Als der erste Jahrgang der Zeitschrift Bibel und Gemeinde erschien, da hieß die Mitgliederzeitung des 1894 gegründeten Bibelbundes noch „Nach dem Gesetz und Zeugnis“. Der Name ging auf Jesaja 8 Vers 20 zurück. Um die Wahl des Namens verstehen zu können, muss man sich den Zusammenhang anschauen:
Jesaja 8,19-20: Wenn sie aber zu euch sagen: Ihr müsst die Totengeister und Beschwörer befragen, die da flüstern und murmeln, so sprecht: Soll nicht ein Volk seinen Gott befragen? Oder soll man für Lebendige die Toten befragen? Hin zur Weisung und hin zur Offenbarung! Werden sie das nicht sagen, so wird ihnen kein Morgenrot scheinen.
In der alten Lutherübersetzung des 19. Jahrhunderts hieß es statt „Hin zur Weisung und hin zur Offenbarung“ noch „Nach dem Gesetz und Zeugnis!“ Die Wahl fiel auf diesen Zeitschriftennamen, weil er eine klare Aufforderung enthielt, sich an das offenbarte Wort Gottes zu halten, so wie es in der Bibel aufgeschrieben ist. Wer Gott befragen will, der muss sich dazu an die schriftlich verfasste Offenbarung wenden.
Die stand damals, nicht viel anders als heute, in der Kritik. Am liebsten wollte man in der liberalen Theologie den ganzen christlichen Glauben auf die Gewissheit von einem gütigen Gott im Himmel reduzieren. Alles andere in der Bibel erschien dem einen nicht ursprünglich, dem anderen als zu schwer oder widersprüchlich. Man wollte einen vernünftigen Glauben, aber nicht einen, der auf alten Geschichtstatsachen aufbaut. Dagegen sahen die Gründer des Bibelbundes und Herausgeber seiner Zeitschrift den einzigen Weg zu wahrer, zuverlässiger Erkenntnis über Gott und seinen Willen im Studium der Bibel.
Gott redet zu uns durch Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird. Was wir über Jesus Christus wissen, wissen wir aus der Heiligen Schrift. – Heinrich Jochums (1904-1986)
Die Umbenennung in Bibel und Gemeinde fand 1954 unter der Leitung von Fritz Rienecker statt, war aber genauso wie der erste Titel eine Ansage. Die Auseinandersetzung um die Bibelfrage ist Sache der Gemeinde, eine Sache, die in die Gemeinde gehört. Sie ist gerade keine Diskussion von theologischen „Experten“, die um Komma und i-Tüpfelchen streiten, um Dinge, die für den Glauben keine Bedeutung hätten und sogar vom „Evangelium“ ablenken könnten. Zu dieser Zeit drang schon die sogenannte „Entmythologisierung“ Bultmanns in die Gemeinden. Man sollte nur noch „das Kerygma“ glauben und erkennen, dass alles andere in der Bibel altertümliches Beiwerk sei, das man auch weglassen könne. Das Kerygma, die Kernbotschaft, der Auferstehung sollte etwa sein, dass Gott immer noch alles gut machen kann und am Ende auch machen wird. Ob Jesus tot im Grab blieb oder nicht, erschien dafür überflüssig. Das war tatsächlich auf allen Ebenen eine Entkernung der Bibel um ihre Geschichte. Dass damit am Ende der ganze christliche Glaube verloren ging, erkannten damals längst nicht alle. Bibel und Gemeinde wollte dazu helfen. Denn zu den Zielen des Bibelbundes gehört laut seiner Satzung auch „der Kampf für den Glauben des Evangeliums, der uns in der Bibel überliefert ist“. Die apologetische Aufgabe und der apologetische Ton gehören also seit 125 Jahren zu Bibel und Gemeinde.
