ThemenEhe und Familie, Gelebte Bibeltreue

Von der Last eines Vaters, seinen Kindern die Wahrheit Gottes weiterzugeben

Gott gab uns Verantwortung, dass wir unseren Kindern seine Wahrheit weitergeben. Das erscheint in der Zeit der digitalisierten Informationsflut immer schwerer. Es ist wohl unmöglich, seine Kinder davon abzuschotten. Aber es ist möglich, ihnen zu helfen, sich im Dschungel der Nachrichten und Botschaften nicht zu verirren und ihnen zu helfen, Wahrheit und Täuschung zu unterscheiden.

Wie die Propheten des Alten Testaments trage ich eine Last mit mir herum (z.B. Nah 1,1 oder Hab 1,1). Der dreieinige Gott hat fünf heranwachsende Männer in meine Obhut gegeben. Als Vater obliegt mir die Aufgabe, wie sie Paulus für die Gemeinde der Thessalonicher formulierte: Sie andauernd einzeln zu ermahnen und zu ermutigen (1. Thess 2,11). Wie Hiob bangt mir davor, dass sie sich in ihrem Innern abwenden; diese Sorge bringe ich ins Gebet (Hiob 1,5).

Angesichts dieses täglichen Kampfes gibt es für mich drei nahe liegende Alternativen, mit der erkannten Gefahr umzugehen. Von meiner Persönlichkeit her tendiere ich dazu, verlegen wegzusehen. Ich schnappe ungewollt eine ungefilterte Aussage auf. Sie trifft mich innerlich, doch ich wende mich rasch ab. Die zweite Strategie hängt mit der ersten zusammen: Ich lenke mich ab und stürze mich beispielsweise in Arbeit. Mein Gewissen ermahnt mich. Nun bietet sich die Strategie der Selbstentschuldigung an: Was soll ich unternehmen? Meine Möglichkeiten habe ich doch ausgeschöpft.

Die Umgebung, in welche die nächste Generation hineinwächst, kann man als „neuheidnisch“ bezeichnen. Wenn ich an die Generation meiner Großeltern, geboren um 1920 in der Schweiz, denke, so war Fleiß, Selbst­beschränkung und eine lebenslange berufliche und familiäre Stabilität für sie eine Selbst­ver­ständlichkeit. Die Generation meiner Eltern, geboren um 1950, Babyboomer genannt, entledigte sich zur Zeit ihres Eintritts ins Erwachsenenalter offiziell der rigiden bürgerlichen Moral ihrer Eltern. Meiner eigenen Generation, ab den 1970er Jahren geboren, wurde das Grundgefühl des wählenden Konsumenten in die Wiege gelegt. Und meine Söhne, die nach 2000 geboren sind? Sie wachsen in eine Generation und Lebenswelt hinein, die sich der christlichen Ruinen – Gebäude, welchen der Inhalt längst abhandengekommen war – ohne Zögern entledigt hat. Wie es der englische Literaturwissenschaftler Clive Staples Lewis (1898-1963) in seiner Antrittsvorlesung in Cambridge ausdrückte:

Es gibt einen großen Unterschied zwischen der Christianisierung und der Rückkehr zum Heidentum.1

Viele Denkkategorien und Handlungen sind unbewusst der christlichen Prägung entlehnt. Das Denken wirkt noch im Untergrund nach, aber es verliert merklich seine Kraft.

Die Frage nach der Wahrheit

Die erste Frage für die nächste Generation, davon bin ich überzeugt, wird die Wahrheitsfrage sein. Wie lässt sich zur Wahrheit (zurück)finden, die über die individuelle „Konfiguration“ hinausgeht? Äußerlich herrscht trotz der Vielstimmigkeit der Antworten eine erstaunliche Einigkeit über die gelebte Strategie der Wahrheitssuche. Für den Bereich des öffentlichen Lebens werden Experten zu Rate gezogen. Sie lassen sich mühelos über die sozialen Netzwerke finden. Für den privaten Bereich bleibt der Einzelne der Kapitän seines Schicksals. Die Selbstoptimierung vollzieht sich im Stundentakt. Doch hinter dieser Doppelstrategie des Erkenntnisgewinns steckt eine große, wenn auch oft unerkannte Not. Nicht weniger als in früheren Generationen bleiben die Heranwachsenden an die Gebote ihrer Bezugsgruppe von Gleichaltrigen gebunden.

