LiteraturBuchbesprechungen, Kommentare zur Bibel

Einleitung in das Neue Testament

Wer eine wohltuend konservative und zugleich biblisch-theologisch fundierte Einleitung zum Neuen Testament sucht, wird mit dem vorliegenden Werk eine gute Wahl treffen. Jacob Thiessen hat mit seiner aus anderen Veröffentlichungen bekannten Gründlichkeit die klassischen Einleitungsfragen zu allen nt-lichen Büchern bearbeitet. Dabei geht es um die Informationen zu Autoren, Abfassungszeit und -ort der einzelnen Bücher und Briefe. Der Autor verarbeitet die Angaben aus der Bibel selbst und ebenso Informationen aus historischen Quellen der alten Kirche. Er begründet damit durchweg klassische Positionen. Das bedeutet, dass er z.B. die historisch-kritischen Hypothesen der Pseudepigraphie mehrerer Paulusbriefe ebenso ablehnt wie Quellenrekonstruktionen, die im Wesentlichen auf Vermutungen basieren. Er argumentiert durchweg für den Text­bestand, wie er seit der Reformation überliefert ist, das heißt, dass er für die Originalität der Perikope von der Ehebrecherin in Johannes 8 und ebenso für den längeren Markusschluss mit Kapitel 16 gute Argumente vorträgt.

Thiessen nimmt dabei alle kritischen Anfragen an den Bibeltext ernst. Sein Gegenüber ist in diesem Buch meistens die Einleitung von Udo Schnelle, die bei Vandenhoeck erschienen ist und als Standardwerk für das Theologiestudium gilt. Aber er hat gute Argumente für klassische Positionen, die den historisch-kritischen Thesen gegenübergestellt werden. Die Art, wie Jacob Thiessen das macht, ist angenehm zu lesen. Das macht sich auch da bemerkbar, wo man selber vielleicht die eine oder andere Einleitungsfrage in Teilen anders beantwortet hat. Beispiele für Positionen der Einleitung sind die Ablehnung einer direkten literarischen Abhängigkeit der sy­noptischen Evangelien im Sinne der gegenseitigen Benutzung, die Annahme eines hebräisch/aramäischen Ur-Matthäus, die Frühdatierung des Galaterbriefes vor dem Apostelkonzil mit der Zuordnung der Galater in den Süden der römischen Provinz Galatia, die Einheitlichkeit des 2. Korintherbriefs und die Datierung aller Gefangenschaftsbriefe in die römische Gefangenschaft. Andere mögliche Antworten werden immer fair diskutiert.

Thiessen, Jacob: Einleitung in das Neue Testament. Leipzig: EVA, 2024. 452 S. ISBN 978-3374-07508-9. 34,00 €

Über die reine Einleitung hinaus bietet Jacob Thiessen auch Informationen, die man der Bibelkunde zurechnen würde, wie Gliederungen und Merkverse, andere, die man eher in einer Theologie des NT erwarten würde. Diese Zugaben sind allerdings nicht für alle Bücher gleich umfangreich und gründlich. Mal ist eine Gliederung recht ausführlich, für ein anderes Buch recht dünn. Bei den Versangaben haben sich einige wenige Tippfehler eingeschlichen. Unangenehm ist, dass viele überflüssige Trennzeichen im Text auftauchen, die wohl aus der Übernahme aus MS-Word herrühren und beim Korrekturlesen übersehen wurden.

Die Einleitung in das Neue Testament ist eine lohnenswerte Anschaffung für Theologie­studenten und Bibelschüler, aber auch für interessierte Bibelleser, die sich gründlicher mit den Einleitungsfragen beschäftigen wollen. Nur einige Seiten mit synoptischen Textvergleichen mit griechischem Originaltext erfordern entsprechende Kenntnisse, alles andere lässt sich sehr gut auch ohne lesen und verstehen.