Kritiker haben genau das dem Bibelbund immer wieder vorgehalten: „Warum wollt ihr die Glaubwürdigkeit der Bibel verteidigen? Warum kämpft ihr für die Bibel? Die Bibel hat das doch gar nicht nötig. Wenn sie Gottes Wort ist, kann sie für sich selbst kämpfen bzw. Gott kämpft für sie!“ Auch wenn in einzelnen Artikeln ein anderer Eindruck entstehen könnte, kämpfte der Bibelbund nie dafür, die Bibel vor dem Untergang oder ihrer Bedeutungslosigkeit oder eventueller Fehlerhaftigkeit zu beschützen. Es geht immer um den Glauben an das Evangelium, der verloren geht, wenn das Wort Gottes, aus dem er kommt (Röm 10,17), unter uns als unzuverlässig und unglaubwürdig hingestellt wird. Die Beiträge in Bibel und Gemeinde wollen auf die Behauptungen gegen die Bibel antworten, damit unser Glaube nicht mutlos wird. Verlieren wir nämlich die ewigen Fundamente des Glaubens von außerhalb unseres eigenen Herzens, dann können wir zum Schluss nur unseren eigenen Glauben oder den Glauben von sterblichen Menschen glauben. Der Glaube aber baut darauf, dass Gottes Wort wahr ist und deswegen kann er auch erkennen, dass alles Geschaffene durch das Wort Gottes geworden ist und seinen Bestand hat (Heb 11,3).
Die Kampffelder
Die erwähnte Diskussion um die Theologie Bultmanns tauchte lange nach seinem Tod im 100. Jahrgang von Bibel und Gemeinde wieder auf, weil über mehrere Hefte ein Streitgespräch1 mit einem Theologieprofessor abgedruckt werden konnte, der nicht nur ein theologisches Standardwerk zur Theologie des Neuen Testaments verfasst hatte, sondern auch Bultmanns Ideen öffentlich in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ vertrat. Es gipfelte darin, dass er die historische Auferstehung von Jesus Christus ablehnte, aber weiter Christ sein wollte. Die Reduzierung des Glaubens auf Vernunftwahrheiten gegen das Wesen des biblischen Glaubens, der auf historische Ereignisse wie Schöpfung und Sündenfall, auf die Geburt, das Sterben und die Auferstehung von Christus baut, blieb ein dauerndes Kampffeld. Es tauchte wieder auf, als zunehmend auch in der evangelikalen Bewegung biblische Personen zu Romanfiguren erklärt wurden und der Bibelbund widersprach.
Der Glaube an die Schöpfung ruht ausschließlich und wesentlich auf der Anerkennung der Genesis als eines historischen Dokuments. Wird die absolute Glaubwürdigkeit der Schrift in einem so wesentlichen und wichtigen Stück bezweifelt, als es die Ursprungsgeschichte der Welt und der Menschheit ist, so gerät notwendigerweise der Glaube überhaupt ins Schwanken. – Georg Stosch (1851-1920)
In den ersten Jahrgängen der Zeitschrift des Bibelbundes ging es aber vor allem um die Abwehr der Kritik am Alten Testament. Damals hatten die Entdeckungen altorientalischer Texte dazu geführt, dass die Bibel nicht mehr als ursprüngliches Offenbarungsbuch über die Schöpfung, das Wesen des Menschen und die Geschichte Israels angesehen wurde. Plötzlich sah man überall Abhängigkeiten besonders von babylonischen Texten. Die Idee kam auf, dass der Schöpfungsbericht aus mehreren Teilen unter Einbeziehung orientalischer Mythen verfasst worden sei. Die damaligen Autoren des Bibelbundes zeigten, warum das mit den Tatsachen nicht übereinstimmen kann. Sie taten das auch dadurch, dass sie intensiv die biblischen Texte studierten und die inneren Zusammenhänge herausarbeiteten, die unmöglich durch die behaupteten literarischen Prozesse entstanden sein konnten. Man richtete sich damals vor allem gegen die Lehre an den theologischen Fakultäten. Die Leser waren hauptsächlich Pfarrer und auch Professoren. Mehrfach wurde betont, dass man durch die Bibelkritik einen großen wissenschaftlichen Schaden auf die Theologie zukommen sah, den man gern abwenden würde. Die Zeitung des Bibelbundes wurde bald auch von vielen theologischen Bibliotheken als wissenschaftliche Zeitung abonniert. Allerdings hatten die Herausgeber auch die biblische Erbauung im Blick und so wurden die wissenschaftlichen Artikel ergänzt durch Bibelarbeiten.
