ThemenFrage & Antwort

Aktualität und Charakter der Hure Babylon?

Frage:

Immer wieder hört man, dass die „Hure Babylon“ auf Institutionen oder Personen angewandt wird. Luther bezeichnete die römische Kirche so, manche heute die Europäische Union. Wie kann man die Aussagen darüber in Offb 17+18 zusammenfassen? Und ist es richtig, das so zu übertragen?

Antwort:

Es ist die besondere Redeweise der Offen­barung, die über die Jahrhunderte immer wieder dazu ermutigt hat, die bildhafte Rede von der Hure Babylon auf bestimmte Zeiterscheinungen zu übertragen. In den letzten Jahren ist das nach meiner Beobachtung weniger geworden, obwohl sich die Zeiten natürlich nicht grundlegend geändert haben. Die Offenbarung spricht von Babylon als

  • Hure: 17,1.5.15.16; 19,2
  • Frau: 17,3.4.6.7.9.18
  • Stadt: 14,8; 16,19 (evt. ist hier Jerusalem gemeint); 17,18; 18.2.10.16.18.19.21
  • Namen „Babylon“: 14,8; 16,19; 17,5; 18,2.

Allerdings heißt es nur 17,5, dass die Hure den Namen „Babylon“ auf ihrer Stirn trägt. Daher kommt die oft verwendete Rede von der „Hure Babylon“. Babylon ist die Mutter aller Huren, d.h. es gibt noch mehr, aber diese steht im Fokus des Gerichtes Gottes. Das hat seinen Grund darin, dass diese Hure alle Völker mit ihrem Handeln angesteckt hat (14,8; 17,2b; 18,3; 19,2) und die „Könige der Erde“ mit ihr Hurerei trieben (17,2; 18,3.9). Die Hure Babel steht also nicht einfach für die ungerechte Welt, sondern für ein ansteckendes Zentrum für jede Art von Götzendienst. Denn das Wort „Hurerei“ bezeichnet nicht allein oder in erster Linie sexuelle Sünden, sondern jede Art von Abgötterei. Darum heißt Babylon auch „Frau“, weil sie eigentlich Gott als ihrem Bräutigam anvertraut sein sollte, aber dieses Vorrecht für andere Götter bzw. Götzen aufgegeben hat, wie das beim Propheten Hosea sehr farbig beschrieben wird. Auch Jesus spricht vom „ehebrecherischen Geschlecht“ (Mt 12,39; 16,4). Die Bezeichnung von Babylon als Stadt deutet auf die weltliche und politische Macht, die sich mit der Abgötterei verbindet. Diese richtet sich dann auch gegen die Gläubigen und ist von den widergöttlichen Mächten bestimmt. Die Hure sitzt auf dem Tier (17,3) und auf den sieben Königen (17,7-9).

Solche Machtzentren, die sich mit echter Religion oder selbsterschaffener Religiosität gegen Gott und sein Volk stellen, hat es im Laufe der Geschichte immer wieder gegeben. Das war der Grund dafür, dass Luther die römische Kirche mit ihren politischen und religiösen Machtansprüchen als Verkörperung der Hure ansah. Allerdings traf diese Bezeichnung in seiner Zeit auch noch andere. Man beschimpfte sich weit verbreitet mit dieser Bezeichnung.

Luthers Identifizierung zeigt aber, dass er die Beschreibung in diesen Kapiteln gut verstanden hat. Es geht nämlich nicht nur um eine unselige Koalition von Kirche und Staat, sondern um eine religiös anti­christliche Durchdringung von Politik, Wirtschaftsleben, Wissenschaft und Kul­tur. Alles gemeinsam miteinander verwoben wird zu einem Heils­versprechen, das Christus und sein Heil überflüssig und ersetzbar erscheinen lässt. Am Ende soll der biblische Glaube an Christus sogar gegen die angeblich „wahre“ Religion stehen, die sich überall fest etabliert.

