ThemenArchäologie und Bibel

Modenamen in biblischer Zeit

Aus dem Vergleich von Art und Häufigkeit bestimmter Charakteristika von Personennamen in der Bibel und auf archäologischen Funden lassen sich interessante Rückschlüsse ziehen.

Es spricht viel dafür, dass die Ähnlichkeiten die Historizität der Berichte aus der Zeit des ersten Tempels unterstreichen.

Mit einer interessanten Unter­su­chung zur Entwicklung und Häu­fig­keit von bestimmten Namen und Namensformen in Israel belegt die Archä­ologin an der Hebrew University of Jerusalem, Mitka R. Golub, die historische Glaubwürdigkeit der biblischen Berichte für die Periode der Eisenzeit II. Zusammen mit Shira J. Golani hat sie eine Plattform im Internet aufgebaut, um die Verteilung und Häufigkeit von Namen, wie sie auf Siegeln und Keramiken vorkommen, zu dokumentieren. Dabei fiel ihr auf, dass es ähnlich wie bei uns Modenamen gibt, die in bestimmten Zeiten häufiger werden. Natürlich lässt sich das für die orientalische Antike nicht so gut bestimmen, wie es durch heutige Melderegister möglich ist. Trotzdem gibt es inzwischen so viele Funde, dass sich einige Schlussfolgerungen daraus ziehen lassen. Ver­öffentl­icht hat sie ihre Ergebnisse, die ich im Folgenden darstelle, im Journal for the Study of the Old Testament und zuletzt im Biblical Archaeology Review1.

Golub geht von der Beobachtung aus, dass in einer bestimmten Periode viele Namen in der Bibel als Namensbestandteil die Kurzform des Gottesnamens Jahwe enthalten. Am auffälligsten ist das etwa bei dem Namen Jeremia, Usia oder Jesaja, wobei das in der hebräischen Form deutlicher ist als bei den in deutschen Bibeln üblichen Namensvarianten. Hiskia heißt dort nämlich Hiskujahu. Aber auch in Joram ist der Gottesname enthalten. Auffällig ist nun, dass das Auftauchen und die Häufigkeit der Namen mit der Periode des salomonischen Tempels zusammenfallen. Diese Untersuchung ist neu, denn bisher war das Auftauchen bestimmter Namen schon eine Sensation, weil damit bewiesen werden konnte, dass biblische Personen keine rein literarischen Figuren waren, sondern tatsächlich lebten und wie David auch regierten. Bis man 1993 am Tell Dan die Inschrift eines Königs des „Hauses Davids“ fand, war selbst David als historische Person bezweifelt worden.

Mehr als 50 Namen biblischer Personen aus dem 10. bis 5. Jahrhundert sind auch archäologisch bezeugt. Seit 1993 gehört auch die Person des Königs David dazu.

Inzwischen sind mehr als 50 Namen bib­­lischer Personen aus dem 10. bis 5. Jahr­hundert auch archäologisch bezeugt. Acht von ihnen sind Könige des Nordreichs, 14 zählen als Könige, Priester oder hohe Beamte zum Umfeld der königlichen Familie des Südreichs. Das ist die Periode der Eisenzeit II, die die Zeit des ersten Tempels von Salomo bis zur Zerstörung durch Nebukadnezzar umfasst.

Außer den „biblischen“ Namen sind inzwischen zahlreiche weitere Namen dieser Zeit identifiziert und auch statistisch gut erfasst. Dabei zeigt sich, dass es eine hohe Übereinstimmung der Charakteristika bib­lischer Namen und solcher auf Siegeln, Keramiken und Inschriften gibt. Das hält Mitka Golub für ein starkes Argument für die historische Zu­ver­lässigkeit dessen, was die Bibel über diese Zeit berichtet. Sie sieht den Vorteil dieser Betrachtung auch darin, dass Namen normalerweise weniger anfällig sind für den Eingriff späterer Abschreiber oder durch eine Bearbeitung nach theologischen Gesichtspunkten. Welches Interesse sollte daran bestanden haben?

Golub erkennt drei Gruppen von Namen mit eigenen Charak­teristika. Die größte Gruppe sind Namen, die als Teil einen Gottesnamen enthalten und einen kurzen Satz bilden, in dem ein Gott gelobt oder um etwas gebeten wird. Die Gottesnamen sind Jahwe, Horus oder Mot, die als Herr, König oder Vater angerufen werden. Mit dem Namensbestandteil „Baal“ kann entweder der kanaanäische Wettergott Baal gemeint sein oder die Bedeutung „Herr“ oder „Meister“. Mit „El“ kann der Kopf der kanaanäischen Götterwelt oder das allgemeine Wort für „Gott“ gemeint sein. Gedalja (2Kön 25,22) etwa kann mit „Jahwe ist groß“ übersetzt werden, Nethanja (1Chr 25,12) bedeutet „Jahwe hat gegeben“.