Es ging im Argumentieren für die Treue zum biblischen Wort auch um Phänomene, die scheinbar zum Wort Gottes zurückriefen, aber tatsächlich etwas anderes meinten. Dazu gehörte etwa die Theologie von Karl Barth, der oft und ausführlich aus der Bibel zitierte und mit biblischen Argumenten seine Theologie untermauerte. Wer allerdings genau hinschaute – und das taten die Artikel des Bibelbundes –, der bemerkte, dass Barth mit dem Wort Gottes ein persönliches Angesprochensein meinte. Er wollte nur einen „senkrecht von oben“ kommenden Anspruch an den religiösen Menschen als echtes Gotteswort gelten lassen. Als in den 1960er-Jahren die Bekenntnisbewegung zur Bibel zurückrief, sah man sich vereint im Kampf gegen eine irreführende Theologie. Allerdings wollten die meisten evangelischen Pfarrer, die sie leiteten, weiter eine gemäßigte Bibelkritik üben. Der Bibelbund wies wiederholt daraufhin, dass man nicht willkürlich Grenzen ziehen kann, was in der Bibel als glaubwürdig gelten soll. Er stellte immer wieder die Irrtumslosigkeit der Bibel dagegen.
Das Grundübel unserer Zeit – die letzte und tiefste Ursache der über uns hereingebrochenen Katastrophe – ist die herrschend gewordene Ehrfurchtslosigkeit gegenüber Gott und der Offenbarung Gottes, die Respektlosigkeit vor der Bibel als dem untrüglichen Worte Gottes. – Friedrich Heitmüller (1888-1965)
In zahlreichen Artikeln wurde das Bekenntnis zu Gott als Schöpfer unterstrichen. Die biblischen Aussagen ließen sich nach Überzeugung der Autoren des Bibelbundes nicht mit der Darwin‘schen Evolutionstheorie vereinen. Eine theistische Evolution wurde abgelehnt und zum Vertrauen auf die Schöpfungsaussagen der Bibel ermutigt.
Ab den späten 1970er-Jahren stellte sich der Bibelbund klar gegen ekstatische Phänome der charismatischen Bewegung und der sogenannten Dritten Welle. Hier ging es vordergründig nicht um die Bibelfrage. Tatsächlich aber wurden in der charismatischen Bewegung nicht nur das Sprachenreden, sondern auch Umfallen, organisierte Heilungsveranstaltungen oder das „Lachen im Geist“ aus der Bibel begründet. Diese Art der Bibelauslegung, die willkürlich Verse oder berichtete Ereignisse zu Vorbildern für christliches Leben machte, wurde auch als eine Form der Bibelkritik entlarvt. Hier wurde Bibel missbraucht, statt auf ihre Aussagen und ihre Absicht zu hören.
Immer wieder hat der Bibelbund auch das zunehmende Einsickern der Bibelkritik in früher konservative Gemeinden beim Namen genannt. Die offene Kritik an Tendenzen in einigen baptistischen Kirchen oder in der Gnadauer Gemeinschaftsbewegung wurde als notwendig betrachtet. Man wollte sich nicht gegen die Geschwister in diesen Gemeinden und Gemeinschaften stellen, sondern auf den gefährlichen „Sauerteig“ aufmerksam machen, der sich da ausbreitete. Nur selten wurde die Kritik angenommen. Aber bibeltreue Christen in diesen Gemeinden konnten ermutigt werden, dem Wort Gottes trotz anderer Einflüsse treu zu bleiben.
In der einen oder anderen Form kehrten über die Jahrgänge von Bibel und Gemeinde diese Themen wieder. So ging es darum, aufmerksam zu machen, dass die konservativ erscheinende Theologie eines N.T. Wright tatsächlich vom biblischen Evangelium wegführt, obwohl sie stark von der Bibel her argumentiert und sogar behauptet, sie besser zu verstehen als alle Generationen vorher. Am Ende aber stellt sich heraus, dass das Evangelium zu einer Weltverbesserungsstrategie wird und selbst der Glaube an die Auferstehung nicht mehr als notwendig angesehen wird.