Ich persönlich glaube nicht, dass sich das in irgendeiner jetzigen Stadt, sei es nun Rom, Brüssel oder New York, identifizieren lässt. Aber klar ist, dass solche Machtzentren nicht mit dem ländlichen Raum, sondern mit großen Städten verbunden sind, wie es anfangs auch in Babel war, wo die Menschen mit dem Turmbau ein Machtzentrum gegen Gott aufrichten wollten. Im Buch Daniel lesen wir, wie später Nebukadnezar ein solches Reich aufbauen wollte, was zu einer erzwungenen Anbetung einer Statue durch die Staatsmacht geführt hat, der sich nur die Freunde Daniels widersetzten.

Wer heute die Augen öffnet, kann solche Strukturen weltumspannend entdecken. Wahrheit zählt nicht, was nicht verwundert, wenn der Vater der Lüge seine Macht ausspielt. An die Stelle der Wahrheit rückt ein moralischer Anspruch, der das Leben, Denken und Fühlen möglichst aller Menschen bestimmen will. Ohne Wahrheit werden die Ansprüche mit letztlich religiösen und götzendienerischen Behaup­tungen untermauert. Auch Politik und Wirtschaftsunternehmen sind voll darin eingebunden. Um nur ein Beispiel zu nennen: Warum nur wurde der Regenbogen, der doch als Zeichen der Treue Gottes im noachitischen Bund von Gott in die Wolken gestellt wurde und ein Vorzeichen auf Christus ist, zum Zeichen für die Vergötzung von sexuellem Begehren? Unter diesem Zeichen wird von allen Menschen eine Verbeugung vor diesem Götzen verlangt, wenn sie nicht als „homophob“ oder „queer-feindlich“ verschrien werden wollen. Zahlreiche große Wirtschaftsunternehmen haben deswegen ihre Firmenlogos für einige Wochen in Regenbogenfarben eingefärbt. Ministerien haben entsprechende Fahnen gehisst. Das geschah im Einklang mit fast allen großen Kirchen. Es ist also erstaunlich, wie genau die Rede von der Hure Babylon solche Strukturen vorgezeichnet hat.

Die Kapitel der Offenbarung machen allerdings deutlich, dass Gott selber darüber Gericht üben wird und solch ein Reich untergehen wird. Nicht die Christen kämpfen gegen die Hure Babylon. Gott selber tut es mit seinem Christus, während seine Gläubigen ganz damit zu tun haben, dass sie selber in den Auseinandersetzungen und Versuchungen treu bleiben können.

Die Rede von der Hure Babylon macht deutlich, dass sich das alles bis zum Wieder­kommen von Christus zuspitzt und seinen Höhepunkt im Zusammenbruch findet. Diejenigen, die Christus treu bleiben, können sich aber freuen.

Offenbarung 18,19-20:

„Und sie warfen Staub auf ihre Häupter und schrien, weinten und klagten: Weh, weh, du große Stadt, von deren Überfluss reich geworden sind alle, die Schiffe auf dem Meer hatten; denn in einer Stunde ist sie verwüstet! Freue dich über sie, Himmel, und ihr Heiligen und Apostel und Propheten! Denn Gott hat sie gerichtet um euretwillen.“

Die wiederholte konkrete Identifizierung der Hure Babylon mit Städten oder Institu­tionen hat der Auslegung und dem Ver­stän­dnis meistens nicht geholfen. Wir sollten stattdessen lieber die Prinzipien der anti­christlichen Herrschaft an den biblischen Aussagen studieren, damit wir sie in unserer Zeit und Umgebung erkennen. Daran könnte auch heute einem Teil der Christen klar werden, dass ihre unkritische Koalition mit Politik, Kultur oder Wirtschaft mit der Hoffnung auf eine bessere Welt ein Irrweg sein muss. Ein anderer Teil der Christen, die ihre Hoffnung auf ein Wiedererstarken konservativer Politik oder einen christlichen Führer setzen, damit es wieder zur Erneuerung einer abendländisch-christlichen Kultur komme, könnten ebenso gewarnt sein. Heil, Rettung und Erneuerung kommt aus der „Torheit der Predigt“ des Evangeliums, nicht aber aus einer politischen oder kulturellen Erneuerungsbewegung. Das schließt ein politisches Engagement von Christen keineswegs aus, aber es setzt doch Grenzen und kann vor falschen Zielen und Hoffnungen bewahren. Christus sagt es deutlich (Joh 18,36): „Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wäre mein Reich von dieser Welt, meine Diener würden darum kämpfen, dass …“