Es mehren sich im Pietismus und Evangelikalismus die Zeichen für eine Zunahme von Bibelkritik und „liberalen“1 Glaubenselementen wie zum Beispiel, dass man von Gott nur noch seine Liebe gelten lassen will und dass die zentrale Rolle der Bibel für Glaube, Leben und Denken abgeschwächt wird. Vermehrt werden neutestamentliche Ethikpositionen verlassen. Man möchte immer weniger unterscheiden zwischen bibelorientiertem Christusglauben, mystischem Hingezogenfühlen zu etwas Göttlichem und Namenschristentum. Die Kluft dazwischen versuchen manche zur Zeit zu überbrücken. Viele der evangelikalen Führungskräfte versäumen es seit Jahren, in dieser Situation ausreichend apologetische Hilfen anzubieten oder auf hilfreiche Argumentationsliteratur hinzuweisen. Sie kritisieren nicht den „liberalen“ Glauben, nicht die Bibelkritik und kaum „liberale“ Abweichungen von biblischen Ethikpositionen. Daher sind viele evangelikale Türen weit geöffnet für „liberale“ und bibelkritische Multiplikatoren. Vollzieht sich hier schon der für die Endzeit vorhergesagte Abfall unter den Glaubenden?
Dieser Aufsatz, der Einwände gegen den bibelorientierten Glauben kommentiert, möchte einen Beitrag zum Verstehen dieser dramatischen Entwicklung leisten. Er untermauert die Sicht, dass diejenigen, die immer mehr Evangelikale in die Bibelkritik, in einen „liberalen“ Glauben und in eine bibelwidrige Ethik führen, keine zwingenden Gründe und keine beweiskräftigen Argumente dafür vorbringen können.
Altorientalische Geschichtsschreibung als Maßstab?
In einer Diskussion über das Verständnis des Sintflutberichtes konnte man lesen, was mir für die Argumentation repräsentativ erscheint:
„Ich kritisiere ein Schriftverständnis, das davon ausgeht, dass die Bibel in allen historischen, geologischen und biologischen Fragen irrtumslos ist. Sie enthält auch keine Irrtümer, sondern tiefe Wahrheit. Die Vorstellung aber, dass vor etwa 5.000 Jahren die ganze Menschheit auf acht Personen reduziert wurde, lehne ich ab. Aus der altorientalischen Geschichtsschreibung wissen wir, dass der Text diese Bedeutung nicht gehabt hat. Die zentrale Wahrheit liegt im Gottes- und Menschenbild. Die Menschen sind böse und wenden sich von Gott und voneinander ab. Gott nimmt die Abwendung ernst und macht dennoch in bedingungsloser Treue zur Menschheit einen neuen Anfang.“2
Nach der Enthistorisierung können biblische Berichte leicht als Zeugen für eigene Ideale missbraucht werden. Das ist eine Manipulation im christlichen Gewand.
Hier schimmert die in der historisch-kritischen Theologie praktizierte Methode einer (teilweise) enthistorisierenden Neuinterpretation durch. Durch eine solche entwirklichende Deutung verliert der biblische Bericht seine widerlegende Kraft gegen die herrschenden modernen atheistischen und antibiblischen Wirklichkeitsvorstellungen. Würde der Sintflutbericht als Tatsachenbericht anerkannt werden, wäre das atheistische, säkularistische, (post)modernistische Macht- und Herrschaftssystem, das die westliche Welt geistig beherrscht, fundamental erschüttert. Der biblische Bericht, der nicht als Tatsachenbericht gelten darf, gilt aber nur noch als eine religiöse Vorstellung inmitten vieler religiöser Vorstellungen verschiedenster Religionen, und man muss sich dann nicht dem Gott der Bibel unterordnen.
Exkurs: Nach solcher Entmachtung wird der biblische Bericht dann oft instrumentalisiert als Bedeutungsträger für eigene theologische Wunschvorstellungen, für Zeitgeistethik, für mehr oder weniger bibelwidrige Ideale, für bibeltreu-bibelkritische Mischungen und für Abschwächungen abgelehnter biblischer Wahrheiten. Biblische Berichte, deren wahre Bedeutung man ablehnt, weil sie vielleicht eigenen Idealen widersprechen, können nach ihrer Enthistorisierung missbraucht werden als Zeugen für eigene Ideale oder sogar für eine allgemein akzeptierte biblische Einzelwahrheit, die aber textfremd ist. Es handelt sich dabei um eine Manipulation im Gewande des Christlichen. Die Stelle der biblischen Wahrheit wird nun teilweise oder ganz eingenommen von ideologischen und religiösen Standpunkten. So schwächt die entwirklichende Interpretation der biblischen Geschichte massiv den Einfluss des Christlichen in der Gesellschaft und fördert dadurch seinen Niedergang.
Nun zurück zum zitierten Argument: Widerlegt unsere Kenntnis der „altorientalischen Geschichtsschreibung“ die Sicht, dass die Menschheit durch die Sintflut auf acht Personen reduziert wurde? 1Mo 6,13.17 und 1Mo 7,21-23 im Zusammenhang mit dem Kontext bezeugen das. Daher darf diese Reduktion nicht als „Auslegung“ relativiert werden. Die heutige Forschung kann niemals die „altorientalische Geschichtsschreibung“ vollständig erfassen; daher hat der Hinweis auf dieselbe keine widerlegende Kraft. Allein die antike Bibliothek von Alexandria soll 500000 Schriften enthalten haben. Doch große Massen von antiken Texten sind verloren gegangen.3 Aus einem bekannten, bewiesenen Teil kann nie mit Sicherheit auf einen unbekannten Teil eines Ganzen geschlossen werden.
