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Abschied von den Geschlechtern

Vor gut einem Jahr erschien das Buch Abschied von den Geschlechtern, Die Gender – Ideologie im Vormarsch. Darin lässt der Herausgeber Michael Kotsch fünf unterschiedliche Autoren zu Wort kommen, die sich jüngst mit dem Thema Gender Mainstreaming (hier: GM) auseinandergesetzt haben. Kotsch selber verfasste die Einführung, das erste und die beiden letzten Kapitel, sowie das Schlusswort des Buches. Neben diesem Buch kam es in den letzten Jahren zu einer Vielzahl von Veröffentlichungen zum Thema GM, überwiegend im säkularen Bereich.1

„Gender“ ist neben „Sex“ im Englischen ein gebräuchlicher Begriff für „Geschlecht“.  Dr. med. Christel Ruth Vonholdt differenziert in ihrem Artikel: „,Sex‘ bezog sich explizite auf das biologische Geschlecht; ,gender‘ auf Mann und Frau im Allgemeinen sowie auf Mann und Frau in ihrer sozialen Gestalt…“ (60). Bei GM handelt es sich um „eine Ideologie, nach der jeder Mensch seine geschlechtliche Identität selber bestimmen kann und somit jede sexuelle Orientierung als gleichwertig zu betrachten ist“ (Buchdeckel). Kotsch verdeutlicht, dass es sich hierbei nicht um eine Interessengemeinschaft einiger weniger handelt, sondern um ein gesellschaftspolitisches Programm, das sowohl EU – Parlament als auch deutsche Bundesregierung für wichtig erachten. Ziel des GM – Programms „ist die totale Auflösung bisher prägender Geschlechterrollen“ (7). So soll durch einer Änderung in sämtlichen Bereichen (z.B. Sprachgebrauch, Wohnungsplanung bis hin zur Städteplanung) jegliche Geschlechtertrennung bzw. eine Abwertung eines der Geschlechter vermieden werden.

Die im Buch folgenden Beiträge eröffnen dem Leser „unterschiedliche Blickwinkel“ (8) auf das GM – Programm.

Im ersten Kap. „Gender Mainstreaming – Ausdruck absoluter Autonomie“ (11) beleuchtet K. die unterschiedlichen Interessen und Interpretationen, die hinter GM stehen. Zudem „wird eine geistesgeschichtliche Zuordnung der Gender-Ideologie zwischen Feminismus, Postmoderne und verabsolutiertem Individualismus versucht“ (8).

Michael Kotsch (Hg.). Abschied von den Geschlechtern. Die Gender–Ideologie im Vormarsch. Dillenburg: Christliche Verlagsgesellschaft, ideaDokumentation 2008. 102 S. Taschenbuch: ISBN: 9783894366186. 5,50 €

Darauf folgt die Wiedergabe des Aufsatzes „Die Gender Mainstreaming-Strategie. Utopie oder Wirklichkeit?“(28), der 2005 im Politmagazin Cicero von der säkularen Publizistin Bettina Röhl veröffentlicht wurde. Sie war die Erste, die öffentlich Kritik an der Ideologie übte und GM als „das Zauberwort der jüngsten Stufe des Feminismus“ bezeichnet (28). Für sie ist GM der „komplette Umbau der Gesellschaft und Neufindung der Menschheit“ sowie „eine Art totalitärer Kommunismus in Sachen Sex und Geschlechterbeziehung“ (30).

Der dritte Beitrag geht auf die TV-Moderatorin Eva Herman zurück, die das Märchen eines unglücklichen Königreiches erzählt, in dem Familien zerstört werden, der König abgesetzt wird und Frauen die politische Macht übernehmen. Dadurch macht sie auf die Fehlentwicklung und Nebenwirkungen eines ideologischen Feminismus aufmerksam.

„Feministinnen erforschen sich selbst“ (45), wurde erstmals 2007 von Journalist und Historiker Ferdinand Knauß im Handelsblatt veröffentlicht. Er weist auf die fragwürdige Theorie hin, die hinter GM steht. Nichtsdestotrotz sei GM „seit rund zehn Jahren offizielles Politikziel in Berlin und den meisten anderen westlichen Hauptstädten“ (46).

Welche Auswirkungen GM in Politik und Verwaltung mit sich bringt geht aus Kerstin Schneiders Artikel „Ich Mann, du Frau“ (52) hervor, der Ende 2005 im stern abgedruckt wurde.

Dr. med. Christel Ruth Vonholdt, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin und Leiterin des Deutschen Instituts für Jugend und Gesellschaft (DIJG), leistet in ihrem Beitrag „Gender Mainstreaming und die Gender-Ideologie“ (59) einen Überblick über „die Ideologie der ,Gender-Perspektive‘ als Grundlage von Gender Mainstreaming“ (60), sowie über die Entstehung und die politische Umsetzung der Ideologie. In einem Ausblick zeichnet sie die Korruption der Sprache nach und weist auf die Schaffung des Menschen als Mann und Frau hin.

Kotsch selber ergänzt in seinem Buch einen fiktiven Briefwechsel, in dem es das Alltagsleben eines geschlechterlosen Landes im Jahr 2046 ausmalt (71). Im abschließenden Beitrag „Biblische Aussagen zu Gender Mainstreaming“ (81) wird die Ideologie aus biblischer Sicht beleuchtet. „Dabei geht es vor allem um biblisch relevante Aussagen zu Homosexualität, Ehe, Geschlechtsumwandlung, sowie der gesellschaftlichen Rolle von Mann und Frau“ (8).

Die Stärke das Buches liegt darin, dass Kotsch neben seinen eigenen Beiträgen, in denen er sowohl Stärken als auch Schwächen der Gender-Bewegung aufzeigt (23ff.) fünf Personen aus unterschiedlichen Hintergründen zu Wort kommen lässt. Dadurch kommt es nicht nur zu einer Beleuchtung des Themas aus christlicher, sondern auch aus säkularer Sicht. Die kurzen Beiträge sind gut lesbar und machen das Buch kurzatmig. Zusammenfassend: Ein gutes lesbares Buch, das die Augen für eine Entwicklung öffnet, die Christen nicht egal sein darf.

Aaron Graser, Lemgo


  1. Vgl. Meuser, M.  & Neusüß, C. (Hg). Gender Mainstreaming. Konzepte – Handlungsfelder – Instrument. Bd. 418.  Bonn: Bundeszentrale für Politische Bildung (BpB). 2004. (366 S.). Bothfeld , S., Gronbach ,S.  & B. Riedmüller. Gender Mainstreaming – eine Innovation in der Gleichstellungspolitik. Zwischenberichte aus der politischen Praxis.  Frankfurt a. Main: Campus. 2002. (280 S.). C. Burbach & P. Döge (Hg). Gender Mainstreaming: Lernprozesse in wissenschaftlichen, kirchlichen und politischen Organisationen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.  2006. (227 S.). B. Rosenkranz. MenschInnen: Gender Mainstreaming – Auf dem Weg zum geschlechtslosen Menschen. Graz: Arez. 2008. (168 S.). u.a.