Gott redet
Christen sind überzeugt davon, dass Gott echtes Interesse an seinen Geschöpfen hat und sich ihnen deshalb immer wieder mitgeteilt hat und mitteilt. Sehr allgemein „spricht“ Gott zum Beispiel durch die Natur zum Menschen. In der Komplexität der Organismen und Ökosysteme zeigt sich Gott als kreativer Denker und Schöpfer. In der Weite des Weltalls und der Kraft der Naturgewalten spiegelt sich Gottes Größe und Macht, die alle menschlichen Vorstellungen und Möglichkeiten bei weitem übersteigt. Gottes Reden in der Natur ist aber dabei eher prinzipiell und nicht auf die individuelle Situation eines einzelnen Menschen ausgerichtet. Lediglich bei den eher selten vorkommenden Wundern benutzt Gott Naturkräfte, um zielgerichtet in das Leben eines Menschen hineinzusprechen. Das geschah beispielsweise mit der Botschaft, die damit verbunden war, dass Gott dem Volk Israel in einer Feuersäule voranzog oder Manna vom Himmel fallen ließ (2Mose 13, 17-22).
Will sich Gott den Menschen detaillierter und besser verständlich mitteilen, dann wählt er, den Aussagen der Bibel zufolge, gewöhnlich andere Wege. In besonders beeindruckenden Träumen, Visionen (bildliche Eindrücke im Wachzustand) und Auditionen (hörbare Mitteilungen) spricht er den Menschen direkt in der Sprache an, die er versteht (Mt 2, 13+14). Diese Mitteilungen gehen fast immer auf die Initiative Gottes zurück, der von sich aus entscheidet, ob, wann und zu wem er auf diese Weise sprechen will oder nicht. Manchmal redet Gott dann in eine ganz konkrete Lebenssituation eines Menschen hinein (1Kön 19, 9ff.). Manchmal teilt er durch einen von ihm bestimmten Boten auch allgemeine Wahrheiten mit, die sich eigentlich an alle Menschen richten. Die für unsere Rettung und ein gutes Leben nach Gottes Willen wichtigen allgemeinen Wahrheiten sind im Auftrag und unter der Leitung Gottes in der Bibel gesammelt und überliefert worden, damit möglichst viele Menschen verschiedener Zeiten leicht darauf zurückgreifen können (Röm 1,18- 2,16).
Außerdem hat Gott natürlich noch allerlei andere Möglichkeiten, seinen Willen mitzuteilen. In der Bibel finden sich zahlreiche Beispiele, bei denen Gott durch äußere Umstände Menschen bestätigt, hindert, korrigiert oder umlenkt. Mehrfach wurde der Apostel Paulus auf diese Weise während seiner Missionsreisen in eine Richtung gelenkt, die Gott für ihn vorgesehen hatte (vgl. Apg 16,6-8). Gott benutzt auch andere Menschen, um seinen Willen weiterzugeben. Manchmal erkennt nämlich der eigentlich Angesprochene nicht so klar, was für ihn dran ist, weil er zu sehr von seinen eigenen Wünschen und Ängsten gefangen genommen wird. Gott hat deswegen öfter Boten bzw. Engel geschickt, die seinen Willen mitgeteilt haben.
Wer dringend auf eine besondere Mitteilung Gottes hofft, neigt dazu, in seinen eigenen Gedanken und Träumen Gottes Reden finden zu wollen.
Weil Gott sich aber nicht so häufig oder so individuell ausdrückt, wie viele sich das wünschen, haben Christen immer wieder Methoden entwickelt, um Gott gewissermaßen zum Reden zu drängen. Dazu gehört der Brauch, Gottes Willen durch das Ziehen von Losen zu erfahren. Oft wurden dabei Ja-Nein-Lose verwendet, um Antwort auf eine Frage zu erhalten. Oder man wollte Zeichen von ihm erzwingen, die eine schwierige Entscheidung abnehmen soll. „Wenn ich das tun soll, dann klingelt mein Telefon in den nächsten zwei Minuten“, wird dann beispielsweise von Gott gefordert. Weil sie so dringend auf eine direkte Mitteilung Gottes hoffen, beginnen viele Christen auch, in allen ihren Träumen und Gedanken Gottes Reden wiederfinden zu wollen (vgl. Jer 14,14; 23,16). Die Logik dahinter schließt von den besonderen Träumen, die Gott als Weg der Mitteilung gewirkt hat, darauf, dass Gott durch jeden Traum sprechen soll. Eine kreative, relativ neue Methode, um Gott zum Reden zu bringen, ist unter dem Namen „Hörendes Gebet“ verbreitet.