„Die Geschichte in ihrer Wirklichkeit ist viel ‚bunter‘ als der verständige Geschichtsforscher denkt.“4
Das gilt auch für die Geschichte der altorientalischen Geschichtsschreibung, zu der dimensional auch die biblische gehört.
Was das Wesen von „altorientalischer Geschichtsschreibung“ ist, lässt sich nicht völlig objektiv feststellen. Die Meinung von Wissenschaftlern darüber ist abhängig von Glaubensvoraussetzungen. Bei der (Re-)Konstruktion „altorientalischer Geschichtsschreibung“ wird (stillschweigend) im Namen der Wissenschaft – jedoch ohne Beweiskraft – unterstellt, dass Gott die jüdischen Geschichtsschreiber nicht inspiriert habe. Damit stehen sich nicht wissenschaftlich erforschte „altorientalische Geschichtsschreibung“ und Glaube an die historische Zuverlässigkeit der biblischen Berichte gegenüber, sondern letztlich inhaltlich unbewiesener antibiblischer Gegenglaube im Gewande der Wissenschaft gegen den von Gott offenbarten, unwiderlegten Glauben. Der Gegenglaube glaubt, dass Gott die Niederschrift des Bibeltextes nicht vor Irrtümern bewahrt habe. Hinter dem Gegenglauben steht sachlich gesehen — nichts! Weil aber der Gegenglaube sich ein „wissenschaftliches“ Gewand umgehängt hat, konnte er sich trotz seiner Nichtigkeit gesellschaftlich durchsetzen.
Das o. g. Argument scheint die Erkenntnisse Gerhard Maiers über die Geschichtsschreibung des Alten Testamentes nicht zu berücksichtigen: Gott wirkt verändernd in die Geschichte hinein. Wahrheit und reale Fakten sind aufeinander bezogen.5
„Was sich nicht auf unverfälschte Tatsachen gründet, hat keine Bedeutung, ist eben nicht ‚wahr‘.“ (22) Und: „Wie kein anderes Volk des Orients und vielleicht der ganzen Weltgeschichte ist Israel zum Verständnis der Geschichte erzogen worden.“ (23)
Alan Millard kommt zum Ergebnis: „Wenn wir die Bibel auf dem Hintergrund der altorientalischen Religionsgeschichte lesen, zeigt es sich, daß ihr Zeugnis mit dem uns heute zur Verfügung stehenden Wissen – aus antiken Texten und materiellen Überresten, die in den letzten hundert oder mehr Jahren entdeckt wurden, – gut übereinstimmt.“6 Nach Heinrich von Siebenthal gehört auch die Übereinstimmung von Wirklichkeit und Aussage zum Wahrheitsverständnis der Althebräer.
Unterstellung?
Das Argument: Wir können den Autoren der Bibel kein Geschichtsverständnis unterstellen, wie wir es heute kennen.
Die heutige Sicht der Nachfolger Jesu Christi auf das Geschichtsverständnis der Bibelautoren ist bestimmt von Jesu und der Apostel Umgang mit AT-Geschichtsberichten, wie es im NT dargelegt ist. Daraus lässt sich folgern, dass die Geschichtsberichte der Bibel historisch wahr sind.
Haben wir heute wirklich eine bessere Kenntnis des Denkens der Autoren? Worauf sollte sich diese Meinung stützen? Entscheidend ist außerdem nicht so sehr, was sich die Bibelautoren alles vorstellten – es ist uns ohnehin nicht vollständig zugänglich –, sondern was der von Gott gewollte Aussagesinn ist, der den Bibeltext inspiriert hat.
Zum richtigen Bibelverständnis notwendig sind Wiedergeburt, Heiliger Geist, Demut gegenüber Gott und seinem Wort, Leben in der Heiligung, Unabhängigkeit vom Streben nach „wissenschaftlicher“ Anerkennung durch bibelkritische Theologen, die sorgfältige Lektüre der Bibel in ihren Zusammenhängen. Notwendig ist auch Leidensbereitschaft, denn bibeltreue Theologie muss damit rechnen, herabgewürdigt und ausgegrenzt zu werden. Ohne Wiedergeburt und Erlöstheit ist eine wahre, qualitativ hoch stehende Wissenschaftlichkeit und Sachgemäßheit in der Erforschung der ganzen Bibel nicht möglich, denn der unerlöste Theologe kann große Teile des in der Bibel offenbarten Wesens und Handelns Gottes, besonders seine Heiligkeit und sein Prüfungs- und Gerichtshandeln sowie die Schmalheit des Heilsweges nicht wollen. Dass Jesus Christus alleiniger Heilsweg ist, lehnt man ab. Die heilsame Lehre kann man nicht ertragen. Deswegen konstruiert man Konzepte im Namen der Wissenschaft, die die völlige Glaubwürdigkeit der Bibel untergraben und Platz schaffen für zeitgeistnahe Auslegungen.
Ernst genommen?
