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ThemenKultur und Gesellschaft

Prinzipien einer christlichen Weltsicht

Auch wenn die Bibel selbst keine verbindliche Weltanschauung darlegt, so gehen aus ihr doch einige Grundentscheidungen hervor, die eine Weltsicht prägen. Je stärker eine durch die Bibel geprägte christliche Weltsicht zurückgedrängt wird, desto mehr erkennen auch säkulare Denker, wie einflussreich und positiv ein christliches Weltbild ist. Christen selbst sollten sich dessen deutlicher bewusst sein und wichtige Eckpunkte keinesfalls leichtfertig aufgeben.

Die Art und Weise, wie wir denken und fühlen, unsere Grundannahmen, unsere Einstellungen, unser Bewusstsein und andere Aspekte unserer Weltsicht wurden beeinflusst durch unsere Kindheit, unsere Kultur und die Menschen um uns herum. Generationen vor uns wurden durch christliche Eltern, eine mehr oder weniger christliche Kultur und die Gemeinschaft in ihrer Kirche zu einer christlichen Weltsicht geprägt. Heute ist das anders: Seit der christliche Einfluss auf die Kultur schwindet, können andere Einflüsse aus einer aggressiv säkularen Gesellschaft eine ganz andere Denkweise prägen. Christen müssen heute besonders darauf achten, dass sie eine Weltsicht gezielt pflegen, die mit ihrem Glauben übereinstimmt.

Eine christliche Denkweise beinhaltet eine Weltsicht, die von der Bibel bestimmt ist. Unsere Weltsicht können wir definieren als die zusammengefasste Interpretation und Erklärung der Realität. Die Weltsicht eines Menschen beinhaltet Glauben und Annahmen über das Universum und die Erfahrungen, die er in seinem Leben macht.

Abraham Kuyper, ein niederländischer Theologe des 19. Jahrhunderts, versuchte wie auch andere christliche Denker, Leitlinien für eine besondere biblische Weltsicht zu erarbeiten. David Naugle hat in seinem Buch „Worldview: The History of a Concept“ Bezug darauf genommen und gemeint, dass „das Verständnis des Christentums als einer besonderen Weltsicht eine der bedeutendsten Entwicklungen in der jüngeren Kirchen­geschichte darstellt“.

Wie finden wir zu einer christlichen Weltsicht?

Tatsächlich hatte die biblische Lehre über den Menschen, die Natur, die Moral, die Gesellschaft und den Sinn und Wert des Lebens – unter anderen wichtigen Themen – großen Einfluss auch auf die säkulare Gesellschaft. Das zu erkennen, kann auch Christen helfen, ihren Glauben in allen Dimensionen in ihrem Alltag zu leben.

Eine von der Bibel geprägte Weltsicht hilft uns, Menschen besser zu verstehen und ihnen das Evangelium persönlich zu sagen.

Es ist außerdem hilfreich, wenn Christen die Weltanschauungen um sie herum durchblicken und die unbiblischen Anschauungen, die heute vorherrschen, kritisch betrachten. Francis Schaeffer hat zahlreichen Christen in der weiten evangelikalen Welt dabei geholfen. Er inspirierte viele christliche Autoren und Initiativen, die heute mit Internetplattformen, Radiosendern, Schulungen und Büchern junge Christen unterrichten, ihre eigene und die sie umgebenden Weltanschauungen zu verstehen.

Der christliche Denker James W. Sire (1933-2018) hat die folgenden Fragen überlegt, die uns helfen sollen, die Unterschiede in den verschiedenen konkurrierenden Sichtweisen wahrzunehmen und zu verstehen1.

1. Was ist für uns die vorherrschende Wirklichkeit – die wahre Wirklichkeit? (Ist es Gott und seine Wirklichkeit oder ausschließlich die rein materielle Welt?)

2. Welche Natur hat die Realität, die wir außerhalb von uns wahrnehmen? (Ist sie Gottes Schöpfung oder nur ein Konstrukt unseres Geistes?)

3. Was ist das Wesen des Menschen? (Ist er Geschöpf, das nach Gottes Bild erschaffen wurde, oder einfach ein höher entwickeltes Tier?)

4. Was geschieht mit einer Person, wenn sie stirbt? (Gibt es ein ewiges Leben, eine unaufhörliche Reinkarnation oder erwartet den Menschen die Auslöschung?)

5. Wie können wir etwas wissen? (Gibt es göttliche Offenbarung? Ist die Vernunft die einzige Quelle des Wissens oder sind es unsere Wahrnehmungen und Gefühle?)

6. Wie können wir wissen, was richtig oder falsch ist? (Kommt das Gute von einem gerechten Gott? Ist richtig und falsch nur eine kulturelle Idee oder liegt es in unserer jeweiligen persönlichen Entscheidung?)

7. Welche Bedeutung hat die menschliche Geschichte? (Gibt es eine Heilsgeschichte mit Sündenfall, Erlösung und endlicher Erneuerung? Oder unterliegt alles einem evolutionären Prozess? Bestimmt der sinnlose Zufall die Geschichte?)