Hörendes Gebet
In einer Definition für ein entsprechendes Seminar heißt es diesbezüglich:
„Hörendes Gebet ist zunächst einmal einfach eine Form des Betens, bei dem nicht Bitte, Dank oder Anbetung im Zentrum stehen, sondern das Hören auf Gottes Reden – und zwar konkret in meine persönliche Situation hinein. Was auch immer meine Anliegen sein mögen – im Hörenden Gebet lege ich sie zunächst einmal beiseite, um mich ganz auf Gott auszurichten und seine Impulse zu empfangen.“1
Anhänger des hörenden Gebets wollen sich innerlich ganz entleeren und in einer Haltung grundsätzlicher Offenheit auf das Reden Gottes hören, das sich in den dann aufsteigenden Bildern und Assoziationen mitteilen soll. Man setzt dabei voraus, dass Gott jedem Christen immer und zu allen Fragen etwas sagen will, sodass es nur noch darauf ankommt, sich für diese Mitteilungen zu öffnen. In seiner Methodik erinnert das hörende Gebet stark an ähnliche, esoterische Angebote, bei denen der Menschen in sein Inneres hineinhört, um dort Antworten für seine Lebensfragen zu finden. Je nach Therapie soll sich dabei die Weisheit des Universums, ein bestimmter Geist oder das eigene Ich zu Wort melden.2
Häufig funktioniert hörendes Gebet so, dass Menschen sich online oder vor Ort mit mehreren Christen treffen, die in dieser Technik ausgebildet wurden.3 Beim Zusammenkommen wird dann bewusst nicht über konkrete Anliegen oder Probleme gesprochen. Die betenden Christen warten einfach und hören während des zumeist wortlosen Gebets in sich hinein. Wenn ihnen dann Gedanken oder Bilder in den Sinn kommen, geht man davon aus, dass es sich um Botschaften Gottes an den fragenden Menschen handelt. Diese Eindrücke werden später positiv und offen für viele Interpretationen, aber häufig mit entsprechenden frommen Begriffen und geistlichen Stereotypen an den Fragesteller weitergegeben. Manchmal werden die Eindrücke auch elektronisch aufgezeichnet oder aufgeschrieben, um sie dem Besucher mitgeben zu können. Danach wird gewöhnlich nichts weiter erklärt oder auf die konkrete Lebenssituation bezogen, weil der Zuhörer sich eine mögliche Antwort selbst geben soll. Das Ganze dauert gewöhnlich zwischen 20 und 30 Minuten.4
Gebet zwischen Reden und Hören
Konkrete Fragen oder Bitten an Gott sollen beim hörenden Gebet unterbleiben, um die „Mitteilungen“ nicht einzuengen.
Von den meisten Vertretern des hörenden Gebets wird gefordert, dass man Gott und den Betern seine Probleme nicht nenne sollte, um deren Eindrücke nicht zu vorschnell einzuengen. Natürlich besteht durchaus die Gefahr, eigene Gedanken statt Gottes Reden zu äußern, wenn man mit der konkreten Frage eines Hilfesuchenden konfrontiert wird. In den allermeisten von der Bibel überlieferten Gebeten aber äußern die Menschen ihre Anliegen konkret, stellen direkte Fragen an Gott (vgl. Ps 18,7; Phil 4,6+7; 1Joh 5,14). Das scheint durchaus der Normalfall zu sein und verhindert hier nicht eine authentische Antwort Gottes; wenn er denn überhaupt reden will.
Nirgends im Neuen Testament werden Christen stumme, lediglich hörende Gebete empfohlen. Natürlich kann sich ein Christ einfach einige Zeit in die Einsamkeit zurückziehen, um, isoliert von allem Ablenkenden, besser für das Reden Gottes bereit zu sein (vgl. Mk 1, 35; Lk 9, 18). Die Garantie für eine persönliche Mitteilung Gottes gibt es aber auch in diesem Fall nicht. Wie die jahrhundertelange Erfahrung der Mönche allerdings deutlich zeigt, melden sich gerade in der Einsamkeit alle möglichen unterschiedlichen Gedanken im eigenen Innern zu Wort, häufig auch sündige Versuchungen oder Spekulationen.5 Gewöhnlich aber drückt der Gläubige mit seinen Worten aus, was er Gott sagen will, Dank, Bitte, Fürbitte, Lob usw. (1Tim 2, 1ff.). In manchen Situationen kann auch der Heilige Geist die Formulierung der Gebete übernehmen (Röm 8,26+27).6 Aber selbst dann spricht der Mensch konkret, in Worten zu Gott.