In der zweiten Kategorie ist der Namens­bestandteil des Gottes weit verkürzt oder gegenüber einer längeren Version abgeschnitten. Shema aus 1Chr 11,44 ist eine verkürzte Form von Shemaja oder von Elishama. Man kann dann auch nicht mehr sagen, ob ein Gott gemeint ist oder welcher.

Die letzte Kategorie von Namen, die ge­fun­den wurden, hat keine religiösen Anklänge, sondern beziehen sich zum Bei­spiel auf Flora und Fauna, wie es im Deutschen auch viele Blumennamen wie Brigitte oder Margarete und bei Nachnamen Fuchs oder Wolf gibt. Zu dieser Kategorie gehören etwa Esra oder Kaleb oder Tamar. Weitere Namen dieser Kategorie bezeichnen Eigenschaften wie die Torheit bei Nabal.

Die Häufigkeit und Verteilung der Namen im Buch Jeremia und in den archäologischen Inschriften ist auffällig ähnlich.

Golub hat nun die Häufigkeit der Namen in biblischen Büchern mit der Häufigkeit auf archäologischen Funden aus dem entsprechenden Zeitraum verglichen. Im Buch Jeremia zum Beispiel haben 63% der vorkommenden Namen einen Bestandteil von Jahwe, 10% enthalten El, 7% sind gekürzte Namen und 16% gehören zur dritten Kategorien der übrigen Namen. Spiegelt das Buch die betreffende Zeit wider, dann sollte man eine ähnliche Verteilung auf den entsprechenden Keramiken und Inschriften finden. Tatsächlich sind die Gewichte nur wenig unterschiedlich: 50% der archä­ologisch gefundenen Na­men haben einen Bestandteil von Jahwe, 8% einen von El. Der Anteil der übrigen Namen ist mit 24% etwas höher als im biblischen Buch. Selbst wenn man den Anteil der Namen, in denen der Namensbestandteil von Jahwe am Anfang bzw. am Ende des Namens steht, ist die Verteilung ähnlich. Im Buch Jeremia sind es 87% Suffixe gegenüber 13 % Präfixe, bei den Funden der Zeit ist die Verteilung 93 zu 7 %.

Golub meint:

„Die Ähnlichkeiten bei den Charakteristika von Personennamen im Buch Jeremia und bei den ausgegrabenen Artefakten mit Inschriften unterstützen die Argumente, die für die Historizität von Jeremia angeführt werden – soweit das Namen nur können“.

Golub hat auch Vergleiche für die Könige­bücher und die Chronika angestellt. Immerhin finden sich in ihrer Datenbank 339 Namen mit Anklängen an Gottes­namen von archä­ologischen Quellen. Die Königebücher enthalten 68 solche Namen und die Chronika 147. Auffällig ist nun, dass die Namen des judäischen Südreichs sich in Häufigkeit und Auftreten mit den archäologischen Funden weitgehend decken, während die Namen des Nordreichs sich in den Funden ganz anders darstellen. Während die Namen in der Bibel zwischen Süd- und Nordreich nur geringfügig variieren, sind in den archäologischen Funden des Nordreichs die Bestandteile anderer Gottes­­namen – wie Baal – viel häu­figer. Darin mag sich widerspiegeln, was die biblischen Bücher insgesamt berichten, dass nämlich der Götzendienst im Nordreich über viel längere Zeit ausgeprägt war und dann auch die verbreitete Namensgebung beeinflusst hat, was sich in den Dynastien der Herrscherhäuser vielleicht weniger gezeigt hat. Allerdings unterstreicht diese Abweichung auch die Signifikanz der übrigen Übereinstimmungen. Sie sind nicht zufälliger Natur, sondern bringen mindestens zum Teil geschichtliche Entwicklungen und Haltungen zum Ausdruck.


  1. Mitka R. Golub and Shira J. Golani, „Judean Personal Names in the Book of Jeremia in Light of Archaeological Evidence.“ Journal for the Study of the Old Testament 43,2 (2019): 133-145; Mitka R. Golub, „Israelite and Judean Theophoric Personal Names in the Hebrew Bible in the Light of Archaeological Evidence,“ Ancient Near Eastern Studies 54 (2017): 35-46; Mitka R. Golub, „What’s in a Name? Personal Names in Ancient Israel and Judah“, Biblical Archaeology Review 46,3 (2020): 46-51.