Zum aktuellen Denken gehört, dass selbst im Geschichtsunterricht das Denken von geschichtlicher Vergangenheit gereinigt werden soll, weil alles absolut relativiert wird.

Die Lehrer in Schule und Studium schneiden sie von der Vergangenheit los. Die Doktrin des „Historizismus“ lehrt: Es gibt keinen Standort, von dem aus die Vergangenheit angemessen in den Blick genommen werden kann. Jedes Argument ist unauflöslich standortgebunden. Ähnlich verhält es sich mit dem Gedanken an den Nationalstaat. Der Geschichtsunterricht wurde von den „Mythen“ der Staatsbildung und der Vergangenheit des eigenen Landes weitgehend gereinigt. Im Vordergrund steht die Geschichte der Unterdrückung einzelner Gruppen und Rassen oder der Weg zur Befreiung der Frau. Die verantwortlich wirkenden Generationen haben ganze Arbeit darin geleistet, die nächsten Generationen gedanklich von jeglicher Bindung an die Vergangenheit zu „befreien“. So können ihre Schüler auf keine übergeordneten und zusammenhängenden Begründungsmuster für ihre Lebenswelt zurückgreifen.

Die „Große Geschichte“, die wir der nächsten Generation vererbt haben, lautet: Es gibt keine große Geschichte. Es darf keine geben. Doch halt! Mit Macht hat sich in den letzten Jahren trotzdem ein neues „Meta-Narrativ“ den Weg ins öffentliche Bewusstsein gedrängt.2 Influencer der neuen Generation deuten z.B. das Leben vom Klimawandel her. Sie geißeln die Konsumenten, die achtlos das Flugzeug besteigen oder ein großes Stück Fleisch verzehren. In der Öffentlichkeit melden sich Stimmen, die dafür plädieren, auf Nachwuchs zugunsten eines verminderten CO2-Ausstoß zu verzichten.

Der Weg zu den vermeintlichen Fakten ist nur einen Klick entfernt

Das sind keine verschwörerischen Gedanken eines weltflüchtigen Vaters, der auf die Fünfzig zugeht. Ich ziehe diese Gedanken aus den täglichen Gesprächen an unserem Familientisch. Dass dieser überhaupt Bestand hat, ist das Resultat andauernden Ringens. Mein 16-Jähriger hat sich eben ein iPhone gekauft und bemerkt, dass das Gerät so konzipiert ist, dass es beständig nach seiner Aufmerksamkeit ruft. Das „Glastäfelchen“ will gestreichelt werden. Das Tor zur Welt ist permanent nur einen Klick entfernt. Von da werden Datenhappen, untermalt mit Bild und Ton, als komplexe Gefühls- und Wahrheitsangebote in die Köpfe der Jugendlichen transportiert. Die zahllosen Impulse verdichten sich über die Zeit zu einem Grundgefühl. Daraus gehen die zahlreichen großen und kleinen Entscheidungen hervor.

Die Not der Stunde besteht darin, meinen heranwachsenden Söhnen Hilfestellungen mitzugeben, um sich in diesem Meer der Impulse und kleinen Spektakel zurecht zu finden. Mein 14-Jähriger hat 25 Klassenkameraden, die sich in jeder Pause zwischen dem Unterricht mit Games abfüllen. Sie befinden sich im Klammergriff ihrer Parallelwelt. Wie kann ich meine Söhne nun anleiten, sodass sie Unter­schei­dungsvermögen entwickeln?

Es geht zunächst um die Fähigkeit, unterschiedliche Denk- und Lebensvoraussetzungen nebeneinander stellen zu können. Dabei handelt es sich nie um einen rein kognitiven Prozess. Es geht um die Gesamtausrichtung der «inneren Zentrale», welche die Bibel als „Herz“ bezeichnet (vgl. Spr 4,23). In meinen Gesprächen lege ich größten Wert darauf, die Argumente und damit verbundenen Gefühlslagen aus christlicher Sicht denen des Säkularismus (dem Gott entfremdeten Denken und Handeln) gegenüberzustellen.

