Bei dem Nebentitel des Buches musste ich zunächst schmunzeln. Wer muss auf 304 Seiten erklären, dass Männer und Frauen gemeinsam besser sind? Ist das nicht eine Binsenweisheit? Bei dem eigentlichen Titel des Buches fiel mir die bekannte Statistik ein, wonach auf jedem Land der Erde die Männer eine durchschnittlich höhere Körpergröße als die Frauen aufweisen (z.B. auf laendertaten.info). Ist der Schöpfer nicht ungerecht, möchte man die Herausgeber fragen?
Das Schmunzeln verging mir jedoch schon nach wenigen Seiten, denn das Buch zeigt schmerzlich auf, wie die Beziehung von „Mann und Frau“ heute in manchen kirchlichen und evangelikalen Kreisen diskutiert wird. Dabei sind der Genderstil vieler Kapitel (z.B. Gendersternchen „*“), die vom Zeitgeist geleiteten Forderungen nach Diversität oder Quoten für Frauen in Leitungspositionen sowie die bekannte Sexismus-Keule noch das geringste Problem. Ärgerlicher ist es, wenn andere Ansichten wahlweise als „verputzte Tradition“ (S. 117) oder angstgeleitet (S. 282) dargestellt werden. Man reibt sich die Augen, wenn Eggers dem Bund der Freien evangelischen Gemeinden „eine unbewusste Form von Rassismus“ unterstellt, weil dieser bis 2010 offiziell keine Pastorinnen, wohl aber Missionarinnen für die Dritte Welt ausgebildet hat (S. 13).
Doch kommt es noch schlimmer. Der Umgang der Autoren mit der Bibel lässt einen stark schlucken. Männer und Frauen seien gemeinsam Gottes Ebenbild – so weit richtig – und aus diesem Grund „automatisch gleichberechtigt“ (z.B. S. 26). Entgegenstehende Bibelstellen wie Gen 3,16, 1Kor 11,7f; 1Tim 2,15 und 3,13 müsse man kultursensibel auslegen und dabei berücksichtigen, dass der Bibel ein patriarchales System zugrunde liege (S. 25). Auf jeden Fall seien dies „schwierige Stellen“, die auf keinen Fall gegen eine vollständige Gleichberechtigung sprächen. Wenn unser Herr dann selbst herangezogen wird, für den es „keinen Unterschied zwischen Frauen und Männern“ gegeben habe (S. 283), dann ist das z.B. mit Blick auf die rein männliche Auswahl der 12 Jünger respektlos.
Leider zeigt sich oft genug eine bibelkritische Haltung. Faix schreibt z.B. davon, dass die Beziehung von Männern und Frauen in Christus wiederhergestellt werde und in der Gemeinde keine Rolle spiele. Er bemerkt dann: „Natürlich ist dieses Einüben des Neuen im Alten nicht einfach und wir sehen an vielen Stellen im Neuen Testament selbst, dass dies noch nicht gelingt (1. Korinther 11,1-16; 14,33-36; Epheser 5,21-33; 1. Timotheus 2,8-15; 1. Petrus 3,7)“ (S. 187). Damit spricht Faix sowohl diesen Bibelstellen Autorität und normative, zeit- und kulturübergreifende Gültigkeit ab. Dieser Umgang mit der Bibel fällt leider an vielen Stellen in dem Buch negativ auf. Es werden einseitige, teils falsche Thesen vertreten. So wird z.B. behauptet: „Tatsächlich gibt Jesus nie etwas vor und lädt nur liebevoll und freiwillig ein. Die Entscheidung bleibt immer bei der Gemeinde. Adapiert: Der Jesusgatte äußert liebevoll seine Gedanken, lässt die Entscheidung aber immer bei der Frau“ (S. 115). Entgegenstehende Bibelstellen werden entweder mit fragwürdigen Argumenten relativiert, verdreht oder gar nicht erst benannt (z.B. wird 1Kor 11,7 zur Frage der gemeinsamen Ebenbildlichkeit nicht gewürdigt; 1Tim 2,13f. wird verdreht oder nicht sauber beleuchtet). Kennzeichnend für eine vom Wunschdenken geleitete Exegese ist die folgende Aussage: „Solange wir nicht entschieden und zutiefst wollen (Hervorhebung im Original), dass es einen wirklichen Paradigmenwechsel gibt, wird sich nichts ändern.“ (S. 233)
Eggers, Ulrich & Mailänder, Daniela (Hrsg.): Auf Augenhöhe. Warum Frauen und Männer gemeinsam besser sind. Ein Plädoyer. Holzgerlingen: SCM R. Brockhaus 2022 304 S., geb., 19,99 € ISBN: 9783417000221
Folgende Wertungen zeigen auf, dass der Stellenwert von Ehe und Familie auch in der Christenheit abnimmt: „Wir beide kannten das vorherrschende fromme Paradigma: Je länger Kinder zu Hause bei der Mutter sind, desto besser und segensreicher für ihr Leben, für das Umfeld und die ganze Welt. Die ersten drei Jahre bei der Mutter seien ganz wichtig!“ (S. 118; nachfolgend kommen die Autoren Agnes und Matthias Brender zu dem Ergebnis, dass die Mutter nicht mehr die erste Bindungsperson für das Kind sein müsse. Es könne genauso gut der Vater oder eine andere Person (!) sein). Dass Kinder bei der Anrede Papa und Mama verwechseln, weil beide abwechselnd zu Hause sind, sei „ein positives Zeichen“ (S. 241), so ein anderes Ehepaar. Für Steffen Kern ist seine Frau „nicht nur die starke Frau an meiner Seite (…)“, sondern „vor allem auch Erzieherin“ (S. 56) – es klingt, als ob ihm die berufliche Stellung seiner Frau wichtiger sei als die eheliche Beziehung. Nach dem Lesen des Buches muss die häusliche Ehefrau (Tit 2,5) wohl ein schlechtes Gewissen bekommen. Nach dem Lesen des Buches liegt es mir auf der Zunge, allen Frauen, die wortwörtlich nach der christlichen Haustafel leben möchten, zuzurufen: Wir Männer (und nicht nur wir) sind stolz auf euch!
Ein Aspekt erscheint mir noch besonders wichtig, weil er so stark von der biblischen Geisteshaltung abweicht. Die Autoren fordern Recht und Gerechtigkeit. Sie prangern selbst definiertes Unrecht an und deuten manche Gegebenheiten als unfair. Sie verstehen sich konsequent als missional (z.B. S. 7, 23, 48). Tragisch ist, dass sie offenbar nicht erkennen, dass Liebe und Unterordnung ein Leben in der Gnade Gottes bedeuten (so z.B. 1Petr) und dass hierdurch Gott Menschen verändern möchte. Wenn Männer und Frauen unterschiedliche biblische Entwürfe haben (Eph 5,22ff.; Kol 3,18ff. u.a.), dann ist das kein veraltetes Relikt, sondern Ausdruck eines hoffnungsvollen, freien und zuversichtlichen Glaubens.
Fazit: Nette Bilder und eine geschickte Wortwahl täuschen nicht über eine bibelkritische Pippi-Langstrumpf-Theologie nach dem Motto „Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt“ hinweg. Das war kein Heldenstück, eher ein Trauerspiel.