ThemenKultur und Gesellschaft, Nachfolge

Als Zeuge der Wahrheit in einer Welt der Lüge

Das Reden davon, dass niemand die Wahrheit wirklich kennen kann, hat sich auch unter Christen verbreitet. Seinen Ursprung hat es aber in den relativistischen Überzeugungen, die nicht aus der Bibel stammen. Jesus, der selber die Wahrheit ist, ist auch für die Wahrheit eingetreten und hat sie bezeugt. Das allein zeigt, dass sie auch erkennbar und aussagbar sein muss, wenn auch die Person von Jesus jede aussagbare Wahrheit übersteigt. Jeder Christ soll aber Zeuge der Wahrheit sein und dadurch ein Licht für die Welt. Das Licht des Evangeliums stammt nicht von ihm selbst, sondern er darf reflektieren, was von Jesus her strahlt.

In ihrem Buch Hans Brinkeer von 1865 hielt die amerikanische Autorin Mary Mapes Dodge die Geschichte eines kleinen holländischen Jungen fest, der sein Land vor einer katastrophalen Flut bewahrte, indem er einen undichten Deich mit seinem Finger abdichtete. Als der Junge die große Gefahr erkannte, dass der Deich brechen könnte, wenn das Wasser durch ein kleines Leck weiter langsam auslaufen und dadurch eine immer größere Undichtigkeit entstehen würde, da begann er sofort zu handeln. Die Geschichte geht so weiter: „Blitzschnell erkannte der Junge seine Aufgabe. Er warf seine Blumen weg und kletterte bis zu dem Loch im Deich. Er schob seinen kleinen dicken Finger ins Loch, ehe er es ganz verstanden hatte. Aber der Wasserfluss wurde dadurch gestoppt.“

Was ist zu tun, wenn die Lügen dieser gegenwärtigen Welt wie durch ein Leck in der Wahrheit einströmen, die die Flut hinterlistiger Betrügereien bisher zurückhält? Wie sollen die Glaubenden reagieren angesichts der riesigen Bedrohung unserer Familien, Gemeinden und Lebens­gemein­schaften? Wenn der Feind die Wahr­heit weg­meißelt und dabei wachsende Risse des Betruges entstehen, was ist zu tun?

Manche würden sich wohl gern auf irgendeiner höheren Stufe von der wachsenden Gefahr absondern. Andere halten sich für immun gegen die Gefahr der Hinterlist und stürzen sich zum Schwimmen in die Ströme der Welt, als ob ihnen das alles nichts anhaben könnte, um am Ende in den reißenden Wassern des Kompromisses unterzugehen. Wieder Andere bleiben einfach still und freundlich, weil sie nicht wissen, was sie machen sollen.

Ein Zeuge für die Wahrheit

Als Jesus am Ende seines Lebens vor Pontius Pilatus steht, erklärt er den Grund seines Kommens in die Welt: Er kam, um für die Wahrheit zu zeugen (Joh 18,37). Jesus fügt hinzu: „Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört meine Stimme.“ Jesus verkündet in seinem Zeugnis, dass er gekommen ist, um für „die“ Wahrheit zu zeugen. Das ist offenbar kein vages, unklares Konzept, offen für jedermanns persönliche Interpretation seiner eigenen Wahrheit. Jesus kam, um für die Wahrheit Gottes Zeugnis zu geben, für eine objektive Wahrheit. Das Ganze seines Dienstes erfüllte den göttlichen Auftrag, die Wahrheit zu bezeugen. Er war prophetisch angekündigt als der, der „voll der Wahrheit“ (Joh 1,14) ist. Er nennt sich selber später „die Wahrheit“ (Joh 14,6). Sein gesamter Lehr- und Predigtdienst zeichnete sich dadurch aus, dass man ihm bezeugte: (Matthäus 22,16): „… dass du wahrhaftig bist und den Weg Gottes in Wahrheit lehrst“. Jesus kam in die Welt, um die Wahrheit zu verkünden, auf die Wahrheit zu verweisen und die Wahrheit in allen zu befestigen, die auf seine Stimme hören. Jesus ist der umfassende und letztgültige Ausdruck von Gottes absoluter Wahrheit.

Pilatus reagiert auf das Zeugnis von Jesus mit seiner berühmt gewordenen rhetorischen Frage: „Was ist Wahrheit?“ (Joh 18,38). Pilatus lässt offenbar den bestimmten Artikel vor „Wahrheit“ weg. Manche mögen denken, das sei unbedeutend. Aber das ist es nicht, wenn man wahrnimmt, dass Pilatus Wahrheit in einen relativistischen Rahmen setzt. Pilatus verkörpert damit die weltliche Skepsis, in der es Wahrheit nicht in absoluten Kategorien geben kann, sondern einzig in einem relativistischen Rahmen, in dem sie jeweils auf persönlicher Interpretation und wechselnden Umständen beruht. Im Gegensatz dazu bekräftigen die Worte von Jesus, dass absolute Wahrheit als Wahrheit Gottes existiert. Sie ist eine kraftvolle Realität, von der sein Leben Zeugnis gibt.