Mit der post-evangelikalen Bewegung hielt die nicht-gemäßigte Bibelkritik Einzug in konservative Gemeinden. Die Sache schien zuerst bemüht, zweifelnden Christen in Glaubenskrisen zu helfen, erwies sich aber zuletzt als Auflösung der Bindung an Gottes Wort bei gleichzeitiger Behauptung, dass man es besser verstünde und auslegen könnte als jeder bibeltreue Christ. Irgendwann war auch das Wort „Fundamentalismus“ zum Schimpfwort geworden. Die Aufklärung des Bibelbundes, dass es dabei ursprünglich um eine Erinnerung an die Fundamente des christlichen Glaubens ging, konnte nicht verhindern, dass der „Fundamentalist“ heute als gefährlich gilt. Zahlreiche Artikel in Bibel und Gemeinde haben versucht, aufzuklären, Irrwege zu entlarven und zugleich den biblischen Glauben an das Evangelium von Christus zu entfalten.
Kampffelder im Inneren
Die 125 Jahrgänge der Zeitschrift des Bibelbundes spiegeln zum Teil auch innere Kampffelder des Bibelbundes wider. Auch wenn man sagen kann, dass die meisten Artikel von der Zuversicht getragen sind, dass man die Bibel richtig versteht und angemessen auslegt, so ist auch immer wieder das Bewusstsein erkennbar, dass der, der meint zu stehen, aufpassen muss, dass er nicht fällt (1Kor 10,12).
Ihrem Wesen und Zweck entsprechend ist die Heilige Schrift für Gottes Kinder Subjekt, Trägerin und Spenderin der göttlichen Heils- und Freudengabe an das christliche Seelenleben. – Friedrich Hashagen (1841-1925)
Zu den Herausforderungen gehörte das Verhältnis von rechtem Glauben und der Politik. In der Zeit des Kaiserreichs und des 1. Weltkriegs hielten es einzelne Autoren für biblisch gefordert, dass ein Land von einer Monarchie regiert werden muss. Sie verteidigten nicht nur die Politik des Kaisers, sondern hielten auch den Krieg gegen Frankreich für notwendig. Man rief zwar auch zum Gebet auf, aber doch mit einer klar nationalistischen Färbung. Während der Weimarer Republik wandte man sich gegen den Sozialismus, allerdings nicht nur gegen seine geistlichen Irrtümer, was angemessen gewesen wäre, sondern auch gegen seine politischen Ideen. Der Judenhass der Nationalsozialisten wurde zwar abgelehnt. Aber es gab doch auch führende Mitglieder des Bibelbundes, die in Adolf Hitler ein Geschenk Gottes sahen und sein Vorgehen gegen „das Judentum“ begrüßten, weil sie meinten, dass „jüdische“ Sozialisten (Bolschewiken) „Unheil über Deutschland“ brachten. Das Problem der Politisierung der biblischen Botschaft und damit der Vermischung des christlichen Auftrages mit politischen Forderungen wurde damals zwar von Einzelnen erkannt, aber stärker waren die anderen Kräfte. Nach dem starken Bruch auch innerhalb des Bibelbundes durch das staatliche Verbot der Zeitschrift des Bibelbundes ab 1938, den Krieg und Zusammenbruch Deutschlands, der Teilung des Landes und dem Ende der Tätigkeit des Bibelbundes im Osten war keine Kraft da, um das Problem in der Rückschau wirklich anzugehen. Gelernt hatte man aber vielleicht trotzdem, dass Vermischung des Auftrags des Bibelbundes mit politischen Forderungen schädlich wirkt, denn fortan vermied man das. Deswegen gab es in aktueller Zeit trotzdem Stellungnahmen etwa zu Gesetzen, die die Abtreibung erleichtern, die Ehe als Bund zwischen einem Mann und einer Frau in eine „Ehe für alle“ verwandeln sollen oder die Seelsorge an homosexuell empfindenden Menschen beinahe verbieten. Aber es wurde immer darauf geachtet, dass im Vordergrund steht, was aus Gottes Wort für eindeutige Konsequenzen für die Ethik hervorgehen. Das hat auch eine politische Dimension, aber darf nicht zum politischen Aktivismus werden. In der Corona-Krise wurde der Bibelbund wieder darin herausgefordert, weil einzelne Mitglieder wollten, dass er zum Widerstand gegen die Verordnungen der Regierung aufrief.
