Im Zusammenhang von Glaube und Theologie ist immer wieder von einer Sprachkrise die Rede, die das Sprechen über theologische Wahrheit schwierig, unverständlich und aus Sicht mancher gar unmöglich mache. Es werden dabei verschiedene Beobachtungen gemacht. Wenn es um das Reden über Sünde, Schuld und Vergebung geht, scheint es mit besonderen Schwierigkeiten verbunden zu sein, sich den Zeitgenossen verständlich zu machen, weil hier von Kategorien und einer Wirklichkeit die Rede ist, die dem heutigen Menschen fernzuliegen scheinen. Er frage nicht mehr nach dem gnädigen Gott, der ihm einen Weg in den Himmel eröffnen soll. Darum müsse man die Glaubensthemen jeweils erst an aktuelle Erfahrungen anpassen, notfalls mit dem Preis, alte Glaubenswahrheiten aufzugeben.
Es gehört zur modernen Glaubenskrise, dass die Bibel nicht in natürlicher Sprache reden darf, sondern nur noch die menschliche Religiosität berühren soll.
Andererseits hat sich ein Reden eingebürgert, das Glaubensbegriffe frei schwebend verwendet. Oft wird gerade damit gespielt, dass man sich und seinen Adressaten keine klare Rechenschaft über den Gebrauch bestimmter Vokabeln gibt. Obwohl man eigentlich eindeutige Wörter verwendet und alle an der Kommunikation Beteiligten zu verstehen scheinen, was gesagt ist, füllt doch jeder die Wörter innerlich mit anderen Inhalten. Man stimmt sich gegenseitig zu und täuscht sich, einer Meinung zu sein, dabei hat man nur die gleichen Wörter benutzt, ist aber weit voneinander entfernt. Francis Schaeffer hatte das „Begriffsmystizismus“ genannt. Dies etwa gehört regelmäßig zum Gespräch mit römisch-katholischen Theologen, wo nicht einmal das Wort „Jesus Christus“ das Gleiche bedeutet, wie für einen evangelischen Christen. Das gleiche gilt für „Gnade“, „Evangelium“ oder „Buße“. Es wurde zu Recht beklagt, dass auch ein so elementarer Begriff wie „Wort Gottes“ nicht eindeutig gebraucht wird.1 Diese Krise der Sprache des Glaubens ist jedoch m.E. kaum die „tiefste Wurzel“ einer Glaubenskrise,2 sondern eher ein Anzeichen für dieselbe. Wenn der Glaube im Wort Gottes gründen soll, dann darf er nicht zu einer Brille oder einem Filter werden, mit dem man nur wahr sein lässt, was einem angenehm ist. Denn es gehört zur Glaubenskrise, dass die Bibel für manche nicht in geschöpflicher Sprache sagen darf, was sie sagt, sondern nur noch berühren, „inspirieren“ soll, was jeweils im Menschen schon an Religiosität vorhanden ist.
Dass angesichts dessen Martin Luther mit seinem Werk und Anliegen als ein „Sprachereignis“3 bezeichnet wurde und von vielen auch nach fünf Jahrhunderten noch so wahrgenommen wird, verwundert nicht. Es lohnt sich, seine eigene Sprachauffassung an der Luthers zu messen, weil sie zutiefst von der Liebe zum Wort Gottes geprägt ist. Man kann Luthers „Sprachphilosophie“ als Grundlage für weite Teile seines theologischen Arbeitens ansehen. Das fängt sicher bei seiner Übersetzungs- und Auslegungstätigkeit an, hat aber seine entscheidenden Auswirkungen auch auf seine Überzeugung von der Entstehung des Glaubens beim Menschen durch die Predigt oder beim Verständnis der Bedeutung der Bibel für Theologie und Kirche.4 Wesentliche hermeneutische Einsichten hat Luther in seiner Schrift „Vom unfreien Willen“ formuliert, was zeigen kann, wie diese mit grundlegenden Fragen des Glaubens verbunden waren.
In diesem Aufsatz versuche ich, nach einer kurzen Darstellung von Luthers Verständnis der Sprache, zu zeigen, dass seine Auffassungen auch heute für gesunde Theologie angemessen sind und sich als Grundlage für theologisches Reden eignen.
Luthers Sprachphilosophie
Kann man überhaupt von einer Sprachphilosophie5 Luthers sprechen? Wirkten nicht einfach persönliche Sprachbeherrschung und einige übernommene Anschauungen seiner Zeit über das Wesen der Sprache zusammen und führten so zu Luthers sprachlichem Wirken, das seinerseits unbestritten ist?6 Nein, man kann „von der Konzeption einer neuen Sprachlehre bei Luther sprechen“.7 Zwar gehen Luthers sprachphilosophische Themen auf die mittelalterliche Scholastik und Patristik zurück, doch gibt er Antworten, die den alten zum Teil entgegengesetzt sind.8
Die Einheit von Geist und Wort
Luther hat vom Beginn seiner Lehrtätigkeit und in allen seinen Schriften auf einer Einheit von Geist und Wort bestanden. Deutlich wird das schon in seinen Psalmvorlesungen, die er in den Jahren 1513/14 gehalten hat, findet sich aber genauso in seinen späteren Evangelien- und Briefauslegungen. Gottes Geist findet sich nur in einer „geschichtlich begrenzten Verhüllung“9,die als die menschliche Rede erkannt wird. Heute ist die göttliche Wirksamkeit in gleicher Weise „begrenzt“, „indem sie durch das äußere Wort und die Sprache an die Ohren der Menschen ergeht“.10 Für Luther gibt es kein Wirken des Geistes am Wort vorbei, als spräche der Geist Gottes direkt zum menschlichen Geist, ohne sich des Wortes zu bedienen. Damit ist der direkte Weg zu den geistlichen Realitäten der Gotteswelt versperrt. „Nur die ‚testimonia rerum‘, d.h. die Einkleidung dieser Realitäten in menschlich-geschichliche Erscheinungen vermögen wir aufzunehmen“.11 Bei Luther heißt das dann:
„Das Wort ist die einzige Brücke und Steig, durch welche der Heilige Geist zu uns kommt“ (W2 9, 876).
