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ThemenZeitgeist und Bibel

Wirklich tot und wahrhaftig auferstanden!

Alle Jahre wieder wird die Auferstehung in Zweifel gezogen. Derzeit mit sogenannten „wissenschaftlichen“ Argumentationen. Ein Medizinprofessor behauptet, dass Jesus nur scheintot war. Ein Professor für mittelalterliche Geschichte folgt ihm mit vielen Spekulationen. Tatsächlich sind die alle nicht neu, sondern werden seit Jahrhunderten immer wieder vorgebracht. Allerdings sind alle so unglaubwürdig, dass sie eher unterstreichen, wie zuverlässig der biblische Bericht über Tod und Auferstehung von Jesus ist.

Wieder einmal behauptet ein Autor mit seiner phantasievollen Geschichte das angeblich „wahre Leben Jesu“ enthüllen zu können. Diesmal versucht der Historiker Prof. Johannes Fried mit zwei Büchern, zu zeigen, dass die Sache mit der Auferstehung sich anders ereignet hat, als die Bibel berichtet. Er behauptet, dass Jesus bei seiner Kreuzi­gung vor den Toren Jerusalems nicht wirklich gestorben war. Scheintot soll er stattdessen ins Grab gelegt worden sein. Nach­dem Jesus sich dort erholt hätte, erschien er seinen Jüngern, organisierte einen Aufstand gegen die Römer und wanderte schließlich nach Indien aus. Die Thesen sind im Kern nicht neu. Allerdings verbindet Prof. Fried verschiedene, altbekannte Theorien kreativ miteinander und schafft es so auch in Zeitun­gen und Interviews, seine Ideen zu verbreiten.

In einer Hinsicht sind sich die meisten dieser Jesus-Kon­struktionen der vergangenen Jahr­zehnte einig: so wie es die Augenzeugen des Neuen Testaments und die antiken Historiker beschrieben haben, könne es keinesfalls gewesen sein. Das garantiert eine gewisse Aufmerksamkeit, selbst wenn ein Großteil der Bevöl­kerung den Aussagen der Bibel schon lange nicht mehr glaubt. Anfangs stellte Fried seine Deutung der Kreuzigung als historische Sensation dar. Nach der ersten Kritik ruderte er etwas zurück: er habe Indizien zueinander gestellt und eine Art Kriminalroman verfasst.

Von einem angesehenen Professor für Geschichte kann mann stichhaltige historische Argumente erwarten. In Frieds erstem Buch „Kein Tod auf Golgatha“ sind Fakten aber dünn gesät. Stattdessen findet man Spekulationen und Behauptungen, die sich teilweise widersprechen. Ein kritischer Leser muss an der Seriosität des Historikers zweifeln. Wenn allerdings ein Professor für Geschichte nicht in der Lage war, bessere Argu­mente gegen die biblischen Berichte zu finden, dann spricht das für die Qualität und Glaub­würdig­keit der Evangelien.

War Jesus ohnmächtig, nicht tot?

Johannes Frieds Argumentation stützt sich vor allem auf ein im Johan­nesevangelium beschriebenes Detail. Johannes, der Schüler Jesu und Augenzeuge der Kreuzigung war, verfasste einige Jahre nach den Ereignissen einen Bericht über Hinrichtung und Auferstehung Jesu. Bevor Jesus vom Kreuz abgenommen und ins Grab gelegt wurde, stach ihm ein römischer Soldat in die Seite. Aus der Wunde floss eine Mischung aus Blut und „Wasser“ (Joh 19,34f).

Es kann nicht überraschen, dass Jesus  – wie die Bibel berichtet – nach der Folter und langem Flüssigkeitsentzug schnell gestorben ist.

Diesen Vorgang deutet Prof. Fried als „hämoragischen Pleura-Erguss“. Durch den Bruch von einer oder mehreren Rippen könnte sich zwischen dem Rippenfell und der Lunge Jesu eine Blase von Blut und Wasser angesammelt haben. Das wiederum könnte zur Quetschung eines Lungenflügels geführt haben, wodurch Jesus nur noch schwer atmen konnte. Aufgrund dieser Einschränkung würde sich immer mehr CO2 in der Lunge ansammeln. Nach einiger Zeit wäre Jesus erst ohnmächtig geworden und wenig später gestorben. Indem der Soldat das Blut-Wasser-Gemisch abfließen ließ, hätte Jesus wieder atmen und dadurch überleben können.

