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Anders als geglaubt: Begehren und Identität in der gegenwärtigen Kultur und in der Bibel

Wenn Menschen sich fragen, wer sie sind und was ihre persönliche Identität ausmacht, dann verbinden sie das heute meist mit ihren Wünschen. Identität und Begehren wird vielfach, ohne es genau zu begründen, eng miteinander verbunden. Es scheint so, dass das Wesen des Menschen von seinem Begehren bestimmt wird. Die Bibel hat aber ein ganz anderes Bild, weil sie das Begehren nicht als Maßstab ansieht, sondern zwischen gutem Begehren und falschen, zerstörerischen Begierden unterscheidet. Von den letzten soll aber kein Mensch bestimmt sein.

Als ich englische Literatur studierte, belegte ich einen Kurs über Science Fiction. Erst als die Anmeldung ab­­ge­schlossen war, entdeckte ich, dass es um eine spezielle Form von Science-Fiction-Literatur ging: lesbische. Ich hatte vorher nicht gewusst, dass es so etwas überhaupt gibt. Aber dann verbrachte ich 16 Wochen damit, möglichst freundlich zuzuhören, die geforderten Kapitel zu lesen und mich damit abzuquälen, dem Ganzen irgendetwas abzugewinnen. In den Diskussionsrunden nahm ich die Rolle des weisen Mannes ein: Ich schwieg die meiste Zeit. Erst wenn das Gespräch unvermeidlich auf die Untugenden aus Sicht der Bibel kommen würde, würde ich die Sicht der Bibel zu Frauen, Sexualität und Beziehungen verteidigen.

Ich weiß nicht mehr, ob ich besonders überzeugend war. Aber ich weiß genau, dass es in jeder Diskussion in diesem Seminar wesentlich um Begehren und Identität ging. Diese beiden Ideen waren offenbar so eng miteinander verknüpft, dass sie oft wie Synonyme austauschbar verwendet wurden. Begehren schien Identität und Identität das Begehren zu sein. Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, ob das jemals jemand ausdrücklich so gesagt hat. Aber das war der Raum, in dem sich das Gespräch bewegte. Diese Verschmelzung ist in den letzten 20 Jahren seit meinem Studium in der gegenwärtigen Kultur noch deutlicher geworden.

Der Mythos der Gegenwartskultur

Ich glaube nicht, dass Aufsätze von Universitäten und Hoch­schu­len einen großen Einfluss auf die Öffentlichkeit ausüben, jedenfalls nicht direkt. Unsere moderne Kultur wird weithin beeinflusst von Kurzvideos, Serien im Streaming, Posts auf verschiedenen Internet-Plattformen, den „Geschichten“, die unter jungen Erwachsenen kursieren und längeren Podcasts. Mit anderen Worten: Unsere Kultur hat ihre eigenen Wege, ihre Geschichten zu erzählen. Mit diesen Geschichten werden junge Menschen unterrichtet, wie sie über sich selbst denken sollen. Das sind Geschichten davon, was wir gerne sein würden, welchen üblen Dingen wir widerstehen sollten, und über den Mut, der uns hilft, diese Dinge zu überwinden. Ein roter Faden in den Geschichten unserer Kultur dreht sich um die beiden Themen „Begehren“ und „Identität“.

Meine Absicht ist es hier nicht, die ziemlich ausgeklügelten Erzählungen der LGBTQ+-Bewegung zur Unterscheidung zwischen biologischem Geschlecht, gefühlter Geschlechtsidentität und Geschlechterrollen zu untersuchen. Das mündet in einer Liste von unzähligen Geschlechteridentitäten und sexueller Anziehung. Manche drehen sich um sexuelles Begehren, andere um die Wahrnehmung von Geschlecht. Manche bestehen auf die Zweiteilung in Mann und Frau, andere auf fließende Grenzen. Ich will diese Geschichten nicht im Einzelnen skizzieren. Mir geht es mehr darum, dieses eine Thema des gegenwärtigen Menschenbildes herauszuarbeiten: Das persönliche Begehren bestimmt und zeigt die Identität. Das wiederum bedeutet, dass man seine Identität dadurch stärkt, dass man dieses Begehren konsequent auslebt.