Wenn aber das Wort Gottes „in Ohren klingt, so geht mit dem Wort der Heilige Geist in die Herzen, wo er will“ (W2 9,875)
Luther steht damit gegen die Tradition. Sowohl Augustin als auch Thomas von Aquin erwarteten ein Wirken des Geistes neben dem Wort. Augustin glaubte zwar, dass sich Gott der Sprache bediente, um sich dem Menschen verständlich zu machen, in erster Linie aber redet Gott bei ihm in übersprachlicher Weise zum Menschen:
„Entweder spricht die unwandelbare Wahrheit unmittelbar zum Geiste des vernünftigen Geschöpfes, oder sie spricht durch ein wandelbares Geschöpf, und dann entweder mittels geistiger Bilder zu unserem Geiste oder mittels hörbarer Stimme zu unserem Leibessinn.“12
Bei Thomas von Aquin ist die Ansicht zu finden, dass sich der Heilige Geist des menschlichen Wortes als eines Mittels bedient, er begleitet es zwar, kann aber auch unabhängig wirken.13 Luther wendet sich aber ebenso entschieden gegen das spiritualistische Sprachverständnis, das zu seiner Zeit herrschte.
„Wir wissen, daß der Heilige Geist ohne Wort und Sakrament sein Werk nicht ausrichten will, bei den Rotten gilt nichts denn Gaist, Gaist!“ (W2 13,2445)
Zu solchen „Rotten“ zählte etwa Sebastian Franck (1499-1542). Er hatte sich als ehemals katholischer Priester dem evangelischen Glauben zugewandt und war vor allem in Straßburg und Ulm tätig. Aus seiner Ablehnung des Papsttums und jeder nach Herrschaft strebenden Kirche entwickelte er das Ideal eines freien, inneren Christseins, das vollkommen ohne Autoritäten auskommen sollte. Dazu zählte er aber bald auch die Bibel selbst und wollte nur noch das innere Wort gelten lassen. Wegen seines Einflusses haben sich Luthers Mitarbeiter direkt mit seinen Schriften auseinandergesetzt.
Gerade der geschichtliche Charakter des äußeren, gesprochenen oder geschriebenen Wortes, so meinte Franck, mache es diesem unmöglich, das innere, geistliche Wort wiederzugeben. So sagt er:
„Das äußere Wort ist mit Fleisch verlegt vn überschütt / wie mit kath ein lebendiger brunnen.“14
Daraus zieht Sebastian Franck die Konsequenz, dass es völlig unmöglich ist, Gottes Wort überhaupt auszusprechen oder aufzuschreiben. Man kann es nur und muss es in Stille hören und empfinden.
„Es leßt sich nicht meistern/ fürdern/ wehren/ oder in yemand nöten/ und ya weder reden noch schreiben/ sonder inn ihm selbs gelassen/ vnnd still hören/ vnnd empfinden.“15
Kann man Gottes Reden klar hören und lesen oder ist es nur ein inneres Wort, das jeder für sich selbst still innerlich hören muss?
Aus der Sorge, dass Gottes Wort und damit Gott selbst dem Menschen in irgendeiner Weise verfügbar würde, wird alles Reden Gottes letztlich zu einer inneren, psychologischen Größe, die sich allein im Seelenleben des einzelnen Menschen abspielt. Dabei ist zwar die Hoffnung da, dass das innere Wort irgendwie von Gott stammt, für den Menschen selbst kann es aber keine Gewissheit geben, dass nicht aus ihm selbst kommt, was in ihm selbst hochsteigt. Sebastian Franck nimmt nicht wahr, dass auf diese Weise Gottes Reden erst recht in die Abhängigkeit vom Menschen, nämlich von dessen religiöser Empfänglichkeit und Gefühlen, gerät.
Luther betont demgegenüber die Einheit von innerem und äußerem Wort. Das äußere Wort, das den Menschen durch Schrift oder lautliche Form erreicht, darf nicht verschieden sein von dem, was der Mensch als inneres Wort in seinem Herzen und Denken wahrnimmt. Das entspricht der natürlichen Sprache, wie Gott sie in die Schöpfung gegeben hat. Unser täglicher sprachlicher Umgang funktioniert nämlich im allgemeinen sehr gut nach diesem Prinzip. Oder was sagte einer, der einen anderen bäte, etwas für ihn zu tun, dieser aber empfände, indem er es hört, den inneren Drang, sich ein Stündlein schlafen zu legen, tät‘s und erwachte in der Überzeugung, er habe nun die Bitte des anderen erfüllt?
Das äußerliche Wort der Bibel geht dem innerlichen Wort voran und muss seinen Inhalt bestimmen.
Luther gibt dem äußeren Wort den Vorrang vor dem inneren. So betont er in den Schmalkadischen Artikeln gerade im Zusammenhang mit der Beichte:
„Und in diesen Stücken, so das mündliche, äußerliche Wort betreffen, ist fest darauf zu bleiben, dass Gott niemand seinen Geist oder Gnade gibt, ohne durch oder mit dem vorgehenden äußerlichen Wort.“ (W2 16,1944)
An dieser Stelle soll betont werden, dass Luther das Wirken des Heiligen Geistes nicht allein auf das Wort der Bibel beschränkt sah. Das menschliche Wort der Predigt kann genauso Träger des Geistes Gottes sein, wenn es aus dem Wort Gottes kommt.16 Es ist aber wichtig, zu fragen, welche Voraussetzungen für das geisterfüllte Wort gegeben sein müssen. Denn geisterfülltes Wort zu reden ist für Predigt und theologisches Reden ein anzustrebendes Ziel.