Zuerst muss festgehalten werden, dass Frieds Hypothese über die Verletzung Jesu wahr sein könnte. Möglicherweise wurden Jesus während der Folter Rippen gebrochen. Eine daraus entstehende Blut-„Wasser“-Blase wäre durchaus denkbar. Der Stich des Soldaten hätte aber auch Blut und Flüssigkeit freisetzen können, die bei der beginnenden Verwesung nach dem Eintritt des Todes entsteht. Das „Wasser“ könnte sich auch infolge der früheren Folter in der Lunge gesammelt haben und durch den Speerstich abgeflossen sein. Eine genaue medizinische Diagnose ist im Abstand von 2000 Jahren nicht mehr möglich. Frieds Hypothese ist also lediglich eine von mehreren Möglichkeiten.

Medizinische Alternativen

Prof. Fried erwähnt in seinen Ausführungen leider nur am Rande, dass die Ansammlung von „Wasser“ im Brustkorb Jesu auch ganz andere Ursachen gehabt haben könnte, als die von ihm favorisierte. Folter, starker Blutverlust und erheblicher Stress könnten zu einem Zusammenbruch des Kreislaufs, zu einem Lungenödem, einer Lungenprellung oder einem schweren Schock geführt haben. Als Folge davon hätte sich durchsichtige Körperflüssigkeit im Brustkorb gesammelt. Das aus der Wunde Jesu fließende „Wasser“ könnte auch auf eine Flüssigkeitsansammlung im Herzbeutel oder in der Lunge zurückgehen, die infolge der Folter und einem schwächer werdenden Herzen entstanden war.

Selbst wenn man annimmt, dass Jesus unter dem von Fried vermuteten Rippenbruch mit Flüssigkeitsansammlung und einer darauf folgenden Erstickung gelitten hat, sind die weiteren Schlussfolgerungen des Professors eher unwahrscheinlich. Normalerweise stirbt ein so verletzter Mensch innerhalb relativ kurzer Zeit, vor allem wenn durch den Sauerstoffmangel eine Bewusstlosigkeit eingetreten ist. Jesus hätte unmittelbar nach Beginn seiner Ohnmacht vom Kreuz genommen werden müssen, um überleben zu können. Andernfalls folgt sehr schnell der Tod auf die Bewusstlosigkeit und die CO2-Vergiftung. Dafür, dass Jesus bereits Minuten nach seinem Scheintod vom Kreuz genommen wurde, findet sich im Bericht der Augenzeugen aber kein Hinweis (Joh 19,30-38). Zwischen den beiden Ereig­nissen könnten sogar Stunden gelegen haben.

In dem von Fried beschriebenen Szenario wäre Jesus zwar erst ohnmächtig geworden, wenige Minuten später aber gestorben. Auch noch eine Stunde nach seinem Tod würde bei einem Speerstich „Wasser und Blut“ aus seiner Seite fließen. Selbst wenn Jesus also an der von Fried vermuteten Verletzung der Rippen gelitten haben sollte, sagt das nichts darüber aus, ob er dann auch rechtzeitig vom Kreuz genommen und lebendig ins Grab gelegt wurde.

Jesus hing zu kurz am Kreuz

Zur weiteren Untermauerung seiner These von der Ohn­macht Jesu am Kreuz verweist Johannes Fried auf die relativ kurze Zeit, während der Jesus am Kreuz hing. Seiner Ein­schätzung nach hätte Jesus in diesen wenigen Stunden nicht sterben können. Tatsächlich dauerte der Tod am Kreuz häufig deutlich länger. Allerdings gibt es keine allgemeingültigen Daten über das „normale“ Sterben bei einer Kreuzigung. Manche Verurteilte waren bereits nach wenigen Stunden am Ende, andere hielten mehrere Tage durch.

