ThemenFrage & Antwort

Frage und Antwort – „Ich glaube an Jesus Christus, aber nicht an die Bibel.“ Ist das biblisch?

Für die Frage und Antwort Rubrik haben Sie die Möglichkeit, Fragen einzusenden, die wir dann direkt beantworten oder auch unseren Lesern zur Beantwortung vorlegen. Fragen an die Bibel zu haben ist meistens ein Zeichen von intensivem Lesen. Oft führen die kleinen Stolpersteine auch zu tieferer Erkenntnis. Fragliche Stellen und Zusammenhänge sind aber kein Hinweis darauf, dass die Bibel nicht klar reden würde. Es ist vielmehr so, dass wir, gerade weil die Bibel klar redet, auch gute Antworten für die Stellen finden können, die nicht sofort deutlich sind.

Frage

Erst kürzlich hörte ich wieder, dass ein evangelischer Theologe betonte: „Gottes Wort im eigentlichen Sinne ist nach dem Zeugnis der Bibel Jesus Christus. Deshalb glaube ich nicht an das Neue Testament, sondern ich glaube an Jesus Christus.“ Eine solche Aussage scheint derzeit die „gesellschaftlich-korrekte“ Formulierung zu sein. Ist sie aber auch „biblisch-korrekt“? Muss man so differenzieren, um dem biblischen Sachverhalt gerecht zu werden? Oder darf ich auch sagen: „Ich glaube an Gottes Wort.“ und bin ich da nicht nahe bei Paulus, als er sagte (Apg 24,14): „Ich glaube allem, was geschrieben steht im Gesetz und in den Propheten.“?

Antwort

Es ist eine teuflische Warnung, die den sexuell Hemmungslosen vor Verklemmung warnt, den Geizigen vor Verschwendung, den Faulen vor Überarbeitung.

Wer die Formulierung benutzt, dass er nicht an die Bibel glaube, sondern an Jesus Christus, der kann damit ganz unterschiedliche Aussagen treffen und auch ganz unterschiedliche Ziele verfolgen. Einzelnes davon erscheint mir durchaus biblisch zu sein, anderes widerspricht der Bibel offensichtlich. Umgekehrt kann die Aussage „Ich glaube an die Bibel!“ vielleicht auch etwas Unbiblisches beinhalten. Allerdings ist mir das bisher so selten begegnet, dass die verbreitete Warnung davor etwas davon hat, dass man die Passagiere eines Schiffes darüber aufklärt, dass ein Schiff Schlagseite nach Backbord bekommen kann, wenn alle Personen und Güter nur auf dieser Seite gelagert werden, aber das Schiff zugleich schon bedrohlich nach Steuerbord kippt. Es ist eine teuflische Warnung, die den sexuell Hemmungslosen vor Verklemmung warnt und den Asketen vor der Freiheit, die den Verschwender vor dem Geiz und den Geizigen vor Verschwendung warnt, den Faulen vor Überarbeitung und den Überarbeiteten vor zu viel Ruhe.

Betrachten wir die verschiedenen Hal­tun­gen im Einzelnen!

1. Warnung: Buch als Gott

Manche verbinden mit der angesprochenen For­mulierung das Problem, dass jemand an die Bibel als ein heiliges Buch glauben könnte und dabei das Buch mit Gott selbst verwechselt. Es ist der Gedanke, dass man als Christ das Buch mit seinem Einband und den Blättern verehrt. In der magischen Variante dieser Ansicht erwartet man von dem Buch irgendeine Kraft. Ich hörte von russisch-orthodoxen Christen, die ihren Söhnen, bevor sie in den 2. Weltkrieg zogen, Zettel mit Bibelversen in die Uniform einnähten und erwarteten, dass das vor den Kugeln der Feinde schützen könnte. Etwas zugespitzt könnte man sagen, dass jemand Jeremia 15,16 so versteht, dass er anfängt, seine Bibel aufzuessen. Diese Art der Verehrung eines heiligen Buches ist etwa für den Islam und den Koran typisch. Der fromme Muslim verehrt den Koran als Buch. Er hält die arabischen Schriftzeichen für heilig. Dabei können die meisten Muslime niemals einen Koran lesen, weil das nur auf Arabisch richtig möglich wäre und eine Übersetzung kein Koran mehr wäre. Der Muslim kann nicht verstehen, warum ein Christ seine Bibel auf einen Stuhl oder sogar auf den Boden legt und so die Heiligkeit des Buches missachtet. Auch manche Juden verehren in vergleichbarer Weise die Torah, ihre Torahrolle steht in einem besonderen Schrein in einer Art Heiligtum in der Synagoge.

