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Annäherung an den Katholizismus – Willow Creek Kongress wird katholisch

Seit einigen Jahren arbeitet Willow Creek auf eine inhaltliche Annäherung zwischen Evangelikalen und Katho­liken hin. Nachdem bereits auf vergangenen Kongressen hinduistische, mormonische und katholische Redner aufgetreten sind1, setzt man auch 2020 auf eine weitere Bewerbung katholischer Frömmigkeit, ohne das allerdings den Besuchern und Gemeinden auch deutlich mitzuteilen. Wie schon in der Vergangenheit scheuen sich die Veranstalter des aktuellen Leitungskongresses, die katholischen Überzeugungen ihrer Redner klar zu benennen. Die ehemals evangelikale Willow Creek-Initiative hat sich zwischenzeitlich deutlich konfessionsübergreifend und ökumenisch entwickelt. Wichtige theologische Aussagen werden ausgeklammert, um eine reduzierte christliche Spiritualität zu bedienen, in der auch die Verehrung Marias oder die Fegefeuervorstellung akzeptabel erscheinen. Evangelikalen Christen wird dadurch auf niederschwellige Art und Weise katholische Frömmigkeit nahegebracht.

Auf dem im Februar 2020 in Karlsruhe stattfindenden Willow Creek Leitungs­kongress treten drei Redner mit pointiert katholischen Überzeugungen auf.2

Die ruandische Schriftstellerin Immaculée Ilibagiza ist eine erfolgreiche Buchautorin und Zeugin des Völkermords von 1994, bei dem sie ihre Familie verloren hat. Auf ihren weltweiten Vorträgen macht sie aus ihrer katholischen Überzeugung kein Geheimnis. In ihrem neusten Buch „Die Erscheinungen von Kibeho: Maria spricht zur Welt aus dem Herzen Afrikas“ (2017) motiviert sie ihre Leser zur Marienverehrung.3

Der katholische Gastro­nomie­unter­­neh­mer Patrick Knittel­felder wurde als Gründer der HOME Mission Base in Salzburg bekannt, einer katholischen Jünger­schaftsschule. Mit der charismatische und katholische Elemente verbindenden Initiative will er zur spirituellen Erweckung Europas und einer Stärkung der katholischen Kirche beitragen. HOME Mission Base gehört zur rund 500 Mitglieder umfassenden Loretto Gemeinschaft. Diese versteht sich als charismatisch, eucharistisch, marianisch und ökumenisch. Mit modernen Gottesdienstformen sollen unter anderem die Verehrung Marias, das Vertrauen auf den Papst, die Konzeption der katholischen Eucharistie usw. gefördert werden. In der Selbstvorstellung heißt es dazu:

Im Herzen der katholischen Kirche beheimatet versteht sich die Loretto Gemeinschaft als „Bewegung“ […], die für eine Erneuerung der Kirche betet, wirkt und lebt; […]. Als katholische Gemeinschaft schöpft sie aus dem Wort Gottes und den Sakramenten und bekennt sich zur [katholischen] Tradition und zum Lehramt.4

Die von dem Willow Creek-Redner Patrick Knittelfelder gegründete HOME Mission Base stellt sich selbst folgendermaßen vor:

„Die Lehre in der H.O.M.E Mission Base steht auf dem katholischen Fundament. Die Heilige Schrift, die Tradition des gelebten Glaubens und das Lehramt der Kirche sind für uns Richtschnur aller Verkündigung.“5

Johannes Hartl steht konsequent für katholische Lehren, die sich weder mit der Bibel noch mit einem evangelikalen Glauben vereinbaren lassen.