Grenzen von hörendem Gebet
Sensible Anhänger des hörenden Gebetes wissen natürlich auch um die naheliegenden Gefahren des Irrtums, des Missbrauchs und der Manipulation. Einerseits kann niemand überprüfen, was eine Person tatsächlich innerlich gefühlt, gehört oder gesehen hat. Keiner kann dann auch wissen, was das für einen der Zuhörenden möglicherweise zu sagen hat. Man kann nicht einmal sicher sein, dass sich in einer Phase innerer Ruhe nicht vor allem eigene Gedanken, Prägungen, Ängste, Hoffnungen usw. zu Wort melden, die sich zwar auch fromm ausdrücken können, nicht aber wirklich auf Gott zurückgehen müssen (Jes 55,8; Mk 7,20-23; Röm 7,18ff.).7
Auch Befürworter von hörendem Gebet scheinen sich der Gefahren bewusst zu sein.
Deshalb werden in einer kurzen Anleitung selbst von Befürwortern des hörenden Gebets auch folgende Warnungen ausgesprochen8:
1. Nicht alles, was man beim hörenden Gebet wahrnimmt, kommt von Gott.
2. Derjenige, an den der Eindruck gerichtet ist, muss diesen erst prüfen und annehmen; sonst ist die Information vielleicht doch nicht von Gott.
3. Man sollte nicht lange an einem geistlichen Eindruck heruminterpretieren. Wenn er nicht ganz klar ist, stammt er wahrscheinlich nicht von Gott.
4. Wichtige Entscheidungen sollten nicht nur aufgrund eines Eindrucks im hörenden Gebet getroffen werden. Logische Gründe, Begabungen oder der Rat von Freunden sollten zusätzlich berücksichtigt werden.
5. Ein Eindruck oder Bild im hörenden Gebet gibt noch nicht dessen sichere Deutung vor. Die kann im konkreten Fall sehr unterschiedlich aussehen.
6. Ein Eindruck, der deutlichen Aussagen der Bibel widerspricht, ist definitiv falsch.
7. Wenn Gott durchs hörende Gebet Zusagen gibt, dann müssen die nicht mit menschlichen Mitteln herbeigeführt werden.
8. Eindrücke, die anderen Angst machen oder sie unter Druck setzen, sind gewöhnlich nicht von Gott.
9. Man sollte nicht mit jedem über Eindrücke aus dem hörenden Gebet diskutieren.
10. Wenn Gott etwas zusagt, sollte man ihm dafür danken.
Ohne Garantie
Solche Bemerkungen sind äußerst wichtig und relativieren natürlich gleichzeitig den hohen Anspruch ans hörende Gebet. Demnach sollten selbst deren Befürworter kritisch mit Eindrücken umgehen, die eben lange nicht immer wirklich auf ein Reden Gottes zurückgehen müssen. Diese Warnungen zeigen auch deutlich, mit welchen Problemen Gemeinden zu kämpfen haben, in denen hörendes Gebet regelmäßig praktiziert wird. Hier wird von Insidern, die andere Christen regelmäßig in hörendem Gebet ausbilden, auf konkrete Defizite hingewiesen. Auch die Anwender des hörenden Gebets sind sich offensichtlich der Gefahren von Täuschung, Missbrauch und Selbstbetrug durchaus bewusst.
Einige Anbieter von hörendem Gebet behaupten, dass sie Gottes Reden weitergeben, wollen aber keine seelsorgerliche Beratung anbieten oder Verantwortung übernehmen.
Viele Anbieter von hörendem Gebet weisen auch deshalb darauf hin, dass sie keine Garantie für das Gesagte übernehmen, dass sie auch keine weitergehende Beratung oder Seelsorge anbieten.9 Das wirkt bedenklich, wenn man überzeugt ist, wirkliches Reden Gottes weiterzugeben. Im Zweifelsfall werden Menschen mit vorgeblich göttlichen Eindrücken konfrontiert und dann mit ihren dadurch aufgeworfenen Hoffnungen, Fragen oder Zweifeln alleine gelassen. Das erscheint aus Sicht verantwortlicher Christen äußerst fraglich.
