ThemenKultur und Gesellschaft, Zeitgeist und Bibel

Heimliche und unheimliche Erzieher: Gelehrt durch Gottes Wort oder die gegenwärtige Kultur

Auch die gegenwärtige Kultur hat ihren eigenen Lehrplan, um ihre Inhalte an den Menschen zu bringen. Vieles kann man direkt mit Aussagen aus den klassischen Katechismen vergleichen, die zum Unterricht von Christen in den Grundlagen des Glaubens gedacht waren und sind. Es ist hilfreich, sich die Unterschiede vor Augen zu führen.

Unter Katechese versteht man im Allgemeinen den grundlegenden christlichen Unterricht von Kindern und Erwachsenen in Fragen des Glaubens. Das geschieht dann oft mit Hilfe eines Katechismus, einer für diesen Zweck verfassten kurzen schriftlichen Zusammenfassung. Katechese kann aber natürlich auch ohne Katechismus stattfinden. Und irgendwie haben auch Nichtchristen ihre „Katechese“ um Kindern und Erwachsenen ihre nichtreligiöse Grunderziehung beizubringen.

Durch die Reformation haben wir mehrere klassische Katechismen, die über Jahrhunderte erfolgreich den christlichen Glauben und die biblische Weltsicht vermittelt haben. So zum Beispiel im Heidelberger Katechismus und ähnlich im kleinen Katechismus mit Fragen und Antworten entsprechend der klassischen „dialektischen“ Methode von Unterricht. Auch die gegenwärtige säkulare Kultur bietet Antworten auf solche Fragen, selbst wenn wir gar nicht wahrnehmen, in welchem Ausmaß wir ständig belehrt werden.

Ich nehme im Folgenden einmal Fragen, wie sie ähnlich in den reformatorischen Katechismen formuliert wurden, und nenne sowohl die Antworten einer bibeltreuen Perspektive als auch Antworten, wie sie ausdrücklich oder unterschwellig durch unsere säkulare spätmoderne Kultur gegeben werden.

Was ist der letztendliche Sinn des menschlichen Daseins?

Christlicher Katechismus: Der Sinn des Menschen ist, Gott zu ehren und für immer zu Gottes Freude da zu sein.

Säkulare Kultur: Der Sinn des menschlichen Daseins ist, sich selbst zu verherrlichen und möglichst große Befriedigung bis zum eigenen Tod zu haben.

Wer hat dich erschaffen?

Katechismus: Gott.

Säkulare Kultur: Du hast dich selbst zu dem gemacht, was du bist, durch deine eigenen Entscheidungen.

Was ist Schöpfung?

Katechismus: Die Schöpfung ist Gottes Erschaffen aller Dinge aus dem Nichts durch sein machtvolles Wort in 6 Tagen bis zur sehr guten Vollendung.

Säkulare Kultur: Schöpfung ist die Bildung des eigenen Bewusst­seins und Denkens, indem ich alle mich unterdrückenden „Wahrheiten“ der Mächtigen überwinde.

Wie hat Gott den Menschen erschaffen?

Katechismus: Gott erschuf den Menschen als Mann oder Frau zu seinem Ebenbild, wobei er ihm Erkenntnis, Gerechtigkeit und Heiligkeit schenkte und ihm die Herrschaft über alles andere Erschaffene übertrug.

Säkulare Kultur: Gott hat nicht den Menschen erschaffen, vielmehr haben Menschen Gott nach ihren Vorstellungen und ihrem Vorbild erschaffen. Es gibt kein angeborenes Geschlecht. Erkenntnis, Gerechtigkeit und Heiligkeit sind nur Masken, die die Unterdrückung anderer Geschöpfe zum Ziel haben.

Was sind die Werke Gottes zur Erhaltung der Schöpfung?