Die Jahrgänge von Bibel und Gemeinde spiegeln noch andere Differenzen innerhalb des Bibelbundes wider. Erst in den 1990er-Jahren aber wurde eine Rubrik „Zur Diskussion gestellt“ eingeführt. Hier konnten Themen angesprochen werden, bei denen es trotz gleicher Bibelhaltung keine Einigkeit im Bibelbund gab. Diskutiert wurden z.B. die Überzeugung eines buchstäblichen 1000-jährigen Reichs vor der endzeitlichen Neuschöpfung; für beinahe jede Generation neu die Bedeutung der ewigen Erwählung Gottes für unser zeitliches Leben und Handeln; die Frage, ob psychologisches Wissen ein Element von Seelsorge sein kann; die Grenzen der Politisierung des christlichen Auftrags oder die Möglichkeit einer begrenzten gemeindlichen Zusammenarbeit mit Christen, die keine klare Bibelhaltung haben oder sogar einzelne falsche Lehren vertreten.
Die Gemeinde spürt, dass der lebendige Organismus der Schrift weithin von der Kritik behandelt wird, wie man nur tote Dinge behandeln dürfte. Und daher muss in all diesen Beziehungen nicht die gläubige Gemeinde umkehren, sondern die moderne Kritik. – Wilhelm Möller (1872-1956)
Manche unterschiedlichen Einschätzungen findet nur der aufmerksame Leser. Es gab trotz Ablehnung der Charismatik z.B. keine Einigkeit, welche der im NT erwähnten charismatischen Gaben in welcher Weise auch heute in der Gemeinde weiter wirken. Auch wenn eine theistische Evolutionslehre klar ausgeschlossen wurde, gibt es keine Übereinstimmung, wie sich die langen geologischen Zeiträume, auf die die Naturbeobachtung hinweist, mit dem biblischen Zeugnis verbinden lassen.
Die Zeitschrift des Bibelbundes gibt dabei insgesamt ein eindeutiges Zeugnis: Wir müssen in der Bibelhaltung klar bleiben. Die Bibel ist Gottes inspiriertes und irrtumsloses Wort. In der Auslegung der Bibel aber gibt es – wie es immer in der Christenheit gewesen ist – keine völlige Einheit. Das fordert uns heraus, beim Studium des Wortes Gottes zu bleiben und miteinander in der Schrift zu forschen, wie es sich denn genau verhält. Im Bibelbund bestand jedenfalls Einigkeit darüber, dass man keine äußere Einheit herstellen darf, indem man die Wahrheit des Wortes Gottes an den Rand stellt. Andererseits dürfen Geschwister die Gemeinschaft miteinander nicht aufkündigen, weil sie nicht in allen Fragen Einigkeit erzielen können.
Das mediale Kampffeld
Die Bibel selbst erinnert uns daran, dass wer für die Sache Gottes kämpft, das auch mit den rechten Mitteln tun muss. Mit der Herausgabe einer Zeitschrift sind wir Teil eines Medienmarktes. So lange es die Zeitschrift des Bibelbundes gibt, gibt es auch die Frage, ob die Artikel leicht genug lesbar sind, aber eben auch, ob sie gehaltvoll sind und den Reichtum des Wortes Gottes widerspiegeln. Es gab Diskussionen, ob man die Zeitschrift in zwei Teile teilen soll, um wissenschaftliche Artikel zu drucken und auch erbauliche Bibelarbeit. Die Entwicklung ging über die Jahrzehnte dahin, dass Bibel und Gemeinde nur vereinzelt Artikel auf wissenschaftlichem Niveau druckt. Fremdwörter oder Latein werden vermieden.
Allerdings sollen die Artikel auch gehaltvoll sein und sich auch mit wissenschaftlichen Thesen auseinandersetzen, soweit sie in der einen oder anderen Form die Gemeinde erreichen und betreffen. Die Geschichte hat gelehrt, dass Dinge, die zuerst im „Elfenbeinturm“ der Universitäten diskutiert wurden, schließlich zu brennenden Fragen des Glaubens und der Gemeinde wurden. Das betraf in der Vergangenheit die dialektische Theologie oder die Entmythologisierung, in der Gegenwart sind es vor allem sozialwissenschaftliche Ideen, die religiösen Status angenommen haben und von manchen Christen inzwischen zum Glaubensgut erklärt werden.