Natürliche Sprachlogik
Luther hat diese Frage nicht offengelassen, sondern die Antwort an den Sinn des jeweiligen Wortes gebunden. In seinen Auslegungen zum 1. Petrusbrief unterscheidet er zwischen Wortleib und Sinn:
„Denn wiewohl die Stimme oder Rede bald verschwindet, so bleibt doch der Kern, das ist der Verstand, die Wahrheit, so in der Stimme verfasset wird.“ (W2 9,1005)
Um den Kern der Rede zu erkennen, muss nach dem „natürlichen“ Wortsinn gefragt werden. Durch diesen findet man, von Ausnahmen abgesehen, das Gemeinte der Aussage heraus. Luther will nicht zuerst oder vor allem nach dem „übertragenen Sinn“ suchen, wie das in der Auslegung nach dem vierfachen Schriftsinn im Mittelalter üblich war und anfangs auch von ihm selbst praktiziert wurde. In den Tischreden sagt er von dieser: „Ich weiß, daß es ein lauter Dreck ist.“ (W2 22, 1344.) Die Väter haben wegen solcher „Spielerei“ mit dem Wort Gottes häufig genug seinen Sinn verdreht (W2 10, 473-474). Die äußere Form der Sprache in Lauten und Buchstaben ist aber nicht Trägerin des Geistes, so als ob der Geist darin abgebildet wäre, sondern der ausgesagte Sinn ist es. Und der ist, von Ausnahmen abgesehen, einzigartig und immer der gleiche und darf nicht von der hörenden oder lesenden Person bestimmt werden.
Damit aber der Sinn verstanden werden kann, muss man die Sprache kennen, in der die Aussage gemacht wurde. Für die Heilige Schrift legt Luther deswegen ein großes Gewicht auf die Kenntnis der hebräischen und griechischen Sprache. Er geht davon aus, dass die Autoren klar und eindeutig gesprochen haben, so wie es für jeden selbstverständlich ist, der verstanden werden will.
„Derhalben haben auch die Sophisten gesagt: die Schrift sei finster; haben gemeint Gottes Wort sei von Art so finster und seltsam. Aber sie sehen nicht, dass aller Mangel an den Sprachen liegt; sonst wäre wohl nichts Leichteres je geredet, denn Gottes Wort, wo wir die Sprachen verstünden.“ (W2 10,473)
Das sagt Luther in seiner Schrift „An die Rathsherren in aller Städte Deutschlands“ und er belegt den Sachverhalt mit einem eindrücklichen Beispiel:
„Ein Türk muß mir wohl finster reden, welchen doch ein türkisch Kind von sieben Jahren wohl vernimmt, dieweil ich die Sprache nicht kenne.“ (Ebd.)
Weil menschliche Sprache die Mittlerin von Gottes Geist ist, darum ist es wichtig, die biblischen Sprachen zu lernen und die Bibel in die Sprache der Gegenwart zu übersetzen.
Die hebräische und griechische Sprache sind zwar heilig, doch allein deswegen, weil Gott sie ausgewählt hat, dass sein Wort darin abgefasst wird. Jede Sprache kann Heiligung erfahren, wenn der Sinn des Wortes Gottes da hinein übersetzt wird und sie von daher verändert wird. Dadurch ist ausgesagt, dass jede menschliche Sprache Trägerin des Geistes Gottes sein kann. Peter Meinhold folgert:
„Im Prinzip ist mit dem Gedanken, daß die menschliche Sprache schlechthin die Mittlerin des göttlichen Geistes ist, die Notwendigkeit einer Übertragung der Bibel in die gesprochenen Sprachen der Gegenwart gegeben.“17
Damit erscheint Luthers Übersetzertätigkeit in einem neuen Licht. Sein Mühen, den jeweiligen Sinn für den Hörer und Leser verständlich wiederzugeben, konnte ihn doch gelegentlich mehrere Tage an einem Ausdruck festhalten. Dabei war er keineswegs um eine Pedanterie bemüht, wenn es um Rechtschreibung oder Grammatik ging. Das handhabte er recht großzügig.
„Wohin wir auch blicken, immer nur auf die erschöpfendste Erfassung des Sinnes jeder Stelle im Zusammenhang des Ganzen und auf die zutreffendste Art der Ausdeutung dieses Sinnes mit allen Mitteln, die die deutsche Sprache anzubieten hat.“18
Seine Bibelübersetzung mit ihrer starken Wirkung auf unsere Sprache ist ein Beweis, dass es Luther gelang, die „Wacken und Klötze“ aus dem Weg zu räumen, so dass der Leser „wie über ein gehobelt Brett“ gehen kann (W2 21,973). Das muss geschehen, damit der Geist durch das Wort den Menschen erreichen kann. Wenn nämlich der klare Sinn des Evangeliums die Menschen nicht mehr erreicht, so wird auch der Glaube abnehmen (W2 10,471).
Theologisches Reden
Auch zum theologischen Reden äußert Luther einige Gedanken. Als Grundsatz gilt für ihn dabei, dass „es gar gefährlich ist, von Gottes Sachen anders reden, oder mit andern Worten, denn Gott selbst gebraucht“ (W2 10,475). Im Zusammenhang des bisher Gesagten ist klar, dass er sich nicht auf ein Nachsprechen von Bibelworten beschränken will. Er will aber nicht mehr sagen oder dem Sinn nach über das hinausgehen, was die Texte der Bibel aussagen.