Das ist die Story, die in zahllosen Varianten erzählt wird. Die Heldin triumphiert dadurch, dass sie ihre wahre Identität lebt, nachdem sie erkannt hat, was sie wirklich begehrt und das dann auslebt. Aber natürlich gibt es böse Jungs, die solchen Heldinnen widerstehen. Die Gegenkräfte in diesen Geschichten sind einerseits der innere Gegner der eigenen Scham und andererseits Stimmen aus der Gesellschaft, die die „erkannte“ Identität nicht voll bestätigen. Die Heldin muss diese bösen Jungs nun überwinden, damit sie authentisch leben kann. Dazu lernt sie, wie sie die innere Stimme der Scham und die äußeren Stimmen, die sie nicht bestätigen, zum Schweigen bringen kann.

Solche Geschichten haben einige „notwendige“ Elemente. Oft beginnt es mit dem Gefühl der Entfremdung von sich selbst – da ist eine Wahrnehmung, dass etwas mit dem Wünschen und Begehren im Inneren nicht stimmt. Wenn die Heldin das zu lange mit sich herumträgt, wird sie depressiv und will sich vielleicht sogar das Leben nehmen. Dann lernt sie vielleicht, dass sie anstelle von Leiden, das aus dem Kampf gegen das Begehren resultiert, dieses einfach akzeptieren kann. Und dieses Begehren anzunehmen, bedeutet dann zugleich seine wahre Iden­tität zu akzeptieren. Die Heldin entdeckt jetzt ihr wahres Selbst. Damit hat unsere Heldin den ersten bösen Gegner überwunden: die innere Stimme, die sie nicht bestätigen will.

» Für die moderne Heldin sind die warnende Stimme der Scham von innen und die Ermahnung von außen die Feinde, die sie bekämpfen muss.

Das bereitet sie darauf vor, es nun auch mit der zweiten gegnerischen Kraft aufzunehmen. Das sind die äußeren Stimmen, die sie nicht bestätigen. Sie macht sich nun an den nächsten mutigen Schritt: ihr Coming-Out. Damit wird sie nun öffentlich ihre wahre Identität bekräftigen. Das ist der Weg, damit sie authentisch im Einklang mit ihrem Begehren leben kann und sie (oder „er“ / „they“ / „ens“ oder welches Pronomen jetzt richtig erscheint) wird schließlich Frieden mit sich selbst finden.

Dieser Spannungsbogen in der Geschichte hat Kraft. Er erscheint allen wertvoll, die ihn genauso auf ihre eigenen Erfah­rungen anwenden bzw. ihre Erfahrungen darunter zwingen. Das ist auch der Grund, warum es beim Thema Sexualität so erhitzt zugeht: Jeder Widerspruch wird als Verneinung der persönlichen Identität angesehen. Die aber ist heiliger Boden für unsere Gegenwartskultur. Deswegen ist schon jedes Wort außer einer vollständigen Bestätigung eine Verletzung der persönlichen Identität. Deswegen kursieren Videos von Nerven­zu­sam­men­brüchen, nachdem jemand „misgendert“ wurde, und Schul­leitungen erarbeiten Richtlinien, damit Kinder ermutigt werden, sich selbst in Sachen Geschlecht zu offenbaren, ohne „Gefahr“ zu laufen, dass sie eventuell nicht völlig bestätigt werden. Diese Story ist den Menschen inzwischen zu wertvoll.

Wir müssen das beachten, wenn wir Menschen zu einer besseren Geschichte einladen wollen. Unter dem Einfluss der gegen­wärtigen Kultur sind die Leute nämlich hypersensibel geworden, was die Verbindung ihres Begehrens und ihrer Iden­tität angeht. Sie glauben, dass die heldenhafte Heraus­forderung darin liegt, ihr Begehren zu akzeptieren und alles zu bekämpfen, was das nicht tut, kommt es nun von innen oder außen. Die Bibel sieht die heldenhafte Herausforderung offenbar auf einem ganz anderen Feld. Gott beruft jeden Menschen, Kämpfer in einem anderen Konflikt zu sein. Die bösen Jungs sind nämlich nicht die Stimmen, die uns nicht bestätigen. Die bösen Jungs sind falsche Begierden. Der wirkliche Kampf in der menschlichen Seele ist der zwischen falschen Begierden und gesundem Begehren. Die menschliche Identität hat also auch hier etwas mit Wünschen und Begehren zu tun.

Begehren und Identität biblisch

Die Bibel erkennt die Verbindung zwischen Begehren und Identität. Gott hat den Menschen von Beginn an mit Begehren geschaffen, das diese Realität widerspiegelt. Sie sollten ihr Glück in dem finden, was Gott selbst erfreut. Die Sprache in der Schöpfungsgeschichte ist bestimmt von Sein und Glücklichsein. Wir sehen eine Art von Tanz zwischen dem „So war es“ (1Mo 1,7.9.11.15.24) und „Es war gut“ (1,4.10.12. 18.21.25). Gott gab allem eine spezielle Identität und verband das mit bestimmten Werten.