Das Wunder der Heiligen Schrift besteht nun darin, dass gerade in der Knechtsgestalt sich die Herrlichkeitsgestalt des Gotteswortes immer und immer wieder offenbart. – Fritz Rienecker (1897-1965)
Von einem langjährigen Bibelbund-Mitglied2, Professor für Mathematik und Autor für Bibel und Gemeinde, habe ich als junger Mensch Folgendes gelernt: Auch komplizierte Zusammenhänge können für einfache Menschen erklärt werden. Je besser man sie selber verstanden hat, umso besser kann man sie auch einfach weitergeben. Trotzdem sollte ein Vortrag oder ein Artikel auch vermitteln, dass wir nicht alles verstanden haben und es noch Höheres gibt, was alles Denken übersteigt. Es schadet also nicht, wenn der Leser das merkt. Es gehört sogar zur Natur des christlichen Glaubens, dass er nicht meint, er könne Gott mit seiner Erkenntnis einfangen. Der Leser soll merken, dass seine Einsicht wachsen kann und nach dem Lesen gewachsen ist. Aber er soll auch vermittelt bekommen, dass er lange nicht alles weiß. Er soll gute Speise bekommen, aber er soll nicht abgespeist werden, sondern Spannung und Vorfreude auf Weiteres bekommen.
Der Bibelbund hat sich mit der Verbreitung des Internets und der digitalen Welt entschlossen, Schätze seiner Zeitschrift auch digital verfügbar zu machen. Bereits 1998 ging eine erste Seite online. Auf der Seite bibelbund.de finden sich viele Artikel und lange noch nicht alles, was sich auch nach 125 oder 100 oder 50 Jahren noch lohnt zu lesen. Man kann nämlich die erstaunliche Feststellung machen, dass nur sehr wenige Inhalte heute „überholt“ sind. Das ist ganz anders als mit anderen medialen Veröffentlichungen. Ein nicht geringer Teil medizinischer Fachbücher von vor 40 oder 50 Jahren ist heute überholt. Ein Arzt dürfte nicht mehr nach diesen Erkenntnissen behandeln. In Bibel und Gemeinde wurden nur wenige Themen behandelt, die nur kurzfristig aktuell blieben. Die Veröffentlichungen des Bibelbundes sollen ihre Attraktivität vor allem durch einen guten Inhalt haben. Sie wollen nicht reißerisch Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Derzeit sind wir von der Überzeugung getragen, dass nicht nur der Kampf für die Vertrauenswürdigkeit des Wortes Gottes weitergehen muss. Wir werden dazu auch das gedruckte Buch auf Papier brauchen. Die Flüchtigkeit der digitalen Medien und ihre ständige Veränderbarkeit sind für unsere Botschaft problematisch. Auch ist es für die Bibel notwendig, dass sie als große Einheit wahrgenommen wird, was am besten durch ein Buch geht. Als solche muss sie auch studiert werden, weil sie als Ganze Gottes Wort ist. Dazu will Bibel und Gemeinde – wenn Gott Gnade gibt – auch weiterhin beitragen.
Lesen Sie auch den Beitrag von Stephan Holthaus zum 100. Jahrgang von Bibel und Gemeinde, der viele geschichtliche Details enthält.
Den Anfang nahm das Gespräch mit einem Artikel des langjährigen Mitglieds Prof. G. Schröter, der die Kritik des Spiegels an den Argumente der evangelischen Universitätstheologie teilte. ↩
Von Hans Rohrbach (1903-1993) habe ich in den letzten 10 Jahren seines Lebens vieles lernen können. Er stand ganz für die Bibelhaltung des Bundes ein, versuchte dabei auch das neue physikalisch-naturwissenschaftliche Weltbild, das durch die Entdeckung der Quantenphysik entstanden war, mit dem Glauben zu verbinden. Dabei blieb er immer ein Mensch mit einem schlichten Glauben. ↩