Viele Gekreuzigte erstickten vermutlich langsam durch den herabsackenden Körper und die dabei eingequetschte Lunge. Einige starben aber auch schneller, z.B. an einem Kreislaufkollaps oder Herzinfarkt. Man sollte in diesem Zusam­menhang nicht vergessen, dass Jesus nach stundenlanger Folter (Joh 18,22; 19,1-2) bereits so geschwächt war, dass er unter dem Tragen des Kreuzes zusammenbrach (Lk 23,26). Aus eigener Kraft erreichte er kaum den Hinrichtungsort. Deshalb war durchaus zu erwarten, dass Jesus früher sterben würde als ein relativ ausgeruhter Gefangener. Auch war Jesus durch stundenlangen Flüssig­keits­entzug weitgehend dehydriert (Mt 27,34; Mk 15,23), was bei der heißen Sonne des Nahen Ostens und dem massiven Stress der nächtlichen Folter ziemlich schnell zu einem Kreislauf­zu­sam­menbruch führen kann.

Aufgrund intensiver medizinischer Untersuchungen kam Frederick Zugibe zu dem Ergebnis, dass die meisten Gekreuzigten der Antike wahrscheinlich keinen Er­­stickungs­tod gestorben waren, wie in der Vergangenheit oft vermutet wurde. Seine Experimente zeigen, dass das Sterben am Kreuz sehr unterschiedlich ablaufen konnte. Im Fall des schwer gefolterten Jesus hält Zugibe einen „hypovolämischen Schock“ für die naheliegende Todesursache. Die Strapazen der Folter, der erhebliche Flüssigkeitsverlust, Nerven­schä­di­gungen und Flüssigkeits­ansammlungen in der Brust führten demnach zu einem Zu­sam­men­bruch des Blutkreislaufs mit dem anschließendem hypovolämischen Schock. Ohne sofortige medizinische Gegenmaßnahmen ist der Tod dann unausweichlich. Die in der Bibel beschriebenen Symptome des Todes­kampfes Jesu passen, so Zugibe, gut zu dem von ihm vermuteten Ablauf des endgültigen Zusammenbruchs.

Unstimmigkeiten beim Scheintod-Konzept

Mit großer Wahrscheinlichkeit wäre ein Scheintod von Jesus auch auf­gefallen. Die römischen Soldaten waren Profis bei Hin­richtungen wie der Kreuzigung. Dass ihre Delinquenten ohnmächtig werden konnten, wussten sie aus langjähriger Er­fahrung. Scheintote nahmen sie sicher nicht einfach vom Kreuz. Das hätte nämlich für sie fatale Folgen haben können. Römische Soldaten wurden schwer bestraft, wenn sie einen Gefangen entkommen oder einen Hinzurichtenden am Leben ließen. Schon im eigenen Interesse gingen diese Männer bei Hin­richtungen auf Nummer sicher. Sicher kamen Ohn­machts­anfälle bei Kreuzigungen immer wieder vor, ob nun wegen Kreis­lauf­kollaps, Schock, Dehydrierung oder der unerträglichen Schmerzen. Davon ließen sich erfahrene Henker wohl kaum beeindrucken. Einen Irrtum der Soldaten vorauszusetzen, ist darum ziemlich spekulativ.

Nehmen wir einmal an, dass Frieds Hypothese vom Scheintod Jesu stimmte, obwohl es dafür keinen einzigen historischen Beleg gibt, dann wäre das weitere Geschehen vollkommen undenkbar. Es ist absolut unglaubwürdig, dass ein gefolterter, schwer verletzter Mann wie Jesus, in einer Grabhöhle zwei Tage unversorgt liegt, ohne zu sterben. Danach soll er aber ohne entsprechende Wundversorgung und Heilungszeit wieder so fit gewesen sein, dass er einen mehrere Tonnen schweren Stein beiseite wälzte, mit dem der Eingang seines Grabs verschlossen war (Joh 20,1). Unmittelbar danach soll der geschwächte Jesus dann eine Truppe hartgesottener Soldaten in die Flucht geschlagen haben (Mt 28,1-4). Es wäre genauso unerklärlich, wie Jesus ohne weitere Erholung einen Gewalt­marsch nach Galiläa bewältigt (Mt 28,10+16f) oder das Kunststück bewerkstelligt haben sollte, plötzlich vollkommen gesund in einem gründlich verschlossenen Raum zu erscheinen (Joh 20,19).