Dabei leistet mir das Buch von Nancy Pearcey „Die ganze Wahrheit: Das Christsein aus der weltanschaulichen Gefangenschaft befreien“ unschätzbare Hilfe. Die Musikerin und Wissen­schafts­journalistin versteht es, die einzelnen Lebensbereiche hinsichtlich unhinterfragter Denk- und Handlungsannahmen auszuleuchten. Im Anschluss an Francis Schaeffer bietet sie eine wegweisende Analyse über die Zweiteilung unseres gesamten Lebens.

Die Zweiteilung unseres Lebens

Bereits die Generation meiner Eltern und erst recht meine Generation geht von einer prinzipiellen Trennung zweier Lebens­welten aus. Auf der einen Seite gibt es die Welt der Fakten. Aus­bildung und Beruf spielen sich in diesem Bereich ab. Sie wird von Experten dominiert. Das Denkkorsett dieser Welt ist das des Naturalismus. Welt und Leben wird auf das mess- und sichtbare Geschehen reduziert. Die Grundannahme, dass alles Leben aus Materie und Energie heraus entstanden ist, hat sich als „Grund­wahrheit“ auf alle Fachbereiche ausgebreitet. Entsprechend ist ein Großteil unseres Lebens, das in der Öffentlichkeit geführt wird, genährt und konfiguriert durch den Grundgedanken, dass sowohl Gott als auch Seele nur eine Projektion chemischer Prozesse darstellen. Aber natürlich kann niemand wirklich so leben.

Um Menschen in der Herausforderung zum biblischen Denken zu helfen, brauchen wir eine Botschaft, die die harten und ausgetrockneten Herzen bewässert.

Deswegen steht daneben eine zweite Welt, nämlich die private. Sie wird im Gegensatz zum öffentlichen Bereich nicht von Experten, sondern von den Gefühlen des Einzelnen regiert. Diese Herrschaft erstreckt sich vor allem auf die Freizeit und die Beziehungen. Dieser Teil des Lebens wird in direkter Abhängigkeit von der aktuellen Befindlichkeit geführt. Der Fachbegriff hierfür ist „Emotivismus“, das Handeln aus Gefühlsimpulsen heraus, was die innere Stimmigkeit herstellen und erhalten soll. Das eigene Ich wird dauernd nach seinem Wohlbefinden befragt. Da die Innenschau jedoch mit großer Instabilität verbunden ist, sucht sich der Einzelne eine äußere Bühne zur Bestätigung seines inneren Wohlbefindens. Die ganze Welt der Freizeit wird damit in einen ständigen Such- und Findungsprozess verwandelt. Die christliche Gemeinde muss sich damit befassen, dass sie Teil dieser Freizeitbühne des individualistischen Menschen geworden ist. Sie wird zum Ort, wo sich bedürftige, nach Bestätigung suchende Individuen treffen und emotional gefüllt werden wollen.

Seit einigen Jahren lässt sich feststellen, dass beide Welten auf eine bestimmte Art und Weise verbunden werden sollen. Die Medien als Träger des aktuellen Konsenses – des Zeitgeistes – wollen immer stärker den privaten Bereich bestimmen, indem sie Kombinationen von (angeblichen) Fakten mit bestimmten Gefühlen in unsere innere Schaltzentrale bringen wollen. In der Frage des Klimas sollen die Menschen mit Ängsten vor Katastrophen oder gar dem Weltuntergang gelenkt werden. Es bleibt abzuwarten, in welche Richtung sich dies entwickeln wird.

Vier Grundfragen zum Freilegen der Denkvoraussetzungen

Nancy Pearcey hat mich gelehrt, abgeleitet von der biblischen Heilsgeschichte stets diese Grundfragen zu stellen: Was war das ursprüngliche Ideal? Wodurch ist es entstellt worden? Wie kann es wiederhergestellt werden? Wann und wie wird es zu einer vollständigen Wiederherstellung kommen? Diese vier Fragen kann ich auch am Küchentisch mit meinen Kindern besprechen, um den Denkkategorien der Klassenkamaraden auf die Spur zu kommen, die sich im Deutsch- und Geschichtsunterricht durch ideologische Bemerkungen zu Klima und Tierschutz hervorgetan haben.