Ausschließlich positiv?
In der Beschreibung des JesusCentrums wird betont, dass hörendes Gebet nur „Ermutigung, Bestätigung und Inspiration“ vermittelt. Zweifellos hören Menschen gerade solche Zusagen besonders gerne (vgl. Jes 30,9+10; 2Tim 4,3). Wenn es sich beim hörenden Gebet aber um echte Mitteilungen Gottes handelt, ist es unverständlich, diese lediglich auf positiv bestätigende Zusagen zu beschränken. Immerhin finden sich in den authentisch von Gott stammenden Offenbarungen der Bibel deutlich mehr Ermahnungen und Zurechtweisungen als positive Bestätigungen (vgl. 1Petr 4,17; Hebr 12,6+7). Solche Beschreibungen erwecken weit eher den Eindruck, als handele es sich beim hörenden Gebet um eine esoterische Psychopraktik, um Zustimmung zu erzeugen und positive Gedanken zu vermitteln.10 Wenn Gott wirklich spricht, dann sollte man ihm getrost überlassen, was er einem Menschen vermitteln will; Bestätigung und Kurskorrektur.
In entsprechenden Schulungen wird auch darauf verwiesen, dass hörendes Gebet eine lebendige Vorstellungskraft und Phantasie benötigt. Demnach könne man trainieren, um Eindrücke im hörenden Gebet zu bekommen und besser deuten zu können.11 Das klingt nicht nach Offenbarungen Gottes, in denen er sich auch ganz ohne Übung verständlich mitteilt, sondern eher nach mantrischen Techniken, die auf die Geschicklichkeit eines Mediums angewiesen sind. Dazu gehört die Fähigkeit, möglichst blumig zu reden, um damit die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass die eigenen Eindrücke vom Hörer mit irgendetwas aus ihrem eigenen Leben in Verbindung gebracht werden können.12
Gottes deutliches Reden
Manches in den Konzeptionen des hörenden Gebets klingt nicht nach einem Gott, der sich klar und deutlich mitteilt, wie es in der Bibel vielfach überliefert wurde (2Mose 3,1-14; Apg 9,4; 8,26). Wie in der Esoterik äußert er sich im hörenden Gebet eher vage, raunend und interpretationsbedürftig. Die Propheten des Alten und die Apostel des Neuen Testaments hingegen haben eindeutige und klare Offenbarungen von Gott erhalten, auf die man sich wörtlich verlassen konnte (Jes 40,8; Mt 5,17-19). Gerade das gibt die notwendige Sicherheit für ein verlässliches Leben im Glauben. Zu neutestamentlichen Zeiten lag hier ein wesentlicher Unterschied zu nichtchristlichen Kulten und Religionen. Auch diese bemühten sich ständig, ein Reden ihrer Götter wahrzunehmen. Da wurden vielfach vage innere Bilder entworfen, schwer verständliche Orakel interpretiert oder Träume und Zeichen gedeutet.13 Hier konnte der Mensch weitgehend selbst bestimmen, wann Gott zu reden hatte. Christen hingegen waren ganz dem Reden oder häufig auch dem Schweigen Gottes ausgeliefert. Der Gott der Bibel redet klar, aber wenn er über sein offenbartes Wort hinaus direkt zum Menschen redet, dann nur wann und zu wem er will.14
Der Gott der Bibel redet klar, aber wenn er direkt über sein offenbartes Wort hinaus direkt zum Menschen redet, dann nur wann und zu wem er will.
Gott kann sich Menschen natürlich auch in Visionen, Auditionen und Träumen mitteilen. In Bibel und Kirchengeschichte finden sich dafür zahlreiche glaubwürdige Beispiele. Gott spricht aber eben nur dann, wann und wie er will. Er lässt sich keine Antworten aus der Nase ziehen, weil man ihn unbedingt hören will. Er lässt sich auch nicht den Weg vorschreiben, auf dem er seinen Willen weitergibt. Die meisten Menschen zu biblischen Zeiten erlebten das direkte individuelle Reden Gottes als große Ausnahme in ihrem Leben. Selbst gegenüber den großen Propheten oder Aposteln schwieg Gott häufig jahrelang (vgl. Ps 35,22; Jes 57,11; 64,11).15 Die geistlichen Leitlinien für den Alltag bekamen Menschen allezeit überwiegend durch das Gewissen, durch Weisheit wie in den alttestamentlichen Sprüchen und durch die allgemein für alle Menschen geoffenbarten Wahrheiten der Bibel.