Die Antwort der Welt

Das Konzept einer absoluten Wahrheit ruft oft Spott hervor. Aber es stammt von Jesus, der Wahrheit in Person, und ist keine Erfindung der Christen.

Von Tag zu Tag mehr scheint die Welt der Wahrheit nicht mehr nur ambivalent gegenüberzustehen, sondern sie geradezu zu hassen. Das ganze Konzept einer absoluten Wahrheit ruft Spott hervor. Man zieht Lüge und Halbwahrheiten vor und behauptet „Ich entscheide darüber, was meine Wahrheit ist“. Diese Art von scharfsinnigem Betrug kommt direkt von einer raffinierten Schlange, die am Anfang die Wahrheit damit verdrehte, dass sie Eva fragte: „Sollte Gott gesagt haben …?“ (1Mo 3,1) Um Gottes Wahrheit zu verdrehen, ist Satan listig und kräftig dabei, am Damm der Wahrheit zu meißeln, der seine Lügen eindämmt. Sein listiges Spiel hat drei Akte. Zuerst streut der Teufel Zweifel an Gottes Wort. Wir sehen das deutlich an der Frage, die er Eva stellte. Dann weckt er Zweifel an Gottes Güte. Eva fiel auf seinen Trick schnell herein und hinterfragte die Freundlichkeit und das Wohlwollen Gottes für sie und ihren Mann, als sie dachte, Gott könnte ihnen beiden ein besonderes Glück vorenthalten (1Mo 3,2-3). Im dritten Akt überzeugt die gespaltene Zunge des Teufels Eva, Gottes Autorität anzuzweifeln, indem er Gottes Wort direkt widerspricht. Er sagt zu Eva, dass Gott gesagt haben mag, dass sie sterben würden, wenn sie von der Frucht essen, jedoch … „sterben werdet ihr nicht. Aber Gott weiß genau, dass euch die Augen aufgehen, wenn ihr davon esst“ (4-5). Diese Strategie Satans ist immer die Gleiche: Erst überzeugt er davon, Gottes Wort anzuzweifeln, dann Gottes Güte und schließlich Gottes Autorität. Es ist, als führte er uns dazu, dass wir die Frage des Pilatus stellen: „Was ist Wahrheit?“

Die Strategie des Teufel ist über Jahrtausende die gleiche geblieben: Er sät Zweifel an Gottes Wort, gefolgt von Zweifeln an seiner Güte, um schließlich den Zweifel an der Autorität Gottes einzupflanzen.

Durch die Jahrtausende seit seiner ersten Begegnung mit Eva hat Satan seine Strategie also nicht geändert. Aber er hat seitdem jeden Bereich der Gesellschaft, von der Regierung, über das Bildungssystem und die Massenmedien bis zur Familie und der Kirche, mit Lügen und Halbwahrheiten überflutet. Es ist ihm gelungen, die Welt davon zu überzeugen, dass das Leben erst mit der Geburt beginnt und noch nicht mit der Empfängnis; oder dass alles Leben aus einem zufälligen Ereignis in der unbelebten Welt entstand; oder dass man frei wählen kann, in welchem Geschlecht man leben will; oder dass es viele Wege zum ewigen Leben gibt und so weiter und so fort. Satan will, dass wir die tödliche Frucht des Zweifels an der Wahrheit essen.

Der Apostel Paulus warnte die Gemeinde in Korinth (2Kor 11,3): „Ich fürchte nur, dass eure Gedanken genauso von der aufrichtigen Hingabe an Christus abkommen wie Eva, die durch die Falschheit der Schlange verführt wurde.“ Satan erfreut sich daran, wenn er Gläubige von einem vertrauenden Gehorsam Gott gegenüber dazu verführen kann, dass sie im Wasser der weltlichen Lügen schwimmen gehen. Wenn Vernunft und Herz des Gläubigen nicht an Gottes Wort gebunden bleiben, sind sie verführbar durch Satans listigen Betrug. Das ist der Grund, warum die Gläubigen, umgeben von einer Welt der Lüge, immer bereit sein müssen, den Damm der Wahrheit abzudichten.

Verkünder der Wahrheit

Die Nachfolger von Christus werden aufgerufen: „Zieht weg und trennt euch von ihnen!“ (2Kor 6,17). Wie sollen wir es dann verwirklichen in der Welt zu leben, wenn wir doch von ihr getrennt sein sollen? Das ist so zu verstehen: Erstens geschieht die Trennung der Glaubenden dadurch, dass sie sich verweigern, sich der sie umgebenden Welt und ihrem System aus Lüge und Unglaube anzupassen, indem sie sich mehr und mehr in das Bild von Christus umgestalten lassen (Röm 12,2; 1Kor 11,1). Zweitens trennen sich Gläubige, indem sie eine Gegenkultur der Wahrheit aus Gottes Wort in Liebe verkünden inmitten einer feindseligen Welt (Kol 4,2-6). Drittens trennen sich Glaubende, indem sie Weisheit entwickeln dadurch, dass sie jedes Wort beurteilen und es unter den Gehorsam Christus gegenüber gefangen nehmen (2Kor 10,5). Wenn wir das als Gläubige tun, werden wir gehasst werden (Mt 10,22), beleidigt (1Kor 4,13) und verfolgt, vielleicht sogar bis zum Tod (Mt 24,9). Aber wir dürfen gewiss sein: Wer bis zum Ende durchhält in der Liebe zur Wahrheit, im Verkünden der Wahrheit und im Ausleben der Wahrheit, wird gerettet werden (Mt 24,13).