Das Argument: „Die heutige Exegese nimmt die Bibel sehr ernst und fragt: Was konnte dieser Text in seiner Zeit wirklich meinen? Althistoriker zeigen, dass es in der Antike erst allmählich zu einer klaren Unterscheidung von geschichtlich, vorgeschichtlich, legendarisch etc. gekommen ist.“
Wenn die heutige Exegese (also die an Universitäten vorherrschende) die Bibel wirklich sehr ernst nehmen würde, würde sie deren Inspiriertheit, Heiligkeit, völlige Wahrheit und ihren Offenbarungscharakter ernst nehmen oder zumindest nicht länger ausschließen. Sie würde die Lehre der Heiligen Schrift über sich selbst nicht länger ablehnen, sondern sich ihr unterordnen.
Die Frage, was der Bibeltext in seiner Zeit meinen konnte, birgt in sich die Gefahr, dass begrenzte oder irrige antike Vorstellungen zum übergeordneten Interpretationsmaßstab über das inspirierte Wort Gottes gemacht werden. Die offenbarte Erkenntnis der Heiligen Schrift überragt weit das Erkenntnisniveau der Antike. Außerdem kann die Erkenntnis der Antike durch Althistoriker nur beschränkt erfasst werden. Deshalb kann es leicht dazu kommen, dass bibelwidrige Wunschvorstellungen in die Zeit der Antike hineininterpretiert werden. Die biblische Geschichte wurde von der Urgeschichte an zu biblischer Zeit als Tatsachengeschichte ernst genommen, gerade auch von Jesus Christus und den inspirierten Autoren. Etwas besser wissen zu wollen als Jesus Christus, erscheint vermessen.
6000jährige Weltgeschichte — ein Irrtum?
Das Argument: „Für eine lediglich 6000 Jahre alte Weltgeschichte ist kein Spielraum vorhanden.“
a) Aus dem Vergleich der Genealogie in Mt 1 mit 1Chr 3 wird deutlich, dass Matthäus drei Generationen weggelassen hat, um die Struktur dreimal 14 Generationen zu erhalten. Vielleicht ergibt sich daraus die Denkmöglichkeit, dass auch die Chronologie der biblischen Urgeschichte unvollständig sein könnte. Vielleicht ist ja nicht die ganze Urzeit heilsgeschichtlich von Bedeutung.
Die Naturkräfte der Urzeit zur Zeit der Schöpfung können niemals sicher erfasst werden. Gott könnte sie auch geändert haben. In die Wissenslücken dürfen aber keine atheistisch-naturalistischen Vorstellungen projiziert werden.
b) Möglicherweise aber ist die biblische Urgeschichte chronologisch vollständig. Dann wäre Folgendes zu bedenken: Die Natur- und Menschheitsgeschichte der Urzeit ist wissenschaftlich nie vollständig zu erfassen. Viele Teile des Geschehens haben keine bleibenden Spuren hinterlassen. Vielleicht haben in der Urzeit Naturkräfte gewirkt, die bisher noch nicht entdeckt sind. Es bleiben also große Wissenslücken. In die Lücken werden dann oft atheistisch-naturalistische Vorstellungen hineinprojiziert. Jahrmilliarden sind nie gemessen worden, sondern sind Resultat von Berechnungen, die auf teilweise unbewiesenen Voraussetzungen beruhen. Heutige Naturgesetze, Naturkonstanten und -strukturen werden als dauerhaft eingeschätzt und in die Vergangenheit extrapoliert. In dieses System werden dann bewiesene Einzeldaten aus der Urzeit eingeordnet, so dass der Eindruck eines scheinbar stimmigen Gesamtzusammenhanges entsteht. Dieses Naturgeschichtsbild, das ja bewiesene und auch unbewiesene Anteile enthält, wird dann der biblischen Urgeschichte kritisch entgegengehalten.
Der allmächtige, allwissende und souveräne Gott ist allerdings in der Lage, das gesamte Naturgeschehen, von dem gewisse Teile bzw. Aspekte erforschbar sind, im Rahmen von etwa 6000 Jahren von der Schöpfung bis heute ablaufen zu lassen. Gott könnte mehrfach die Naturgesetze, die Naturkonstanten, die Struktur der Materie, den Aufbau von Weltall und Erde geändert haben. Gott kann Naturprozesse auch schneller oder anders ablaufen lassen. Darüber hinaus kann Gott auf vielfältige Weise das gewöhnliche Naturgeschehen durch Naturwunder ergänzt bzw. ersetzt haben. Nach Ps 135,6 kann Gott mit der Natur machen, was er will. Wenn Gott von seiner Souveränität Gebrauch gemacht hat, sind die atheistisch-naturalistischen Vorstellungen von der urzeitlichen Naturgeschichte auf Sand gebaut. Das Alter von bisher etwa 6000 Jahren Weltgeschichte ist weder bewiesen noch widerlegt. Gott prüft unser Vertrauen auf die völlige Wahrheit der Heiligen Schrift. Selig sind, die die völlige Wahrheit der Heiligen Schrift nicht sehen und doch glauben! Was die Gegenwart betrifft, erhält Gott die Naturgesetze stabil, damit wir verantwortlich planen und leben können.
Naturwissenschaftlich?
Das Argument: „Das Argument, die Entstehung der Welt könnten wir ohne Gott nicht erklären, ist eine Dogmatik, die mich nicht überzeugt. Ich glaube, dass Gott in der Welt verborgen und ungreifbar handelt. Und dass die Wissenschaft im Moment etwas noch nicht erklären kann, bedeutet nicht, dass es ihr auch künftig verwehrt ist.“
Das Dasein der Welt kann niemand „naturwissenschaftlich“ erklären. Dafür kann es nur weltanschauliche Interpretationen geben.
