Fachleute halten die seit 1947 in Israel entdeckten und ausgewerteten Schriftrollen von Qumran für einen der wichtigsten archäologischen Funde des 20. Jahrhunderts. Alle alttestamentlichen Schriften der Bibel wurden hier in uralten hebräischen Abschriften entdeckt. Außerdem fanden sich in alten Krügen einige religiöse Texte einer kleinen jüdischen Gemeinschaft aus der Zeit des Neuen Testaments. Fast alle dieser Schriften befinden sich, wie damals üblich, auf uralten Pergamentrollen, von denen die ältesten auf das 3. Jahrhundert vor Christus zurückgehen. Viele der in Qumran gefundenen biblischen Schriften, wie die weltweit bekannte Jesaja-Rolle, stammen nach einhelliger Expertenmeinung aus der Zeit von etwa 150 v.Chr. Einige theologische Abhandlungen der aus Qumran stammenden Essener wurden sehr wahrscheinlich erst in der Zeit des Neuen Testaments niedergeschrieben. Ausführliche stilistische und inhaltliche Analysen sowie Radiokarbondatierungen bestätigen das Alter der Schriftrollen.
Nach den ersten Zufallsfunden dieser antiken Schriften in Höhlen nahe des Toten Meeres wurde das ganze umliegende Wüstengebiet systematisch untersucht und zahlreiche weitere Fragmente sichergestellt. In einer seit 2017 von der Israelischen Antikenbehörde geleiteten Initiative werden alle Schluchten und Höhlen rund um Qumran mit Drohnen und anderer moderner Technologie erneut erforscht. Dabei wurden bereits mehrere neue biblische und außerbiblische Schriften entdeckt. Insgesamt soll die in Qumran versteckte Bibliothek der Essener, einer exklusiven jüdischen Gruppe aus der Zeit des Neuen Testaments, die auch der jüdische Historiker Josephus erwähnt, rund 1000 Schriftrollen umfasst haben. Davon sind noch 15 Rollen weitgehend erhalten. Von den anderen Schriften wurden bisher mehr als 15 000 Fragmente unterschiedlicher Größe gefunden. Nach langwieriger Auswertung konnten die meisten dieser kleinen Schriftstücke gut zueinander geordnet werden. Sowohl die vollständigen als auch die rekonstruierten Schriftrollen sind heute für jeden Interessierten leicht im Internet zugänglich.1
Die meisten Forscher sind sich einig, dass die religiöse Gruppe von Qumran sich aus Gründen der rituellen Reinheit und der Absonderung für Gott von anderen Juden distanziert und in die Wüste am Toten Meer zurückgezogen hatte. Reste ihrer Wohn- und Arbeitsgebäude konnten zwischenzeitlich in archäologischen Ausgrabungen freigelegt werden. Schon um die Zeitenwende benutzten die Essener nahegelegene Höhlen als Archiv für ihre heiligen Schriften. Weil sie gegen Ende des Jüdischen Krieges (66-74 n.Chr.) Verfolgung durch römisches Militär fürchteten, verließen sie ihre Siedlung. Vorher brachten sie auch alle übrigen Schriftrollen, als ihren wertvollsten Besitz, in weiteren Höhlen der Umgebung unter. Da die meisten Essener während des Krieges getötet wurden, ging das Wissen um diese religiöse Bibliothek verloren. Erst 1900 Jahre später wurden die Schriftrollen in dieser unwirtlichen Wüstengegend wieder entdeckt.
Bis zur Entdeckung der alttestamentlichen Rollen waren viele Forscher davon ausgegangen, dass sich der Inhalt des Alten Testaments über seine viele Jahrhunderte dauernde Überlieferung stark verändert haben müsste.