Der bekannte Konferenz­redner und Gründer des katholischen Gebetshauses in Augsburg, Johannes Hartl, war auch schon auf vergangenen Willow Creek- Veranstaltungen eingeladen. Der promovierte katholische Theologe hat sich in seinen Büchern und Vorträgen immer wieder werbend für katholische Theologie eingesetzt, ohne diese allerdings deutlich als konfessionell zu benennen. In seinem Antwortvideo auf die Kritik von Abdul Memra und Michael Kotsch beispielsweise behauptete er, lediglich allgemeinchristliche Lehren vertreten zu wollen. Gegen Ende seines Beitrags aber lehnte er traditionell katholisch sowohl das reformatorische „sola scriptura“ als auch das „sola gratia“ deutlich ab, und fordert eine Gleichberechtigung der katholischen Lehrtradition neben der Bibel und der Werke neben der Gnade Gottes.6

Etwas dramatisch oder vielleicht auch überheblich stellt der Rückentext Johannes Hartls „Mission Manifest“ als „vielleicht letzte Chance für das Christentum“ vor. Bibel TV kommentierte das „Mission Manifest“ zutreffend als: „Thesen für einen katholischen Aufbruch.“7

Auch in seinem „Mission Manifest“ distanziert sich Johannes Hartl deutlich von den theologischen Forderungen der Reformation.

Die reformatorischen Soli sind in ihrem absoluten An­spruch abzulehnen:

„Die Reformation [hat] vier grundlegende Lehrsätze mit einem jeweiligen sola oder solus formuliert: sola scriptura, sola gratia, sola fide und solus Christus. Allein die Schrift, allein durch Gnade, allein durch Glaube und Christus als einziger Mittler. […] Katholiken können ihnen [diesen Aussagen] […] nicht bedingungslos zustimmen. […] Wertet man die vier Sola der Reformation als dogmatische Lehrsätze und unterstreicht ihren Absolutheitsanspruch, werden sie für Katholiken schnell untragbar.8

Wenig später plädiert Johannes Hartl für die traditionell-katholische Sichtweise von „Gnade und Werke“:

Katholische Theologen erkennen in den Sola eine überzogene Engführung. Es sind eben doch auch noch Werke, durch die der Mensch mit der Gnade Gottes kooperiert. Es ist eben doch auch die Tradition, die mir die Schrift erst vermittelt. (167)

In anderen Büchern wirbt Johannes Hartl für die katholische Transsubstantiation beim Abendmahl, die besondere Bedeutung der Heiligen, die Verehrung Marias usw. Johannes Hartl war es äußerst wichtig, für sein Gebetshaus eine Versicherung des Augs­burger Bischofs zu erhalten, dass er mit seiner Arbeit in voller Übereinstimmung mit den grundsätzlichen Lehren der katholischen Kirche steht (2017).9

Mit Zitaten aus der frühen Kirchen­geschichte will Hartl begründen, dass Gläubige sich der Kirchenleitung und insbesondere ihrem Bischof unterordnen müssen.10 „Die Bischöfe sind an die Stelle der Apostel getreten“ (18). Das Papsttum geht nach Hartl auf die Anweisungen Jesu zurück, auch wenn das nicht unmittelbar in der Bibel nachzulesen ist (52f). Der Papst sei in seinen Äußerungen vom Heiligen Geist inspiriert (46). Für Hartl gilt die Bibel zwar als Grundlage des christlichen Glaubens. Aber allein die Bischöfe der katholischen Kirche haben die Vollmacht zur „richtigen Interpretation der Bibel“ (58). Das katholische Lehramt ist seiner Überzeugung nach direkt vom Heiligen Geist geführt.

„Die Offenbarung ist zwar mit Ihm [Jesus] abgeschlossen, aber sie ist [zu diesem Zeitpunkt] noch nicht voll entfaltet.“ (53)

Auf die Frage nach der Legitimität aller nicht durch die Bibel begründbaren katholischen Traditionen und Dogmen (etwa Transsubstantiation und Marienverehrung) antwortet Hartl:

„Es muss nicht in der Bibel stehen. Der Heilige Geist hat uns dies nach und nach gezeigt.“ (54)

Fazit

Über den Hintergrund der Redner werden die Besucher des Willow-Kongresses auf der Einladung nicht informiert. Sollen sie nicht wissen, dass sie keine evangelikalen Überzeugungen vertreten?