Darum müssen die Gläubigen standhaft und stark im Glauben bleiben. „Als unbescholtene Kinder Gottes sollt ihr wie Himmelslichter mitten unter den verdrehten und verdorbenen Menschen dieser Welt leuchten“ (Phil 2,15). Stehe fest unter der Autorität des Wortes Gottes, in der Kraft des Heiligen Geistes und darin, die Lügen dieser Welt zu entlarven durch die Verkündigung der Wahrheit Gottes (Eph 5,11).

Ihr jungen Leute, verliert nicht den Mut, wenn ihr den Gegenwind einer feindseligen Welt zu spüren bekommt, wann immer ihr euer Licht aus dem Evangelium unter den Menschen leuchten lasst.

Wir können leicht den Mut verlieren, wenn wir umgeben sind von Lügen, wohin wir uns auch wenden. Aber wir sind an jedem Platz, an den uns Gott gestellt hat, berufen, in der Wahrheit zu bleiben. Ihr Eltern, verliert also nicht den Mut, euren Kindern die Unterscheidung zwischen der Wahrheit Gottes und den Lügen der Welt zu lehren. Lehrt sie, Gott in Heiligkeit anzubeten, Gottes Wort zu lieben, Christus als Retter zu ehren und ihr Leben der Gemeinde Christi zu geben. Dann werden sie, wenn sie älter werden, sich davon auch nicht so leicht trennen (Spr 22,6). Ihr Pastoren, verliert nicht den Mut, wenn ihr für eure Herde einen sicheren Platz in unruhigen Zeiten sucht. Lasst euer Predigen und Lehren durchtränkt sein von der Wahrheit Gottes, damit die Menschen einen dauernden Schutz finden vor ihrem Widersacher, dem Teufel (1Pet 5,8). Ihr jungen Leute, verliert nicht den Mut, wenn ihr an der Universität oder am Arbeitsplatz den Gegenwind einer feindseligen Welt zu spüren bekommt, immer wenn ihr eure Lichter brennen lasst aus dem wahrhaftigen Evangelium. Lehnt es ab, euer Licht unter den Scheffel der angesagten Meinung zu stellen, sondern lasst es alle Welt sehen (Mt 5,15).

Sei, was du durch Jesus Christus geworden bist

Während seiner Bergpredigt schaut Jesus voller Liebe zu der Menschenmenge, die zuhört und sagt seinen Jüngern: „Ihr seid das Licht der Welt“ (Mt 5,14). Nicht dass irgendjemand von uns dieses Licht aus etwas Gutem in sich selbst hervorbringen könnte. Jesus nennt uns Lichter, weil er selbst das Licht der Welt ist, in uns eine Quelle des Heiligen Geistes schafft und dann durch uns leuchtet (Joh 8,12).

Jesus selbst hat Zeugnis für die Wahrheit abgelegt. Und wie er die Herrlichkeit des Vaters reflektiert, so tun das auch die Glaubenden mit der Ausstrahlung von Christus. Und so wird die Welt, die angefüllt ist mit Hass, Lüge, Betrug, Mord, Halbwahrheit und Tod, erhellt durch dieses Licht. Sei also, was du durch Jesus bist und lass das Licht leuchten in einer Welt der Lüge.

Als der kleine holländische Junge das Leck im Deich verstopft hatte, das das ganze Land bedrohte, da dachte er „in seiner kindlichen Freude, dass die wütenden Wellen jetzt dahinter bleiben müssten. Haarlem soll nicht ertrinken müssen, solange ich hier bleibe!“ So könnte der Ruf eines jeden sein, der an Jesus Christus glaubt: „Die Lügen der Welt und ihr Betrug müssen zurückbleiben. Meine Familie, Gemeinde, meine Freunde und meine Heimat muss nicht darin ertrinken, wenn ich hier meinen Dienst tue.“ Die Frage ist, ob wir genug Kraft haben, um an unserem Platz unseren Finger in das Leck zu stecken.

Lieben wir Gottes Wahrheit genug, um alles dafür zu geben, dass sie hörbar verkündigt wird, damit die Fluten der Lügen nicht durchbrechen und alles, was wir lieben und wertachten zerstören? Gott schenke uns solchen Mut.

Übersetzung und Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Ligonier Ministries