So umfangreiche und verhältnismäßig gut erhaltene Schriftrollen aus dieser Zeit sind natürlich äußerst selten. Für Christen und Juden haben die Schriftrollen von Qumran außerdem eine ganz besondere Bedeutung. Bis zu ihrer Entdeckung waren viele Forscher davon ausgegangen, dass sich der Inhalt des Alten Testaments über seine viele Jahrhunderte dauernde Überlieferung stark verändert haben müsste. Nach den eigenen Vorstellungen von der alttestamentlichen Zeit versuchten Theologen den mutmaßlich ursprünglichen Text zu rekonstruieren. Was damals als fortschrittliche Wissenschaft galt, muss nach den Funden von Qumran als weitgehende Spekulation beiseite gelegt werden.
Der Codex Aleppo war bis zu den Funden von Qumran das älteste vollständige Manuskript der hebräischen Bibel. Er stammt aus dem Jahr 820 n.Chr. Zwischen der Abfassung der alttestamentlichen Texte und dieser ältesten Abschrift lagen also viele Jahrhunderte. Inhaltliche Veränderungen schienen hier durchaus denkbar, vielleicht sogar naheliegend. Zwischen dem Codex Aleppo und den rund 1000 Jahre älteren Handschriften von Qumran konnten allerdings keine wirklich relevanten Unterschiede gefunden werden. Demnach ist das masoretische Alte Testament deutlich zuverlässiger überliefert worden, als Experten bis dahin angenommen hatten.2 Dass zwischen den Schriftrollen von Qumran und den nur wenige Jahrhunderte vorher angefertigten Originalen große Veränderungen vorgenommen wurden, ist damit höchst unwahrscheinlich geworden. Christen und Juden können demnach mit großer Sicherheit davon ausgehen, dass der ihnen heute vorliegende Text des Alten Testaments mit ziemlicher Sicherheit auch dem entspricht, was Salomo, Jesaja oder Hesekiel ursprünglich aufgeschrieben hatten. Die Bibel erweist sich durch die Schriftrollen von Qumran also als historisch außerordentlich zuverlässig.
Die in Qumran gefundene Jesaja-Rolle von 150 v.Chr. beweist, dass die Vorhersagen Jesajas auf Jesus nicht erst später von Christen verfasst und in die Bibel gemogelt worden sein können.
Im Neuen Testament wird immer wieder auf zahlreiche, teilweise sehr erstaunliche und konkrete Erfüllungen alttestamentlicher Prophezeiungen im Leben Jesu hingewiesen. Von den ersten Christen wurde das als schlagkräftiges Argument benutzt, um zu belegen, dass Jesus, sein Reden und Handeln, exakt von Gott im Alten Testament angekündigt wurde. Viele Juden, die die Prophezeiungen ihrer Propheten gut kannten, ließen sich mit diesen verblüffenden Hinweisen überzeugen, Jesus als den von Gott angekündigten Messias, den Christus anzuerkennen.3 Weil es für ideologisch festgelegte Religionskritiker aber keine echten Prophezeiungen geben darf, behaupten manche, diese detaillierten, sich im Leben Jesu exakt erfüllenden Prophezeiungen müssten den alttestamentlichen Propheten wohl erst von Christen untergeschoben worden sein. Lange behaupteten diese Kritiker, die Aussagen der alttestamentlichen Propheten seien von späteren Christen gefälscht worden, damit sie so eindeutig zum Auftreten Jesu passten. Mit den Schriftrollen von Qumran erübrigen sich solche Spekulationen. Immerhin stammt die hier gefundene Jesaja-Rolle von 150 v.Chr. Die Vorhersagen Jesajas können also gar nicht erst deutlich später von Christen verfasst und in die Bibel gemogelt worden sein.