Gott freute sich an dem, was er gemacht hatte, und er legte die gleiche Möglichkeit zur Freude und zum Glück in den Menschen hinein. Denn bald nachdem er Adam seinen Atem in die Nase geblasen hatte und der ein „lebendiges Wesen“ wurde, hat Gott den Garten Eden angepflanzt. Dort hinein setzte er den Menschen zwischen all die Bäume, die „schön anzusehen“ und mit Früchten „gut zu essen“ waren (2,7-9); mit Gold, das wertvoll war (12). Dort machte Gott eine Frau und brachte sie zu Adam, damit er Freude an ihr hatte (22-25). Adams Identität als Träger des Bildes Gottes drückt sich auch darin aus, dass er die Fähigkeit hat, das begehrenswert zu finden, was Gott ihm dazu erschaffen hat, dass er es begehren soll.

Dieses Verhältnis von Identität und Begehren war genau das, was der Satan mit seiner Strategie angriff, die Beziehung zwischen Gott und Mensch auseinanderzubringen. Er hinterfragte Gottes Worte darüber, was gut ist und stellte die verbotene Frucht als gut dar. Er leugnete, was Gott über Leben und Tod gesagt hatte, und lockte Eva, seinen Worten über beides Glau­ben zu schenken. Satan sagte ihr, dass etwas, was Gott verboten hatte, dass man es begehren sollte, begehrenswert sei. Und Eva kaufte dem Satan die Story ab:

„Als die Frau nun sah, wie gut von dem Baum zu essen wäre, was für eine Augenweide er war und wie viel Einsicht er versprach, da nahm sie eine Frucht und aß. Sie gab auch ihrem Mann davon, der neben ihr stand. Auch er aß.“ (3,6 NEÜ)

Sofort verkehrte sich, was Adam und Eva begehrenswert gefunden hatten, ins Gegenteil: Statt dass sie bei Gott glücklich waren, hatten sie Angst vor ihm (8-10). Statt dass sie Freude aneinander fanden, beschuldigten sie einander, die Ursache für ihre Probleme zu sein (11-13). Und sogar der Zustand ihrer Nacktheit war keine Freiheit und Freude mehr, sondern mit Furcht und Scham belegt (7). Als der Sündenfall die nächste Generation erreicht, warnt Gott Kain, dass das Begehren in ihm nicht gut ist und deswegen beherrscht werden muss (4,6-7). Weil er aber seine Wünsche nicht beherrschte, brachte er seinen Bruder um. Weil die Menschen verwarfen, was Gott gesagt hatte, dass es gut ist, änderte sich auch ihre eigene Einschätzung für das Gute. Und so änderte sich auch ihre Identität. Sie waren jetzt von Gott getrennt und in ihren Herzen verdreht.

Tatsächlich ist die Rede vom Begehren überall in der Bibel mit der Identität des Menschen verbunden. Diejenigen, die als Dummköpfe bezeichnet werden, sind die, die Dinge begehren, die Gottes Charakter und seiner Schöpfung widersprechen (Röm 1,18-32). Diejenigen, die von den Begierden ihres Leibes und Denkens bestimmt sind, werden als Nachfolger des Fürsten der bösen Mächte identifiziert, als „Kinder des Ungehorsams“ und des Zorns (Eph 2,2-3). Wer die Welt liebt mit ihren Begierden, der wird nicht als Kind Gottes identifiziert, sondern als Kind des Teufels (1Joh 2,15-17; 3,10). Wer die „Begierden des Fleisches“ auslebt, der ist außerhalb des Reiches Gottes (Gal 5,17.21).

Die Heilige Schrift widerspricht der gegenwärtigen Helden­story komplett. Die Welt sagt, dass eine Person den Mut finden muss, das Leben gegen jeden Widerstand, nach seinen Begierden zu leben. Das sei der Weg, seine wahre Identität zu finden. Die Bibel sagt, dass der Mensch nach dem Sündenfall eine Identität hat, die von sündigem Begehren bestimmt ist. Wenn er aber gemäß diesen Begierden lebt, dann zerstört er sich selbst (Röm 1,18-32). Böses Begehren endet in einer zerrissenen und geschwächten persönlichen Identität. Aber die Bibel sagt auch, dass der Mensch für etwas Größeres gemacht ist.