8. Wie hängen die persönlichen Haltungen, die inneren Verpflichtungen und Werte mit der jeweiligen Weltsicht zusammen? (Welche Folgen hat deine Weltanschauung für die Art und Weise, wie du dein Leben führst?)

Das Buch von James Sire benutzt diese Fragen, um anhand der Philosophie, der Kunst, der Literatur und Geschichte die Weltsicht des Götterglaubens, des Deismus, des Naturalismus, des Marxismus, des Nihilismus, des Existenzialismus, des östlichen Monismus, der New Age Philosophie, des Postmodernismus und des Islamismus zu untersuchen.

Der Ansatz von Francis Schaeffers (1912-1984) Apologetik und Evangelisation war es, mit Menschen ins Gespräch zu kommen und ihnen diese und ähnliche Fragen zu stellen. Er wollte seinen Gesprächspartnern dann „das Dach abdecken“, indem er sie mit den Widersprüchen zwischen ihrer Lebensanschauung und Weltsicht und ihrem gelebten Leben konfrontierte. Z.B. fragte er: „Du denkst, dass das Leben keinen Sinn hat, wir einfach nur Tiere sind und dass es keine Grundlage dafür gibt, zwischen richtig und falsch zu unterscheiden? Aber warum liebst du dann deine Kinder?“ Er verglich solche Widersprüche dann mit den Antworten einer christlichen Weltsicht, redete von den Folgen der Sünde und führte das Gespräch bis zur Verheißung des ewigen Lebens durch die Erlösung durch Christus.

Mir hat diese Art, über eine christliche Weltanschauung nachzudenken, sehr geholfen, durch das Grundstudium zu kommen, wo ich mit vielen nicht-christlichen Perspektiven und Meinungen konfrontiert war. Später fand ich dadurch eine klare Richtung für meine Arbeit als christlicher Lehrer. Diese Herangehensweise hilft in jedem Fall dazu, eine christliche Weltsicht zu formen. Dabei sollten wir allerdings auf ein paar Warnungen hören:

1. Hüte dich vor dem Relativismus!

Es war Immanuel Kant, der den Begriff „Weltanschauung“ prägte und damit die subjektive Sicht des Menschen auf die Welt und das Leben bezeichnete. Ihm sind viele Philosophen gefolgt bis zum Postmodernismus und der heute vorherrschenden Weltsicht der Spätmoderne. Kant war der Überzeugung, dass wir über die objektive Realität nichts sicher wissen können. Es ist vielmehr so, dass schon unsere vorgegebene Sicht unser Denken so führt, dass Wahrnehmungen geformt werden und wir uns die Wirklichkeit konstruieren. Das tut auch die Gesellschaft im Sinne der sozialen Konstruktion. So entsteht auch die uns prägende Weltanschauung.

Das kann nur zu einem Relativismus führen, der davon ausgeht, dass unterschiedliche Kulturen jeweils ihre eigene Weltsicht haben und dann auch ihre eigene „Wahrheit“. In der sogenannten „kritischen Theorie“ kam noch ein Machtfaktor dazu, weil die jeweilig vorherrschende Weltanschauung von denen konstruiert werde, die die Macht haben, und sie den Schwächeren aufzwingen. Die Befreiung soll darin liegen, dass jeder nun seine eigene Weltsicht konstruiert, ganz nach seinen Vorlieben, und sich damit seine eigene individuelle Wahrheit erschafft.

Eine von der Bibel bestimmte Weltsicht ersetzt nicht den persönlichen Glauben an Jesus Christus. Eine unbiblische Weltanschauung kann aber unserem Glauben schwer schaden.

Unsere Überlegungen zu einer biblisch-christlichen Weltsicht werden unbequem, weil sie kaum zum Postmo­dernis­mus passen können – für mich wurde es das auch im Grundstudium. Der Unterschied ergibt sich daraus, dass das Christentum immer auf etwas bestanden hat, das der Relativismus völlig ablehnt: Die christliche Weltsicht ist wahr, während andere Weltanschauungen zwar wahre Elemente enthalten, aber im Ganzen falsch sind.

2. Eine christliche Weltsicht ist nicht das gleiche wie eine Theologie oder der rettende Glaube!

Man kann Elemente einer biblischen Weltsicht ebenso im Judentum wie bei den Mormonen finden, genauso im Katholizismus oder bei christlicher Gesetzlichkeit, die alle das Evangelium ablehnen. Man findet viele Elemente bei Autoren der Vergangenheit, vor allem vor dem 18. Jahrhundert, und das selbst bei überzeugten Nicht-Christen. Christen können hier Verbündete finden, auch wenn diese keine Brüder oder Schwestern durch den Glauben an Christus sind. Allerdings gibt es hingegebene Gläubige, denen eine konsistente biblische Weltsicht fehlt. Die kann man immer noch lernen, der Glaube an Christus bleibt immer vorrangig.