Katechismus: Gottes Taten zur Erhaltung sind sein heiliges, weises und mächtiges Bewahren und Regieren aller seiner Geschöpfe, indem er zu seiner Ehre über sie und ihr Handeln bestimmt.

Säkulare Kultur: Alle Wahrheitsansprüche sind nur menschliche Konstruktionen, während die physische Welt wirklich existiert. Sie folgt zwar wissenschaftlichen Gesetzen, aber die physische Realität ist zufällig, ungerichtet und hat keinen Sinn.

Wo finden wir das moralische Gesetz zusammengefasst?

Katechismus: Das moralische Gesetz ist in den Zehn Geboten der Bibel kurz zusammengefasst.

Säkulare Kultur: Moralische Richtlinien können am besten im Slogan „Freie Auswahl“ zusammengefasst werden. Was immer ich bewusst wähle, ist gut für mich.

Was ist Rechtfertigung?

Katechismus: Rechtfertigung ist ein Akt der freien Gnade Gottes, in dem er alle unsere Sünden vergibt und uns als in seinen Augen Gerechte annimmt. Das geschieht nur dadurch, dass uns die Gerechtigkeit von Christus angerechnet wird, was wir allein durch Glauben und Vertrauen annehmen.

Säkulare Kultur: Rechtfertigung ist mein eigener Akt, mit dem ich meine Handlungen als richtig herausstelle und mit dem jede Anschuldigung, ich hätte etwas falsch gemacht, überzeugend entschuldigt wird.

Was ist ein Glaube, der rechtfertigt?

Katechismus: Glaube, der rechtfertigt, ist rettende Gnade, die durch den Heiligen Geist und das Wort Gottes im Herz des Sünders gewirkt wird. Dort erkennt er zugleich seine Sünde und bösen Taten und seine Unfähigkeit, sich aus dem Zustand der Verlorenheit zu befreien. Er bejaht nicht nur die Wahrheit der Zusagen des Evangeliums, sondern nimmt sie an und verlässt sich zuversichtlich auf Christus und seine Gerechtigkeit, dass ihm seine Sünden vergeben werden, er bei Gott angenommen ist und die Gerechtigkeit von Christus ihm als Rettung angerechnet wird.

Säkulare Kultur: Rechtfertigender Glaube ist die sichere und feste Überzeugung, dass ich nichts wirklich Wichtiges falsch gemacht habe.

Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben?

Katechismus: Mein Trost ist, dass ich mit Leib und Seele im Leben und im Sterben nicht mir, sondern meinem treuen Retter Jesus Christus gehöre. Er hat mit seinem teuren Blut für alle meine Sünden bezahlt und mich aus der Gewalt des Teufels befreit. Nun bewahrt er mich so, dass ohne den Willen meines himmlischen Vaters nicht ein Haar von meinem Kopf fallen kann. Alle Dinge müssen nun meiner Rettung dienen. Durch seinen Heiligen Geist versichert er mir auch, dass ich ewig leben werde und macht mich willig und bereit, unter seinem Willen zu leben.

Säkulare Kultur: Mein Trost ist, dass ich mir selbst gehöre. Aufgrund meiner Autonomie brauche ich auch niemand anderen. Ich weiß, dass es keine absoluten Werte gibt, die mich in Frage stellen könnten. Der Tod ist das absolute Ende, so dass ich mich nicht vor einem Gericht danach fürchten muss.

Während Jesus Christus derselbe ist, gestern, heute und in Ewigkeit, verändert sich die säkulare Kultur ständig. Der Rationalismus der Moderne suchte noch nach Wahrheit. Heutige Gesellschaftstheorien definieren sie einfach selbst gegen jede Wahrnehmung.

