ThemenKultur und Gesellschaft

Der Hochmut vor dem Fallen

Urteile sind schnell gefällt, zugehört wird dagegen wenig und die Beschäftigung mit Argumenten ist unterentwickelt. An die Stelle ist eine selbstgewisse Überzeugung getreten, die meistens auf sehr wackeligem Fundament steht. Die Bibel warnt uns vor einer solchen Haltung.

Auf einer Reise durch Deutsch­land saß ich mit einem Gesprächspartner auf der Terrasse einer Pizzeria. Das Gespräch am Nachbartisch war unmöglich zu überhören. Da lobte jemand mit dem Ton rheinischen Frohsinns die Klugheit des gegenwärtigen Denkens. Eigentlich war es eher ein Selbstgespräch, denn sein Gegen­über hatte nichts zu sagen, als es über die Dummheit des dunklen Mittelalters ging und über die Beschränktheit der Menschen, die in Deutschland dem Nationalsozialismus folgten. „All die Verirrungen der vergangenen Zeiten können uns heute nicht mehr passieren, denn wir wissen Bescheid.“ Der selbstgewisse Hochmut hatte kein Problem damit, sich zum Richter über Tote und Lebende aufzuschwingen, falls die noch anders denken.

Mich erschreckt die verbreitete Verurteilung vergangener Generationen und gegenwärtig Andersdenkender genauso wie die unbändige Gewissheit, dass der aktuelle Zeitgeist die Spitze des Denkens darstellt. Man kann sich leicht klar werden, dass das Altertum und Mittelalter in vieler Hinsicht gar nicht so dunkel waren. Außerdem müsste man erkennen, dass es unser komplexes Wissen ohne die Erkenntnisse vorhergehender Generationen nicht gäbe. Und wäre nicht wenigstens ein bisschen Skepsis angebracht, wenn man sieht, mit welcher Geschwindigkeit allein in den vergangenen 50 Jahren „wissenschaftliche Erkenntnisse“ plötzlich als Irrtum oder Täuschung dastanden.

Am Anfang aller Weisheit steht nicht die Selbstgewissheit, sondern die Furcht Gottes. Das lernen wir aus der Bibel und das bestätigt auch das Studium der Geschichte. Sprüche 15,33: „Die Furcht des HERRN ist Zucht, die zur Weisheit führt, und ehe man zu Ehren kommt, muss man Demut lernen.“ Eine Gesellschaft, die die Gottesfurcht verteufelt, kann nicht auf dem richtigen Weg unterwegs sein und wird bei Zielen ankommen, über die sie selbst erschrecken muss. Daran ändern gewisse zeitweilige Erfolge nichts.

Eine biblische Haltung beginnt also mit der Gottes­furcht, die uns zugleich frei werden lässt von Ängsten, die uns zu Knechten machen, ganz egal, ob sie nun von einer Viruserkrankung, den Veränderungen des Wetters, anderen Religionen und Weltan­schauungen, fremden Völkern, Mangel oder was sonst ausgelöst sind. Der Gott, dem wir vertrauen, ist der Herr über allem. Psalm 118,6: „Der HERR ist mit mir, darum fürchte ich mich nicht; was können mir Menschen tun?“ Sich demütig unter die gewaltige Hand Gottes zu beugen (1Pet 5,6) heißt, der Rettung durch Jesus Christus zu glauben. Dann bauen wir auch darauf, dass Gottes Ordnungen und Gebote gut und zuverlässig sind; und wir loben Gott dafür (Ps 119,164). Was Gott gesagt hat, ist nicht lebensfremd und -feindlich wie die meisten Ideologien. Gottes Wille bestimmt zuerst unser Herz und dann unser Leben. Auf diesem Weg kann Gottes Weisheit auch eine Gesellschaft prägen und zu ihrem Wohl beitragen. Das ist durch Gottes Gnade möglich, obwohl auch die „besten“ Menschen Böses in ihrem Herz tragen, das jederzeit die Herrschaft übernehmen will. Deswegen verfallen Christen auch nicht in einen Hochmut mit frommem Anstrich. Der wäre nur „dasselbe in grün“, aber genauso schädlich. Und Gott gibt nur dem Demütigen seine Gnade.