Der letzte Satz ist im Verhältnis zum Sachverhalt irreführend und verzerrt diesen zu Ungunsten des biblischen Glaubens und zu Gunsten des antibiblischen. Hinter der Formulierung „etwas naturwissenschaftlich erklären“ versteckt sich „etwas auf der Voraussetzung des naturalistischen Glaubens ohne Gott interpretieren“! Wie die Welt und das Leben wirklich entstanden sind, kann die Naturwissenschaft nie erforschen, weil diese Entstehung der Wahrnehmung unzugänglich ist und daher nicht kontrollierbar. Deshalb kann die Naturwissenschaft die Weltentstehung auch nie „naturwissenschaftlich erklären“. Naturwissenschaftler können hinsichtlich der Weltentstehung entweder nur auf weltanschaulicher Basis atheistische, materialistische, naturalistische Vorstellungen konstruieren, die sie mit naturwissenschaftlichen Einzelerkenntnissen anreichern und so den Eindruck von Naturwissenschaftlichkeit erwecken. Oder sie können Schöpfung als die mit Abstand glaubwürdigste und vernünftigste Position begreifen. Es handelt sich nicht um Erklärungen, sondern um Interpretationen!
Die Naturwissenschaft kann auch nie die gesamte Natur erforschen und diese auch nie vollständig naturalistisch „erklären“. Eine Zufallsentstehung des Lebens aus unbelebter Materie ist extremst unwahrscheinlich, eigentlich gar nicht möglich. Denn Massen von unterschiedlichen Teilen müssen zugleich vorhanden und fein aufeinander abgestimmt sein, und es dürfen keine störenden Teile die Funktionen hindern. Außerdem ist Leben nur durch geistige Information möglich. Bloße Materie kann aber nicht Geist hervorbringen. Auch unbelebte Materie setzt Geist voraus, da sie immer Ordnungsstrukturen in sich birgt und Ordnung immer letztlich geistig verursacht ist. Röm 1,20 sagt klar, dass es für Leugnung der Schöpfung keine Entschuldigung gibt.
Die Sätze „Ich glaube, dass Gott in der Welt verborgen und ungreifbar handelt. Und dass die Wissenschaft im Moment etwas noch nicht erklären kann, bedeutet nicht, dass es ihr auch künftig verwehrt ist“ sollen wohl bedeuten, dass die Naturgeschichte der Urzeit (etwa) so ablief, wie das naturalistische Herrschaftssystem sie sich vorstellt und Gott nur innerhalb des Rahmens dieser Vorstellung „verborgen und ungreifbar“ gehandelt habe. Dabei würde es sich aber nicht mehr um den Gott der Bibel handeln, sondern um ein verkleinertes Gottesbild. Die Bibel wäre dann nicht historisch zuverlässig und könnte nicht Grundlage für die Wissenschaft sein, sondern müsste weiterhin diesen Platz dem atheistischen, naturalistischen Glauben lassen, der ohne Beweiskraft die historische Relevanz für sich reklamiert.
Die bibelkritische Argumentation bemüht auch hier das irreführende, antibiblische Schema „Naturwissenschaft gegen biblischen Schöpfungsglauben“, mithilfe dessen der Schöpfungsglaube im Bewusstsein der allermeisten ausgelöscht wurde. In Wirklichkeit stehen sich nicht Erkenntnis („Naturwissenschaft“) und Glaube (Schöpfungsglaube) gegenüber, sondern Glaube und Gegenglaube sowie Erkenntnis und Gegenerkenntnis! Hinter „naturwissenschaftlicher Erkenntnis“ verbirgt sich hier antibiblischer, atheistischer, naturalistischer usw. Glaube, der sich gegen den offenbarten Glauben stellt. Glaube an eine (teilweise) Unwahrheit der Bibel steht dem Glauben, dass Gott die Bibel wahr sein lässt, gegenüber. Dann stehen von antibiblischem Glauben abhängige Naturbilder solchen Naturbildern gegenüber, die von biblischem Glauben abhängig sind. Oder hinsichtlich bewiesener Daten der Naturforschung stehen antibiblische Interpretationen solchen Interpretationen gegenüber, die bibelbasiert sind.
Es ist tragisch, dass der Theologe sich hinsichtlich des Themas nicht vom bibelgemäßen Glauben („ Dogmatik“) überzeugen ließ, sondern dem Gegenglauben (antibiblische „Dogmatik“) vertraut.
Das Argument: „Der Anschein von Fehlern entsteht nur, wenn wir die Bibel an falschen Maßstäben messen.“
Gott ist immer in der Lage, sämtliche Bibelaussagen wahr sein zu lassen.
Mit Hilfe rein empirisch arbeitender Naturwissenschaft kann kein Fehler in der Bibel nachgewiesen werden, weil Gott in der Lage ist, sämtliche Bibelaussagen durch seine Allmacht wahr sein zu lassen. Die Wahrheit der Bibelstellen ist nicht abhängig von der Wahrnehmung der Wahrheit der Bibelstellen. Ein großer Teil der biblischen Aussagen lässt sich durch empirische Forschung gar nicht überprüfen.
Die (Re-)Konstruktion der Naturgeschichte durch die Machteliten unter den Naturwissenschaftlern sollte man nicht „naturwissenschaftlich“ nennen, weil im hohen Maße naturwissenschaftsfremder Glaube wie Atheismus, Materialismus und Naturalismus das, was „Naturwissenschaft“ genannt wird, beeinflusst. Der naturalistische Glaube schließt ohne Sachzwang ein außergewöhnliches Naturhandeln Gottes, wie es die Bibel berichtet, aus. Der Begriff „naturwissenschaftlich“ in der Aussage des Theologen verschleiert, dass in ihm atheistischer, naturalistischer Glaube enthalten ist. Damit bekommt auch antibiblischer Glaube das ehrenvolle Etikett „naturwissenschaftlich“.