Seit einigen Jahren kursieren nun im Internet Nachrichten einer mutmaßlichen Fälschung der Schriftrollen von Qumran. Gerade Atheisten und Religionskritiker instrumentalisieren dieses Argument zuweilen, um die Zuverlässigkeit des Alten Testaments und die Glaubwürdigkeit der in Jesu erfüllten Prophetien erneut infrage zu stellen. Die seriösen Pressemeldungen der vergangenen Jahre über gefälschte Handschriften haben aber nichts mit den bisher bekannten Schriftrollen von Qumran zu tun. Stattdessen geht es um vorgeblich neu entdeckte Funde aus den Höhlen bei Qumran, die bis 2018 im Washingtoner Museum of the Bible ausgestellt waren. Das fachlich hervorragend aufgemachte und sehr umfangreiche Museum zur Umwelt und zur Überlieferung der Bibel wurde erst 2017 eröffnet. Zu den dort ausgestellten Originalen gehörten 16 Schriftstücke, die vorgeblich 2000 alt sein und aus Qumran stammen sollten. Um deren Echtheit zu bestätigen, beauftragte das Museum die deutsche Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM). Deren Untersuchungen konnten fünf der ausgestellten Schriften als Fälschungen nachweisen.4 Daraufhin wurden diese 2018 sofort von der Museumsleitung entfernt. Offensichtlich hatte man die Pergamente von betrügerischen Zwischenhändlern gekauft. Das betraf allerdings nur fünf von insgesamt 16 überprüften Schriftstücken. Das Alter der übrigen Dokumente wurde dabei nicht in Zweifel gezogen.5
Die jetzt als sicher gefälscht identifizierten Bruchstücke stellen nicht die bewiesene Echtheit der vielen anderen Fragmente und vollständigen Schriften in Frage.
Die in der Materialprüfung als unecht identifizierten Fragmente vorgeblicher Qumran-Schriften haben keinerlei Auswirkung auf die bereits lange Zeit bekannten, mehrfach geprüften und ausgewerteten Schriftrollen. Deren Echtheit steht nicht infrage.6Noch immer sind die weithin bekannten Bibelhandschriften vom Toten Meer ein wichtiger Beleg für die absolut zuverlässige Überlieferung der Heiligen Schrift und für die Echtheit der auf Jesus bezogenen Prophezeiungen alttestamentlicher Autoren.
Die als unecht erwiesenen Schriftfragmente des Washingtoner Bibelmuseums sind lediglich eine ernstzunehmende Mahnung, alle neu im Antiquitätenhandel auftauchenden Funde gründlich zu prüfen, ehe man sie ausstellt oder sich in der Forschung auf sie beruft. Die Instrumentalisierung der Echtheitsprüfung des betreffenden Museums zum Schüren pauschaler Zweifel an allen Schriftrollen von Qumran, spricht für die mangelnde Seriosität solcher häufig atheistischer Kreise, denen es offensichtlich weniger um die Wahrheit als um die Verteidigung ihrer eigenen Weltanschauung geht.
Leon Levi Bibliothek der Schriftrollen vom Toten Meer, Israelische Altertumsbehörde, https://www.deadseascrolls.org.il/featured-scrolls?locale=de_DE ↩
Vgl. Siegfried Kreuzer: Von der Vielfalt zur Einheitlichkeit – Wie kam es zur Vorherrschaft des masoretischen Textes?. In: Ders., Geschichte, Sprache und Text, De Gruyter Verlag, Berlin / Boston 2015, S. 356f. ↩
Vgl. Josh McDowell: Die Fakten des Glaubens. Die Bibel im Test. Fundierte Antworten auf herausfordernde Fragen an Gottes Wort, Hänssler Verlag, Holzgerlingen 2003, S. 314-356. ↩
Bundesanstalt für Materialforschung und –prüfung: Zum Prüfbericht zu den fünf Qumran-Fragmenten für das Museum of the Bible, https://www.bam.de/Content/DE/Standardartikel/Aktuelles/Themenseiten/analyse-der-qumran-schriftrollen-des-museum-of-the-bible.html ↩
Museum of the Bible: A Journey for the Truth: Investigating the Recent Dead Sea Scrolls Fragments, 2020, https://www.museumofthebible.org/dead-sea-scroll-fragments. ↩
Vgl. John Barton: Die Geschichte der Bibel. Von den Ursprüngen bis in die Gegenwart, Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2021, S. 375ff. ↩