Keine Heldengeschichte, aber deine

Der christliche Glaube zerstört die Heldengeschichte dieser Welt auf zwei Weisen. Die erste haben wir schon aufgedeckt. Während sie behauptet, dass wir unsere wahre Identität nur finden, wenn wir konsequent unsere Begierden ausleben, sagt der Glaube, dass dieses Begehren von der Sünde korrumpiert ist und deswegen selbst kein guter Wegweiser sein kann.

Die zweite Weise ist sogar noch angriffiger. Der Geschichte der Bibel entnehmen wir, dass kein einziger Mensch in der Lage ist, den bösen Wünschen in seinem Inneren wirklich zu widerstehen. Jeder wird dabei versagen. Die Menschen begehren finstere Dinge, weil ihre Identität finster ist (Joh 3,19-20). Wir sind alle keine Helden. Dieser Angriff der Heiligen Schrift zielt auf jeden von uns: Unsere verdrehten Begierden offenbaren unsere verdrehte Identität. Wir können weder das eine noch das andere wirklich selbst ändern. Wir können nicht mehr sein, wozu wir eigentlich erschaffen wurden.

Es muss also die menschliche Identität erneuert werden, damit auch seine Wünsche und sein Begehren erneuert werden. Darum erzählt uns die christliche Geschichte die unerhörte Tatsache, dass Gott selbst Mensch wurde. Damit die menschliche Identität erneuert werden kann, musste ein Mensch die menschliche Identität so leben, wie es Gott für die Menschheit vorgesehen hatte, als er sie schuf: Sie sollten doch glücklich mit allem sein, was Gott gut nennt. Sie sollten seinem Wort vertrauen, was das wahre Leben ist, und alle gegenteiligen Behauptungen ablehnen. Sie sollten glücklich seinen Willen über ihren eigenen stellen. Deswegen kam Jesus in das sündige Fleisch, ohne selbst sündig zu werden – weder im Wünschen noch in der Tat (Röm 8,2; Heb 4,14-16). Die heldenhafte Herausforderung Gottes für den Menschen wurde auf perfekte Weise erfüllt. Aber statt dass Jesus den Lohn für seinen Sieg empfangen hätte, erhielt der Held den Fluch, den die verdient hatten, die die Herausforderung nicht bestanden haben (Jes 53,1-10). Der Einzige mit Begehren ohne Schuld, das aus einer Identität ohne Schuld gekommen war, wurde ermordet. Es war aber genau dieser Tod des idealen Helden, der den Fluch beendet für diejenigen, die versagt hatten in allem, wozu Gott sie berufen hatte zu sein (Jes 53,11-12; Röm 5,18-21).

Die größere Geschichte

Die Erzählung unserer Kultur unterscheidet sich gar nicht so sehr von anderen kulturellen Epen und Mythen. Sie alle erzählen die Geschichte von dem, was für ein Leben wünschenswert ist und was eine ideale Person ausmacht. Jede Kultur hat solche Sammlungen von Idealen, die du anstreben solltest und wer du sein solltest. Sie enden allerdings alle darin, dass man etwas erlangt, was wesentlich falsch ist. Darum musste Gott von außerhalb unserer menschlichen Kultur die wahre Natur der Identität und das Ziel für unsere Wünsche offenbaren. Die Bibel hat diese unangenehme Tendenz, nicht nur auf eine ganz andere Herausforderung für wahre Helden zu bestehen, sondern auch auf einen anderen Helden.

Was wir allerdings zuerst als unangenehm empfinden, kann sich für uns als Leben gebend entpuppen. Wer der Story dieser Welt folgt und wieder ganz werden will, indem er alle Stimmen von Innen und Außen zum Schweigen bringt, die ihn nicht bestätigen, wird sich völlig erschöpfen. Er wird auf diesem Weg niemals Ganzheit erreichen. Das mag sogar zum Niedergang führen. Die Stimmen, die trotzdem auf ihrer Geschichte bestehen, mögen dann an Glaubwürdigkeit verlieren.