Die Thesen der „Disputation de divinitate et humanitate Christi“ und das „Latomus Traktat“ geben wichtige Hinweise, wie Luther ein verantwortliches theologisches Reden auf der Grundlage der Bibel verstand.19 Wie gesagt, unterscheidet Luther die äußere Sprachform und den jeweiligen Sinn, der darin ausgesagt ist. Die Notwendigkeit dafür ist auch sofort einsichtig, wenn man bedenkt, dass sowohl dieselbe Sache mit verschiedenen Wörtern gesagt werden kann, als auch dieselben Worte, abhängig vom Sprecher und vom Redezusammenhang, Verschiedenes aussagen können (Thesen 52-57).
Martin Luther: „Es ist gefährlich, von Gottes Sachen anders zu reden, oder mit andern Worten, denn Gott selbst gebraucht.“
Will man von den zwei Naturen Christi sprechen, so gilt, „daß alle Redeweisen uneigentlich sind“, weil „der gemeinte Sinn bzw. die Sache für uns unaussprechlich ist und nicht mit treffenden Gleichnissen beschrieben werden kann“20 (Thesen 22, 33, 50). Für diese „res ineffabilis“ (unaussprechliche Dinge) müssen Begriffe verwendet werden, die schon einen Sinn haben. Luther kennt aber eine neue Sprache mit neuen Wörtern. So sind die neuen Wörter eigentlich altbekannte, die aber neu geworden sind, dadurch dass sie auf Christus angewendet werden. Dazu schreibt Risto Saarinen treffend, dass für Luther das Neue der Wörter nicht darin besteht, „daß sie eine andere Sache bezeichnen, d.h. neben ihrer normalen Grundbedeutung etwas ganz anderes so bezeichnen“, vielmehr erhält ein Wort „eine neue Signifikationsmöglichkeit, indem es von Christus gebraucht wird“.21
Das erstgenannte wäre eine Äquivokation. Bei dieser bezeichnen zwei gleiche Wortleiber verschiedene Dinge. Das ist z.B. bei Bank (Sitzplatz) und Bank (Geldinstitut) der Fall. Das andere nennt Saarinen „Gebrauchs-Äquivokation“, weil sich die Äquivokation nicht auf den Inhalt, sondern nur auf den Gebrauch erstreckt.22
Gebrauchs-Äquivokation ist uns nicht fremd. Wir sagen z.B. „Glas“, wenn wir den Stoff bezeichnen wollen. Genauso „Glas“ heißt aber auch ein bestimmter gläserner Behälter. Zwar liegt hier stoffliche Gleichheit vor, aber im Stoff ist doch nichts über die Form ausgesagt, so dass wir zur Klarstellung auch von „Trinkglas“, „Glasschüssel“ und „Glasscheibe“ sprechen. Meist ist das Gemeinte durch den Zusammenhang ausreichend klar und es kommt keine Verwechslung vor. Ein häufig missverständlicher Gebrauch wäre sicher verdrängt worden, weil wir uns Missverständnisse nicht leisten wollen.
Den genauen Sinngehalt des theologisch neuen Wortes erhält man also nicht aus der Übertragung des alten Sinnes in den neuen Gebrauch, sondern:
„Die Semantik der neuen Vokabeln ist in der Heiligen Schrift im ‚usus loquendi in scripturis‘ unmittelbar und a priori gegeben“.23
Der Gebrauch der Wörter in der Heiligen Schrift ist der Maßstab, ob ein bestimmtes theologisches Reden angemessen ist.
Am Gebrauch der Wörter in der Heiligen Schrift muss sich also jede theologische Aussage messen, „ob in einer bestimmten Redeform, die die unaussprechliche Sache bezeichnende neue Vokabel zur Sprache kommt“, oder nur gottlose Philosophie getrieben wird (vgl. Luther Thesen 1-19)24.
Ist das aber nicht schwierig und willkürlichen Interpretationen ausgesetzt, so dass die Schrift doch als dunkel und unverständlich bezeichnet werden muss und demzufolge auch nicht Maßstab theologischer Rede sein kann? Die Schrift kann missverstanden werden, aber nur von denen, die nicht glauben. Für sie ist das Evangelium verhüllt (2.Kor. 4,4). Für Luther ist aber wichtig, dass sie nicht an sich und in ihren Aussagen dunkel ist. Die Schrift beinhaltet deswegen auch keine doppelte Wahrheit, so dass sie je und je anders verstanden werden dürfte. Die Wörter haben eine eindeutige Grundbedeutung, wenn sie auch durch bildliche Rede eine andere, auch unaussprechliche geistliche Wirklichkeit bezeichnen. Verschiedene Wörter müssen nicht verschiedene Sachen meinen. Wir sprechen von „Erlöser“, „Heiland“, „gutem Hirten“ und können immer Jesus Christus meinen. Die unterschiedlichen Wörter betonen dann eventuell nur unterschiedliche Aspekte im Hinblick auf den Messias und Retter Jesus Christus.