Im Fall des von Fried behaupteten Scheintodes wäre es auch kaum verständlich, warum Jesus in den folgenden Wochen seine eigene Familie und seine engsten Freunde systematisch belogen haben sollte, indem er sie glauben ließ, er sei auferstanden. Das entsprach in keiner Weise dem Charakter Jesu und seiner weithin bekannten Wahrheitsliebe (Mt 5,37). Man würde erwarten, dass heimlich die Stadt verlässt und sich von Freunden gesund pflegen lässt, um später seine Predigten fortzusetzen. Schließlich hatte er noch zahlreiche Anhänger.

Ein von Folter gezeichneter Jesus, der Monate gebraucht hätte, um sich einigermaßen zu erholen, hätte kaum diese Wirkung auf die Jünger gehabt.

Wäre Jesus nach seiner Kreuzigung allerdings geschwächt am Leben geblieben, hätten ihn die jüdischen und römischen Sicherheitskräfte innerhalb kurzer Zeit gefunden und festgenommen. Immerhin war er aus offizieller Perspektive auch weiterhin ein zum Tode verurteilter Verbrecher. Außerdem hatte man bereits wenige Wochen später ziemlichen Ärger mit den ersten Christen, die von der Auferstehung Jesu überzeugt waren. Ein gefangener, von Folter und Kreuzigung gezeichneter Jesus hätte das junge Christentum schnell wieder zusammenbrechen lassen. Daran waren gleich mehrere mächtige Gruppen interessiert. Sie hätten den „scheintoten“ Jesus gerne gefunden. Prof. Fried spekuliert wegen dieser naheliegenden Überlegungen, die Jünger seien wider besseren Wissens an der Verbreitung der Lügengeschichte vom Tod und der Auferstehung Jesu aktiv beteiligt gewesen. Das widerspricht zwar allen bis dahin von Jesus verteidigten Prinzipien der Ethik. Gerade seinen Gegnern hatte Jesus immer wieder Lüge und Heuchelei vorgeworfen (Mt 23,13f) und seine Jünger davor gewarnt. Es klingt sehr unwahrscheinlich, dass Jesus plötzlich das genaue Gegenteil von dem getan haben soll, was er jahrelang gepredigt und vorgelebt hatte. Und wie will man erklären, dass sich die Jünger in den kommenden Jahren für ihre eigene, ziemlich unglaubwürdige Lügen­geschichte foltern und töten ließen? Nachvollziehbar ist eigentlich nur die Geschichte, wie sie die Evangelien erzählen.

Jesus als ägyptischer Aufrührer

Prof. Fried spekuliert weiter, Jesus sei der von Flavius Josephus erwähnte Ägypter, der mehr als zehn Jahre nach dem Tod Christi einen Aufstand gegen die Römer angezettelt hatte. Bei dem vergeblichen Versuch Jerusalem zu erobern, verloren tausende seiner Anhänger ihr Leben, während der „Ägypter“ sich rechtzeitig absetzte. Jesus in diesem Aufrührer wiedererkennen zu wollen, ist ziemlich phantasievoll und verbietet sich angesichts der historischen Berichte. Josephus unterscheidet in seiner geschichtlichen Darstellung deutlich zwischen Jesus und dem erwähnten „Ägypter“. Nirgends deutet er an, es könne sich um dieselbe Person handeln. Außerdem widersprechen das Verhalten und der Charakter des „Ägypters“ dem bekannten Auftreten von Jesus grundsätzlich. Jesus hatte mehrfach und unmissverständlich gefordert, sich der römischen Herrschaft zu unterwerfen und nicht zu den Waffen zu greifen (Mt 22,21; Joh 18,36). Der „Ägypter“ schreckte weder vor Aufruhr noch vor Gewalt zurück. Es ist unwahrscheinlich, dass Familien­angehörige und die Jünger Jesus nicht erkannt haben sollten. Jesus wurde auch in zeitgenössischen Quellen nie als „Ägypter“ bezeichnet wurde. Ohne Ausnahme wurde er als Jude aus Galiläa angesehen, als „Jesus von Nazareth“. Daran änderten auch die wenigen Monate nichts, die er auf der Flucht vor Herodes als Kleinkind im ägyptischen Exil verbringen musste (Mt 2,13-15).