Gott redet durch die Bibel, sein Wort, und durch den Heiligen Geist, der sich in jedem gläubigen Christen befindet (Apg 19,2; 1Kor 12,3+7). Allerdings gibt es kein Versprechen, dass der Heilige Geist sich ganz konkret zu jedem einzelnen Anliegen äußert, das einen Christen bewegt. Der Heilige Geist erinnert an die Worte Jesu, tröstet, stärkt und korrigiert (Joh 14,26; Eph 4,30). Der Heilige Geist hilft auch, sich im Gebet Gott gegenüber auszudrücken (Röm 8,26+27). Vor allem aber meldet er sich in spezifisch geistlichen Fragen zu Wort, nicht unbedingt aber in den zahnlosen Entscheidungen und Unsicherheiten des Alltags.
Große Erwartungen
Hörendes Gebet setzt den massiv unter Druck, an den die geäußerten Bilder und Eindrücke gerichtet werden. Immerhin wird dabei der Anspruch erhoben, nicht nur einen guten Ratschlag zu erteilen, sondern eine unmittelbare Mitteilung Gottes weiterzugeben. Dabei besteht die erhebliche Gefahr geistlichen Missbrauchs. Gewollt oder ungewollt können sich, ohne weitere Möglichkeit der Überprüfung, sehr schnell eigene Gedanken in die inneren Bilder mischen. Damit aber wird dann das ganz konkrete Denken und Handeln anderer Menschen beeinflusst, ohne auch Verantwortung für das Gesagte zu übernehmen.
In einer lebendigen Beziehung zu Gott zu stehen, sich regelmäßig vom Wort Gottes prägen zu lassen, verpflichtende Gemeinschaft mit anderen Christen zu haben, bewahrt am ehesten davor, die eigenen inneren Stimmen mit dem Reden Gottes zu verwechseln.
Zweifellos kann Gott sich Menschen auch mithilfe innerer Eindrücke mitteilen, wenn er das wirklich will. Als geistliche Vorbereitung dafür ist es eine Hilfe, in einer lebendigen Beziehung zu Gott zu stehen, sich regelmäßig vom Wort Gottes prägen zu lassen, verpflichtende Gemeinschaft mit anderen Christen zu haben und innerlich ganz zur Ruhe zu kommen. Damit ist es am ehesten möglich, eigene innere Stimmen vom Reden Gottes zu unterscheiden. Aber auch dann darf nicht vergessen werden, dass man mit keiner Methode oder Strategie Gott sicher dazu bringen kann, zu reden.
Keine Methoden
Es ist nicht unproblematisch, wenn man Gottes Reden methodisch erzwingen will, wie beim hörenden Gebet. Solche Praktiken sind typisch für das Weltbild der Magie.16 Hier werden Methoden gelernt und angewandt, mit denen man Gott vorgeblich dazu bewegen kann, zu reden und zu reagieren, möglichst in dem vom Menschen beabsichtigten Sinn. Christen aber liefern sich ganz Gott aus. Sie sind offen für das Reden Gottes und sein wunderbares Eingreifen. Sie akzeptieren aber ebenso, wenn Gott keine spezielle Offenbarung gibt und dem Menschen die Verantwortung für konkrete alltägliche Entscheidungen überlässt. Zu biblischen Zeiten waren direkte Ansprachen Gottes und sein übernatürliches Eingreifen immer eher die Ausnahme als die Regel.17
Alle Christen sollten sich danach sehnen, ganz im Sinne Gottes zu denken und zu leben. Am sichersten erreichen Gläubige dieses Ziel, wenn sie sich kontinuierlich der intensiven Prägung der Bibel und der geistlichen Geschwister aussetzen (Spr 18, 1; 1Kor 12, 12-27; Heb 10, 25). Auch die grundsätzliche innere Bereitschaft, den Willen Gottes tun zu wollen, gehört dazu. Für die meisten alltägliche Entscheidungen hat Gott die zu beachtenden Prinzipien schon längst für alle Menschen zugänglich geoffenbart (2Tim 3, 16+17). In vielen Fragen lässt er dem Christen auch eine große persönliche Freiheit.
Fazit
Zusammenfassend gibt es bei der spirituellen Technik des hörenden Gebets einige grundsätzliche Probleme:
1. Gebet ist bewusste Kommunikation des Christen mit Gott. An keiner Stelle des Neuen Testaments werden Gemeinden zu hörendem Gebet aufgefordert. In der heidnischen Umwelt hingegen waren ähnliche Gebets-Techniken durchaus bekannt.