Das erwähnte Buch von Pearcey hat mir Mut gemacht, die Frage nach dem Ursprung der Welt nicht zu umgehen, sondern sie zum Thema zu machen und auch die „heilige Kuh“ der Makroevolution zu hinterfragen. Ihre Überlegungen zur Rolle der Frau in den letzten Jahrhunderten ermutigt, bei der biblischen Botschaft vom Miteinander der Geschlechter zu bleiben. Es ist, wie C. S. Lewis fordert:

Die Aufgabe des modernen Erziehers besteht nicht darin, Dschungel auszuhauen, sondern Wüsten zu bewässern. Die richtige Abwehr gegen falsche Gefühle besteht in der Vermittlung echter. Wenn wir das Empfindungsvermögen unserer Schüler verkümmern lassen, machen wir sie zu einer umso leichteren Beute für Propagandisten. Denn die ausgehungerte Natur rächt sich, und ein hartes Herz ist kein unfehlbarer Schutz vor einem weichen Hirn.3

Wir brauchen, um mit unserer „Last“ umzugehen, die bei Ihnen anders sein mag als bei mir, nicht ganz viel holzschnittartige Kritik und viele „Totschlagargumente“, für welche gerade Christen leider oft bekannt sind. Vielmehr steht die umfassende Erneuerung des Denkens im Raum. Diese muss durch entsprechende Quellen neu angeschlossen und bewässert werden.

Petrus wollte in seinen Hörern eine „lautere Gesinnung“ wecken. Aber wie stellte er dies an? Er führte sie zum Wort Gottes zurück (2. Petrus 3,1-2). Es wird deswegen nicht genügen, sich eingehend mit dem Denken unserer Zeit und als Antwort mit christlicher Weltan­schauung zu beschäftigen. Unsere Gedanken müssen täglich durch das Wort Gottes genährt werden. Die biblische Lehre trägt den Keim in sich, dass wir sie auf die Fragen der Zeit anwenden können. Auf diese Weise können wir eine innere Landschaft zuerst in uns kultivieren, in der die christliche Weltsicht mit ihren Werten nicht mehr als rückständig und lächerlich empfunden wird, sondern in neuer Schönheit erstrahlt. Das können wir dann auch weitergeben.

Wir brauchen dabei allerdings auch die biblische Nüchternheit. Die Pharisäer wurden in ihrem Bemühen, Jesus eine Falle zu stellen, vom Sohn Gottes mit der Wahrheitsfrage konfrontiert. Wären sie ehrlich gewesen und hätten konsequent zuende gedacht, könnte das der Zeitpunkt ihrer Umkehr gewesen sein. Aber sie verhärteten sich, wichen aus und gaben eine Antwort, die der heutigen in keiner Weise nachsteht: „Wir wissen es nicht“ (Mat 21,23-27). Das Pochen auf Nichtwissen entsprach nicht dem wirklichen Tatbestand, sondern war ein Ablenkungsmanöver, um das eigene Leben nicht ändern zu müssen. Das Gleiche wird uns auch begegnen: Menschen wollen mit ihren Geschichtchen nur ihren längst eingeschlagenen inneren Kurs stützen und sich nicht von Gottes Großer Geschichte überführen lassen, die er in seinem Wort entfaltet.

Für uns Christen als „Propheten“ bzw. Botschafter für unsere Zeitgenossen ist wichtig, dass wir Zuversicht behalten. Es gibt auch in dieser Generation einen Weg, um den listig ersonnenen Irrtümern (Eph 4,14) auf die Spur zu kommen. Es gibt Antworten, die auch heute tragen, denn die Wahrheit ist mächtiger als jede Lüge. Zuversichtlich werfe ich darum die eingangs erwähnte Last auf den Herrn, der verspricht, sie täglich zu tragen (Vgl. Psalm 68,20).


  1. C. S. Lewis. De Descriptione Temporum (1954). 

  2. Diesen Gedanken hat Alexander Grau in seinen Buch Hypermoral (Claudius, 2017) plausibel begründet. 

  3. C. S. Lewis. Die Abschaffung des Menschen. Johannes: Einsiedeln, 2007.