ThemenIslam und Christentum, Orientierung, Zeitgeist und Bibel

Vom Solus Christus zum „Solus Dialogus“

In den vergangenen Jahren hat die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) den Reformator Martin Luther auch heftig kritisiert. Die Töne einer Distanzierung sind manchmal fast stärker als das Bekenntnis zur Reformation. Auch die Haltung Luthers zum Islam wurde dabei im vergangenen Jahr als für die heutige Situation unpassend angesehen und als polemisch und einseitig verworfen, weil sie angeblich nicht dem Dialog dienen könne. Ein genauer Blick aber zeigt, dass die Tatsachen anders sind und Luther als erster verständlich und angemessen über den Islam aufklärte.

Martin Luther war der erste christliche Theologe in Europa, der sich darum bemüht hat, das Wissen über Türken und Islam in einer jedem verständlichen Sprache zu verbreiten.1 Seine Quellen waren die wichtigsten und fast einzig erhältlichen Schriften zum Islam in Westeuropa. Die Knappheit der Quellen hat ihn schockiert. Er stellte fest, dass sich die Christen mit dem Islam bisher nicht richtig beschäftigt haben, obwohl „die Lehre Mahomets“ schon seit 900 Jahren wütet.2

Nicht um eine billige Polemik gegen die Türken als politische Macht ging es Luther in seinen „Türkenschriften“, sondern um eine sachliche und biblisch begründete Analyse des Islam. Er war nicht einmal an Geschichten über Mohammed interessiert: „Die Person Mohammeds bewegt mich nicht. Aber die Lehre der Türken [den Islam] müssen wir angreifen.“3

Der Islam blieb zeit seines Lebens für Luther ein wichtiges Thema. Drei Wochen vor seinem Tod wies der Reformator in einer Predigt darauf hin, dass der christliche Glaube der einzig richtige Glaube ist, der Islam dagegen eine theologische Erfindung .4

Haltlose Vorwürfe an den Reformator

Luthers fundierte und harte Kritik am Islam bereitet heute vielen Zeitgenossen Unbehagen. In einer Zeit, in der „Dialog“ und „Toleranz“ als das höchste Ziel gilt, platzen die deutlichen Worte Luthers über den Islam wie eine Bombe in die künstliche interreligiöse Harmonie. Für heutige Funktionsträger der Kirchen ist Luther ein Ärgernis mit seiner Islamkritik. Während Luther seine Bewertung des Islam ausnahmslos durch die Worte Allahs im Koran begründet, operieren seine Gegner mit viel Phantasie und Verleumdung.

Um Luthers Islamkritik als unsachlich darzustellen, wird immer wieder behauptet, Luthers Urteile über den Islam seien das Ergebnis von „psychologischen Zwängen“ durch den militärischen Druck von außen.5 Die Türken standen gerade vor Wien. Der Reformator sei „aufgrund der zeitgeschichtlichen Situation zu einer objektiven Wür­digung… und zu einer korrekten Darstellung (des Islam) gar nicht imstande“ gewesen.6

Nicht von ahnungslosen Laien werden solche Vorwürfe an Luther ausgesprochen, sondern von Personen, die sich Jahre lang akademisch mit Luthers Werken befasst haben.7 Kann es sein, dass sie die wichtigsten Schriften Luthers über den Islam nicht gelesen haben? Oder geht es ihnen um eine bewusste Verleumdung Luthers, der den antichristlichen Charakter des Islam nachgewiesen hat?

Luthers nüchterne und sachliche Darstellung des Islam

Als die „Türkennot“ in Europa mit der ersten Belagerung Wiens 1529 ihren Höhepunkt erreichte, war Luther ein renommierter Gelehrter mit kühlem Kopf. Ein echter Lutherforscher schreibt: „Es ist erstaunlich, mit welcher Nüchternheit Luther die Lage der Christenheit betrachtet, ohne in einen hochfliegenden Optimismus, aber auch ohne in einen resig­nierenden Pessimismus zu verfallen.“8

Luthers Schriften zum Islam sind weder eine billige Polemik noch eine panische Hetze, sondern eine sachliche Darstellung des Islam und dessen Auswertung im Lichte der Bibel. Ganz anders als Luther geht die heutige Kirche bei der Bewertung des Islam vor.

