In 2Chr 28, 19 (Revidierte Elberfelder) heißt es: „Denn der HERR demütigte Juda um des Ahas, des Königs von Israels, willen, weil…“ Ahas war doch ein jüdischer König und so steht es auch in der rev. Lutherbibel und in der kath. Bibel. Warum über setzt die Elberfelder – und die Schlachter Bibel so wie angeführt?
Folgende hilfreiche Antwort sandte uns Bertram Förster:
Verschiedene Bibelübersetzungen bieten unterschiedliche Versionen des Verses 2Chr 28,19: Ahas, König von „Juda“ bzw. König von „Israel“. Hier ein paar Beispiele: Elberfelder Übers. (alt /rev.), Schlachter, Jerusalemer Bibel, Schöningh’sche Bibel schreiben „Israel“; Luther (Original 1534 bis LÜ 1984), Menge, Einheits-Übersetzung schreiben „Juda“.
Es geht um die Vertrauenswürdigkeit biblischer Aussagen und darum, wie wir mit solch „sperrigen“ Stellen umgehen.
Alle genannten Übersetzungen dürfen generell den Anspruch erheben, sorgfältige, gewissenhafte und kompetente Übersetzungen zu sein. Was sind die Hintergründe für den Unterschied? Manchem mag diese Frage sehr theoretisch anmuten, ohne Bezug zum praktischen Glauben. Was liegt uns heute schon daran, wo Ahas nun wirklich herrschte? Aber letztlich geht es doch um die Vertrauenswürdigkeit biblischer Aussagen und darum, wie wir mit solch „sperrigen“ Stellen umgehen. Und am Ende bietet die Lösung vielleicht doch etwas für den Glauben.
Die historische und textliche Situation:
a) die sich auf Ahas beziehenden Parallelstellen (z.B. 2Kö 16; 2Chr 28,1f) belegen, dass Ahas zweifelsfrei und ausschließlich König des „Südreiches Juda“ war.
b) der hebräische (Masoreten-)Text schreibt jedoch an dieser Stelle König von „Israel“. Dabei gibt es aber häufig Randbemerkungen, die auf „Juda“ als vermutlich richtige Lesart hinweisen.
c) die griechische Übers. des AT (Septuaginta) schreibt – historisch korrekt – „Juda“. (Entweder ein Zeichen dafür, dass die Ausdrucksweise des Chronisten für Auslandsjuden unverständlich war oder dass den Übersetzern ein anderes hebr. Original vorlag, das heute nicht mehr verfügbar ist.)
Wie kann man das „Israel“ im hebr. Text erklären?
- Es könnte sich also um einen Abschreibfehler aus ganz früher Zeit handeln. Dazu ist zu sagen, dass bei Bibelabschriften durch die jüdischen Schriftgelehrten und Schreiber eine äußerste Gewissenhaftigkeit die Regel war. Außerdem ist bei Schriftkundigen durch den Zusammenhang „König von…“ eine Falschformulierung an eben dieser Stelle äußerst unwahrscheinlich – jedoch nicht völlig auszuschließen. Einige Bibelübersetzungen haben sich offensichtlich für diese „einfachere” Erklärung entschieden und übersetzen auf der Grundlage der Septuaginta „Juda”.
- Da das gleiche Problem auch in 2Chr 12,6; 17,1; 21,2 zu beobachten ist, wird die bessere Erklärung wohl diese sein: Der Verfasser der Chronikbücher schrieb nach dem babylonischen Exil. Er will dem Rest des Volkes Israel / Juda aufgrund der Erfahrungen aus der Königszeit Richtlinien geben und denkt an eine Erneuerung des ganzen Volkes auf der Grundlage des Gehorsams gegenüber Gott und seiner rechten Verehrung im Tempel. Dabei machen die Geschlechtsregister (2,3 – 9,34) deutlich, wer die rechtmäßigen Nachkommen und die wahren Israeliten sind: der Rest, der heimgekehrt ist, dessen Kern die Stämme des ehemaligen Südreiches Juda bilden, ergänzt durch die Rückkehrer aus anderen Stämmen.
Eine Anmerkung in der Schöningh’schen Bibel macht darum darauf aufmerksam, dass in Chronika mit „Israel“ a) das ganze auserwählte Volk b) Juda, als das „legitime“ Volk Israel und c) das Nordreich „Israel“ bezeichnet werden kann.
Israel: gemeint ist Juda, das der Verfasser der Chronikbücher als das wahre Israel ansieht – im Gegensatz zum Nordreich Israel
Damit wird klar, dass der Begriff „Israel“ für den Verfasser der Chronikbücher einen Inhalt hat, der auch für heutige Leser nicht ungewöhnlich ist, wenn wir ihn auch an dieser Stelle nicht erwarten und mit „Israel” das Nordreich der 10 Stämme nach der Teilung des Reiches und mit „Juda” das Südreich verbinden.
Es ist an dieser und an den anderen genannten Stellen also Israel im Sinne des wahren Israel gemeint, das der Chronist mit den Übriggebliebenen identifiziert. Am deutlichsten wird das, wenn man sich 2Chr 12,6 anschaut.
Carl Friedrich Keil meint in seinem Kommentar, die Entscheidung des Chronisten für „Ahas, König von Israel” sei eine ironische Herausstellung der Tatsache, dass Ahas König des wahren Israel sein sollte, es aber tatsächlich nicht war, sondern Juda, das den Kern des wahren Israel bilden sollte, noch zur Zügellosigkeit verführt.
Bei den dargestellten Zusammenhängen wird deutlich, dass 2Chr 28,19 kaum angemessen und für einen heutigen Leser ohne Irritation übersetzt werden kann, wenn nicht eine erklärende Anmerkung beigefügt wird, unabhängig von der gewählten Übersetzungsvariante. Zum Beispiel die Anmerkung der GNB: „Israel: gemeint ist Juda, das der Verfasser der Chronikbücher als das wahre Israel ansieht im Gegensatz zum Nordreich Israel”.