Auch wenn Bibeln mit goldener Schrift auf dem Einband und einem Goldschnitt in vielen Gemeinden auf einem Altar liegen, so hat es doch eine solche Verehrung des Buches im christlichen Glauben nie verbreitet gegeben. Auch gibt es das Problem nicht wirklich, dass Christen an die Bibel anstelle von Jesus Christus glauben und damit die Bibel zu einem Ersatzgott machen. Es war und ist immer klar gewesen, dass die Heilige Schrift die Schrift Gottes ist. Er ist ihr eigentlicher Autor. Er bürgt für ihren Inhalt. Durch sie lernen wir Gott und Jesus kennen, der selbst das Wort ist (Joh 1).

Wenn von der Heiligen Schrift die Rede ist, dann ist damit der wörtliche Inhalt der Bibel gemeint, der heilig ist. Das Material des Buches ist es aber nicht. Der Glaube des Christen richtet sich auf den Inhalt, weil es ihm Jesus bringt. Wenn die Bibel selbst von der Heiligen Schrift oder den Heiligen Schriften spricht, dann meint sie offenbar genau das. Man kann 1Sam 4,1-11, den Raub der Lade mit den von Gott beschriebenen Steintafeln, auch als Kritik an einer magischen Vorstellung lesen, die meint, der Segen komme von der Anwesenheit der Schriftstücke mit den 10 Geboten und nicht daher, dass man hört, glaubt und tut.

2. Warnung: Bibel ohne Jesus

Andere wollen davor warnen, dass Christen mit dem Satz „Ich glaube an die Bibel“ ausdrücken könnten, dass sie jeder biblischen Aussage die gleiche Autorität zumessen, ohne die innere Ordnung und Absicht des gesamten Bibelbuchs zu beachten. Das wäre zum Beispiel dann der Fall, wenn für einen Christen das Sabbatgebot und die Reinheitsgebote die gleiche Bedeutung hätten wie die neutestamentliche Forderung, an Jesus Christus zu glauben. Mit der Begründung „Das steht aber in der Bibel“ kann vieles gefordert werden, was die Christenheit nicht als christlich ansieht. Diese Aus­einandersetzung sehen wir schon im Neuen Testament. Wenn also Paulus sagt, dass er allem glaubt, was im Gesetz und den Propheten geschrieben steht, dann predigt er eben nicht die Beschneidung oder die Einhaltung der Feiertage oder die Opfer des sinaitischen Bundes, sondern Christus. Denn er sieht, dass das Gesetz und die Propheten von Christus geredet haben und in ihm und seinem Opfer erfüllt wurden.

Weder Jesus noch die Apostel haben die falsche Auslegung der Schrift damit bekämpft, dass sie ihre Autorität gegenüber Jesus veringerten.

Das Problem, das damit angesprochen ist, ist tatsächlich vorhanden und auch unter solchen verbreitet, die die Bibel besonders ernst nehmen wollen. Man muss nur fragen, ob es richtig ist, diesem Irrtum damit zu begegnen, dass man sagt, man solle an Christus glauben und nicht an die Bibel. Denn mit dieser Aussage wird unweigerlich ein Keil zwischen die Bibel und Christus geschlagen, der fatale Konsequenzen hat. Außerdem sind weder Jesus noch Paulus oder die anderen Apostel dem Problem so begegnet.

Jesus hat sich selber ganz unter die Autorität der Heiligen Schrift gestellt und gesagt: „Sie ist, die von mir zeugt!“ (Joh 5,39). Er wollte die Autorität der Schrift nicht auflösen, sondern erfüllen und bestätigen, obwohl er als der Sohn Gottes, der direkt vom Vater gekommen ist und ihn allein kennt, auch die Heilige Schrift hätte beiseite schieben können und seine eigene Autorität dagegen oder darüber stellen. Aber das tat er nicht, sondern legte die Bibel, die damals natürlich nur das AT umfasste, im Sinne Gottes aus.