3. Philosophie ist nicht alles!

Die Analyse der Weltanschauungen richtet den Blick besonders auf philosophische Ideen. Manchmal geht es dabei recht seltsam zu. James Sire beschäftigt sich z.B. sehr viel mit der sogenannten Epistemologie, der es darum geht, wie wir wissen können, was wir wissen können. Die Hauptfrage lautet: „Warum ist es überhaupt möglich, etwas zu wissen?“ Das hat seinen Wert, selbst wenn die meisten Christen erkennen müssen, dass sie nichts über die Epistemologie wissen.

Wir müssen aber die Tatsache beachten, dass unser Denken und damit auch unsere Weltsicht nicht nur durch unseren Intellekt bestimmt wird. Es gehören dazu auch unsere Vorstellungen und Phantasien, unsere Erinnerungen, der Wille, die Sinne, die Gefühle, das Bewusstsein und weitere Kräfte. Einige Vorschläge zu einer christlichen Weltsicht beachten das auch angemessen. Aber ich will es noch einfacher darstellen.

Wie sieht eine christliche Weltsicht aus, die für jeden Christen Gültigkeit hat?

Ich nenne hier ein paar Prinzipien einer christlichen Weltsicht, die alle Christen, welchen kulturellen Hintergrund sie immer haben, teilen sollten. Es sind solche, die uns von den nicht-christlichen Anschauungen unserer Zeit trennen.

  • 1. Gott existiert.

Das gilt allerdings nicht für irgendeine Gottheit. Gott ist Person und nicht nur irgendeine Art von „Kraft“. Aber er ist auch nicht irgendeine Person. Er ist Liebe, und das bedeutet, dass er eine Einheit von Personen ist – Vater, Sohn und Heiliger Geist –, die einander lieben können. Dieser Gott ist ganz jenseits unserer Welt transzendent. Aber er ist auch der, der Mensch geworden ist. Er hat zu uns gesprochen durch sein Wort, das in Jesus Christus Mensch wurde, und er spricht zu uns durch sein geschriebenes Wort in der Bibel. Das steht im Gegensatz zum Atheismus, aber auch zum Pantheismus und auch zum Islam.

  • 2. Die Wirklichkeit existiert.

Es gibt genauso eine materielle Wirklichkeit, wie es eine geistliche Wirklichkeit gibt. Beide hat Gott erschaffen. Das steht im Gegensatz z.B. zum Hinduismus, der lehrt, dass die Welt eine Illusion ist, aber auch zur Gnosis, die lehrt, dass alles Materielle böse ist und schließlich zum Postmodernismus, der lehrt, dass die Welt eine geistige Konstruktion darstellt.

  • 3. Es gibt richtig und falsch.

Ethische Werte sind überweltlich-transzendent und objektiv, denn sie haben ihr Fundament in der Gerechtigkeit Gottes. Das steht im Gegensatz zu allen Ansichten, die behaupten, dass Moral ganz subjektiv und relativ ist, nur eine soziale Konstruktion darstellt und eine Sache der persönlichen Wahl bleiben muss.

  • 4. Menschen sind in sich widersprüchlich.

Wir sind nach dem Bild Gottes erschaffen und haben deswegen eine unantastbare Würde und Wert. Wir sind zu großen Leistungen fähig. Aber wir sind zugleich tief gefallen und tiefgreifend sündig. Wir sind begrenzte Sterbliche und sollen doch ewiges Leben erhalten, ob das nun Verdammnis in der Trennung von Gott oder Herrlichkeit in Gemeinschaft mit Gott bedeutet. Das steht im Gegensatz zum Humanismus, dem Naturalismus, dem Darwinismus und dem Utopismus.

  • 5. Jesus Christus, allein rettet.

Errettung von unseren Sünden ist Gottes Werk und sein Geschenk an uns. Jesus Christus, der wahre Gott und wahre Mensch, starb als Sühne für unsere Sünden. Er ist vom Tod auferstanden zu unserer Errettung. Das steht im Gegensatz zu jeder Art von Gerechtigkeit aus guten Taten und damit auch zu jeder anderen Religion.

  • 6. Ich darf an Christus glauben.

Christen setzen bewusst ihr Vertrauen auf Christus und machen sich für ihre Rettung abhängig vom Werk des Christus zu unserer Errettung, was im Gegensatz zu allen Weltanschauungen steht.

  • 7. Ich bin berufen, zu lieben.

Christen sind berufen, Gott zu lieben und ihren Nächsten wie sich selbst. Sie sollen sogar ihre Feinde lieben. Das tun sie praktisch in dem Leben, das sie in dieser Welt führen. Das steht im Gegensatz zu unserer natürlichen Neigung.

Eine solche Weltsicht wird den Christen immer tiefer in die Gemeinschaft der Glaubenden in der Gemeinde führen. Sie führt hin zur Heiligen Schrift, der Bibel, zum Gebet und zu einem geheiligten Leben. Sie wird sich als Bollwerk gegen die Lügen dieser Welt erweisen.

Übersetzung und Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Ligonier Ministries


  1. Vgl. James W. Sire. Habits of the Mind: Intellectual Life as a Christian Calling. Intervarsity Press 2000.