gestützter Weg, Gott und seinem Wort die Ehre zu geben.