Denkverbote?
Das Argument: „Es gibt eine sehr skeptische Tendenz in der deutschsprachigen Theologie, weil diese sich von orthodoxen Denkverboten aggressiv freikämpfen musste.“
Ein von Menschen konstruierter Maßstab Jesus für die Auslegung der Heiligen Schrift stellt eine Verdrehung von heilig und unheilig dar.
Für wahre Erkenntnis werden Orthodoxe gewiss keine Denkverbote erteilt haben. Es ist sachlich angemessen und notwendig, Erkenntnissen auf antigöttlicher bzw. antibiblischer Glaubensgrundlage entgegenzutreten. Ein Denkverbot gegen Bibelkritik wäre immerhin eine bessere Alternative als Bibelkritik, die rettenden Glauben verhindert oder zerstört (ein tragisches Beispiel ist Nietzsche). Mit dem Begriff der orthodoxen Denkverbote stellt sich der Theologe auf die Seite der Bibelkritik und gibt den Rechtgläubigen die Schuld an der sehr skeptischen Tendenz in der deutschsprachigen Theologie (siehe seine mit „weil“ eingeleitete Begründung). Die Ursache für die sehr skeptische Tendenz ist aber nicht die Orthodoxie, sondern die grundlegende Ablehnung von vielem, was der biblische Jesus Christus lehrt. Das Argument stellt die Orthodoxie auf die Täter- und die Nichtorthodoxen auf die Opferseite. Die Wirklichkeit sieht jedoch seit vielen Jahrzehnten radikal gegenteilig aus. Bibeltreue Theologie wird von bibelkritischer an den Rand gedrängt, oft diskriminiert, ignoriert oder herabgewürdigt. Davon sagt er hier nichts.
Überhaupt scheint das Wort „Denkverbot“ in zweifacher Weise unrichtig zu sein, denn Denkverbote lassen sich kaum praktizieren. Treffender wäre wohl das Wort „Lehrverbot“. Und zweitens wäre ein Denkverbot unwahrhaftig und damit unmoralisch. Mit einem solchen Vorwurf tut man den Rechtgläubigen Unrecht, denn wahre Rechtgläubigkeit ist unlösbar verbunden mit Wahrhaftigkeit und Moral. Ein Lehrverbot kann notwendig sein, um zeitlichen und ewigen Schaden abzuwenden. Wieder stellt der Theologe Erkenntnis und Glaube gegenüber – wie immer zum Nachteil der Seite des biblischen Glaubens: wissenschaftliche Skepsis gegen Rechtgläubigkeit, die mit ihrem Denkverbot letztlich sogar bösartig handeln würde. In Wirklichkeit stehen sich a) antibiblischer Glaube im Gewande „wissenschaftlicher Forschung“ und b) biblischer Glaube mit wissenschaftlichen und außerwissenschaftlichen Argumenten für die Wahrheit der Bibel und gegen die Bibelkritik gegenüber. Die Seite, die „wissenschaftliche Erkenntnis“ für sich reklamiert, ignoriert oder verschweigt ihren eigenen (antibiblischen) Glauben und spricht letztlich der Seite des biblischen Glaubens die Erkenntnis (Wissenschaftskompetenz) ab. Mit solcher strategischen Manipulation gelang es dem antibiblischen Glauben, die westliche Welt zu beherrschen. Die wirklichen Konfliktlinien sind aber Glaube gegen Glaube, Erkenntnis gegen Erkenntnis! Nicht jedoch Erkenntnis gegen Glaube!
Bibelverständnis?
Das Argument: „Die ganze Kirche hat 1800 Jahre lang die Gleichnisse Jesu falsch verstanden, sogar die Evangelisten selbst. Erst die universitäre Theologie im 19. Jahrhundert hat herausgefunden, wie die Gleichnisse tatsächlich zu verstehen sind, weil man da historische Quellen zum Hintergrund der Bibel und die Sprachkenntnisse hatte. Die Reformatoren gaben den Anstoß für eine historische Schriftauslegung, die geholfen hat, vieles neu zu entdecken.“
Das Argument stellt sich ganz auf die Seite der Bibelkritik. Allerdings ist das alles völlig unbewiesen und auch irrig. Der Philosoph Kurt Hübner stellte richtig fest, dass Offenbarung grundsätzlich nicht widerlegt werden kann. Das gilt auch für das offenbarte Verständnis der Gleichnisse im NT bei Matthäus, Markus und Lukas. Interpretationen von Gleichnissen sind immer abhängig von Glaubensvoraussetzungen, seien es bibeltreue oder bibelwidrige. Wir brauchen Gottes Geist, der in alle Wahrheit führt. Wenn viele Theologen seit dem 19. Jahrhundert die Bibel nicht mehr als göttliche Offenbarung glauben wollen, sondern als antike Vorstellungswelt, ist ihnen ein vom Heiligen Geist erleuchtetes, umfassend wahres Verständnis nicht möglich. Der Weg in den Irrtum ist geebnet.