2. Gott kann durch keine frommen Methoden zum Reden gezwungen werden. Dieser magische Gedanke scheint sich aber hinter dem hörenden Gebet zu verbergen. Wenn man diese Form des Gebets nur intensiv genug übe und richtig anwende, könnten demnach fast immer entsprechende, vorgeblich göttliche Eindrücke, empfangen werden.
3. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen gibt es keine überzeugende Vorgehensweise, klar zwischen einem Reden Gottes und eigenen Gedanken, Hoffnungen, Wünschen und Befürchtungen zu unterscheiden. Nicht einmal okkulte Offenbarungen können einigermaßen sicher ausgeschlossen werden.
„Nur Lug und Trug erschauten dir deine Propheten! Sie deckten deine Schuld nicht auf, um dein Geschick zu wenden. Mit ihren leeren Prophetensprüchen betrogen und verführten sie dich.“ (Klagelieder 2, 14)
Manfred & Ursula Schmidt: Hörendes Gebet – was ist das?, https://axis-web.de/hoerendes-gebet/, 1.8.2021. ↩
Vgl. Udo Tworuschka: Lexikon. Die Religionen der Welt, Chr. Kaiser / Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 1999, S. 199. ↩
Vgl. Andrea Sorg: Hörendes Gebet – Was ist das?, https://praxis-sorg-sam.ch/hoerendes-gebet.html, 15.8.2021. ↩
Vgl. Hosianna-Gemeinde Heidelberg: Was ist „Hörendes Gebet“?, https://www.hosanna.de/gaesteabend_hoerendes_gebet/, 15.8.2021. ↩
Vgl. Peter Dinzelbacher: Vision und Magie. Religiöses Erleben im Mittelalter, Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn 2019, S. 87-98; 163-174. ↩
Vgl. R. Gebauer: Art. Gebet, in: Helmut Burkhardt u.a (Hrsg.): Das große Bibellexikon, Bd.1, R. Brockhaus Verlag / Brunnen Verlag, Wuppertal / Giessen 1987, S. 412-416. ↩
Vgl. Ron Kubsch: Drei Tipps für das hörende Gebet, https://theoblog.de/drei-tipps-fur-das-horende-gebet/9058/, 26.7.2010. ↩
Vgl. Manfred & Ursula Schmidt: Hinweise – Wie gehe ich mit Gebetseindrücken um?, https://www.axis-web.de/wp-content/uploads/hoege/Hinweise-3.2.pdf, 1.8.2021. ↩
Vgl. Vgl. JesusCentrum: Hörendes Gebet, https://www.jesuscentrum.de/gemeindeleben/hoerendes-gebet/, 1.8.2021. ↩
Vgl. Eberhard Bauer / Bernhard Wenisch, Art.: Okkultismus, in: Sinabell / Baer / Gasper / Müller (Hrsg.): Lexikon neureligiöser Bewegungen, esoterischer Gruppen und alternativer Lebenshilfen, Herder Verlag, Freiburg 2009, S. 158-162. ↩
Vgl. Ursula Schmidt: Gott schauen, Verlag Gottfried Bernard, Solingen 2014. ↩
Vgl. Alexander Seibel: Hörendes Gebet, in: Lothar Gassmann / Michael Kotsch: Esoterik- Handbuch, MABO- Verlag 2007, S. 163-166. ↩
Vgl. Veit Rosenberger: Griechische Orakel. Eine Kulturgeschichte. Theiss, Stuttgart 2001 / Stefan Maul: Die Wahrsagekunst im alten Orient. Beck, München 2013. ↩
Vgl. Gernot Spies: Eine kleine Schule des Gebets, in: SMD-Transparent 2 / 2018, Seite 6-7. ↩
Vgl. Detlef Krause: Kann der Mensch das „reine“ Reden Gottes hören?, https://www.idea.de/spektrum/kann-der-mensch-das-reine-reden-gottes-hoeren, 10.5.2016. ↩
Vgl. Bruno Martin: Handbuch der spirituellen Wege. Eine Entdeckungsreise, Sphinx Verlag, Basel 1993, S. 74-87; 218-226. ↩
Vgl. Werner Urbanz: Schweigen, In: WiBiLex, https://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/schweigen-at/ch/becf615832e4dedc693ee9adba88cd05/, 8.2012. ↩