Während Jesus Christus derselbe ist, gestern, heute und in Ewigkeit (Heb 13,8), verändert sich die säkulare Kultur ständig. Vor ein paar Jahrzehnten hat der Katechismus dieser Kultur den Materialismus und den wissenschaftlichen Ratio­nalismus nach oben gebracht (Wer hat mich gemacht? Niemand, denn ich entstand durch zufällige Prozesse.) Inzwischen kann man diese „moderne“ Sichtweise des Rationalismus und die Berufung auf die physische Natur auch einfach über Bord werfen. Dann regiert eine postmoderne oder spätmoderne Weltanschauung mit Transgenderismus (gedachtes Geschlecht steht über natürlichem Geschlecht), Identitätspolitik (jede selbstgewählte Beschreibung der Zugehörigkeit überragt geschichtliche Wahrheit und Wirklichkeit) und ideologischer Konstruktivismus, der sich der Wissenschaft viel heftiger widersetzt, als man es den Christen fälschlicherweise oft vorwirft.

Es erscheint mir ein guter Weg, das zu verdeutlichen, wenn wir das Denken des säkularen Katechismus noch einem anderen Katechismus der Reformationszeit gegenüberstellen: dem kleinen Katechismus von Martin Luther. Luther hatte diesen Katechismus für die christliche Erziehung geschrieben, indem er die Lehre als Auslegung biblischer Abschnitte zu den 10 Geboten, dem Vaterunser und Aussagen zu Taufe und Abendmahl formulierte. Ergänzt wurde das durch die großartige Zusammenfassung, die das Apostolische Glaubensbekenntnis von wichtigen biblischen Inhalten liefert. Die Katechumenen, also die Schüler des Katechismus, sollten die alten Texte lernen und die Erklärungen, die der Kleine Katechismus immer wieder mit der Frage einleitet: „Was ist das?“

Die reformatorischen Katechismen wollten Kinder und Erwachsene immer zur Quelle der christlichen Offenbarung führen: Gott und sein Wort in der Bibel.

Luther wollte Kinder und Erwachsene so immer wieder zur Quelle der christlichen Offenbarung zurückführen: dem Wort Gottes der Bibel. Aber dazu sollten sie das Wort auch verstehen. Zu diesem Ziel hat er gewissermaßen beispielhafte Antworten auf die Frage „Was ist das?“ gegeben, wobei er biblische Aus­sagen entfaltete und sie zugleich auf das aktuelle Leben an­wandte. Die Antworten sind durch die Frage „Was ist das?“ und die Vergewisserung am Schluss „Das ist gewisslich wahr!“ gerahmt. Das sollte den Lernenden einprägen, dass das, was Gottes Wort lehrt, objektive Wahrheit ist. Wir können uns solcher Wahrheit gewiss sein. Das bedeutet, dass dabei nicht nur Glaubenssätze gelehrt wurden, sondern der Glaube selbst. Hier ein paar Auszüge aus Luthers Erklärung des apostolischen Glaubens­bekenntnisses.

Der Erste Artikel: Von der Schöpfung

Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde.

Was ist das?

Ich glaube, dass mich Gott geschaffen hat samt allen Kreaturen, mir Leib und Seele, Augen, Ohren und alle Glieder, Vernunft und alle Sinne gegeben hat und noch erhält; dazu Kleider und Schuh, Essen und Trinken, Haus und Hof, Weib und Kind, Acker, Vieh und alle Güter; mit allem, was not tut für Leib und Leben, mich reichlich und täglich versorgt, in allen Gefahren beschirmt und vor allem Übel behütet und bewahrt; und das alles aus lauter väterlicher, göttlicher Güte und Barmherzigkeit, ohn all mein Verdienst und Würdigkeit: für all das ich ihm zu danken und zu loben und dafür zu dienen und gehorsam zu sein schuldig bin.

Das ist gewißlich wahr.

Der Zweite Artikel: Von der Erlösung

Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn, empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel; er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters; von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.

Was ist das?