Jesus im Koran

Prof. Fried verweist auf die Überlieferung des Koran, um seine Spekulationen über den Scheintod Jesu zu unterstützen. Als Wissenschaftler sollte es ihm eigentlich klar sein, dass ein über 600 Jahre später, von einem gänzlich unbeteiligten Mohammed inspirierter Text, kaum historische Relevanz hat; zumal Mohammed auf keine Quellen verweist. Allerdings ist Fried in der Wiedergabe der islamischen Sicht der Kreuzigung Jesu ungenau. Nach Auskunft des Koran und seiner islamischen Ausleger starb tatsächlich ein Mensch am Kreuz, den die Umstehenden fälschlich für Jesus hielten (Sure 4,157-159 / vgl. Mohammed Taufîq Sidqî). Der Islam behauptet keinen Scheintot Jesu, sondern eine Verwechslung. Man kann nämlich nicht akzeptieren, dass Gott seinen wichtigen Propheten Jesus erbärmlich am Kreuz sterben lassen würde. Also soll Jesus kurz vor einer Hinrichtung von Allah in den Himmel entrückt worden sein. An seiner Stelle sei vermutlich Judas gekreuzigt worden, den man irrtümlich für Jesus hielt. Dieser Gekreuzigte starb nach Auskunft des Koran aber dann tatsächlich.

Jesus in Indien

Auch die von Fried angeführten, phantasievollen Berichte über die Auswanderung von Jesus nach Indien stammen aus viel späterer Zeit und haben keinerlei Wert als historische Quellen für die Ereignisse des Neuen Testaments. Außerdem passen die Erzählungen nicht richtig zu dem Rest der Geschichte. Weitgehend offen bleibt in Frieds Szenario beispielsweise die Frage, warum Jesus überhaupt auswandern sollte, statt weiter in Israel zu predigen. Um einer möglichen Verhaftung zu entgehen hätte es wohl genügt, sich einen Zufluchtsort in der Wüste zu suchen, wie schon zahlreiche jüdische Propheten vor ihm. Unerklärlich bleibt auch bei dieser Spekulation, warum ein bis dahin absolut ehrlicher und authentischer Jesus seine Anhänger wissentlich mit den schwerwiegenden Irrtümern über seinen Tod und seine Auferstehung zurücklassen sollte. In Frieds Version der Geschichte unternimmt Jesus nicht einmal den Versuch, dieses Missverständnis zu korrigieren. Viel wahrscheinlicher war es genauso, wie das Neue Testament berichtet.

Wäre es nicht auch naheliegend, dass Jesus seine engsten Mitarbeiter mit nach Indien genommen hätte, wenn er tatsächlich auswandern wollte? Schließlich war er mit seinen Jüngern schon jahrelang auf Wanderschaft unterwegs gewesen und hatte sein Leben mit ihnen geteilt. Und wie will man erklären, dass der „indische Jesus“ dann ganz andere Lehren verbreitete als der in Israel? Unverständlich wäre auch das jahrzehntelange Schweigen Jesu trotz der vielen dann „falschen“ Lehren der von ihm berufenen Apostel. Immerhin sind Tod und Auferstehung von Jesus zentrale Bestandteile des christlichen Evangeliums. Nicht einmal der Versuch einer Kontaktaufnahme oder Korrektur Jesu ist historisch belegt, obwohl eine solche Reaktion naheliegend gewesen wäre. Abgesehen davon fehlen für den mutmaßlichen Umzug Jesu nach Indien glaubwürdige zeitgenössische Quellen.