Es ist in diesem Zusammenhang auch unpassend, die Reformatoren als Zeugen für Kritik an christlich-traditioneller Bibelauslegung und für „historische“ Bibelkritik zu benutzen. Ihre Kritik richtete sich besonders gegen spezifisch römisch-katholische Auslegungen, nicht gegen traditionsgebundene schlechthin. Zutreffende historische Kenntnisse können in manchen Fällen das Bibelverständnis verbessern. Aber wegen ihrer Unvollständigkeit darf man den Wert historischer Kenntnis für das Bibelverständnis nicht überschätzen. Die Unvollständigkeit historischen Wissens kann zu einem Zerrbild der Geschichte verleiten, das dann dem Bibeltext zu Unrecht widersprechend entgegengehalten wird und das befreien soll von der Pflicht des Befolgens abgelehnter biblischer Weisungen. Viel entscheidender für das richtige Schriftverständnis sind die geistlichen Voraussetzungen und sorgfältige innerbiblische Vergleichsuntersuchungen.
Profitierte das Christentum vom historisch-kritischen Ansatz des Hauptstroms der Theologie seit der „Aufklärung“? Die Bibelkritik und die nichtgeistliche Bibelauslegung (oft auch „wissenschaftliche Exegese“ genannt) haben tatsächlich zu einem ständigen Schrumpfen in den Kirchen geführt, in denen die Bibelkritik vorherrschte. Jesus Christus spricht: An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.
Liebe?
Das Argument: „Bei ethischen Fragen wie Ehescheidung oder Sabbatheiligung relativiert bzw. verschärft Jesus die Gebote der Tora. Er erklärt Liebe und Barmherzigkeit für das Wichtigste (Matthäus 23,23; Markus 12,28-31; Lukas 11,42). Das Prinzip ‚Mit Jesus gegen die Bibel‘ stammt also von Jesus selbst.“
Die angegebenen Stellen sprechen nicht gegen irgendeine ethische Lehre des AT. Das Schriftvertrauen, das Halten der Gebote und das Praktizieren der Nächstenliebe stehen in keinem Widerspruch, sondern bilden eine Einheit. In Mt 23,23 weist Jesus auf die Bibel, darin besonders auf Gericht, Barmherzigkeit und Glaube. In Mk 12,28-31 weist Jesus hinsichtlich der Frage nach dem größten Gebot wieder auf die Bibel. Diese lehrt die Liebe zu Gott und zum Nächsten. Und in Lk 11,42 kritisiert Jesus das Vorbeigehen an dem Gericht und der Liebe Gottes. Die ethischen Pflichten bleiben bestehen. In Mt 23,23; Mk 12,28-31; Lk 11,42 wird die Liebe nicht gegen die biblische Gotteslehre oder eine biblische Wahrheit oder gegen die Forderung zur Heiligkeit ausgespielt.
Auch die Botschaft des Paulus steht nicht im Widerspruch zu Jesus Christus. In Eph 4,15-32 z. B. legt Paulus nicht nur Wert auf die Liebe, sondern auch auf Christusglauben und einen heiligen Lebenswandel gemäß biblischer Ethik. In Wirklichkeit lassen sich Jesus Christus, Liebe, Heiligkeit und biblische Wahrheit gar nicht ohne Schaden trennen. „Liebe“ ohne biblische Wahrheit und ohne Heiligkeit ist keine echte Liebe und verursacht Schaden. Im „liberalen“ Glauben wurden schon oft ungeliebte biblische Heiligkeitsgebote im Namen „christlicher Liebe“ außer Kraft gesetzt. Diese Strategie kommt auch innerhalb des evangelikal/pietistischen Glaubens immer mehr zum Tragen. Die Wirkung ist Verfall des Christlichen. Denn „Liebe“ ohne biblische Heiligkeit und Wahrheit fördert Lieblosigkeit und produziert Unheil.
Die Behauptung, das Prinzip „Mit Jesus gegen die Bibel“ stamme von Jesus selbst, ist daher grundlegend abwegig. Abwegig ist dieses Prinzip auch, weil Jesus Christus der beste Zeuge für die Wahrheit der Bibel ist. Ja, das Prinzip „Mit Jesus gegen die Bibel“ erweist sich bei näherer Betrachtung als verhüllte Abkehr von Jesus Christus, denn der allein wahre Jesus Christus bildet mit dem Wort Gottes Heiliger Schrift eine unauflösliche Einheit! Nach Mt 5,17 ist Er nicht gekommen, das Gesetz und die Propheten aufzulösen, sondern zu erfüllen.
Voneinander lernen?
Das Argument: „Das Lagerdenken ‚liberale Christen gegen konservative Christen‘ funktioniert nicht mehr. Das Gegeneinander der christlichen Strömungen schadet allen. Die Landeskirchen müssen von Evangelikalen lernen, missionarische Leidenschaft für Jesus und Liebe zur Bibel wiederzuentdecken. Und Evangelikale müssen von den Volkskirchen lernen, Engagement für die Armen und Ausgegrenzten zu zeigen und keine Angst vor wissenschaftlicher Forschung zu haben.“
Können Christen wirklich von den Volkskirchen lernen, Engagement für die Ausgegrenzten zu zeigen? Sicher haben wir nie genug geliebt und oft Notleidende übersehen. Aber Vorbilder könnten Evangelikale besser in ihrer eigenen Geschichte finden. Das Engagement der Volkskirchen ist nicht selten vermischt mit Ideologie, die dazu geführt hat, dass öfter auch gewalttätige Bewegungen unterstützt wurden. Und zu den Ausgegrenzten sollten wir die vielen ungeborenen Kinder rechnen und die verfolgten Christen. Das Engagement durch die EKD ist bei der Abtreibung weithin mangelhaft, z. T. wird sie sogar befürwortet.