Genau so auch hat Paulus argumentiert. Als er schrieb: „Einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus“ (1Kor 3,11), da meinte er offenbar nicht, dass damit die Heilige Schrift kein Fundament des Glaubens mehr ist. Er legt doch Wert darauf, dass das Evangelium, das er gepredigt hat, selbst „nach der Schrift“ ist (1Kor 15,3). Und wenn wir die Apostel in ihren Briefen argumentieren sehen, dann berufen sie sich regelmäßig auf ihre Bibel. Obwohl sie Jesus selber gehört haben, sagt niemand: „Aber Jesus hat gesagt, darum gilt das nicht mehr, was die Schriften sagen.“ Nicht einmal den Hauch einer Rangfolge hören wir, wie sie heute nicht selten genannt wird, so als ob, was Jesus gesagt hat, höher stünde und mehr Autorität hätte, als was sonst von Gottes Wort im Gesetz oder den Propheten zu lesen ist. Es geht immer wieder nur um das richtige Verständnis der Bibel und dafür ist Jesus und das Evangelium der entscheidende Schlüssel.

Jesus ehren, indem man die Bibel abwertet?

Der Satz „Ich glaube nicht an die Bibel, ich glaube an Jesus Christus.“ wird schließlich gern von vielen gebraucht, die damit die Autorität der Bibel beschränken wollen, um anscheinend Jesus besonders zu ehren. Es gibt zwar auch dabei zahlreiche Abstufungen, aber das Prinzip ist immer das Gleiche. Indem man betont, dass man an Jesus Christus glaube, will man das Evangelium von Jesus Christus gegen das Prinzip der Schriftgemäßheit in Stellung bringen. Weil Jesus alle Schuld vergibt, darum steht Vergebung über einer am biblischen Gebot orientierten Ethik. Eine biblische Ethik soll Gesetzlichkeit sein, die Jesus abgelehnt habe. Man müsse mit dem Evangelium gegen die Bibel argumentieren, sagen manche sogar. Das kann z.B. heißen, was die Bibel Ehebruch nennt, soll – wenn es aus Liebe geschah – ein neuer Weg sein, den Jesus mit einem Menschen geht. Wer so redet, der erlaubt sich oft, zu bestimmen, wie Jesus gehandelt hätte, selbst wenn das gegen den Wortlaut der Bibel geht. Man sagt dann etwa: „Jesus würde heute keinen Homosexuellen, der heiraten will, verurteilen.“ Nun hat Jesus tatsächlich gesagt, dass er nicht gekommen sei, zu richten, sondern zu retten (Lk 19,10; Joh 3,17). Aber offenbar heißt das, dass Jesus jede Sünde und Verirrung vergeben will, wenn jemand umkehrt, und nicht, dass einige Sünden gar keine mehr sind, wenn sie nur mit Liebe oder in guter Absicht geschehen.

Ich halte es für einen Irrweg, dass auch immer mehr konversativ-evangelikale Lehrer sich auf den angefragten Satz berufen. Denn es ist offenbar, dass er nicht biblisch ist und auch kein geeignetes Instrument, um bestimmte Probleme im Umgang mit der Bibel zu bekämpfen.

Bleibt noch die Frage, ob es biblisch ist, zu sagen: „Ich glaube an die Bibel.“ Ich würde antworten Ja und Nein. Ja, wenn mit der Aussage gemeint ist, dass man der Wahrheit aller Aussagen von Gottes Wort vertraut, sie nicht anzweifelt oder ihnen widerspricht, sondern fest glaubt, dass alles, was geschrieben steht, so nach Gottes Willen geschrieben ist und damit Gottes Wort an uns. Nein, wenn damit gemeint wäre, dass jemand die Bibel als eine eigene Gottheit ansehen würde. Der dreieine Gott verleiht der Heiligen Schrift zwar etwas Personhaftes, wenn sie redet. Aber es ist immer klar, dass das nur von Gott selbst abgeleitet ist und die Bibel nicht zu Gott macht. So weit ich sehe, ist das aber in der westlichen Christenheit gegenwärtig nirgendwo ein Problem. Darum ist es auch irreführend, wenn man davor ständig warnt.

Denn das andere ist sehr wohl ein Problem: immer mehr Christen stellen klare Bibelaussagen in Frage und hören gern Leute, die die Autorität der Schrift abschwächen und das noch mit anscheinend frommen Aussagen.