Vielleicht ist das die Vorbereitung, auf bessere Stimmen zu hören, besonders auf eine. Vielleicht kann jemand so lernen, vorsichtig tastend auf Gottes Geschichte in der Bibel mehr zu vertrauen als auf die Story unserer Kultur, die unzählige Male gehört wurde. Wenn das geschieht, kann eine erneuerte Identität entstehen, die neues Begehren hervorbringt. Solcher Glaube bedeutet, dass eine „neue Schöpfung“ entstanden ist (2Kor 5,17), die neue Wünsche hat, die in den Kampf gegen die alten eintreten. Die neuen heißen die „Wünsche des Heiligen Geistes“, die dauerhaft im Herzen wohnen. Sie verdrängen die „Begierden des Fleisches“, die nur noch unrechtmäßige Hausbesetzer geworden sind (Gal 5,16-17).

Der neue Mensch ist nun zu einem anderen Kampf eingeladen als der, der ihm von der alten Geschichte von Begehren und Identität aufgeladen wurde. Das fühlt sich anders an. Es ist auch ein siegreicher Kampf, weil er auf Jesus Christus gebaut ist, der gesiegt hat. Jesus hat mit diesem Kampf das Recht, seinen Geist und sein Wort zu schenken, die Christen ermöglichen mit Kraft zu kämpfen. Der Geist und das Wort helfen, zu unterscheiden, was Gott gefällt und wie man sein Leben auf das ausrichten kann, was Gott erfreut (Röm 12,1-2).

Mit anderen Worten: Ein Christ ist in seinem Kampf um Identität nicht auf sich gestellt. Er hat seine Identität an die Identität des Christus gebunden, der all das ist, was wir nicht sein konnten. Hier wird die Herrschaft über das eigene Begehren an den Herrn Jesus abgegeben. Auch wenn die Versuchung ein Leben lang bleibt, so muss doch das sündige Begehren nicht länger den Menschen bestimmen (Röm 6,12-14; Tit 2,11-14).

» Ein Christ muss nicht mit allen Einzelheiten der Gegenwartskultur vertraut sein, aber die Grundlinien kennen, damit er mitfühlend und vertrauenswürdig antworten kann.

Die bessere Geschichte

In einer der erwähnten Diskussionen erklärte meine Professorin für lesbische Science-Fiction-Literatur, dass die traditionelle Ehe eine patriarchale Institution darstellt, die die männliche Domi­nanz über Frauen sicherstellen soll, indem ihre sexuellen Wünsche begrenzt würden, während es die Männer nicht schaffen ihre eigenen Begierden zu begrenzen. Sie stoppte plötzlich und fragte, ob ein Christ anwesend wäre. Ich hob meine Hand. Die Professorin fragte, ob ich verheiratet sei. Ich bejahte. Dann fragte sie sehr genau danach, wie das mit den sexuellen Wün­schen in einer christlichen Ehe funktioniert. Ich erzählte ihr also davon: Gott machte Mann und Frau, dass sie beide ihn erfreuen und Freude aneinander haben. Er schenkte die Ehe als Platz für das sexuelle Begehren, wobei es nicht darum geht, dass jeder seine Befriedigung sucht, sondern den anderen aufbauen und erfreuen will. Ich erzählte auch davon, dass es durch die Sünde anders kam und wie Gott Versöhnung wirkte. Ich sehe das Gesicht meiner Professorin noch vor mir, die sich von mir abwandte, und am Ende ziemlich distanziert meinte: „Das ist wunderbar.“ Nach einer kurzen Pause wendete sie das Gespräch abrupt in eine andere Richtung. Aber es war ein lehrreicher Moment für mich. Wir sollten in unserer Kultur nicht den Weg wählen, den Zusammenhang zwischen Begehren und Identität zu leugnen, sondern wir sollten die bessere Geschichte erzählen.

Es muss aber ein verbindendes Motiv geben, das uns zusammenbringt. Der durchschnittliche Christ wird auf die Schnelle nicht mit allen Einzelheiten der Thematik vertraut sein. Aber er sollte es doch mit den wesentlichen Linien sein, was uns helfen kann, Menschen unserer Kultur mitfühlend und überzeugend die bessere Geschichte zu erzählen. Denn die biblische Botschaft ist viel befriedigender als andere, wenn sie erklärt, was falsch ist und wie es richtig gemacht werden kann.

Unser Begehren ist mit unserer Identität verbacken. Es ist Teil dessen, was wir sind. Gott hat Menschen so gemacht, dass ihre Wünsche Teil ihres Selbst sind. Aber vielmehr hat er sie auch dazu geschaffen, dass sie wünschen, was er wünschenswert findet. Dazu ist jeder Mensch gemacht, ob er es weiß oder nicht: Er soll Gottes Charakter ähnlich werden, damit er glücklich wird mit dem, was Gott gefällt.

 

Übersetzung und Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Ligonier Ministries