Lehnen bibeltreue Christen die wissenschaftliche Forschung ab, weil sie Angst haben oder weil diese oft einseitig bibelkritisch motiviert ist?
Müssen Evangelikale wirklich von den Volkskirchen lernen, keine Angst vor wissenschaftlicher Forschung zu haben? Hier scheint ein wenig die Forderung mitzuschwingen, die Evangelikalen sollten die wissenschaftliche Forschung akzeptieren, ihr vertrauen. Das, was der Theologe „wissenschaftliche Forschung“ nennt, ist zu einem Teil einseitig bibelkritisch motiviert. Bibeltreue Forschung wird oft ausgegrenzt, ignoriert, missverstanden, trotz guter Verständlichkeit und mit unsachlichen Argumenten abgelehnt. Vor seiner bibelkritisch formatierten „Forschung“ hat der „liberale“ Glaube natürlich keine Angst. Diese „Forschung“ schützt den „liberalen“ Glauben vor der Angst, die Bibel könnte doch Recht haben. Und sie soll ihn wohl schützen vor der Angst vor probiblischen wissenschaftlichen Forschungsergebnissen. Aus bibeltreuer Sicht ist höchste Wachsamkeit erforderlich, wenn es um behauptete „wissenschaftliche Forschungsergebnisse“ geht. In ihnen ist häufig Bewiesenes und Unbewiesenes vermengt. Oft wird Hypothetisches im Tatsachenstil dargestellt.
Wer genau Bewiesenes und Unbewiesenes unterscheiden kann, braucht „wissenschaftliche Forschung“ nicht zu fürchten. Man kann lernen, Bibelkritik bis auf den Grund zu durchschauen: Grundmotiv der Bibelkritik ist die teilweise oder völlige Ablehnung des in der Bibel dargestellten Wesens und Handelns Gottes sowie eines Teiles der biblischen Ethik. Da all dieses nicht widerlegbar ist, versucht man durch Bibelkritik die biblische Lehre über Gott und Ethik unglaubwürdig zu machen und die biblische Autorität zu untergraben. Man will nicht vertrauen, dass Gott die Bibel völlig wahr sein lassen kann und denkt von einem teilweise oder ganz gegen die Bibel und damit gegen Gott selbst gerichteten Gegenglauben aus. Einen Sachzwang für Bibelkritik gibt es nicht. Nur der erlöste Christ – bekehrt und wiedergeboren – ist in der Lage, durch den Heiligen Geist den Gott der Bibel und sein Gebot zu lieben. Der Nicht-Gläubige konstruiert sich oft eigene Gottesbilder (Götzen), die er lieben kann.
Eine entscheidende Hilfe für diejenigen, die dem Wort treu bleiben wollen, ist sich klar zu machen, dass hinter jeder Bibelkritik die souveräne Zulassung Gottes steht. Gott prüft mit ihr unser Vertrauen zu ihm selbst und zu seinem Wort. Wer dieses erkennt, hat die Prüfung schon halb bestanden. Viele dagegen bestehen die Prüfung nicht, weil sie im Hochmut die eigene oder von Autoritäten behauptete Erkenntnis trotz ihrer erheblichen Unvollständigkeit und Irrtumsanfälligkeit überschätzen und die Vertrauenswürdigkeit von Gottes Wort unterschätzen. Am Ende werden sich die Knie aller Bibelkritiker beugen vor Jesus Christus, der die Wahrheit ist und bleibt.
Gegensätzliche Positionen beim Namen zu nennen, wird zwar als Lagerdenken verunglimpft, aber das könnte auch nicht einfach ohne Gottes Wort, nur durch menschliche Annäherung überwunden werden.
Gegensätzliche Positionen auch als solche beim Namen zu nennen wird als „Lagerdenken“ verunglimpft, das überholt sei und allen schade. Eine Vereinigung sei nur möglich, wenn ein Lager oder beide ihre Grundpositionen aufgeben.
Aber im „liberalen“ Lager entscheidet der religiöse Mensch selbst, was er von der göttlichen Offenbarung akzeptieren will. Einen Teil der Offenbarung verwirft er. Die Einstellung des religiösen Menschen zum wiedergeborenen neigt oft zu Unverständnis oder Feindschaft. Der „liberale“ Glaube als nichtgeistlicher hat keine Erlösungskraft, keine heilsstiftende Kraft, sondern eine zerstörerische, vermag aber dennoch zu faszinieren.
Nur als neue Schöpfung durch die Wiedergeburt kann sich der Mensch der göttlichen Offenbarung unterordnen. Er glaubt nun an den dreieinen Gott, wie er sich in Geschichte und Bibel offenbart hat.
Sollen nun Pietisten und Evangelikale sich dem „liberalen“ Glauben annähern? Ein solcher Versuch, die beiden Lager zu vereinigen, kann nicht gesegnet sein. Er würde bedeuten, ein sinkendes Schiff zu betreten. Die Abhängigkeit von „liberalen“ und bibelkritischen Autoritäten, in die sich viele Pietisten und Evangelikale schon begeben haben, bedroht zunehmend die bibeltreue = christustreue = offenbarungsgemäße Identität, löst sie auf und verwandelt sie immer mehr in eine „liberale“ und christus- und bibelwidrige Identität.
Fazit: Bleibt nur ein Niedergang der evangelikalen Bewegung?