„Die Signifikationskraft der Metapher wird demzufolge nicht durch die eigentlichen semantischen Beziehungen, sondern nur durch eine ontologische Gleichheit (similitudo) gewonnen.“25
Sinnvolle theologische Aussagen können wohl überhaupt nur gemacht werden, weil es eine bestimmte Form von Gleichheit zwischen der menschlichen und der göttlichen Welt gibt. Wir wissen allerdings nicht, worin diese Gleichheit genau besteht, außer durch Formulierungen aus der „einzigen und apriorischen Quelle“, die die Heilige Schrift ist.26 So redet die Bibel davon, dass der Mensch nach dem Bild Gottes geschaffen wurde, was das aber meint und worin die Gottähnlichkeit besteht, kann nur die Schrift sagen. Luther spitzt im Latomus Traktat die Sache so zu, dass die Schrift durch ihre Verwendung einfacher Grundbedeutungen leicht verständlich ist. Keiner menschlichen Auslegung gelingt es, die Schrift klarer zu machen. Diese Auslegungen müssen sich aber ihrerseits die Prüfung durch die Schrift gefallen lassen.27 Nur für alles weitere Spekulieren sollte dann wohl Wittgensteins Satz gelten: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.“28
Folgerungen für theologisches Reden heute
Luther hat eine Reihe der Konsequenzen, die aus seiner Sprachauffassung zu folgern sind, selbst genannt. Hier sollen sie noch einmal im Bezug auf heutiges theologisches Reden herausgestellt werden.
Wir können Gottes Willen in unserer Sprache aussagen, weil Gott mit seiner Offenbarung in die geschöpfliche Welt eingegangen ist.
Der Wunsch nach einer solchen Sprachgewalt, wie Luther sie hatte, kann wohl nicht der einzige Grund dafür sein, seine Sprachphilosophie zu übernehmen. Kämen wir aber damit dem Denken der Heiligen Schrift näher und könnten sie besser verstehen, könnten damit aber auch die Inhalte ihrer Aussagen anderen heute besser verständlich machen, so wäre das ein guter Grund. Offensichtlich misst die Bibel dem Wort eine außerordentliche Bedeutung zu. Dessen besonderer Stellenwert wird etwa damit unterstrichen, dass Wort und Tat insbesondere im Hinblick auf das Reden Gottes eng miteinander verbunden sind.
Folgte auf das Wort nicht die Tat, so ist es ein Lügenwort. Im Bezug auf das Wort Gottes gilt, dass Jahwe sein Wesen mit Wörtern bekannt macht. Wer Jahwes dabar hat, kennt Jahwe. Sein Wort ist der Weg, wie er sich sterblichen Menschen erkennbar macht. Deswegen ist die besondere Beziehung zwischen Mose und Gott darin gekennzeichnet, dass Gott zu Mose, wie mit einem Freund sprach (2Mo 33,11; 4Mo 12,8). Hier wird die Nähe zu Luthers Auffassung von der Einheit von Geist und Wort erkennbar. Gottes Wort ist sinnvoll und Sein Weg, sich erkennen zu geben. Das Wort ist in der Bibel gerade nicht Substanz, die unabhängig vom Sinngehalt ihre Wirkung als göttlich entfalten würde, sondern ein wirkliches, gesprochenes Wort. Dieselbe Ansicht vertritt auch Luther, wenn er den Sinngehalt des Wortes Gottes für übertragbar in eine andere Sprache hält, ohne dass Gott gleichermaßen das Wort in dieser Sprache wiederholend aussprechen müsste.
Es zeigt sich, dass Luthers Auffassung der Absicht und dem Wesen des Wortes Gottes in besonderem Maße entspricht und sich damit auch als Grundlage für theologisches Reden vor anderen Theorien auszeichnet.
Wird die Heilige Schrift, als das Wort Gottes, zur Norm, an der sich messen lässt, ob theologische Aussagen zutreffend oder nur gottlose Philosophie sind, empfindet man das als eine Eingrenzung. Es ist eine Begrenzung, doch m.E. eine auf das Wesentliche. Nur innerhalb einer Grenze lässt sich beispielsweise Genauigkeit und Schriftgemäßheit verwirklichen, wie sie auch für die Theologie gefordert werden darf. Nur so gibt es die Möglichkeit, eine Aussage zu überprüfen. Das würde geschehen, wenn man den Sinn eines theologischen Satzes mit dem Sinn verschiedener Aussagen der Schrift vergleicht.29 Da unsere Äußerungen häufig Verknüpfungen sein werden, muss natürlich auch die Berechtigung für solche Verbindungen geprüft werden.
Ohne die Bibel als Norm steht alles theologische Reden auf schwankendem Grund. Der Mensch ist auf sich selbst zurückgeworfen.