Keine glaubhafte historische These

Ermüdend wirkt angesichts dessen der wiederholte Hinweis Frieds auf angebliche Unterdrückungsaktionen der alten Kirche. Wer keine relevanten historischen Quellen anführen kann, spekuliert einfach über ihre frühzeitige Vernichtung. Historiker fangen allerdings gewöhnlich mit den Quellen an, die ihnen vorliegen und erfinden keine, die sie sich für vorgefasste Theorien wünschen. Dabei gilt auch: Je weiter eine Quelle vom berichteten Ereignis entfernt ist, desto geringer ist ihre Relevanz. Prof. Frieds Spekulationen bauen letztlich auf wenige Schriften, die erst lange nach den Ereignissen abgefasst wurden. Sie müssen als deutlich weniger glaubwürdig angesehen werden, als die Berichte des Neuen Testaments.

Alle historisch zugänglichen Berichte des 1. Jahrhunderts sprechen vom Tod Jesu, ebenso andere Quellen, die im 2.Jahrhundert noch allgemein in Rom eingesehen werden konnten (vgl. Tacitus: Annalen 15,44; Tertullian: Apologeticum 21,19). Alleine die Beobachtung, dass manche Menschen bei einer Kreuzigung ohnmächtig werden konnten, genügt nicht, um die zahlreichen Augenzeugenberichte der Zeitgenossen ernst­haft infrage zu stellen. Aufgrund der mangelhaften historischen Arbeit von Prof. Johannes Fried muss die Frage erlaubt sein, ob es sich um eine ernsthafte wissenschaftliche Unter­suchung handelt oder doch eher um eine rein fiktive Erzählung. Fried nennt sie dann auch ein „Indizienensemble“.

Kein Tod – keine Auferstehung

Vermutlich ist Fried nicht so sehr an den wahren Umständen der Kreuzigung Jesu interessiert. Wie bei den meisten früheren Werbern für eine Ohnmacht Jesu am Kreuz geht es im End­effekt um die Leugnung der Auferstehung. Sollte Jesus nicht wirklich gestorben sein, gibt es natürlich auch keine Auferstehung. Ohne die Auferstehung Jesu fiele das wichtigste Argument für seine Vollmacht über Leben und Tod.

Mit einem ethisch vorbildlichen Jesus können Atheisten und materialistisch orientierte Menschen leben. Nicht akzeptabel ist für sie aber ein Jesus, der leibhaftig auferstanden ist, wie es zahlreiche Augenzeugen beschreiben. Fried ist schlussendlich nicht an neuen medizinischen oder historischen Indizien interessiert, wie er in Interviews gerne behauptet. Dafür sind die von ihm vorgebrachten Argumente viel zu schwach. Eher geht es Fried um den erneuten Versuch, Wunder und insbesondere die Auferstehung Jesu aus einem materialistischen Weltbild verbannen zu können.

Weltanschauliche Kritik an Tod und Auferstehung

Die Thesen eines Scheintodes Jesu, einer schweren Ohn­macht oder eines abgekarteten Betrugs seiner Jünger finden sich schon bei den Religionskritikern des 19. Jahrhunderts. Ihnen ging es damals weniger um neue medizinische oder wissenschaftliche Erkenntnisse, als vielmehr um eine Demontage des christlichen Glaubens. Ohne gleich alle Aussagen der Bibel unglaubwürdig machen zu wollen, bemühte man sich an zen­tralen Stellen Zweifel zu wecken. Es fehlten aber schon damals stichhaltige Argumente und historische Quellen. Zumeist genügte es den Religionskritikern, dass man ihre weitgehend erfundenen Versionen des Lebens und Sterbens Jesu nicht vollständig widerlegen konnte. Das Beharren auf einer minimalen Wahrscheinlichkeit als Grundlage einer ernsthaften historischen Hypothese macht aber Geschichtsschreibung absurd.

All die phantasievollen Erzählungen von einem Scheintod oder einem Betrug der Jünger finden sich seit Jahrhunderten, aber bleiben immer ohne Belege nur wilde Spekulationen.