Diese Diskussion ist Ausdruck einer tragischen Entwicklung. Überall, wo sich die Bibelkritik im Verbund mit dem „liberalen“ Glauben durchgesetzt hat, kommt es zu einem zahlenmäßigen Schwund an Christen und einem Verlust von Christlichkeit bei gleichzeitigem Erstarken nicht- und antichristlicher Kräfte. Bibelkritik ist motiviert von einer teilweisen Ablehnung der Heiligkeit Gottes und Teilen der biblischen Ethik. Trotzdem nähern sich viele Pietisten und Evangelikale dem „liberalen“ Glauben durch teilweise Übernahme von Bibelkritik und bibelwidrigen Glaubenselementen sowie durch eine mindere Einschätzung des Wertes der Bibel an.
Ich frage auch: Ist der moderne „Lobpreisgott“ wirklich der Gott der Bibel oder eher eine einseitige Verformung nach menschlichem Gutdünken?7 Ist dieser Missstand nicht auch dadurch verursacht, dass man nur die Liebe Gottes, nicht aber seine Heiligkeit und die Wahrheit seines Wortes akzeptieren möchte. Man empfindet Widerwillen gegen Teile des in der Bibel offenbarten Willens und Welthandelns Gottes. Dieser Widerwille findet den „liberalen“ Glauben sympathisch und versteckt sich dann hinter vermeintlich sachlicher Bibelkritik, um die Infragestellung des „liberalen“ Glaubens durch die Bibel abzuwehren.
Eine weitere Ursache liegt meines Erachtens darin, dass die Ungeheuerlichkeit des Bösen, das die Gesellschaft beherrscht, nur oberflächlich erfasst wird und die Notwendigkeit des Gerichtes Gottes deshalb nicht verstanden wird. In der evangelikalen Welt wird häufig nicht das ungeheuere Ausmaß der antichristlichen und antibiblischen Indoktrination in Massenmedien, im kulturellen Bereich, in Wissenschaften, im Bildungswesen, in mächtigen theologischen Richtungen, in der Politik wahrgenommen, kurz: das die Welt beherrschende geistige Böse.
Immer mehr stellt sich Intelligenz in den Dienst raffinierter Irreführung. Die westliche Welt treibt so immer weiter weg von Gott in die Dunkelheit. Nur von der biblischen Grundlage her kann das bis auf den Grund durchschaut werden. Dann aber erkennt man immer deutlicher die Notwendigkeit des Festhaltens an der ganzen Lehre der Bibel. Man erkennt dann auch das erstaunliche Ausmaß an Gnade, das Gott denen gewährt, die demütig zu Ihm umkehren. Viele Pietisten und Evangelikale scheinen mir nicht genügend gestärkt zu sein, um die kommenden immer heftiger werdenden Stürme zu bestehen. Man kann nur bestehen im Festhalten am Worte Gottes. Für die Endzeit sagt die Bibel den Abfall voraus. Und Jesus Christus warnt in Mt 24 viermal vor Verführung.
In dieser Situation werden nach meiner Einschätzung viele der evangelikalen Führungskräfte ihrer Verantwortung nicht gerecht. Möge Gott daher für Pietismus und Evangelikalismus eine Reformation schenken! Allein der biblische Jesus Christus! Allein die Heilige Schrift! Allein der wahre Glaube gemäß der Bibel! Allein die biblische Gnade, nicht eine billige!
Einige der Merkmale des „liberalen“ Glaubens seien genannt: schwaches, nur liebendes, nicht wirklich ernstzunehmendes Gottesbild ohne Prüfungs- und Gerichtsernst, Abwertung des alleinigen Heilsweges Jesus Christus, Aufwertung der Religionen, Relativierung der Wahrheit, Heilsuniversalismus, Mission nicht wirklich dringlich, Verharmlosung des Heiligen und des Bösen, billiger Glaube, billige Gnade, billige Rechtfertigung, Feindschaft gegen bibelgläubige Christen, Ablehnung der biblischen Lehre über Sühne, Teufel, Antichrist, endzeitliches Unheil, Gericht usw. Kurz: Von den „Dimensionen“ Gottes, nämlich Liebe, Heiligkeit und Wahrheit, will man nur die Liebe gelten lassen. ↩
Die Formulierungen der Argumente sind angelehnt an die Aussagen von Thorsten Dietz aus seinem Buch „Weiterglauben“. Sie finden sich in ähnlicher Weise auch bei anderen Lehrern der evangelikalen Bewegung. ↩
Vgl. Alan R. Millard: Pergament und Papyrus, Tafeln und Ton. Lesen und Schreiben zur Zeit Jesu, Gießen 2000, S. 11-13. ↩
Werner de Boor: Die Apostelgeschichte, WStB, Wuppertal und Zürich 1989, S. 281 ↩
Vgl. Gerhard Maier: Wahrheit und Wirklichkeit im Geschichtsverständnis des Alten Testaments, in: Gerhard Maier (Hrsg.): Israel in Geschichte und Gegenwart. Beiträge zur Geschichte Israels und zum jüdisch-christlichen Dialog, Wuppertal 1996, S. 9-23 ↩
Alan Millard: Die Geschichte Israels auf dem Hintergrund der Religionsgeschichte des Alten Orients, in: Gerhard Maier (Hrsg.): a. a. O., S. 42. ↩
Beachtenswert ist der idea-Artikel (Nr. 41-2018), in dem es über junge Christen hieß „Die Generation Lobpreis ist keine Bibelgeneration“. ↩