Will man jedenfalls die Heilige Schrift als Norm für theologisches Reden nicht gelten lassen, steht jede „theologische Sprachlehre“ auf schwankenden Grund. Beispielhaft kann man beobachten, wie Gerhard Ebeling mit seiner Sprachlehre zwar treffend in das „Dickicht des Sprachproblems“ hineinführt, aber nicht wieder heraus. Für ihn kommt dem Bibelwort zwar für die Sprache des Glaubens „ein unumstrittener und unüberholbarer Vorrang“ zu, doch muss es in existentialistischer Manier „durch eine bestimmte Situation … in besonderer Weise zum Klingen“ gebracht werden und so erst von „toter“ zu „lebender“ Sprache werden.30
Sprache des Glaubens ist sicher mehr als ein bloßes Nachsprechen von Bibelworten. Das wäre auch kein Zeichen für das richtige Verständnis derselben. Sie ist aber sehr wohl ein „Nachsprechen“ des geglaubten Sinngehaltes des biblischen Wortes und nur an dieses gebunden. Ebeling sieht dagegen auch durch eine „christlich religiöse Sprache“, die Gottes Wort zum Zentrum hat, „nicht ohne weiteres einen Gebrauch und ein Verständnis, die dem Glauben gemäß sind“, gesichert.31 Wir werden auf „Jesus als Inbegriff der Kriterien der Sprache des Glaubens“ gewiesen und damit in eine Situation entlassen, die Ebeling als „prekär und peinlich“ erkennt, denn „um die Weise, wie er [Jesus] Kriterium der Sprache des Glaubens ist, wird … von jeher Streit geführt“.32
Man erkennt an der Ablösung der Person Jesus als ein über der Bibel stehendes Prinzip, die Trennung von Wort und Geist. Die aber hat unweigerlich zu Folge, dass der Mensch letztlich immer auf sich selbst zurückgeworfen wird und um sich selbst drehen muss, in gerade dem Kreis, den Ebeling in seiner „Sprachkrise“ umschrieben hat. Der Mensch muss im „toten Buchstaben“ durch seine „eigene innere Lebendigkeit“ den „schlummernden Geist“ erst aufwecken.33 Theologisches Reden ist damit an menschliches Erleben gebunden. Die Nähe zu einem rein mystischen Sprachverständnis34 ist unverkennbar, so auch in den folgenden Sätzen:
„Was mir jetzt aufgeht und sprachlich Gestalt gewinnt, sich also im Buchstaben niederschlägt, das ist mir, indem es geschieht, noch Geist, und zwar Geist in seiner spezifischen Mächtigkeit als konkret werdender, zur Bestimmtheit gelangender Geist. Aber das, was mir heute in dieser Weise Geist ist, wird mir morgen möglicherweise bereits zum bloßen Buchstaben, zu einem gesetzlich übernommenen, vorgeschriebenen Spracherbe, das mir nur dadurch wieder Geist wird, daß ich … wieder in den Ursprung jenes Sprachgeschehens einkehre.35
Dieses Zitat kann repräsentativ stehen für viele ähnliche Aussagen, die sich bei vielen Theologen finden lassen. Für Luther sind alle die, die den Buchstaben für „ein todtes Wesen auf dem Papier“ halten, nur „Schwärmer“ (W2 9,1514). Bleiben wir mit Luther bei der Einheit von Wort und Geist, erwarten nicht, dass ein Wirken des Geistes Gottes vor, neben oder zu dem „toten“ Wort der Bibel treten müsste, dann bleibt die Frage, ob und wie der Sinn des Wortes Gottes heute zu erkennen ist. Nur mit diesem könnten dann sinnvolle theologische Aussagen gemacht werden.
Gott schafft den Glauben auf dem Weg über mit Wörtern mitgeteilter Wahrheit. Wird Gottes Wort verständlich, bekommt „Satans Reich ein Loch“.
Immer wieder stößt man auf die Behauptung, dass „der Tenor der Denkweise der heutigen Welt die biblischen und klassischen Formulierungen dieses Evangeliums unverständlich macht“.36 Dann werden z.B. Nacherleben oder existentielle Betroffenheit als geeignete Erkenntniswege angeboten. Ein solches Denken ist aber gerade nicht „allgemein – menschliche und zu allen Zeiten vorauszusetzende Form“. Vielmehr ist „die Form des persönlichen ‚Erlebnisses‘ erst seit der Neuzeit im Abendlande überhaupt objektiv möglich“.37 Die Autoren der Heiligen Schrift setzen offenbar solches Denken für ihre Leser nirgends voraus. Sie gehen davon aus, dass ihre Hörer und Leser für ein richtiges Verstehen zuerst einmal ein normales Sprachverstehen benötigen. Der Glaube, als einem inneren vertrauenden Einverständnis in das Gehörte, ist mehr als ein rein rationales Verstehen, aber auch er wird auf dem Weg über die mit Wörtern mitgeteilte Wahrheit geschaffen. Luther hat in diesem Zusammenhang treffend von einem „Loch im Reich des Satans“ gesprochen (WA 15,36):
„Denn der Teufel roch den Braten wohl: wo die Sprachen hervorkämen, würde sein Reich ein Loch bekommen, das er nicht leicht wieder zustopfen könnte. Weil er dem nun nicht hat wehren können, dass sie hervorkämen, denket er doch, sie nun so schmal zu halten, dass sie von selbst wieder vergehen und fallen sollen. … Darum, liebe Deutschen, lasst uns hier die Augen auftun, Gott für das edle Kleinod danken und fest darüber wachen, dass es uns nicht wieder entrissen werde und der Teufel nicht seinen Mutwillen an uns auslasse. Denn das können wir nicht leugnen: obwohl das Evangelium allein durch den heiligen Geist gekommen ist und täglich kommt, so ist‘s doch durch das Mittel der Sprachen gekommen und hat auch dadurch zugenommen, muß auch dadurch behalten werden.“
Zu den Tricks des Teufels, das Loch wieder zuzustopfen, kann man auch den Versuch von van Buren zählen, der den Sinn einer Aussage nicht durch ihren Inhalt, sondern aus der vermuteten Absicht des Sprechers erheben will. „Der Sinn einer Aussage wird gefunden in der Funktion dieser Aussage und ist mit ihr identisch“.38 Die Folge dieses Vorgehens macht er selbst deutlich: „Die Worte ‚Herr ist Jesus‘ z.B. bedeuten überhaupt nichts, es sei denn, sie seien von jemandem aus einem bestimmten Grunde gesagt oder geschrieben worden“.
Den Aussageinhalt aber von einer zumeist nur vermuteten oder auch willkürlich konstruierten Aussageabsicht abhängig zumachen, führt letztlich zur Entleerung des Wortes Gottes. Das heißt nicht, dass eine Aussageabsicht, soweit sie auch ausgesagt ist, nicht den Inhalt einer Aussage mitbestimmt. Aber es ist doch offensichtlich, dass Willkür in der Deutung des Bibelwortes dann Einzug erhält, wenn man sich von der normalen Sprache und der klaren Aussage löst. Das gleiche gilt für die in neueren Übersetzungstheorien aufgestellte Forderung, eine Aussage sei erst dann richtig verstanden, wenn sie eine bestimmte Wirkung beim Hörer oder Leser erzielt, die mit der Wirkung beim ersten Hörer oder mit den vermuteten Absichten des Sprechers zusammenfallen muss. Solche Auslegungsarten entfernen sich vom natürlichen Wortsinn und sind letztlich nicht besser als die, von der Luther derb sagte: „Ich weiß, daß es ein lauter Dreck ist“ (W2 22,1344).