EKD distanziert sich von Luthers „Islam-Wahrnehmungen“

In ihrem Impulspapier „Reformation und Islam“ (2016) bezeichnet die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) die Aussagen Luthers zum Islam als „polemisch“, „einseitig“, „schemenhaft“, „holzschnittartig“ und „nicht passend zu gegenwärtigen dialogischen Ansätzen“.9 Der EKD zufolge darf unser Zeugnis von Jesus Christus nicht als anmaßend oder überheblich für den Islam wahrgenommen werden. Vor allem darf der Islam dabei weder abgewertet noch für „unwahr“ erklärt werden.10 Damit ersetzt die EKD „Solus Christus“ durch „Solus dialogus“ – also „wahr ist, was dem Dialog dient!“

Der EKD zufolge darf unser Zeugnis von Jesus Christus nicht als überheblich gegenüber dem Islam wahrgenommen werden. Deswegen darf der Islam nicht als unwahr gewertet werden.

In der Kirche Luthers sind es nicht viele, die heute wagen, den Islam so zu nennen, wie die Lehre Allahs sich selbst im Koran und in den Sprüchen des „Propheten“ Mohammed präsentiert und wie Luther ihn folgerichtig nannte: ein „Reich, dessen Wesen und Entstehen ganz allein durch den Kampf gegen Christus und seine Heiligen bestimmt“ ist.11

Auch der Appell Luthers an die Evangelische Kirche, Muslime mit dem Evangelium zu erreichen, war vergeblich. Bis Anfang des 19. Jahrhunderts unternahm die evangelische Christenheit keinen ernsthaften Versuch zur Verwirklichung der Aufforderung Luthers, dass sie das Evangelium auch „den Türken“ verkünden sollen.12

Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, wie dieser Auftrag von Jesus Christus, dem Herrn der Kirche, von namhaften kirchlichen Würdenträgern als „nicht mehr zeitgemäß“, „anmaßend“ und „überheblich“ abgelehnt wird. Hier können wir nur noch beten und Buße tun.

Aus tiefer Not schrei ich zu dir,

Herr Gott, erhör mein Rufen.

Dein gnädig Ohren kehr zu mir

und meiner Bitt sie öffne;

Denn so du willst das sehen an,

was Sünd und Unrecht ist getan,

wer kann, Herr, vor dir bleiben?

Bei dir gilt nichts denn Gnad und Gunst, die Sünde zu vergeben;

Es ist doch unser Tun umsonst auch in dem besten Leben.

Vor dir niemand sich rühmen kann, des muß dich fürchten jedermann

und deiner Gnade leben.

Martin Luther (1524)


  1. Thomas Kaufmann: „Luthers Sicht auf Judentum und Islam“, in: Heinz Schilling & Anne Mittelhammer (hg): Der Reformator Martin Luther 2017. Eine wissenschaftliche und gedenkpolitische Bestandsaufnahme, S. 54, München 2014. 

  2. Hartmut Bobzin: „Martin Luthers Beitrag zur Kenntnis und Kritik des Islam“, in: Neue Zeitschrift für systematische Theologie und Religionsphilosophie, Bd. XXVII 1985, S. 121. 

  3. Kaspar Heydenreichs Nachschriften, in: Dr. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe. Tisch­reden, Bd. V, S. 221, Weimar 1919. 

  4. Adam S. Francisco: Martin Luther and Islam. A Study in Sixteenth-Century Polemics and Apologetics, S.92, Leiden-Boston 2007. 

  5. Ludwig Hagemann: „Zur Auseinander­setzung des Christentums mit dem Islam im Mittelalter und in der Reformationszeit“, in: Verkündigung und Forschung, 1/1987, S. 58. 

  6. Herbert Blöchle: Luthers Stellung zum Heidentum im Spannungsfeld von Tradition, Humanismus und Reformation, S.154, Frankfurt am Main 1995. 

  7. David Choi: Martin Luther‘s Response to the Turkish Threat, S. 179 ff., Princeton 2003; Ludwig Hagemann: Luther und der Islam, S. 16, Altenberge 1983. 

  8. Helmut Lamparter: Luthers Stellung zum Türkenkrieg, S. 67, München 1940. 

  9. Reformation und Islam. Ein Impulspapier der Konferenz für Islamfragen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), S. 25, Hannover Mai 2016. 

  10. ebd. 

  11. „Heerpredigt wider den Türken, aaO, S.172 (Walter Holsten: Christentum und nichtchristliche Religion nach der Auffassung Luthers, S.137, Gütersloh 1932). 

  12. Gottfried Simon: „Luther‘s Attitude Toward Islam“, in: Moslem World, Bd. XXI, 1931, S. 262.