Mit der Ein­ladung von gleich drei pointiert katholischen Red­nern setzen die Ver­antwortlichen von Willow Creek ein deutlich ökumenisches Signal. In der offiziellen Einladung zum Leitungskongress 2020 wird das starke katholische Engagement der Referenten nicht erwähnt. Deshalb müssen die Besucher den Eindruck gewinnen, von Personen angesprochen zu werden, die für evangelikale Frömmigkeit und Theologie stehen; was faktisch leider nicht der Fall ist. Natürlich wird keiner dieser Redner auf dem kommenden Willow Creek Kongress offen für die katholische Kirche werben. Die Besucher der Veranstaltung werden voraussichtlich aber einen positiven Eindruck von den Referenten mitnehmen und sich deshalb auch für deren katholische Ideen öffnen, die ihnen auf angenehme Art und Weise in Büchern, Internetbeiträgen und Videos vermittelt werden.

Seit einigen Jahren kann man eine zunehmende Annäherung zwischen führenden Evangelikalen und katholischen Theologen beobachten, die sukzessive auch der Gemeinde vermittelt wird. Dadurch werden die Grundlagen einer biblisch-reformatorischen Aus­rich­tung zusehends ausgehöhlt. Die beson­dere Betonung der Bibel als alleiniger Glaubens­grundlage tritt dabei ebenso zurück, wie die Überzeugung „allein durch Gnade“ errettet zu werden und niemanden neben Jesus Christus kultisch verehren zu dürfen. Wer wirklich am Evangelium Jesu Christi interessiert ist, sollte auf eine synkretistische Annäherung an katholische Dogmen verzichten, auch wenn diese mit einem angenehmen evangelikalen Vokabular beworben wird.11


  1. Vgl. Michael Kotsch: Sektierer als Gastredner bei Willow-Creek-Kongress in Hannover – eine Anfrage, Bibel und Gemeinde 2/2016, S. 5-9 / Michael Kotsch: Sind die Unterschiede wirklich unbedeutend?, Bibel und Gemeinde 1/2018, S. 12. 

  2. Willow Creek: Leitungskongress 2020. Referenten, https://www.willowcreek.de/kongresse/leitungskongress-2020/referenten/, 10.12.2019. 

  3. Vgl. Immaculée Ilibagiza: Die Erscheinungen von Kibeho: Maria spricht zur Welt aus dem Herzen Afrikas, https://www.amazon.de/Die-Erscheinungen-von-Kibeho-spricht/dp/394540133X/ref=sr_1_1?qid=1576522841&refinements=p_27%3AImmacul%C3%A9e+Ilibagiza&s=books&sr=1-1, 10.12.2019. 

  4. Loretto Gemeinschaft: About. Über uns, https://web.archive.org/web/20120601041908/http://www.loretto.at/about, 10.12.2019. 

  5. Mission Base Salzburg: Alle Infos, https://home-salzburg.com/alle-infos/, 10.12.2019. 

  6. Johannes Hartl: Freundliche Antwort an Michael Kotsch und Abdul Memra, https://www.youtube.com/watch?v=8k_pYYIwkmk, 16.10.2018. 

  7. Mission Manifest – 10 Thesen für einen katholischen Aufbruch, https://www.bibeltv.de/programm/sendung/mission-manifest-10-thesen-fuer-einen-katholischen-aufbruch-67634/, 8.1.2018. 

  8. Johannes Hartl, in: Johannes Hartl / Karl Wallner / Bernhard Meuser: Mission Manifest. Die Thesen für das Comeback der Kirche, Herder Verlag, Freiburg 2018, S.150f. 

  9. Vgl. Gebetshaus-Mitteilung vom 2.1.2017: Bischöfliches Ordinariat des Bistums Augsburg, https://bistum-augsburg.de/content/download/155535/…/Gebetshaus-Mitteilung.pdf. 

  10. Johannes Hartl / Leo Tanner: Katholisch als Fremdsprache. Einander verstehen – Gemeinsam vorwärts gehen, WeG Verlag, Eggersriet 2015, S. 17. 

  11. Mehr Hintergrundinformation zu dieser Entwicklung findet sich unter anderem in meinem Buch War die Reformation ein Irrtum? Evangelikale und die katholische Kirche heute, Christliche Verlagsgesellschaft, Dillenburg 2019.