Der Inhalt einer biblischen Aussage darf weder von einer vermuteten Absicht des Autors abhängig sein, noch von einer Wirkung, die er angeblich beim Hörer erzielen wollte.
Der Sinngehalt der Aussagen der Schrift liegt im natürlichen Sinn, der von der naheliegenden Grundbedeutung der Worte ausgeht. Nur hieran dürfen sich theologische Aussagen knüpfen. Damit ist Folgendes ausgesagt: Theologie ist im Grunde Übersetzungstätigkeit. Ihre Aufgabe besteht darin, mitzuteilen, was uns schon mitgeteilt wurde. Sie stellt sich dadurch auf den heutigen Menschen ein, dass sie seine Sprache spricht, nicht aber, dass sie seine Ideen übernimmt oder selbst zur Ideenschmiede wird. Luther hat die Wechselbeziehung zwischen dem Dolmetscher und dem Theologen sehr wohl verstanden.39 Er war als Übersetzer ganz Theologe und als Theologe vor allem Übersetzer.
Dass für richtiges Auslegen der Geist Gottes notwendig ist, soll auch hier noch einmal gesagt werden. Das betonte auch Luther wiederholt, so in einer Predigt über Joh. 14, 25f:
„Daß ich an Christum glaube und ihn kenne, das Wort und Sacrament recht verstehe und brauche, daß habe ich nicht durch meinen Kopf, sondern durch den Heiligen Geist“ (W2 8,456).
Martin Luther: „Kein Mensch auf Erden hat ohne Gottes Wort jemals einen rechten Gedanken oder eine gewisse Erkenntnis von Gott mögen treffen und fassen.“
Der Heilige Geist kommt aber durch das Wort. Hier zeigt sich in eigenartiger Weise, wie die Schrift ihr eigener Ausleger bleibt, selbst wenn der Mensch Auslegung der Schrift betreibt. In der richtigen Weise kann er es nur mit dem Geist tun, den er aus der Schrift erhält. In diesem Sinn dürfen wir auch Paulus verstehen, der im 1. Korintherbrief schreibt (2, 13):
„Und das reden wir auch nicht mit Worten, die von menschlicher Weisheit gelehrt sind, sondern mit Worten, die vom Geist gelehrt sind, indem wir Geistliches für Geistbegabte deuten.“
So wollte auch der einzige „Theologe“ im NT nicht sich selbst predigen, sondern sah sich den Worten Jesu verpflichtet, der selbst sagte (Joh. 6, 63): „Die Worte, die ich zu euch geredet habe, sind Geist und sind Leben.“
Fazit
Es ist offensichtlich geworden, in welcher Verantwortung jeder steht, der theologische Aussagen macht. Wenn ihm die Verheißung Jesu an seine Jünger „Wer euch hört, der hört mich!“ (Lk. 10, 16) gelten soll, muss er belegen, dass seine Sätze mit der Heiligen Schrift zu vereinbaren sind. Er muss dabei bleiben, dass „kein Mensch auf Erden, ohne Gottes Wort, jemal einen rechten Gedanken und gewiß Erkenntniß von Gott hat mögen treffen und fassen“ (W2 8,760-761). Für Luther gab es keine Alternative zu einer Ausrichtung theologischen Redens an der Schrift.
Es hat sich immer wieder gezeigt, dass jede Suche nach anderen Wegen nur dazu führt, dass der Mensch auf sich selbst gewiesen ist. Aus sich selbst kann er aber nicht mehr als Religion hervorbringen, die vielleicht in bester Absicht nach Gott sucht oder ihm dienen will, aber an der rechten Erkenntnis Gottes, die das ewige Leben bedeutet (Joh 17,3) kann er nicht heranreichen. Nie wird er so angemessene Aussagen über Gott machen können. Für die Praxis unseres Redens von Gott müssen wir die Einschränkung akzeptieren, der jeder Übersetzer unterliegt. Er muss dem Werk eines anderen dienen und darf seine Ideen nicht mit denen des anderen vermischen.
Die Worte aus Prediger 7,9-11 sind wegweisend (Luthers 1545):
Der selb Prediger war nicht allein Weise/ sondern leret auch das Volck gute lere/ vnd mercket vnd forschet vnd stellet viel Sprüche. Er sucht/ das er fünde angenehme wort/ vnd schreib recht die wort der Warheit. Dyese wort der Weisen sind Spiesse und Negel/ geschrieben durch die Meister der versammlunge/ vnd von einem Hirten gegeben.