Auch während des ganzen 20. Jahrhunderts spekulierten phantasiebegabte Autoren über die „wahren“ Hintergründe des Todes und der Auferstehung Jesu. Einige wollten im neutestamentlichen Nikodemus einen genialen Arzt erkennen, der Jesus innerhalb weniger Tage wieder aufpäppelte. Andere meinten, Jesus habe über geheime medizinische Kenntnisse der alten Ägypter verfügt. Mit der Einnahme entsprechender Medika­mente habe er seinen Tod lediglich vorgetäuscht. Wieder andere spekulierten, der römische Präfekt Pontius Pilatus habe Jesus frühzeitig vom Kreuz nehmen lassen, weil ihn wegen dessen Hinrichtung ein schlechtes Gewissen plagte. Deshalb habe er Jesus still und heimlich von römischen Ärzten wieder gesundpflegen lassen.

Allen diesen phantasievollen Erzählungen fehlen die entsprechenden historischen Belege. Keine stichhaltige Quelle stützt eine der Hypothesen. Aus historischer Sicht sind sie deshalb weitgehend wertlos. Bei genauerer Betrachtung werfen solche Geschichten sogar deutlich mehr Probleme und Unstim­migkeiten auf, als sie an Fragen vielleicht lösen würden.

Mehr Glaubensbekenntnis als historische Analyse

Johannes Fried liefert in seinem Buch keinen einzigen überzeugenden historischen oder medizinischen Beleg für den von ihm behaupteten Scheintod. Er beschreibt lediglich eine theoretische Möglichkeit unter vielen. Ge­messen an den vorliegenden seriösen Quellen ist seine Version der Geschichte aber höchst unwahrscheinlich. Mög­licher­weise passt dieser Entwurf einfach nur zu Frieds weltanschaulichen Überzeugungen.

In seinem 2021 erschienen Buch „Jesus oder Paulus: Der Ursprung des Christentums im Konflikt“ setzt Professor Fried seine wissenschaftlich zweifelhafte Spekulation über die frühe christliche Kirche fort. Wiederum wird hier das Christentum ohne stichhaltige historische Quellen esoterisch umgedeutet. Statt der bewährten Zeugenaussagen des Neuen Testaments aus dem 1. Jahrhundert stützt sich Fried vor allem auf unzuverlässige gnostische Texte wie dem Thomasevangelium. Diese Schriften sind aber erst mehr als hundert Jahre nach den Ereig­nissen entstanden, ohne Bezug zu den eigentlichen Augenzeugen. Wenig überraschend behauptet Fried schließlich, der christliche Glaube gehe im Wesentlichen nicht auf Jesus zurück, sondern sei eine Erfindung des Apostels Paulus.

Johannes Fried benutzt sein Ansehen als Professor für mittelalterliche Geschichte, um mit historisch problematischen Spekulationen die Glaubwürdigkeit der neutestamentlichen Berichte in Zweifel zu ziehen. Wenn dermaßen schlecht begründete Thesen, wie die von Prof. Fried, als Grundlage wissenschaftlicher Kritik an den Aussagen des Neuen Testaments herangezogen werden, dann brauchen sich gläubige Christen keine großen Sorgen um die Angriffe der Bibelkritik zu machen.

Literatur

Johannes Fried: Kein Tod auf Golgatha. Auf der Suche nach dem überlebenden Jesus. München 2019.

Johannes Fried: Jesus oder Paulus: Der Ursprung des Christentums im Konflikt. München 2021.

Norman L. Geisler / Ron M. Brooks: Wenn Skeptiker fragen. Dillenburg 1996, S. 158-161.

Sebastian Hollstein: Für die Wissenschaft ans Kreuz genagelt, Spektrum der Wissenschaft 13.7.2019, https://www.spektrum.de/news/fuer-die-wissenschaft-ans-kreuz-genagelt/1658240

Bernhard Mackowiak: So qualvoll starb Jesus wirklich, WELT 21.3.2008, https://www.welt.de/wissenschaft/article1825217/So-qualvoll-starb-Jesus-wirklich.html

Josh McDowell / Bill Wilson: Jesus von Nazareth. Tatsachen und Argumente für die Wahrheit der Evangelien, Stuttgart 1995.