LiteraturBuchbesprechungen

Gott – Das Ringen mit einem, der über allem steht

Dr. Jordan B. Peterson (Jg. 1962) ist klinischer Psychologe, weltbekannter Bestsellerautor und Redner. Als Professor in Harvard untersuchte er besonders die Psychologie des religiösen und ideologischen Glaubens. Mehrere seiner Online-Vorlesungen brachten ihm 2016 sehr schnell große internationale Bekanntheit als öffentlicher Intellektueller, der konservativ-liberale Positionen vertritt. In sozialen Medien folgen ihm Millionen.

In seinem umfangreichen neuen Buch setzt er sich mit einigen wichtigen Texte des Alten Testaments auseinander, angefangen von der Schöpfung über Adam und Eva und den Sündenfall, über Kain und Abel, „den ersten wirklichen Menschen“ (S. 137), über Noah und dessen Söhne, über Abraham, Mose und Jona. Er legt diese Texte aber nicht im biblisch-theologischen Sinn aus, sondern deutet sie als archetypische Erzählungen der Bibel, die uns helfen, uns selbst und unsere Gesellschaft besser zu verstehen.

Ja, er versteht uns Menschen als „wahre Ebenbilder Gottes, verwandt mit dem Logos, dem schöpferischen Geist, aus dessen Handeln der Kosmos selbst mit seiner guten Ordnung hervorgeht.“ (S. 589) Immer wieder zitiert der Autor ganze Abschnitte der Bibel im Zusammenhang mit dem Text dem er sich besonders widmet. Er findet aber auch heidnisch-historische Alternativen, wie das Enuma Elisch der Mesopotanier, ebenso die Geschichte von Osiris, Seht, Isis und Horus der Ägypter oder taoistische Vorstellungen bis zu Yin und Yang oder den Traditionen aus der Schule von C.G. Jung und anderen (S. 598), in denen er ähnliche Prinzipien findet. Peterson ist ungeheuer belesen, was die 47 Seiten Anmerkungen und Belege am Schluss beweisen.

Peterson, Jordan B: Gott. Das Ringen mit einem, der über allem steht. Basel: Fontis-Verlag 2024. 651 S. Gebunden: 34,90 €. ISBN: 978-3-03848-294-9

Petersons Buch ist psychologisch tiefgründig und hochphilosophisch. Von daher liest es sich nicht gerade leicht, man muss sich anstrengen, ihm in seinen langen Sätzen über viele Zeilen zu folgen. Aber immer wieder schreibt er auch interessant und fesselnd, verwendet Beispiele und persönliche Erfahrungen. Auf jeden Fall macht er deutlich, dass die biblischen Geschichten Wahrheiten enthalten, die äußerst wichtig für eine gelingende Gesellschaft sind und nicht nur weil sie unsere westliche Kultur über Jahrhunderte geprägt haben. Von daher scheut er sich nicht, heutige geschichtsvergessene Ideologien kritisch zu beleuchten.

Ob Peterson persönlich an den lebendigen und ewigen Gott glaubt, verrät er nicht, aber es wird in seinem gewaltigen Werk deutlich, dass wir den Gott der Bibel dringender brauchen als je. Er ist sich sicher: „Ohne Glauben gibt es keine Erkenntnis; ohne Glauben gibt es keinen Rahmen, der schützt und inspiriert; ohne Glauben gibt es keine Widerstandsfähigkeit und kein Vorwärtskommen; ohne Glauben gibt es keine Einheit von Geist und Gesellschaft – keine Hoffnung und keinen Mut.“ (S. 600) Die letzte Seite seines Werkes schließt er etwas rätselhaft mit diesen Worten:

Gott ist tot? Nein.
Deus renatus est.

Der lateinische Satz heißt auf Deutsch: „Gott ist wiedergeboren“. In der Bibel steht das freilich nicht. Meint er vielleicht, dass die Gesellschaft Gott wieder ernst nehmen muss? Was auch immer, er kündigt ein weiteres Buch über das NT mit Streifzügen ins AT an.