Anders Jeffner, „Theologie und analytische Philosophie: Fragen aus ihrer Konfrontation in Schweden,“ KUD, 18 (1972), S.280. ↩
Gerhard Ebeling, Einführung in theologische Sprachlehre (Tübingen: Mohr, 1971), S.3. ↩
ders., Luther: Einführung in sein Denken (Tübingen: Mohr, 1964), S.1. ↩
vgl. Peter Meinhold, Luthers Sprachphilosophie (Berlin: Lutherisches Verlagshaus, 1958), S.9. ↩
Eine gute Übersicht über sprachphilosophische Einsichten und ihre Bedeutung für die Theologie findet sich bei Helmut Fahrenbach, „Positionen und Probleme der gegenwärtigen Philosophie: Teil 2: Philosophie der Sprache,“ ThR, 35 (1970), 5.277-306 und ThR, 36 (1971), S.125-144 und S.221-243. ↩
Nur ein Detail ist das „e“ am Ende vieler Wörter wie bei „Glaube“, „Seele“, „Krone, „Blume“ oder „Liebe“. In weiten Teilen Deutschlands wurde es nicht gesprochen und teilweise auch nicht mehr geschrieben. Erst Luthers Bibelübersetzung setzte diese Sprech- und Schreibweise in ganz Deutschland durch und war im 18. Jhdt. sogar als „lutherisch“ verschrien. Vgl. Matthias Heine, „Wie Luther das kleine e rettete“, Die Welt vom 13. Nov. 2015, S. 26. Luther hat auch viele Redewendungen der deutschen Sprache geprägt. Seine Wirkung entfaltete er vor allem über seine Bibelübersetzung. ↩
Meinhold, Luthers Sprachphilosophie, S.9. ↩
Ebd., S.45-56. ↩
Ebd., S.12. ↩
Meinhold, Luthers Sprachphilosophie, S.12.; s.a. Martin Luther, Werke: Weimarer Kritische Gesamtausgabe (Weimar 1883 ff.), 3, 262, im Folgenden abgekürzt ‚WA‘. Alle Luther-Zitate sind der Walchschen Ausgabe der Luther Werke entnommen, Dr. Martin Luthers sämtliche Schriften, hg. Johann Georg Walch, 2. überarb. Aufl. (1880-1910; Nachdruck St. Louis: Concordia, 1986f.), abgek. ‚W2‘. ↩
Meinhold, a.a.O., S.13; s.a. WA 3, 279. vgl. W2 9, 876. ↩
De civitate Dei, XVI, 6. Original: Aut enim veritas incommutabilis per se ipsam ineffabiliter liquitur rationalis creaturae mentibus, auf per mutabilem creaturam loquitur, sive spiritalibus imaginibus nostro spiritui sive corporalibus vocibus corporis sensui. ↩
Summa theol. II, 2 qu. 177 art. 1. ↩
Sebastian Franck, Paradoxa ducenta octoginta, das ist: Zweyhundert vnnd achtzig Wunderred (Pforzheim: 1559; repr. Berlin: Akad. Verlag, 1966), 124/125, Bl 163b. ↩
Ebd., 280, Bl 359b. ↩
Peter Meinhold stellt dazu fest: „Es ist die Öffentlichkeit der Predigt…, die heute die Mittlerin des Gottesgeistes in der Fülle des geschichtlichen Lebens ist.“ Luthers Sprachphilosophie, S. 16; vgl. WA 4,319/320 und WA 4,9. ↩
Luthers Sprachphilosophie, S.17. ↩
Arnold E. Berger, „Luther und die neuhochdeutsche Sprache“, Grundriß der germanischen Philologie, 17,2 (1943): S. 73. ↩
„Thesen“, W2 10, 1140-1147. Die Thesen sind nummeriert und werden im Text nach ihren Nummern zitiert. „Latomus Traktat“, W2 18, 1056-1201. ↩
Risto Saarinen, „Metapher und biblische Redefiguren als Elemente der Sprachphilosophie Luthers,“ NZStTh, 30 (1988), S.28. ↩
a.a.O. S. 29. ↩
ebd. S.35; Man könnte vielleicht auch von einer Univozität in bestimmter Hinsicht sprechen. Mir erscheint aber Saarinens Begriff mit seinen Erläuterungen besser zu passen. ↩
Ebd. S.30-31. ↩
Ebd. S. 31. ↩
Ebd. S. 33. ↩
ebd. S.34. vgl. W2 18,1153-1158 ↩
Vgl. Saarinnen, S. 36-37. ↩
Ludwig Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus: Logisch-philosophische Abhandlung, 14. Aufl. (Frankfurt: Suhrkamp, 1979), These 7. ↩
Jeffners Polemik gegen eine „naive Theologie“ des Fundamentalismus und Biblizismus ist kurzschlüssig. Immerhin hat er bemerkt, dass man sich dort der Kriterienfrage angemessen stellen will. Wichtig ist allerdings festzuhalten, dass die Heilige Schrift in die Schöpfung Gottes hineingegeben ist. Sie redet insofern realitätsgerecht und kann sich deswegen auch echten wissenschaftlichen Maßstäben stellen. Nur wo man die Bibel zur einer Realität über der Schöpfung erklärt, würde der Vorwurf des Biblizismus zum Teil zutreffen. Jeffner, „Theologie u. analyt. Philosophie,“ S.287 u. S.279-283. ↩
Ebeling, Einführung in theol. Sprachlehre, S.228-229. ↩
Ebd. S. 236. ↩
Ebd. S. 237. ↩
Ebd. 251-252. ↩
siehe dazu J. Sløk, „Sprache und Religion,“ RGG3, 6 (1962), Sp. 268-272 und auch K. Voßler, „Sprache und Religion,“ RGG2, 5 (1931), Sp. 711-715. ↩
Ebeling, Einführung in die theol. Sprachlehre, S. 139-140. ↩
Paul M. van Buren, Reden von Gott – in der Sprache der Welt: Zur säkularen Bedeutung des Evangeliums, übers. v. Karl Huber (Zürich, Stuttgart: Zwingli, 1965), S.12. Van Buren war sicher ein Vertreter, der diese Sicht pointiert vorgetragen hat, aber Ähnliches findet sich häufig. ↩
Johannes Lohmann, „Das Verhältnis des abendländischen Menschen zur Sprache: Bewußtsein und unbewußte Form der Rede,“ Lexis, 3 (1952), S.5-6. ↩
van Buren, Reden von Gott, S.99. ↩
Vgl. Birgit Stolt, „Luthers Übersetzungstheorie und Übersetzungspraxis,“ Leben und Werk Martin Luthers von 1526 bis 1546, hg. Helmar Junghans (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1983), S.242 u. S.245. ↩