Ich glaube, dass Jesus Christus, wahrhaftiger Gott vom Vater in Ewigkeit geboren und auch wahrhaftiger Mensch von der Jungfrau Maria geboren, sei mein Herr, der mich verlornen und verdammten Menschen erlöset hat, erworben, gewonnen von allen Sünden, vom Tode und von der Gewalt des Teufels; nicht mit Gold oder Silber, sondern mit seinem heiligen, teuren Blut und mit seinem unschuldigen Leiden und Sterben; damit ich sein eigen sei und in seinem Reich unter ihm lebe und ihm diene in ewiger Gerechtigkeit, Unschuld und Seligkeit, gleichwie er ist auferstanden vom Tode, lebet und regieret in Ewigkeit.

Das ist gewißlich wahr.

Der Dritte Artikel: Von der Heiligung

Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten und das ewige Leben. Amen.

Was ist das?

Ich glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann; sondern der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen, mit seinen Gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiligt und erhalten; gleichwie er die ganze Christenheit auf Erden beruft, sammelt, erleuchtet, heiligt und bei Jesus Christus erhält im rechten, einigen Glauben; in welcher Christenheit er mir und allen Gläubigen täglich alle Sünden reichlich vergibt und am Jüngsten Tage mich und alle Toten auferwecken wird und mir samt allen Gläubigen in Christus ein ewiges Leben geben wird.

Das ist gewißlich wahr.

Der säkulare Katechismus würde auf die Frage „Was ist das?“ bzw. „Was bedeutet das?“ antworten: „Was immer ich will, dass es bedeuten soll.“ Neuere Theologen antworten oft ausdrücklich im Hinblick auf die Bibel auf diese Weise. Das klingt dann so: „Die Bibel bedeutet das, was nötig ist, um mit dem gegenwärtig vorherrschenden Denken und der daraus resultierenden Kultur im Einklang zu sein.“ Dazu konstruieren solche progressiven Bibellehrer dann umständliche „Erklärungs­paradigmen“, um damit zu beweisen, dass die Bibel Feminismus ebenso lehrt wie ein soziales Evangelium oder Queertheologie mit einem queeren Gott. Andere Zeitgenossen sind vielleicht ehrlicher, wenn sie Antworten: „Nichts bedeutet irgendetwas. Das Leben, das Universum, einfach alles ist völlig ohne Sinn.“ Anstelle der Zusicherung „Das ist gewisslich wahr!“ steht im säkularen Katechismus: „Es gibt keine Wahrheit, und Gewissheit gibt es auch nicht.“ Wenn wir dann unsere eigene Wahrheit, unsere eigene Ethik und einen eigenen Sinn konstruieren müssen, weil wir ohne nicht leben können, dann machen wir uns damit selber zu Göttern. Das sind allerdings traurige Gottheiten, denen Gerechtigkeit fehlt und die an den Tod gebunden sind.

Viele Kirchen benutzten heute keinen Katechismus mehr für ihre Lehre. Andere aber bieten jede Woche eine Stunde Katechismus­unterricht für Erwachsene und Jugendliche an als Voraussetzung für eine Mitgliedschaft. Nur wenige Christen benutzen den Katechismus so, wie er ursprünglich gedacht war, als Hilfe für ihr persönliches Glaubensleben und für die Unter­richtung ihrer Kinder zuhause.

Der säkulare Katechismus wird uns ständig gelehrt, ob wir uns in den sozialen Netzwerken anmelden, fernsehen oder auf eine öffentliche Schule oder Universität gehen.

Der säkulare Katechismus allerdings wird uns ständig gelehrt, ob wir uns in den sozialen Netzwerken anmelden, fernsehen, auf eine öffentliche Schule oder Universität gehen oder einfach im Internet surfen. In den USA schauen inzwischen durchschnittlich jeder Er­wachse­ne sieben Stunden am Tag auf einen Bildschirm, der durchschnittliche Jugendliche sogar acht Stunden. Und dabei werden Menschen auf Linie gebracht mit den Inhalten des säkularen Katechismus.

Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Ligonier Ministries